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Märchenbasar

Der Dumme und seine Brüder

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Es waren einmal drei Brüder. Zwei von ihnen nahm man für so gescheit, wie es die meisten Menschen sind, aber der dritte galt für recht einfältig. Alle drei waren verheiratet, hatten Kinder und wohnten gemeinschaftlich in dem ererbten Vaterhause, wie das schon so ist. Mit der Zeit wurde aber den Frauen das Haus zu enge, besonders deshalb, weil es nur eine Haustüre hatte, und obgleich die Männer meinten, es sei genug Platz da, so mußten sie doch nachgeben und das Väterliche aufteilen, damit jeder seinen eigenen Hausstand habe. Solch eine Teilung geht nicht so schnell, wie man glaubt. Sie hatten zwei große Heuschober und einen Strohschober. Die waren bald geteilt. Die Heuschober behielten die klugen Brüder, und den Strohschober gaben sie dem Dummian, der damit zufrieden war. Nun kam das Vieh an die Reihe, und die gescheiten Brüder zerbrachen sich die Köpfe, wie es wohl am besten zu teilen wäre. Der Dumme aber meinte: »Das ist doch ganz leicht! Wir lassen das Vieh in den Auslauf und das, was dem Schober eines jeden zuläuft, ist sein.« – Der Vorschlag gefiel ihnen sehr gut, und sie ließen das Vieh aus. Dieses lief natürlich zu dem süßen Heu, und zu dem Strohschober kam nur ein alter Ochs. Aber unser Dummerl war auch damit recht zufrieden und dachte nach, was er mit dem Ochsen anfangen solle. Schließlich meinte er, es sei wohl am besten, wenn er ihn abschlachte, denn: habe er sonst nichts, so brauche er den Ochsen auch nicht. Das Fleisch verzehrte er gemeinsam mit Weib und Kindern, und die Haut gedachte er in der weißen Stadt Livno zu verkaufen.
Er nahm also eines Tages die Haut und machte sich auf den Weg. Dabei mußte er über einen Berg, und als er oben war und hinunterschaute, sah er in einem Tale vier Räuber hinter einem Felsblock sitzen und Dukaten zählen. Wie er das erblickte, warf er die Ochsenhaut auf den Wegrain, ergriff einen Knüppel und drosch damit die Haut, daß es nur so klatschte. Dabei schrie er: »Jao! jao! nicht mir die Prügel, sondern denen da unten, die die Dukaten zählen!« – Als die Räuber dies hörten, erschraken sie so heftig, daß sie schleunigst davon liefen und die Dukaten liegen ließen. Er warf nun die Haut in einen Ponor, stieg ins Tal, suchte die Dukaten zusammen und trug sie vergnügt heim, wo er sie seinen Brüdern vorzeigte. – »Wo hast du denn das viele Geld her?« fragten diese verblüfft, und er antwortete: »Ich habe meinen alten Ochsen geschlachtet, die Haut nach Livno getragen und dort jedes Haar um einen Dukaten verkauft. Schade, daß der alte Ochs nicht mehr viel Haare gehabt hat.« – Diese Auskunft ließ die beiden klugen Brüder nicht ruhen, und sie kamen überein all ihr Vieh zu schlachten und die Häute nach Livno zu bringen. Gedacht, getan! In Livno luden sie die Häute von den Tragtieren bei einem Hadschi ab, den sie als Fellhändler kannten. »Was kostet’s, Rajah?« fragte sie der Hadschi. – »Jedes Haar einen Dukaten!« lautete die Antwort. »Ihr seid wohl Propheten, daß ihr eine ganz neue Ordnung einführen wollt«, meinte der Hadschi, ergriff dann einen Ochsenziemer, seine Diener taten desgleichen, und flugs lagen die beiden draußen auf der Straße. Sie hatten es so eilig heim zu kommen, daß sie sogar ihre Häute vergaßen. Zu Hause fielen sie über den dritten her: »Du hast uns schön angeführt; nun aber ist es aus mit dir, wir bringen dich um!« – »Das wäre mir gar nicht recht«, sagte das Dummerl, »wenn ihr aber durchaus jemanden umbringen wollt, so schlagt mein Weib tot. Es ist nichts besonderes an ihr, und ich bekomme schon wieder eine andere.«
Die Brüder gingen auf den Vorschlag ein. Der Dummian nahm nun das tote Weib, zog es schön an, setzte es aufs Pferd, so als ob sie lebend wäre, nahm das Pferd am Halfter und ging nach Livno. Auf halbem Wege blieb er vor einer Herberge stehen, um dort zu übernachten. »Guten Abend, Hadschi«, sagte er zum Wirte. Dieser erwiderte: »Möge uns Gott Gutes bescheren, Rajah!« – »Willst du uns übernachten lassen und kann mein Weib für sich eine Kammer haben?« – »Das kann sie schon haben«, versetzte der Hadschi. Da es recht kotig war, nahm der Dummian das Weib auf die Schulter, so als wolle er ihren Sonntagsstaat schonen, und trug sie hinauf in die Kammer, lehnte sie dort an die Wand und sperrte die Türe. Dann ging er hinunter zu den Männern und verzehrte sein Abendessen. Hierauf gab ihm der Hadschi eine volle Schüssel und hieß ihn, sie seinem Weibe hinauftragen. Er tat das, und da er immer bei gutem Appetit war, aß er auch diese leer, trug sie wieder hinunter und sagte: »Sehr gut hat es meinem Weibe geschmeckt«.
Am nächsten Morgen stand er zeitlich auf, nahm seinem Weibe die Umhüllung vom Kopfe und erhob ein großes Geschrei: »Zu Hilfe, zu Hilfe! Der Wirt hat mein Weib erschlagen!« Außer sich stürzte dieser herbei: »Ich habe dein Weib mit keinem Auge gesehen, ich schwöre es dir!« Aber der andere schrie fortwährend: »Nur du kannst es getan haben, ich werde dich beim Scheriat (Gericht) verklagen«. – Der Hadschi war ein ehrlicher Mann, den noch niemand verklagt hatte, und darum sagte er: »Ich gebe dir hundert Dukaten, nur verklag‘ mich nicht!« – Der jammernde Ehemann überlegte: »Tot ist sie jetzt so wie so, also gib her.« Er nahm das Geld und das Weib und zog wieder heimwärts. Das Weib begrub er, und die Dukaten zeigte er seinen Brüdern, wobei er erzählte, er habe das Geld für sein Weib bekommen. Das machte die beiden nachdenklich, und sie sprachen untereinander: »Wir könnten auch unsere Weiber erschlagen; es ist nichts besonderes an ihnen, und wir bekommen schon wieder andere.« Und sie taten es, zogen die Weiber schön an, setzten jede auf ein Pferd, banden sie da fest und führten sie gegen Livno. Auf halbem Wege mußten sie ebenfalls bei jenem Hadschi halten, um in dessen Herberge zu übernachten, und sie fragten, ob ihre Weiber wohl eine Kammer für sich allein haben könnten. »Das können sie schon haben«, sagte der Wirt, »aber vorerst will ich nachsehen, ob sie gesund sind«. Der Hadschi schob die Kopftücher der Weiber zur Seite, und da sah er, daß sie tot waren. Er wurde daraufhin so böse, daß er einen Knüttel nahm und im Verein mit seinen Dienern auf die Brüder losschlug, so daß sich diese kaum nach Hause schleppen konnten.
Der Dumme hatte nun nichts zu lachen. Sie fielen über ihn her und sagten: »Deinetwegen haben wir unsere Weiber umgebracht, und bekommen haben wir nichts für sie, als Schläge. Und nun haben wir noch die Sorge, wo wir andere hernehmen.

Jetzt hilft dir nichts mehr, jetzt ist die Reihe an dir, totgeschlagen zu werden.« »Tut es doch lieber nicht, jammerte der arme Narr, sondern werft mich lieber in einen Ponor.« – »Gut«, sagten sie, »weil du unser Bruder bist, so wollen wir’s dir zuliebe tun.«
Sie steckten ihn in einen Sack und schafften ihn zur Nachtzeit fort. Aber so viel sie auch suchten, sie konnten im Finstern keinen genügend großen und tiefen Ponor finden, und der Sack wurde ihnen recht schwer. So kamen sie denn überein, den Sack bis zum Morgen liegen zu lassen und dann erst weiter zu suchen. Sie warfen also den Sack hin und gingen heim, um ein wenig auszuruhen. Mittlerweile kam ein junger Hirte, der zu Sonnenaufgang seine Schafe auf die Weide trieb, an dem Sack vorbei. Er blies auf der Hirtenflöte und dachte daran, wo er wohl eine schöne, reiche Frau hernehmen könnte. Da hörte er aus dem Sacke eine Jammerstimme: »Jao, jao! Ich will aber des Kaisers Tochter nicht, ihr könnt machen was ihr wollt!« – Der Hirt kam neugierig herbei und fragte: »Was ist denn los? Was redest du da?« Und der im Sacke zeterte: »Unten im Ponor sitzt eine Kaiserstochter, und meine Brüder wollen mich durchaus hineinwerfen, damit ich die Prinzessin heirate, und ich will nicht!« Erfreut sagte der Hirte: »Wenn du nicht willst, ich will schon! Achte indessen auf meine Schafe, und du sollst ein ordentliches Trinkgeld bekommen, sobald ich mit der Prinzessin wieder oben bin!« – Damit öffnete er den Sack, ließ den, der drinnen steckte, heraus und kroch selbst hinein. Der Dummian band den Sack wieder fest zu, trieb die Schafe auf die nächste Anhöhe und schaute herum. Er sah nun, wie seine Brüder gelaufen kamen. Es war schon spät und sie hatten heute noch viel zu tun. Sie hoben also den Sack ohne weiters auf, schleiften ihn schnell zu dem nächsten Ponor, warfen ihn hinein und gingen dann ihrer Wege. Abends saßen sie recht müde vor der Hütte, da sahen sie auf einmal ihren albernen Bruder eine schöne Herde Schafe zur Zauntüre hereintreiben, wobei er sich etwas auf der Flöte vorspielte.

Sie rieben sich die Augen, und als sie wirklich ihren Bruder vor sich sahen, fragten sie ihn, wie er daher komme und woher er die Schafe habe. Der lachte und sagte: »Werft mich nur in den Ponor, das ist mir schon recht! Man fällt wie auf Seide und tut sich gar nicht weh. Und unten ist es wunderschön; wie auf einer Alm. Leider habe ich nur einen kurzen Stecken bei mir gehabt und so konnte ich bloß diese Schafe heraustreiben; wer aber einen langen Hirtenstab mitnimmt, der kann sich Ochsen holen, und wer gar eine Peitsche hat, der kann von den Pferden da unten fortführen, wieviel er will.«
»Das wollen wir auch tun«, riefen die klugen Brüder; »der eine nimmt einen langen Stock mit sich und der andere eine Peitsche!« – Sie konnten kaum den

Morgen erwarten, um zu dem Ponor zu laufen. Der dritte ging mit ihnen. Zuerst sprang der mit dem Hirtenstab hinein, und im Fallen schlug er an den Felswänden des Schlundes einigemal auf, und man hörte ihn eine Weile poltern und kollern, so daß das Dummerl rief: »Schnell, schnell, er treibt sonst alles allein weg!« Wie der mit der Peitsche das hörte, nahm er einen Anlauf und – schwupp! – war auch er in dem Ponor verschwunden.
Von diesen beiden klugen Brüdern ist aber keiner mehr wiedergekommen, so daß das Dummerl ganz allein auf dem väterlichen Grund zurückblieb, wo es ihm so gut ging, wie es weder dir noch mir jemals ergehen wird.

Quelle:
(Bosnien: Milena Preindlsberger-Mrazovic: Bosnische Volksmärchen)

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