Ein steinaltes Mütterchen hatte einen Sohn, der nicht alle Sinne zu Hause haben mochte. Einmal sagte er seiner Mutter: »Mutter, ich will zur Tante gehen, damit sie mir doch etwas schenke.« »Du kannst gehen«, antwortete sie ihm, »nur musst Du das Geschenk auch heimbringen.« »Ich will es thun«, sagte er und ging zur Tante, die in demselben Dorfe wohnte. Diese schenkte ihm eine Nähnadel. Der Sohn fädelte einen Faden ein und warf die Nadel über den Rücken, als wäre es eine grosse Last. Er ging so nach Hause, und als er an einen Bach kam, über den er zu gehen hatte, schrie er einem Bauern, der eine Fuhre mit Heu führte, zu: »He! warte, dass Du meine Nadel über das Wasser führst!« Der Bauer lachte und fuhr weiter. Der Dumme achtete darauf aber nicht und warf seine Nadel auf den Heuwagen. Als sie über das Wasser gekommen waren, stieg der Dumme auf den Heuwagen, suchte und stöberte so lange nach seiner Nähnadel herum, bis ihn der Bauer hinabwarf und derb durchprügelte. Weinend kam er zur Mutter gelaufen und erzählte, was ihm begegnet. »Du Narr«, rief entrüstet das Mütterchen, »eine Nadel steckt man in den Hemdbusen und bringt sie auf diese Art nach Hause.« Nach einigen Tagen ging der Junge wieder zur Tante und bat, sie möchte ihm etwas schenken. Diese schenkte ihm nichts mehr, nichts weniger, als ein kleines Hündlein. Dieses nahm er, steckte es auf dem Wege nach Hause in den Busen und drückte es, aus Furcht vor neuem Verluste, so lange und so gewaltig, dass es notwendig krepieren musste. So brachte er es der Mutter. Diese zankte ihn tüchtig aus und sagte: »Das Hündlein hättest Du an einer Schnur Dir nachführen, nach ihm pfeifen und ihm immer rufen sollen: »So komm herein!« Der Sohn besuchte bald darauf wieder die Tante, um etwas zu erhalten. Diese schenkte ihm ein Stück Speck. Der Dumme nahm einen Strick, band den Speck an denselben und schleppte ihn auf der Gasse nach sich. Dabei vergass er nicht zu thun, wie ihm die Mutter geraten. Er rief unermüdet: »So komm herein!« und lud durch Pfeifen die Hunde des Dorfes gar artig zum Schmause ein. Diese machten sich geschäftig über den Speck her und setzten den Geschenknehmer überdies in so grossen Schrecken, dass er entfloh. Als er zur Mutter kam, hatte er kaum Atem genug, um zu erzählen, mit welcher List er den Hunden entlaufen. Das steinalte Mütterchen hatte aber nicht rechte Lust, über die Dummheit des Sohnes zu lachen, sondern belehrte ihn: »Du hättest den Speck nach Hause bringen und ihn im Rauche aufhängen sollen.« Wieder versprach der Sohn, alles zu thun, wie ihn die Mutter belehrt. Bald ging er auch wieder zur Tante. Diese, um sich des lästigen Gastes auf längere Zeit zu entledigen, schenkte ihm ein Kalb. Der Dumme führte es nach Hause, und da die Mutter in dem Augenblicke nicht zu Hause war, knüpfte er das Kalb in dem Kamin auf. Was folgte, ist kein Rätsel. Als die arme Alte nach Hause kam und das Unglück sah, lärmte, schrie, schimpfte sie und sagte dem Sohne: »Narr! Du hättest das Kalb in den Stall führen und ihm Heu geben sollen.« »Mutter, so wahr ich Gott liebe, will ich es ein anderesmal thun«, versprach er feierlich. Bald machte er aber aus langer Weile bei der Tante wieder einen Besuch und bat um ein Geschenk. Diese gab ihm ihre Tochter. Der Dumme freute sich über das Glück, denn er glaubte schon ein Weib zu haben. Er führte das Mädchen mit sich und brachte es in den Stall; hier legte er ihm Stroh und sonstiges Futter vor, wie es die Mutter gesagt, selbst aber lief er ins Haus, um der Mutter sein Glück zu berichten. Diese war über und über entrüstet und watschelte in den Stall, um an dem Mädchen gut zu thun, was die Dummheit ihres Sohnes verbrochen. Sie fand aber die Tochter nicht, denn diese hatte die Abwesenheit des Narren benutzt und war zu ihrer Mutter entlaufen. Noch einmal besuchte er die Tante und verlangte das Mädchen ausdrücklich zum Geschenke; die Tante warf ihn aber gar unsanft zur Thüre hinaus, und nun ging der Dumme, nachdem er so vieles verloren hatte, zuletzt leer aus.
[Ukraine: Raimund Friedrich Kaindl: Ruthenische Märchen und Mythen aus der Bukowina]