1
(1)
Es waren einmal zwei Bauersleute, gute, aber bettelarme Menschen, die eines jungen Sohn hatten. Eines Morgens ging der Mann in den Wald, um Reisig zu sammeln. Und während er sich nach jedem Stöcklein bückte, flehte er Gott an, ihm doch eine leichtere, einträglichere Arbeit zu senden. Plötzlich sah er zu seinem Schrecken, daß unter einem Felsen ein entsetzlicher Drache hervorkroch und den gewaltigen Rachen sperrangelweit aufriß. „He, Mensch, jetzt fresse ich dich!“ fauchte er. „Ach, lieber Drache, erbarme dich meiner!“ schluchzte der Mann. „Ich habe daheim Weib und Kind. Wer würde für sie sorgen, wenn ich. tot bin?“ — „Das geht mich nicht’s an“, versetzte der Drache. „Ich will dich fressen und damit basta!“ — „Na gut, ich bin nicht der erste und werde auch der letzte nicht sein!“ seufzte der Mann. „Wenigstens brauch ich jetzt nicht mehr zu schuften und Hunger zu leiden.“ — „Hm, arm bist du? Dann will ich dich verschonen. Da hast du einen Edelstein, verkaufe ihn und iß dich satt. Und wenn du jeden Morgen herkommst und mir einen Eimer Milch bringst, werde ich dir täglich so ein Steinchen schenken.“ — „Dann danke ich dir auch recht schön, Bruderherz, daß du mir das Leben und dazu einen Edelstein geschenkt hast“, antwortete der Mann. Der Drache kroch in seine Höhle zurück, der Mann aber sammelte eilig noch etwas Reisig und lief dann heim. Dort warf er seine Last in den Hof und ging schnurstracks zu einem Goldschmied, der ihm für den Stein zehn Lira bezahlte. Für dieses Geld kaufte der Mann alles, was in der Wirtschaft gefehlt hatte, und obendrein Lebensmittel in Hülle und Fülle. Seine Frau und sein Sohn waren überglücklich, und alle aßen sich satt.
Am nächsten Morgen füllte er einen Eimer mit Milch, ging in die Berge und rief nach dem Drachen. Dieser kroch herbei, leckte die Milch aus und schenkte ihm wiederum einen Edelstein. Das ging geraume Zeit so weiter, der Mann wurde wohlhabend, und eines Tages beschloß er, eine Pilgerfahrt zum Grabe des Herrn anzutreten. Deshalb nahm er seine Frau zuvor in die Berge mit, zeigte ihr, wo der Drache hauste, und verabredete mit ihm, daß sie in seiner Abwesenheit die Milch bringen würde.
Und dann rüstete er zu seiner Pilgerfahrt. „Mein Gott, sollten wir unseren Sohn nicht verheiraten, bevor du dich auf die Reise machst, lieber Mann?“ fragte die Frau. Er hatte nichts dagegen und ließ den Sohn holen. „Söhnchen, deine Mutter sagt, es sei Zeit, dich zu verheiraten. Bist du damit einverstanden?“ — „Freilich“, antwortete der Sohn. „Und hast du auch schon eine Braut im Auge? Aber hoffentlich keine Hinterhältige, sondern eine, die in unsere Familie paßt?“ — „Ja, ich hab mich in die Nachbarstochter verliebt.“ — „Die kenne ich“, sagte der Vater. „Schön ist sie ja, ich weiß nur nicht, ob sie eine Wasserschlange oder eine Sandschlange ist. Und wenn du nicht glauben willst, Söhnchen, daß alle jungen Mädchen Schlangen sind, dann schöpfe im Teich einen Eimer Wasser und bringe ihn mir her.“
Der Sohn gehorchte. „Jetzt stecke die Hand in den Eimer, Söhnchen, und zieh raus, was du fängst, ohne hinzusehen“, befahl der Vater. Der Bursche gehorchte und zog eine Schlange heraus. „Siehst du. Söhnchen, da hast du eine Schlange gefangen. Aber fürchte dich nicht vor ihr, es ist eine Wasserschlange, die beißt nicht. Natürlich mußt du auch bei ihr vorsichtig sein, immerhin ist sie eine Schlange. Aber gefährlicher sind jene, die du im Gebirge triffst und die aussehen, als wären sie mit Sand bestreut. Das sind die Sandschlangen. Ihnen mußt du in großem Bogen aus dem Wege gehen. Und merke dir, Söhnchen: Junge Mädchen sind ebenfalls Schlangen — harmlose Wasserschlangen oder gefährliche Sandschlangen. Und die einzige Möglichkeit um festzustellen, zu welcher Sorte so ein hübsches Ding gehört, besteht darin, daß man sich nach seiner gesamten Verwandtschaft erkundigt, nach Eltern, Großeltern und sonstigen Anverwandten:“ Doch der Sohn ließ die Ratschläge des Vaters zum einen Ohr herein- und zum anderen wieder hinausgehen und dachte nicht daran, über seine Braut Erkundigungen einzuziehen, denn er war bis über beide Ohren in sie verliebt. Auch war die Nachbarstochter in der Tat ein ansehnliches Mädchen, stattlich und mit einer Haut wie Milch und Blut. So machte er Hochzeit mit ihr, und anschließend trat der Vater seine Pilgerfahrt an.
Die Mutter brachte dem Drachen weiterhin Milch und verkaufte die Edelsteine, die sie dafür erhielt, an den Goldschmied, aber alles heimlich. Dennoch merkte ihre junge Schwiegertochter bald, daß sie allmorgendlich bei Tagesgrauen das Haus verließ, und wurde neugierig — kein Wunder, war sie doch eine Schlange. Außerdem erboste es sie, daß die Schwiegermutter über alles Geld verfügte und sie selbst keines in die Hand bekam, um sich hübsche Kleider zu kaufen. Deshalb schlich sie der alten Frau eines Morgens nach und fand alles heraus. „Du bist mir ein rechter Waschlappen!“ stichelte sie, als sie abends mit ihrem Mann allein war. „Wer ist hier denn der Herr im Hause? Deine Mutter besitzt das gesamte Geld, und du mußt sie um jede Kupfermünze anbetteln. Das konnte ich nicht länger mit ansehen und bin ihr deshalb heute nachgegangen. Jetzt weiß ich, woher sie das Geld bekommt! Und wenn du mich nicht verlieren willst, dann sei ein Mann und beschaffe dir ebenfalls Geld!“ Sie redete und tuschelte und brachte ihn so weit, daß er eine Wut auf seine eigene Mutter bekam und sie am nächsten Morgen tatsächlich zur Rede stellte. „Sag mir endlich, wohin du die Milch bringst und was du dafür erhältst!“ — „Das darf ich dir nicht sagen. Söhnchen“, antwortete die Mutter. „Ich hab’s dem Vater geschworen. Und wenn ich meinen Schwur breche, werde ich krank.“ — „Ich glaube nicht, daß du krank wirst. Und sagst du’s mir nicht freiwillig, so zwinge ich dich dazu.“ — „Ach, Söhnchen, früher warst du doch nicht so bös! Woher kommt das bloß? Sollte dir jemand was eingeflüstert haben?“ Sie bat und flehte, aber der Sohn, von seinem bösen Weib aufgehetzt, ließ sich nicht erweichen.
So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn am nächsten Morgen zum Drachen zu führen und ihm zu sagen, bei welchem Goldschmied der Edelstein zu verkaufen war. Doch kaum war sie nach Hause zurückgekehrt, da mußte sie sich krank zu Bett legen und war von nun an außerstande, dem Drachen die Milch zu bringen. Darüber freute sich die boshafte junge Frau, hatte nun doch ihr Mann die Möglichkeit, das zu tun. Und als er von seinem Weg zurückkehrte, nahm sie ihm das Geld ab, das er für den Edelstein erhalten hatte. Jetzt bist du ein richtiger Mann!“ sagte sie dabei. „Und kein Waschlappen mehr.“ — „Freilich“, erwiderte er traurig, „aber nun ist meine Mutter krank, und ich trage die Schuld daran. Wenn sie stirbt, bin ich verflucht!“ — „Davon kann keine Rede sein“, versetzte das böse Weib. „Im Gegenteil, erst wenn deine Mutter verreckt ist, kann ich frei atmen! Zudem hat sie lange genug gelebt, und ich hab’s satt, mich dauernd von ihr auszanken zu lassen, wenn ich eine Tasse zerschlage, etwas Milch verschütte, oder die Schürze ansenge. Dauernd will sie mir gute Lehren erteilen, als verstünde ich nicht zu wirtschaften!“ Mit solchen boshaften Reden vergiftete sie ihren jungen Mann derart, daß er bereit gewesen wäre, seine Mutter in einem Löffel Wasser zu ertränken. Eine Zeitlang brachte er dem Drachen Milch und erhielt täglich einen Edelstein. Seine boshafte Frau sah zwar, daß sie immer reicher wurden, aber das ging ihr nicht schnell genug, und so verfiel sie auf den teuflischen Gedanken, es wäre besser, den Drachen zu erschlagen und ihm alle Edelsteine auf einmal wegzunehmen, als jeden Morgen zu ihm zu gehen, um ein einziges Steinchen zu erhalten. Lange weigerte sich der junge Mann, den Drachen zu töten, denn dessen Freundlichkeit hatten sie doch ihren Reichtum zu verdanken.
Aber seine böse Frau kannte keine Dankbarkeit, weder gegenüber ihrer armen kranken Schwiegermutter noch gegenüber dem Drachen. Sie quälte ihren Mann so lange, bis er nachgab. Er verfertigte sich eine eiserne Streitkeule und verbarg sie unter seinem Gewand, als er am nächsten Morgen ins Gebirge ging. Vor der Höhle angelangt, stellte er die Milch wie immer an den Eingang. Und als der Drache hervorkam und sich über den Eimer beugte, um die Milch auszulecken, ließ er die Streitkeule auf den Kopf des Drachens niedersausen. Doch das focht den Drachen wenig an, sein Kopf war, hart wie Stahl. Dagegen holte er nun seinerseits mit dem starken Schwanz aus und schlug seinen Beleidiger zu Boden. „Ha! Umbringen willst du mich!“ brüllte er. „So eine Niedertracht. Wer hat dir das eingeblasen? Deine kranke Mutter oder gar dein Weib? Doch deiner Strafe entgehst du nicht! Ich schlinge mich jetzt um deine Beine, so daß sie anschwellen und dir so lange Schmerzen bereiten, bis ich die Kopfschmerzen, die du mir zugefügt hast, vergessen habe!“ Und nachdem er seine Drohung wahrgemacht hatte, kroch er in seine dunkle Höhle zurück. Der junge Mann schleppte sich unter Aufbietung aller Kräfte heim, seine Beine waren so dick geworden wie Holzkloben. Seitdem mußte er das Bett hüten und große Schmerzen leiden. Sein verfluchtes Weib aber nahm sich einen anderen, obwohl er doch noch am Leben war, und dachte nicht daran, ihn zu pflegen.
Über kurz oder lang kehrte der Vater von seiner Pilgerfahrt zurück und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er Weib und Sohn krank vorfand. „Ach, Söhnchen, deine Frau ist bestimmt eine Sandschlange. Hättest du dir doch lieber eine Wasserschlange genommen!“ sagte er betrübt. Am nächsten Morgen füllte er den größten Eimer bis an den Rand mit frischer Milch, ging zum Drachen hin, stellte den Eimer vor die Höhle und wartete ab. Aber der Drache ließ sich nicht sehen. Da rief er ihn, bat ihn flehentlich, sich doch zu zeigen. Und wirklich kam der Drache beim dritten Ruf hervor, begrüßte den Pilger und erzählte ihm, was der undankbare Bursche ihm angetan hätte. „Vergib meinem Sohn“, bat der Pilger. „Er ist von Natur aus nicht schlecht, nur seine böse Frau hat ihn dahin gebracht.“ — „Ja, Bruder, ich weiß, daß deine Schwiegertochter eine böse Schlange ist“, sagte der Drache schließlich. „Und sie wird euch alle verderben, falls sie am Leben bleibt. Aber es gibt eine Rettung: Zwinge sie, sich in den Finger zu schneiden, und zwar so, daß dein Sohn einen Tropfen ihres giftigen Blutes schlucken kann. Ihr Gift macht das meine nämlich unschädlich und wird deinen Sohn heilen. Wenn du willst, daß wieder Friede in dein Haus einzieht, dann tu, was ich dir sage. Hier hast du auch einen Edelstein.“ Der Pilger bedankte sich, ging heim und erzählte alles seinem Sohn.
Dieser rief auch sogleich die junge Frau an sein Krankenlager und befahl ihr, sich den kleinen Finger zu ritzen. Doch sie weigerte sich, das zu tun. Da griff er zu einer List und bat sie, ihm wenigstens ein wenig Brot in den Mund zu stecken. Dazu fand sie sich bereit; als sie die Hand an seinen Mund führte, biß er sie in den Finger und saugte etwas Blut heraus. Da sank sie tot zu Boden, und er sprang, gesund aus dem Bett. Auf diese Weise befreite sich die Familie von der bösen Schlange. Auch die Mutter wurde wieder gesund. Später heiratete der Sohn zum zweitenmal, aber zuvor erkundigte er sich gründlich nach der näheren und weiteren Verwandtschaft der Braut. So bekam er ein sanftes, verträgliches Mädchen, das zwar auch eine Schlange war, aber von der Sorte der Wasserschlangen.
Am nächsten Morgen füllte er einen Eimer mit Milch, ging in die Berge und rief nach dem Drachen. Dieser kroch herbei, leckte die Milch aus und schenkte ihm wiederum einen Edelstein. Das ging geraume Zeit so weiter, der Mann wurde wohlhabend, und eines Tages beschloß er, eine Pilgerfahrt zum Grabe des Herrn anzutreten. Deshalb nahm er seine Frau zuvor in die Berge mit, zeigte ihr, wo der Drache hauste, und verabredete mit ihm, daß sie in seiner Abwesenheit die Milch bringen würde.
Und dann rüstete er zu seiner Pilgerfahrt. „Mein Gott, sollten wir unseren Sohn nicht verheiraten, bevor du dich auf die Reise machst, lieber Mann?“ fragte die Frau. Er hatte nichts dagegen und ließ den Sohn holen. „Söhnchen, deine Mutter sagt, es sei Zeit, dich zu verheiraten. Bist du damit einverstanden?“ — „Freilich“, antwortete der Sohn. „Und hast du auch schon eine Braut im Auge? Aber hoffentlich keine Hinterhältige, sondern eine, die in unsere Familie paßt?“ — „Ja, ich hab mich in die Nachbarstochter verliebt.“ — „Die kenne ich“, sagte der Vater. „Schön ist sie ja, ich weiß nur nicht, ob sie eine Wasserschlange oder eine Sandschlange ist. Und wenn du nicht glauben willst, Söhnchen, daß alle jungen Mädchen Schlangen sind, dann schöpfe im Teich einen Eimer Wasser und bringe ihn mir her.“
Der Sohn gehorchte. „Jetzt stecke die Hand in den Eimer, Söhnchen, und zieh raus, was du fängst, ohne hinzusehen“, befahl der Vater. Der Bursche gehorchte und zog eine Schlange heraus. „Siehst du. Söhnchen, da hast du eine Schlange gefangen. Aber fürchte dich nicht vor ihr, es ist eine Wasserschlange, die beißt nicht. Natürlich mußt du auch bei ihr vorsichtig sein, immerhin ist sie eine Schlange. Aber gefährlicher sind jene, die du im Gebirge triffst und die aussehen, als wären sie mit Sand bestreut. Das sind die Sandschlangen. Ihnen mußt du in großem Bogen aus dem Wege gehen. Und merke dir, Söhnchen: Junge Mädchen sind ebenfalls Schlangen — harmlose Wasserschlangen oder gefährliche Sandschlangen. Und die einzige Möglichkeit um festzustellen, zu welcher Sorte so ein hübsches Ding gehört, besteht darin, daß man sich nach seiner gesamten Verwandtschaft erkundigt, nach Eltern, Großeltern und sonstigen Anverwandten:“ Doch der Sohn ließ die Ratschläge des Vaters zum einen Ohr herein- und zum anderen wieder hinausgehen und dachte nicht daran, über seine Braut Erkundigungen einzuziehen, denn er war bis über beide Ohren in sie verliebt. Auch war die Nachbarstochter in der Tat ein ansehnliches Mädchen, stattlich und mit einer Haut wie Milch und Blut. So machte er Hochzeit mit ihr, und anschließend trat der Vater seine Pilgerfahrt an.
Die Mutter brachte dem Drachen weiterhin Milch und verkaufte die Edelsteine, die sie dafür erhielt, an den Goldschmied, aber alles heimlich. Dennoch merkte ihre junge Schwiegertochter bald, daß sie allmorgendlich bei Tagesgrauen das Haus verließ, und wurde neugierig — kein Wunder, war sie doch eine Schlange. Außerdem erboste es sie, daß die Schwiegermutter über alles Geld verfügte und sie selbst keines in die Hand bekam, um sich hübsche Kleider zu kaufen. Deshalb schlich sie der alten Frau eines Morgens nach und fand alles heraus. „Du bist mir ein rechter Waschlappen!“ stichelte sie, als sie abends mit ihrem Mann allein war. „Wer ist hier denn der Herr im Hause? Deine Mutter besitzt das gesamte Geld, und du mußt sie um jede Kupfermünze anbetteln. Das konnte ich nicht länger mit ansehen und bin ihr deshalb heute nachgegangen. Jetzt weiß ich, woher sie das Geld bekommt! Und wenn du mich nicht verlieren willst, dann sei ein Mann und beschaffe dir ebenfalls Geld!“ Sie redete und tuschelte und brachte ihn so weit, daß er eine Wut auf seine eigene Mutter bekam und sie am nächsten Morgen tatsächlich zur Rede stellte. „Sag mir endlich, wohin du die Milch bringst und was du dafür erhältst!“ — „Das darf ich dir nicht sagen. Söhnchen“, antwortete die Mutter. „Ich hab’s dem Vater geschworen. Und wenn ich meinen Schwur breche, werde ich krank.“ — „Ich glaube nicht, daß du krank wirst. Und sagst du’s mir nicht freiwillig, so zwinge ich dich dazu.“ — „Ach, Söhnchen, früher warst du doch nicht so bös! Woher kommt das bloß? Sollte dir jemand was eingeflüstert haben?“ Sie bat und flehte, aber der Sohn, von seinem bösen Weib aufgehetzt, ließ sich nicht erweichen.
So blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn am nächsten Morgen zum Drachen zu führen und ihm zu sagen, bei welchem Goldschmied der Edelstein zu verkaufen war. Doch kaum war sie nach Hause zurückgekehrt, da mußte sie sich krank zu Bett legen und war von nun an außerstande, dem Drachen die Milch zu bringen. Darüber freute sich die boshafte junge Frau, hatte nun doch ihr Mann die Möglichkeit, das zu tun. Und als er von seinem Weg zurückkehrte, nahm sie ihm das Geld ab, das er für den Edelstein erhalten hatte. Jetzt bist du ein richtiger Mann!“ sagte sie dabei. „Und kein Waschlappen mehr.“ — „Freilich“, erwiderte er traurig, „aber nun ist meine Mutter krank, und ich trage die Schuld daran. Wenn sie stirbt, bin ich verflucht!“ — „Davon kann keine Rede sein“, versetzte das böse Weib. „Im Gegenteil, erst wenn deine Mutter verreckt ist, kann ich frei atmen! Zudem hat sie lange genug gelebt, und ich hab’s satt, mich dauernd von ihr auszanken zu lassen, wenn ich eine Tasse zerschlage, etwas Milch verschütte, oder die Schürze ansenge. Dauernd will sie mir gute Lehren erteilen, als verstünde ich nicht zu wirtschaften!“ Mit solchen boshaften Reden vergiftete sie ihren jungen Mann derart, daß er bereit gewesen wäre, seine Mutter in einem Löffel Wasser zu ertränken. Eine Zeitlang brachte er dem Drachen Milch und erhielt täglich einen Edelstein. Seine boshafte Frau sah zwar, daß sie immer reicher wurden, aber das ging ihr nicht schnell genug, und so verfiel sie auf den teuflischen Gedanken, es wäre besser, den Drachen zu erschlagen und ihm alle Edelsteine auf einmal wegzunehmen, als jeden Morgen zu ihm zu gehen, um ein einziges Steinchen zu erhalten. Lange weigerte sich der junge Mann, den Drachen zu töten, denn dessen Freundlichkeit hatten sie doch ihren Reichtum zu verdanken.
Aber seine böse Frau kannte keine Dankbarkeit, weder gegenüber ihrer armen kranken Schwiegermutter noch gegenüber dem Drachen. Sie quälte ihren Mann so lange, bis er nachgab. Er verfertigte sich eine eiserne Streitkeule und verbarg sie unter seinem Gewand, als er am nächsten Morgen ins Gebirge ging. Vor der Höhle angelangt, stellte er die Milch wie immer an den Eingang. Und als der Drache hervorkam und sich über den Eimer beugte, um die Milch auszulecken, ließ er die Streitkeule auf den Kopf des Drachens niedersausen. Doch das focht den Drachen wenig an, sein Kopf war, hart wie Stahl. Dagegen holte er nun seinerseits mit dem starken Schwanz aus und schlug seinen Beleidiger zu Boden. „Ha! Umbringen willst du mich!“ brüllte er. „So eine Niedertracht. Wer hat dir das eingeblasen? Deine kranke Mutter oder gar dein Weib? Doch deiner Strafe entgehst du nicht! Ich schlinge mich jetzt um deine Beine, so daß sie anschwellen und dir so lange Schmerzen bereiten, bis ich die Kopfschmerzen, die du mir zugefügt hast, vergessen habe!“ Und nachdem er seine Drohung wahrgemacht hatte, kroch er in seine dunkle Höhle zurück. Der junge Mann schleppte sich unter Aufbietung aller Kräfte heim, seine Beine waren so dick geworden wie Holzkloben. Seitdem mußte er das Bett hüten und große Schmerzen leiden. Sein verfluchtes Weib aber nahm sich einen anderen, obwohl er doch noch am Leben war, und dachte nicht daran, ihn zu pflegen.
Über kurz oder lang kehrte der Vater von seiner Pilgerfahrt zurück und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als er Weib und Sohn krank vorfand. „Ach, Söhnchen, deine Frau ist bestimmt eine Sandschlange. Hättest du dir doch lieber eine Wasserschlange genommen!“ sagte er betrübt. Am nächsten Morgen füllte er den größten Eimer bis an den Rand mit frischer Milch, ging zum Drachen hin, stellte den Eimer vor die Höhle und wartete ab. Aber der Drache ließ sich nicht sehen. Da rief er ihn, bat ihn flehentlich, sich doch zu zeigen. Und wirklich kam der Drache beim dritten Ruf hervor, begrüßte den Pilger und erzählte ihm, was der undankbare Bursche ihm angetan hätte. „Vergib meinem Sohn“, bat der Pilger. „Er ist von Natur aus nicht schlecht, nur seine böse Frau hat ihn dahin gebracht.“ — „Ja, Bruder, ich weiß, daß deine Schwiegertochter eine böse Schlange ist“, sagte der Drache schließlich. „Und sie wird euch alle verderben, falls sie am Leben bleibt. Aber es gibt eine Rettung: Zwinge sie, sich in den Finger zu schneiden, und zwar so, daß dein Sohn einen Tropfen ihres giftigen Blutes schlucken kann. Ihr Gift macht das meine nämlich unschädlich und wird deinen Sohn heilen. Wenn du willst, daß wieder Friede in dein Haus einzieht, dann tu, was ich dir sage. Hier hast du auch einen Edelstein.“ Der Pilger bedankte sich, ging heim und erzählte alles seinem Sohn.
Dieser rief auch sogleich die junge Frau an sein Krankenlager und befahl ihr, sich den kleinen Finger zu ritzen. Doch sie weigerte sich, das zu tun. Da griff er zu einer List und bat sie, ihm wenigstens ein wenig Brot in den Mund zu stecken. Dazu fand sie sich bereit; als sie die Hand an seinen Mund führte, biß er sie in den Finger und saugte etwas Blut heraus. Da sank sie tot zu Boden, und er sprang, gesund aus dem Bett. Auf diese Weise befreite sich die Familie von der bösen Schlange. Auch die Mutter wurde wieder gesund. Später heiratete der Sohn zum zweitenmal, aber zuvor erkundigte er sich gründlich nach der näheren und weiteren Verwandtschaft der Braut. So bekam er ein sanftes, verträgliches Mädchen, das zwar auch eine Schlange war, aber von der Sorte der Wasserschlangen.
Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)