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Es war einmal ein Kaiser, der drei Söhne hatte. Eines Tages nun ging der älteste auf die Jagd, und wie er vor die Burg hinaus kam, sprang ein Hase aus dem Gebüsche, dem er nachjagte über kreuz und quer, bis der Hase sich in eine Bachmühle flüchtete; doch der Prinz war immer hinter ihm her, wie er aber in die Mühle hineinkam, da war es kein Hase mehr, den er verfolgte, sondern ein Drache, der auf den Prinzen nur wartete und ihn alsobald verschlang.
Als einige Tage darüber verstrichen waren, und der Prinz nicht heim kam, verwunderte man sich, und konnte gar nicht begreifen, was ihm wohl begegnet sein mochte, daß er nicht heim kehrte. Da ging der zweite Sohn hinaus auf die Jagd, und wie er zur Burg heraus ritt, sprang wieder der Hase aus dem Gebüsch, und er jagte ihm wieder nach kreuz und quer bis sich der Hase in jene Mühle flüchtete, doch der Prinz war auch hinter ihm drein, beim Eintritt in die Mühle war es kein Hase mehr, sondern ein Drache, der seiner wartete und ihn verschlang. Als darüber abermals einige Tage vergangen waren, und von beiden Prinzen keiner nach Hause kam, war der ganze Hof darüber in großer Sorge. Da machte sich auch der dritte Sohn auf und ging zur Jagd, um zu sehen ob er nicht die Brüder finden könnte. So wie er aber zur Burg hinaus ritt, sprang auch gleich der Hase aus dem Busch, und der Prinz jagte ihn hin und her kreuz und quer, bis der Hase abermals in die Bachmühle flüchtete. Der Prinz aber mochte ihn nicht weiter jagen, sondern setzte seinen Weg fort, um anderes Wild zu suchen, indem er bei sich selbst sprach: »Wenn ich zurückkehre, will ich dich schon finden.« Hierauf streifte er lange Zeit durch die Gebirge, weil ihm aber kein Wild aufstieß, kehrte er zurück nach der Bachmühle in welcher er ein altes Weib fand, zu dem er grüßend sprach: »Gott helfe dir Mütterlein!« Und die Alte erwiederte ihm: »Möge Gott dir helfen!« Dann fragte der Prinz: »Wo steckt, Mütterlein, mein Hase?« Und sie antwortete: »Mein Sohn, das war kein Hase, sondern ein Drache, der schon sehr viele Menschen umgebracht und vertilgt hat.« Wie dies der Kaisersohn hörte, begann er doch zu sorgen und rief aus: »Hier sind gewiß auch meine zwei Brüder umgekommen!« »Ja wohl,« erwiederte die Alte, »und ich weiß dir keinen bessern Rath, mein Söhnlein, als heim zu gehen, ehe du ihr Schicksal theilst.« »Weißt du was, Mütterlein,« sprach der Prinz, »ich denke du möchtest auch von diesem Platze fort kommen?« »Ach, warum nicht, mein Söhnlein? Auch mich hält er gefangen, doch nun gibt es keinen Ausweg mehr.« Da fuhr der Prinz fort: »Höre wohl, was ich dir sagen will. Wenn der Drache kommt, so frage ihn wo er denn immer hin gehe, und wo er seine Kraft habe, und die Stelle die er dir als den Sitz seiner Kraft bezeichnen wird, die sollst du küssen gleichsam aus Liebe dafür, bis du das Rechte ausforschest, und wenn ich wieder komme, wirst du mir es sagen.«
Hierauf ging der Kaisersohn zurück in seine Burg, die Alte aber blieb in der Mühle, und als der Drache heim kam, da fragte sie ihn: »Aber um Gottes Willen wo warst du? wohin gehst du denn stets so weit? daß du mir das doch gar nicht sagen willst.« Und der Drache antwortete ihr: »Ja, Mütterlein, ich gehe sehr weit.« Da fing die Alte an ihm zu schmeicheln und bemühte sich ihn auszuforschen, wohin er denn so weit gehe und wo er seine Kraft habe. »Wüßte ich wo deine Kraft liegt,« sprach sie, »ich wüßte nicht aus Liebe was beginnen und möchte die Stelle küssen.« Darüber mußte der Drache lachen, und er sprach zu ihr: »Dort in jenem Feuerherde liegt meine Kraft.« Da eilte die Alte darauf zu und herzte und küßte den Herd, worüber der Drache in ein Gelächter ausbrach: »Närrisches Weib! dort habe ich nicht meine Kraft, sondern in jenem Baume vor dem Hause liegt sie.« Da lief die Alte nach dem Baume, küßte und umarmte ihn. Und der Drache fing an laut zu lachen: »Geh närrisches Weib, auch darin ist meine Kraft nicht.« »Aber wo denn?« fragte ihn die Alte, und er hob an zu erzählen: »Meine Kraft liegt weit, weit von hier, daß du nie dahin gelangen kannst, fern in einem andern Reiche, da ist bei einer kaiserlichen Burg ein See, in dem See ist ein Drache, in dem Drachen ein Eber, in dem Eber ein Hase, in dem Hasen eine Taube, in der Taube ein Sperling, und in jenem Sperlinge liegt meine Kraft.« Nachdem die Alte dies vernommen hatte, sprach sie: »Der ist mir zu weit ab, als daß ich ihn liebkosen könnte.«
Den nächsten Morgen als der Drache die Mühle verlassen hatte, kam der Prinz wieder, und nun erzählte ihm die Alte umständlich Alles was sie von dem Drachen gehört hatte. Hierauf ging er nach Hause, zog Hirtenkleider an, nahm auch einen Hirtenstab in die Hand, und ging als Hirte verkleidet fort in die Welt. Und wie er so herumzog von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, da kam er zuletzt auch in jenes ferne Reich und zu jener kaiserlichen Burg, vor welcher in einem See der Drache hauste. Als er in die Burg getreten war, fing er an sich zu erkundigen, ob man wohl einen Hirten brauchen könnte, und die Burgleute sagten ihm, daß der Kaiser eben eines solchen bedürfe. Da ging er denn geraden Wegs zum Kaiser, ließ sich anmelden und allsogleich that der Kaiser die Frage: »Willst du mir meine Schafe hüten?« Und er antwortete: »Gerne, strahlende Krone!« Da nahm ihn der Kaiser in seinen Dienst, und begann ihn folgender Maßen zu belehren: »Es ist hier in unserer Nähe ein See, und den See entlang ziehen sich die schönsten Weiden hin, und wenn du die Schafe hinaus führst, werden sie augenblicklich hingehen, und sich am See herum zerstreuen; da aber von all den Hirten, die vor dir hinaus gegangen sind, nicht einer zurückgekommen ist, so rathe ich dir mein Sohn, die Schafe nicht gehen zu lassen, wohin sie wollen, sondern sie zu leiten wohin es dir gut dünkt.« Der Prinz dankte dem Kaiser, und machte sich alsbald bereit die Schafe hinaus zu leiten, indem er zwei Windspiele, die einen Hasen im ebnen Felde einzuholen im Stande waren, dann einen Falken, der jeden Vogel in der Luft zu fangen vermochte, und einen Dudelsack mit sich nahm. Und wie er die Schafe hinaus trieb, ließ er sie auch gleich zum See gehen, und die Schafe begannen sich gleich am See herum zu zerstreuen, der Prinz aber setzte seinen Falken auf einen Klotz, und stellte die Windspiele und den Dudelsack hinter denselben, dann schürzte er Beinkleider und Aermel auf, watete in den See hinein und rief: »O Drache! O Drache! Komm heraus zu mir, daß wir uns im Zweikampfe messen, so du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich.« Und wenige Augenblicke später, sieh, da ist auch schon der Drache. Hu, wie er groß ist, wie furchtbar, und wie gräulich! und als er heraus kam, da fassen sie sich um die Mitte und ringen miteinander den langen Sommertag bis zum Mittag. Als aber am Mittag die Sonne glühte, da sprach der Drache: »Lasse mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in den See tauchen, dann will ich dich zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf der Prinz antwortete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt, wäre nur des Kaisers Töchterlein da, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte Dich noch höher schleudern!« Da ließ der Drache ab von ihm, und ging zurück in den See. Als es Abend ward, wusch sich der Prinz fein, ordnete sein Gewand, und nahm dann den Falken auf die Achsel, die Windspiele vor sich und den Dudelsack unter den Arm, führte die Heerde heim und zog munter spielend durch die Stadt. Und wie er durch die Straßen zog, da staunten ihn die Leute wie ein Wunder an, weil vor ihm noch kein Hirte von jenem See zurück gekommen war.
Den nächsten Tag rüstete er sich abermals und ging mit den Schafen geraden Weges hinaus nach dem See. Der Kaiser aber schickte diesmal zwei Reiter nach, die sollten ihm heimlich folgen, und ihn belauschen was er beginnen würde, und die Reiter bestiegen einen hohen Berg, von wo aus sie Alles gut sehen konnten. Und als der Hirte kam, da stellte er die Windspiele und seinen Dudelsack hinter jenen Klotz, den Falken aber setzte er oben drauf, dann streifte er sich Beinkleider und Aermel auf, watete in den See hinein und rief: »O Drache! O Drache! komm heraus, daß wir uns im Zweikampf messen, so du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich.« Und im nächsten Augenblicke, sieh, da ist auch schon der Drache da. Hu! wie er groß ist, wie furchtbar und wie graunhaft! Und wieder faßten sie sich um die Mitte und rangen mit einander den ganzen Sommertag bis zum Mittag. Als aber am Mittag die Sonne glühte, da sprach der Drache: »Laß mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in den See tauchen, dann will ich dich bis zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf der Prinz ihm wieder entgegnete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt; wäre nur des Kaisers Töchterlein da, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte dich noch höher schleudern!« Da ließ der Drache augenblicklich ab von ihm und ging zurück in den See.
Als es Abend ward, brach der Kaisersohn wieder mit den Schafen auf, und führte sie wie das erste Mal seinen Dudelsack blasend, heim. Und wie er in die Burg kam, war die ganze Stadt in Bewegung und außer sich vor Verwunderung, daß der Hirte jeden Abend heim komme, was vor ihm noch Keinem geglückt hatte.
Jene zwei Reiter aber, die den Prinzen beobachtet hatten, waren voraus ins Schloß geeilt und erzählten dort dem Kaiser der Reihe nach Alles was sie gesehen und gehört hatten, und als der Kaiser den Hirten wirklich heimkommen sah, da rief er sein Töchterlein zu sich, sagte ihr den ganzen Verlauf der Dinge und schloß mit den Worten: »Morgen sollst du mit dem Hirten an den See hinaus gehen, und ihn dort auf die Stirne küssen.« Wie aber das Mädchen dies vernahm, brach sie in Thränen aus und fing an flehentlich den Vater zu bitten: »Hast du doch auf Erden Niemanden als mich einziges Kind, und doch ist dir nicht bange, daß ich umkomme.« Aber der Vater suchte ihr Muth einzusprechen und sie zu beschwichtigen: »Fürchte dich nicht mein Töchterlein, denn sieh, schon so viele Hirten haben wir gehabt, und wie Einer an den See hinaus ging, ist er auch nicht mehr zurückgekommen, und dieser hat schon zwei Tage mit dem Drachen gekämpft, und es ist ihm nichts geschehen, ich hoffe zu Gott, daß er den Drachen ganz bezwingen wird, deshalb sollst du Morgen mit ihm hinaus gehen, daß er uns von dieser Plage befreie, welcher schon so viele Menschen zum Opfer gefallen sind.«
Als am Morgen der weiße Tag anbrach, und die Sonne sich zeigte, da stand der Hirte auf und auch das Mädchen, und sie bereiteten sich hinaus zu gehen an den See. Der Hirt war fröhlich, fröhlicher als je, aber des Kaisers Tochter voll Betrübniß und weinte. Doch der Hirte beruhigte sie indem er sprach: »Fräulein Schwester, ich bitte dich, weine nicht, sondern thue nur was ich dir sagen werde, und wenn es die rechte Zeit ist, so eile zu mir, küsse mich auf die Stirne und fürchte Nichts.«
Als sie aufbrachen und die Schafe hinaus führten, da war der Hirte in einem fort fröhlich und guter Dinge, und blies auf seinem Dudelsacke daß es eine Lust war, das Mädchen aber ging neben ihm her, und weinte ohne Aufhören, da ließ er von Zeit zu Zeit die Pfeife los, wendete sich zu ihr indem er sprach: »Weine nicht, mein Gold, und fürchte Nichts.« Als sie an den See kamen, zerstreuten sich die Schafe rings um denselben, der Prinz aber setzte seinen Falken auf den Klotz, die Windspiele und seinen Dudelsack stellte er wieder hinter denselben, dann streifte er sich Beinkleider und Aermel auf, watete ins Wasser und rief: »O Drache! O Drache! komm heraus daß wir uns noch einmal im Zweikampf messen, wenn du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich!« Und einen Augenblick später, sieh, da ist auch schon der Drache. Hu, wie er groß ist, wie furchtbar und wie graunhaft! und wie er aus Ufer kommt, da faßten sie sich um die Mitte, und rangen wieder miteinander den langen Sommertag bis Mittag. Als aber am Mittag die Sonne recht glühte, da sprach der Drache: »Laß mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in dem See netzen, und dann will ich dich bis zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf ihm der Prinz antwortete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt; wäre nur des Kaisers Tochter hier, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte dich noch höher schleudern.« Kaum hatte er dies gesagt, da eilte des Kaisers Töchterlein herbei und küßte ihn auf die Stirne. Da schwang er den Drachen und schleuderte ihn gegen die Wolken, und als er zur Erde fiel, borst er in viele Stücke, aus welchen ein wilder Eber hervorsprang und eiligst davon lief, aber der Kaisersohn rief seine Hunde von der Heerde: »Faßt, faßt, laßt nicht los!« Und die Hunde jagten ihm nach und erreichten ihn und zerrissen ihn in Stücke. Aus dem Eber sprang alsbald ein Hase und eilte über das Feld, aber der Prinz schickte ihm die Windspiele nach, und rief ihnen: »Faßt! und lasset nicht!« und die beiden Windspiele verfolgten ihn, holten ihn ein und rissen ihn in Stücke, sieh, da flog augenblicklich aus dem Hasen eine Taube auf. Da ließ der Kaisersohn den Falken aufsteigen, der fing die Taube und brachte sie ihm in die Hände, und er nahm die Taube, schlitzte ihr den Leib auf, und fand darin den Sperling, den hielt er fest und sprach: »Nun sollst du mir sagen, wo meine Brüder sind.« »Ach von Herzen gern,« erwiederte ihm der Sperling, »thue mir nur nichts Leides; gleich hinter dem Schlosse deines Vaters liegt eine Bachmühle, und in derselben befinden sich drei schlanke Gerten, diese Gerten schneid ab und schlag damit auf ihre Wurzel, in dem Augenblicke wird sich die eiserne Thüre eines großen Kellers öffnen, in welchem es so viele Menschen gibt, alte und junge, arme und reiche, kleine und große, Weiber und Kinder, daß du damit ein ganzes Reich bevölkern könntest, und dort sind auch deine Brüder!« Nachdem der Sperling dies ausgesagt hatte, faßte ihn der Kaisersohn drehte ihm den Hals um.
Und nachdem er so mit dem Drachen fertig geworden war, fing schon tiefe Dämmerung sich zu verbreiten an, da wusch er sich fein, nahm den Falken auf die Achsel und die Windspiele mit sich, und den Dudelsack unter den Arm, und leitete fröhlich pfeifend die Schafe nach der Stadt, und ging in das kaiserliche Schloß, und das Mädchen folgte ihm noch voll Schrecken nach. Und als er in die Burg kam, da liefen wieder alle Einwohner voll Verwunderung zusammen.
Der Kaiser aber war diesmal persönlich hinausgegangen, auf jenen Berg gestiegen, von wo aus die zwei Reiter den Hirten beobachtet hatten, und hatte nun selbst des Hirten Heldenmuth und Alles was vorgegangen war, mit angesehen. Er ließ ihn daher alsogleich vor sich kommen, gab ihm seine Tochter zur Frau, ließ sie ihm in der Kirche antrauen und veranstaltete Festlichkeiten eine ganze Woche lang. Nun erst sagte der Kaisersohn wer er sei und von woher, da freute sich der Kaiser und die ganze Stadt desto mehr, und als es ihn drängte heimzukehren, da gab ihm der Kaiser die Tochter und viele Begleiter mit und stattete ihn selbst zur Reise aus.
Zu jener Bachmühle gelangend ließ der Prinz alle seine Begleiter draußen, und ging allein hinein, fand dort die drei Gerten, schnitt sie ab und schlug damit auf ihre Wurzel. In dem Augenblicke öffnete sich eine eiserne Thür, und er erblickte in dem Keller eine zahllose Menge von Menschen. Da befahl er daß Alle, immer Einer nach dem Andern, herauskommen und hingehen möchten wo es ihnen beliebe, er aber blieb an der Thür stehen. Und wie so Einer nach dem Andern an ihm vorüber ging, da kamen plötzlich auch seine zwei Brüder; und sie umarmten und küßten sich und waren des Wiedersehens herzlich froh. Nachdem die Leute herausgegangen waren, dankten sie ihm alle daß er sie erlöst und befreit habe, und Jeder ging nach seinem Hause. Da ging auch er mit seinen Brüdern heim zu seinem Vater, und dort lebte und regierte er bis an sein Ende.
Als einige Tage darüber verstrichen waren, und der Prinz nicht heim kam, verwunderte man sich, und konnte gar nicht begreifen, was ihm wohl begegnet sein mochte, daß er nicht heim kehrte. Da ging der zweite Sohn hinaus auf die Jagd, und wie er zur Burg heraus ritt, sprang wieder der Hase aus dem Gebüsch, und er jagte ihm wieder nach kreuz und quer bis sich der Hase in jene Mühle flüchtete, doch der Prinz war auch hinter ihm drein, beim Eintritt in die Mühle war es kein Hase mehr, sondern ein Drache, der seiner wartete und ihn verschlang. Als darüber abermals einige Tage vergangen waren, und von beiden Prinzen keiner nach Hause kam, war der ganze Hof darüber in großer Sorge. Da machte sich auch der dritte Sohn auf und ging zur Jagd, um zu sehen ob er nicht die Brüder finden könnte. So wie er aber zur Burg hinaus ritt, sprang auch gleich der Hase aus dem Busch, und der Prinz jagte ihn hin und her kreuz und quer, bis der Hase abermals in die Bachmühle flüchtete. Der Prinz aber mochte ihn nicht weiter jagen, sondern setzte seinen Weg fort, um anderes Wild zu suchen, indem er bei sich selbst sprach: »Wenn ich zurückkehre, will ich dich schon finden.« Hierauf streifte er lange Zeit durch die Gebirge, weil ihm aber kein Wild aufstieß, kehrte er zurück nach der Bachmühle in welcher er ein altes Weib fand, zu dem er grüßend sprach: »Gott helfe dir Mütterlein!« Und die Alte erwiederte ihm: »Möge Gott dir helfen!« Dann fragte der Prinz: »Wo steckt, Mütterlein, mein Hase?« Und sie antwortete: »Mein Sohn, das war kein Hase, sondern ein Drache, der schon sehr viele Menschen umgebracht und vertilgt hat.« Wie dies der Kaisersohn hörte, begann er doch zu sorgen und rief aus: »Hier sind gewiß auch meine zwei Brüder umgekommen!« »Ja wohl,« erwiederte die Alte, »und ich weiß dir keinen bessern Rath, mein Söhnlein, als heim zu gehen, ehe du ihr Schicksal theilst.« »Weißt du was, Mütterlein,« sprach der Prinz, »ich denke du möchtest auch von diesem Platze fort kommen?« »Ach, warum nicht, mein Söhnlein? Auch mich hält er gefangen, doch nun gibt es keinen Ausweg mehr.« Da fuhr der Prinz fort: »Höre wohl, was ich dir sagen will. Wenn der Drache kommt, so frage ihn wo er denn immer hin gehe, und wo er seine Kraft habe, und die Stelle die er dir als den Sitz seiner Kraft bezeichnen wird, die sollst du küssen gleichsam aus Liebe dafür, bis du das Rechte ausforschest, und wenn ich wieder komme, wirst du mir es sagen.«
Hierauf ging der Kaisersohn zurück in seine Burg, die Alte aber blieb in der Mühle, und als der Drache heim kam, da fragte sie ihn: »Aber um Gottes Willen wo warst du? wohin gehst du denn stets so weit? daß du mir das doch gar nicht sagen willst.« Und der Drache antwortete ihr: »Ja, Mütterlein, ich gehe sehr weit.« Da fing die Alte an ihm zu schmeicheln und bemühte sich ihn auszuforschen, wohin er denn so weit gehe und wo er seine Kraft habe. »Wüßte ich wo deine Kraft liegt,« sprach sie, »ich wüßte nicht aus Liebe was beginnen und möchte die Stelle küssen.« Darüber mußte der Drache lachen, und er sprach zu ihr: »Dort in jenem Feuerherde liegt meine Kraft.« Da eilte die Alte darauf zu und herzte und küßte den Herd, worüber der Drache in ein Gelächter ausbrach: »Närrisches Weib! dort habe ich nicht meine Kraft, sondern in jenem Baume vor dem Hause liegt sie.« Da lief die Alte nach dem Baume, küßte und umarmte ihn. Und der Drache fing an laut zu lachen: »Geh närrisches Weib, auch darin ist meine Kraft nicht.« »Aber wo denn?« fragte ihn die Alte, und er hob an zu erzählen: »Meine Kraft liegt weit, weit von hier, daß du nie dahin gelangen kannst, fern in einem andern Reiche, da ist bei einer kaiserlichen Burg ein See, in dem See ist ein Drache, in dem Drachen ein Eber, in dem Eber ein Hase, in dem Hasen eine Taube, in der Taube ein Sperling, und in jenem Sperlinge liegt meine Kraft.« Nachdem die Alte dies vernommen hatte, sprach sie: »Der ist mir zu weit ab, als daß ich ihn liebkosen könnte.«
Den nächsten Morgen als der Drache die Mühle verlassen hatte, kam der Prinz wieder, und nun erzählte ihm die Alte umständlich Alles was sie von dem Drachen gehört hatte. Hierauf ging er nach Hause, zog Hirtenkleider an, nahm auch einen Hirtenstab in die Hand, und ging als Hirte verkleidet fort in die Welt. Und wie er so herumzog von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, da kam er zuletzt auch in jenes ferne Reich und zu jener kaiserlichen Burg, vor welcher in einem See der Drache hauste. Als er in die Burg getreten war, fing er an sich zu erkundigen, ob man wohl einen Hirten brauchen könnte, und die Burgleute sagten ihm, daß der Kaiser eben eines solchen bedürfe. Da ging er denn geraden Wegs zum Kaiser, ließ sich anmelden und allsogleich that der Kaiser die Frage: »Willst du mir meine Schafe hüten?« Und er antwortete: »Gerne, strahlende Krone!« Da nahm ihn der Kaiser in seinen Dienst, und begann ihn folgender Maßen zu belehren: »Es ist hier in unserer Nähe ein See, und den See entlang ziehen sich die schönsten Weiden hin, und wenn du die Schafe hinaus führst, werden sie augenblicklich hingehen, und sich am See herum zerstreuen; da aber von all den Hirten, die vor dir hinaus gegangen sind, nicht einer zurückgekommen ist, so rathe ich dir mein Sohn, die Schafe nicht gehen zu lassen, wohin sie wollen, sondern sie zu leiten wohin es dir gut dünkt.« Der Prinz dankte dem Kaiser, und machte sich alsbald bereit die Schafe hinaus zu leiten, indem er zwei Windspiele, die einen Hasen im ebnen Felde einzuholen im Stande waren, dann einen Falken, der jeden Vogel in der Luft zu fangen vermochte, und einen Dudelsack mit sich nahm. Und wie er die Schafe hinaus trieb, ließ er sie auch gleich zum See gehen, und die Schafe begannen sich gleich am See herum zu zerstreuen, der Prinz aber setzte seinen Falken auf einen Klotz, und stellte die Windspiele und den Dudelsack hinter denselben, dann schürzte er Beinkleider und Aermel auf, watete in den See hinein und rief: »O Drache! O Drache! Komm heraus zu mir, daß wir uns im Zweikampfe messen, so du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich.« Und wenige Augenblicke später, sieh, da ist auch schon der Drache. Hu, wie er groß ist, wie furchtbar, und wie gräulich! und als er heraus kam, da fassen sie sich um die Mitte und ringen miteinander den langen Sommertag bis zum Mittag. Als aber am Mittag die Sonne glühte, da sprach der Drache: »Lasse mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in den See tauchen, dann will ich dich zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf der Prinz antwortete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt, wäre nur des Kaisers Töchterlein da, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte Dich noch höher schleudern!« Da ließ der Drache ab von ihm, und ging zurück in den See. Als es Abend ward, wusch sich der Prinz fein, ordnete sein Gewand, und nahm dann den Falken auf die Achsel, die Windspiele vor sich und den Dudelsack unter den Arm, führte die Heerde heim und zog munter spielend durch die Stadt. Und wie er durch die Straßen zog, da staunten ihn die Leute wie ein Wunder an, weil vor ihm noch kein Hirte von jenem See zurück gekommen war.
Den nächsten Tag rüstete er sich abermals und ging mit den Schafen geraden Weges hinaus nach dem See. Der Kaiser aber schickte diesmal zwei Reiter nach, die sollten ihm heimlich folgen, und ihn belauschen was er beginnen würde, und die Reiter bestiegen einen hohen Berg, von wo aus sie Alles gut sehen konnten. Und als der Hirte kam, da stellte er die Windspiele und seinen Dudelsack hinter jenen Klotz, den Falken aber setzte er oben drauf, dann streifte er sich Beinkleider und Aermel auf, watete in den See hinein und rief: »O Drache! O Drache! komm heraus, daß wir uns im Zweikampf messen, so du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich.« Und im nächsten Augenblicke, sieh, da ist auch schon der Drache da. Hu! wie er groß ist, wie furchtbar und wie graunhaft! Und wieder faßten sie sich um die Mitte und rangen mit einander den ganzen Sommertag bis zum Mittag. Als aber am Mittag die Sonne glühte, da sprach der Drache: »Laß mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in den See tauchen, dann will ich dich bis zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf der Prinz ihm wieder entgegnete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt; wäre nur des Kaisers Töchterlein da, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte dich noch höher schleudern!« Da ließ der Drache augenblicklich ab von ihm und ging zurück in den See.
Als es Abend ward, brach der Kaisersohn wieder mit den Schafen auf, und führte sie wie das erste Mal seinen Dudelsack blasend, heim. Und wie er in die Burg kam, war die ganze Stadt in Bewegung und außer sich vor Verwunderung, daß der Hirte jeden Abend heim komme, was vor ihm noch Keinem geglückt hatte.
Jene zwei Reiter aber, die den Prinzen beobachtet hatten, waren voraus ins Schloß geeilt und erzählten dort dem Kaiser der Reihe nach Alles was sie gesehen und gehört hatten, und als der Kaiser den Hirten wirklich heimkommen sah, da rief er sein Töchterlein zu sich, sagte ihr den ganzen Verlauf der Dinge und schloß mit den Worten: »Morgen sollst du mit dem Hirten an den See hinaus gehen, und ihn dort auf die Stirne küssen.« Wie aber das Mädchen dies vernahm, brach sie in Thränen aus und fing an flehentlich den Vater zu bitten: »Hast du doch auf Erden Niemanden als mich einziges Kind, und doch ist dir nicht bange, daß ich umkomme.« Aber der Vater suchte ihr Muth einzusprechen und sie zu beschwichtigen: »Fürchte dich nicht mein Töchterlein, denn sieh, schon so viele Hirten haben wir gehabt, und wie Einer an den See hinaus ging, ist er auch nicht mehr zurückgekommen, und dieser hat schon zwei Tage mit dem Drachen gekämpft, und es ist ihm nichts geschehen, ich hoffe zu Gott, daß er den Drachen ganz bezwingen wird, deshalb sollst du Morgen mit ihm hinaus gehen, daß er uns von dieser Plage befreie, welcher schon so viele Menschen zum Opfer gefallen sind.«
Als am Morgen der weiße Tag anbrach, und die Sonne sich zeigte, da stand der Hirte auf und auch das Mädchen, und sie bereiteten sich hinaus zu gehen an den See. Der Hirt war fröhlich, fröhlicher als je, aber des Kaisers Tochter voll Betrübniß und weinte. Doch der Hirte beruhigte sie indem er sprach: »Fräulein Schwester, ich bitte dich, weine nicht, sondern thue nur was ich dir sagen werde, und wenn es die rechte Zeit ist, so eile zu mir, küsse mich auf die Stirne und fürchte Nichts.«
Als sie aufbrachen und die Schafe hinaus führten, da war der Hirte in einem fort fröhlich und guter Dinge, und blies auf seinem Dudelsacke daß es eine Lust war, das Mädchen aber ging neben ihm her, und weinte ohne Aufhören, da ließ er von Zeit zu Zeit die Pfeife los, wendete sich zu ihr indem er sprach: »Weine nicht, mein Gold, und fürchte Nichts.« Als sie an den See kamen, zerstreuten sich die Schafe rings um denselben, der Prinz aber setzte seinen Falken auf den Klotz, die Windspiele und seinen Dudelsack stellte er wieder hinter denselben, dann streifte er sich Beinkleider und Aermel auf, watete ins Wasser und rief: »O Drache! O Drache! komm heraus daß wir uns noch einmal im Zweikampf messen, wenn du kein Weib bist.« Und der Drache rief zurück: »Gleich will ich kommen, Kaisersohn, gleich!« Und einen Augenblick später, sieh, da ist auch schon der Drache. Hu, wie er groß ist, wie furchtbar und wie graunhaft! und wie er aus Ufer kommt, da faßten sie sich um die Mitte, und rangen wieder miteinander den langen Sommertag bis Mittag. Als aber am Mittag die Sonne recht glühte, da sprach der Drache: »Laß mich, Kaisersohn, mein heißes Haupt in dem See netzen, und dann will ich dich bis zu den Höhen des Himmels schleudern.« Worauf ihm der Prinz antwortete: »Oho Drache, nicht zu früh geprahlt; wäre nur des Kaisers Tochter hier, und küßte mich auf die Stirne, ich wollte dich noch höher schleudern.« Kaum hatte er dies gesagt, da eilte des Kaisers Töchterlein herbei und küßte ihn auf die Stirne. Da schwang er den Drachen und schleuderte ihn gegen die Wolken, und als er zur Erde fiel, borst er in viele Stücke, aus welchen ein wilder Eber hervorsprang und eiligst davon lief, aber der Kaisersohn rief seine Hunde von der Heerde: »Faßt, faßt, laßt nicht los!« Und die Hunde jagten ihm nach und erreichten ihn und zerrissen ihn in Stücke. Aus dem Eber sprang alsbald ein Hase und eilte über das Feld, aber der Prinz schickte ihm die Windspiele nach, und rief ihnen: »Faßt! und lasset nicht!« und die beiden Windspiele verfolgten ihn, holten ihn ein und rissen ihn in Stücke, sieh, da flog augenblicklich aus dem Hasen eine Taube auf. Da ließ der Kaisersohn den Falken aufsteigen, der fing die Taube und brachte sie ihm in die Hände, und er nahm die Taube, schlitzte ihr den Leib auf, und fand darin den Sperling, den hielt er fest und sprach: »Nun sollst du mir sagen, wo meine Brüder sind.« »Ach von Herzen gern,« erwiederte ihm der Sperling, »thue mir nur nichts Leides; gleich hinter dem Schlosse deines Vaters liegt eine Bachmühle, und in derselben befinden sich drei schlanke Gerten, diese Gerten schneid ab und schlag damit auf ihre Wurzel, in dem Augenblicke wird sich die eiserne Thüre eines großen Kellers öffnen, in welchem es so viele Menschen gibt, alte und junge, arme und reiche, kleine und große, Weiber und Kinder, daß du damit ein ganzes Reich bevölkern könntest, und dort sind auch deine Brüder!« Nachdem der Sperling dies ausgesagt hatte, faßte ihn der Kaisersohn drehte ihm den Hals um.
Und nachdem er so mit dem Drachen fertig geworden war, fing schon tiefe Dämmerung sich zu verbreiten an, da wusch er sich fein, nahm den Falken auf die Achsel und die Windspiele mit sich, und den Dudelsack unter den Arm, und leitete fröhlich pfeifend die Schafe nach der Stadt, und ging in das kaiserliche Schloß, und das Mädchen folgte ihm noch voll Schrecken nach. Und als er in die Burg kam, da liefen wieder alle Einwohner voll Verwunderung zusammen.
Der Kaiser aber war diesmal persönlich hinausgegangen, auf jenen Berg gestiegen, von wo aus die zwei Reiter den Hirten beobachtet hatten, und hatte nun selbst des Hirten Heldenmuth und Alles was vorgegangen war, mit angesehen. Er ließ ihn daher alsogleich vor sich kommen, gab ihm seine Tochter zur Frau, ließ sie ihm in der Kirche antrauen und veranstaltete Festlichkeiten eine ganze Woche lang. Nun erst sagte der Kaisersohn wer er sei und von woher, da freute sich der Kaiser und die ganze Stadt desto mehr, und als es ihn drängte heimzukehren, da gab ihm der Kaiser die Tochter und viele Begleiter mit und stattete ihn selbst zur Reise aus.
Zu jener Bachmühle gelangend ließ der Prinz alle seine Begleiter draußen, und ging allein hinein, fand dort die drei Gerten, schnitt sie ab und schlug damit auf ihre Wurzel. In dem Augenblicke öffnete sich eine eiserne Thür, und er erblickte in dem Keller eine zahllose Menge von Menschen. Da befahl er daß Alle, immer Einer nach dem Andern, herauskommen und hingehen möchten wo es ihnen beliebe, er aber blieb an der Thür stehen. Und wie so Einer nach dem Andern an ihm vorüber ging, da kamen plötzlich auch seine zwei Brüder; und sie umarmten und küßten sich und waren des Wiedersehens herzlich froh. Nachdem die Leute herausgegangen waren, dankten sie ihm alle daß er sie erlöst und befreit habe, und Jeder ging nach seinem Hause. Da ging auch er mit seinen Brüdern heim zu seinem Vater, und dort lebte und regierte er bis an sein Ende.
[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]