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Märchenbasar

Der Erzzauberer und sein Diener

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Tief in einem Walde war ein verwünschtes Schloss. In diesem wohnte niemand als ein Zauberer, der durch seine Zauberei ungeheuere Schätze zusammengebracht hatte und täglich noch zusammenbrachte. Dieser Zauberer hatte einen Diener, der nichts anderes zu tun hatte, als am Tage, wo sein Herr auswärts war, die Zimmer zu kehren und den Staub von den Büchern abzuwischen. Einst hatte er einen Diener, welcher schon sechs Jahre seinem Herrn gedient, ohne darüber nachzudenken, warum sein Herr am Tage immer fortziehe, abends dann heimkehre und in der Nacht in den Büchern studiere. Im siebenten Jahre aber erwachte bei ihm die Neugierde, mehr zu wissen und zu erforschen, wodurch sein Herr so reich geworden. Wenn er darum die Zimmer gekehrt und den Staub von den Büchern abgewischt hatte, las er stets auch in den Büchern, und als das Jahr um war, hatte er die ganze Zauberei gelernt. Er nahm nun seinen Abschied und zog heim. „Freut euch mit mir!“ sprach er zu Vater und Mutter und zu seinem Bruder, den er hatte, „nun werden wir bald reich werden. Ich verwandle mich in ein schönes Pferd, dann verkauft mich der Bruder, aber ohne den Zügel. Denn dann kann ich mich wieder zurückverwandeln und heimkehren!“ So geschah es auch. Er verwandelte sich sofort in ein Pferd, sein Bruder verkaufte ihn, hielt aber den Zügel zurück, und so kehrte er bald wieder in Menschengestalt heim, und der Käufer hatte das Nachsehen.
Das dauerte nun eine lange Zeit, und sie hatten schon viel Geld erworben. Da geschah es, als sie wieder zu Markte kamen, erschien ein Käufer, der bot seinem Bruder den vierfachen Preis, wenn er ihm den Zügel mitverkaufe. Lange wollte dieser nicht. Endlich ließ er sich überreden, da er dachte, es werde ja ein so großer Schade nicht sein. Der Käufer war aber kein anderer als der Erzzauberer, der seinen Diener erkannt hatte. Er setzte sich nun sogleich auf das Pferd und ritt vor eine Schmiede und wollte hier dem Pferde glühende Hufeisen aufschlagen lassen. Wie er aber abgestiegen war, sein Pferd angebunden hatte und in die Schmiede ging, um mit dem Schmied die Arbeit zu bestellen, kamen Schulknaben aus der Schule, sahen das schöne Pferd, gingen näher und standen still. Da bat das Pferd einen Knaben, den Halfter ihm abzunehmen.
Kaum war dieses geschehen, so verwandelte sich das Pferd in einen kleinen Vogel und flog eilends davon. Indem trat der Zauberer aus der Schmiede. Als er den Vogel wegfliegen sah, verwandelte er sich gleich in einen Habicht, der flog dem kleinen Vogel nach. Dieser flog in die Stadt, und da im Königsschloss gerade im Zimmer der Königstochter ein Fenster offen stand, flog er da hinein und verwandelte sich sofort in einen schönen Jüngling und schloss Fenster und Türe zu. Die Königstochter hatte Gefallen an dem Jüngling. Der aber sprach:
„Willst du mich retten, so verwandle ich mich gleich in einen Ring, den stecke an den Finger und gib ihn um keinen Preis fort oder wirf ihn, wenn man dich zwingen sollte, ihn abzugeben, weg.“ Die Königstochter versprach, also zu tun. Sogleich verwandelte er sich in einen Ring. Die Königstochter steckte ihn an den Finger und legte ihn nie von sich. Da geschah es, dass ihr Vater, der König, schwer erkrankte und kein Arzt ihm helfen konnte. Bald fand sich ein Arzt, der sagte, er könne und wolle Ihm wohl helfen, wenn er den Ring der Königstochter dafür erhalte. Um ihren Vater zu retten, versprach die Königstochter den Ring, allein als sie ihn geben sollte, warf sie denselben auf den Zimmerboden. Sogleich verwandelte er sich in ein Viertel Hirse. Der Arzt aber verwandelte sich in einen Hahn, der gierig die Hirse auffraß. Ein Körnchen aber war weithin in eine Ritze gespritzt. Als der Hahn nun glaubte, alles aufgefressen zu haben, verwandelte sich das letzte Hirsekorn in einen Jüngling mit einem Schwerte, der hieb dem Hahn das Haupt ab.
Da war nun große Freude, als der Jüngling den großen Schatz aus dem Schlosse des Zauberers herbeibrachte. Er heiratete die schöne Königstochter, und als der König nicht lange darauf starb, wurde der Junge König und ließ seinen Vater und seine Mutter und seinen Bruder auch an den Hof kommen, und sie lebten nun miteinander noch lange glücklich und zufrieden.

Quelle: (Josef Haltrich)

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