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Der Eisenhans

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Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten keine Kinder, und der Mann klagte das seiner Frau, warum sie ihm keine Kinder gebäre. »Lieber Mann, du bist ein Schmied«, sagte die Frau, »du kannst dir ja ein Kind schmieden, wenn du gerade eines haben willst!« Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen. Er nahm zehn Zentner Eisen und schmiedete aus sieben Zentnern sich einen kleinen Sohn, aus drei Zentnern machte er eine Geißel, die gab er ihm in die Hand, und siehe, der Knabe war frisch und gesund und ging munter einher. Da freute sich sein Vater, und auch seine Mutter ließ sich den festen Kerl gefallen, und sie nannten ihn Eisenhans.
Aber bald, als er etwas wuchs, wurde er ihnen lästig und zuviel, denn er aß ihnen alles fort und wurde doch nie satt. Seine Mutter mußte immer in einem großen Kessel kochen. Als er nun zu einem Jüngling herangewachsen war, konnten sie es nicht mehr aushalten, und sie sprachen untereinander: »Wenn der noch acht Tage bei uns bleibt, so frißt er uns ganz auf mit Haus und Hof.« Darum sagten sie ihm, er sei jetzt groß und stark genug, er solle dienen gehen. Eisenhans war froh, daß er die Welt sehen sollte, nahm seine Peitsche und ging. Da kam er abends in ein Dorf und ging gerade vor das Pfarrhaus, nahm seine Geißel und peitschte so stark, daß alle Katzen zusammenliefen. Er peitschte noch einmal und noch einmal hintereinander so sehr, daß die Knechte und Dienstmägde herauskamen und der Pfarrer ins Fenster lief, um zu sehen, was es gebe. Da fragte er, ob man ihn nicht als Knecht aufnehmen wolle. Weil er so derb aussah, dachte der Pfarrer: »Den kann ich gut brauchen. Du hast zwar schon zwölf Knechte, aber wo zwölf essen, kann auch der dreizehnte mitessen.«
»Komme herein!« rief er laut, »ich nehme dich an!« Die Knechte, die im Feld den Tag über schwer gearbeitet hatten und sehr hungrig waren, traten eben zur Schüssel, und der neue Knecht wurde auch an den Tisch gesetzt. Er aß aber mehr als alle zwölf zusammen, und die Schüssel war gleich leer, und jene blieben hungrig. »Wenn er auch so arbeitet, wie er ißt, so ist es recht«, dachte der Pfarrer. Den anderen Tag standen die zwölf Knechte wie gewöhnlich früh auf und gingen ins Heu. Der Eisenhans aber schlief bis Mittag, und als man den Mägden das Essen auf den Tisch setzte, stand er auf und aß mit, und im Nu war die Schüssel geleert. Den Knechten hatte man eben das Essen hinausgeschickt, da machte er sich auf und ging auch ins Feld und aß denen alles fort, dann legte er sich nieder und schlief. Die Knechte aber ärgerte das mächtig, und sie sprachen untereinander: »Der ißt uns alles fort und tut gar nichts, kommt, wir wecken ihn auf, er soll auch arbeiten.« Da kamen sie über ihn mit Reisern und fuhren ihm damit übers Gesicht. Er wehrte anfangs mit der Hand ab und glaubte, es seien Ochsenfliegen, die ihn bissen. Endlich, da es zu arg wurde, erwachte er. Da sprang er auf und packte alle zwölf, jeden an einem Fuß, und sprach: »Jetzt will ich gleich arbeiten!« Da kehrte er mit ihnen, indem sie mit den Händen auf dem Boden herumkrabbelten, das Heu von der ganzen Wiese zusammen. Als er fertig war, ließ er sie los, und sogleich eilten sie mit blutigen Händen und viele hinkend nach Hause und klagten ihrem Herrn. Der Pfarrer schlug die Hände zusammen, als er hörte, was der Eisenhans getan, aber er getraute sich nicht, den Knecht zur Rede zu stellen.
Den anderen Tag fuhren die zwölf ganz früh in den Wald nach Holz. Der Eisenhans schlief abermals bis gegen Mittag. Als er aufstand, aß er wieder zuerst den Mägden alles weg. Dann spannte er die vier letzten Ochsen an und fuhr auch in den Wald. Es war aber an einer Stelle eine so große Kotlache, daß der Wagen samt den Ochsen steckenblieb. Doch Eisenhans bedachte sich nicht lange, er packte den Wagen samt den Ochsen und hob sie hinaus. Wie er nun in den Wald hineinfuhr, kam nur einmal ein fürchterlicher Wolf und schrie: »Jetzt fresse ich dir einen Ochsen.«
»Meinetwegen, aber dann mußt du ziehen, das sage ich dir!« sprach Eisenhans. Kaum hatte der Wolf den Ochsen niedergerissen, so packte ihn Eisenhans am Genick und spannte ihn ein. Nach kurzer Zeit kam ein dreibeiniger Hase und rief ebenfalls: »Ich fresse dir einen Ochsen!«
»Gut, dann mußt du ziehen!« Und wie der Hase den Ochsen niedergerissen, packte ihn Eisenhans und spannte ihn neben den Wolf. Nicht lange, so kam der Teufel und sprach: »Jetzt zerbreche ich dir die Achse!«
»Es ist mir recht«, sagte Eisenhans, »aber dann mache ich dich zur Achse!« Der Teufel dachte, das sei ja nur so dahergeredet. Kaum hatte er jedoch die Achse zerbrochen, so packte ihn Eisenhans am Kragen und machte ihn zur Achse. Seine zwölf Mitknechte hatten ihren Wagen schon alle beladen und fuhren heim. Da rief er ihnen zu: »Ich werde doch eher nach Hause kommen als ihr und hundertmal mehr Holz führen als ihr alle zusammen.« Sie aber lachten und fuhren weiter. Er band nun den halben Wald auf und um den Wagen hinter die beiden Ochsen, hinter den Wolf und Hasen und dem Teufel aufs Genick, und kehrte heimwärts. Als er aus dem Wald hinausfuhr, so sah er die zwölf Wagen, wie er sich’s gedacht hatte, noch im Kot stecken. Er nahm jetzt sein Holz samt dem Gespann auf seinen Nacken und trug sie über die schlechte Stelle hinüber. Dann hob er auch die anderen Wagen hinaus. Sie mußten aber hinter ihm fahren. Als er ins Dorf kam, knallte er mit seiner eisernen Geißel und rief:
»Hi, Wulf, tschä, Hos!
Dräch, Deuwel, un der Os!«
Da kamen alle Leute herbei und sahen den sonderbaren Aufzug, den Wolf und den Hasen vorn, dann die beiden Ochsen, dann den Teufel als Achse und auf und um den Wagen den halben Wald, wie er nachgeschleppt wurde. Als der Pfarrer ihn kommen sah, so bekam er doch Angst und dachte: »Der ist dir gefährlich, du mußt ihm auf eine Art Christtag machen.« Der Eisenhans löste sein Gespann ab, band den Wolf und Hasen neben die Ochsen an die Krippe, und sie mußten auch Heu fressen. Den Teufel band er los, versetzte ihm noch eins mit seiner Geißel und ließ ihn dann laufen. Der rannte hinkend und heulend in einem fort bis in die Hölle. Den anderen Tag ließ der Pfarrer den Eisenhans vor sich kommen und sagte, die Teufel hätten ihm eine Tochter geraubt. Wenn er sie ihm heimbrächte, so wolle er ihm einen Sack voll Geld geben, wie er ihn nur tragen könne. Der Pfarrer aber wollte nur auf eine gute Art den Knecht loswerden. Bei sich dachte er: »Der kommt dir nicht wieder.« Eisenhans war froh, denn er hatte viel von der Hölle gehört und wollte sich einmal die Gegend besehen. Er nahm seine Geißel und machte sich auf den Weg. Als er vors Höllentor kam, knallte er einmal mit seiner Geißel und rief: »Macht mir auf!« Da entsetzten sich die Teufel und liefen zusammen und fragten einander, wer das wohl wäre. Da sah der Hinkende durch die Torritze und erblickte den Fremden. »Wehe uns, es ist der Eisenhans«, und lief in den dunkelsten Winkel der Hölle, und die anderen liefen ihm nach. Dem Eisenhans ward endlich die Zeit draußen zu lang, er stieß das Höllentor ein, und das krachte fürchterlich im Fall. In der ganzen Hölle war aber niemand zu sehen als die Verdammten, die an Pflöcken angebunden lagen. Eisenhans machte sie alle los. »Wenn ich doch nur die Tochter des Pfarrers fände!« seufzte er. »Die ist in jenem dunklen Winkel!« riefen einige Verdammten und liefen dann fröhlich zum offenen Höllentor hinaus.
Eisenhans fand sie, band sie los und führte sie hinaus. Dann hob er das Höllentor wieder auf und verriegelte und verrammelte es von außen, daß kein Teufel herauskommen könne, nahm darauf die Pfarrerstochter auf seine Schultern und zog heimwärts. Der Pfarrer lag gerade im Fenster, als er ankam, und entsetzte sich nicht wenig, als er so unversehens den Eisenhans erblickte. Der aber sprach: »Das ist Eure Tochter«, nahm sie von seinen Schultern und setzte sie durchs Fenster ins Zimmer. »Nun gib mir das versprochene Geld, aber einen Sack voll, als ich ihn tragen kann, sonst geht es euch schlecht!« Eisenhans nahm hundert Ellen Leinwand und rief sieben Schneider herbei, die mußten ihm gleich einen Sack machen, den trug er dann zum Pfarrer und sprach: »Den füllt mir!« Der Pfarrer ließ all sein Korn hineinschütten und machte ihn voll, obendrauf aber legte er all sein Geld. Eisenhans merkte das nicht, war zufrieden, nahm den Sack auf eine Schulter und ging nach Hause. »Da bringe ich euch etwas zum Geschenk«, sagte er zu seinem Vater und zu seiner Mutter, »ihr sollt mich nicht umsonst gefüttert haben!« Damit warf er den Sack zu Boden, nahm seine Geißel und ging wieder in die Welt. Die Alten aber hatten mit dem Korn und Geld ihr Lebtag genug.

[Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen]

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