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Märchenbasar

Der filzige Lars

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Es war einmal ein alter Junggesell, welcher Lars Larsen hieß; er hatte einen guten Bauerhof, aber er hatte stets gemeint, daß er nicht die Mittel habe, sich zu verheiraten; denn er war so geizig, daß er sich kaum das Nöthigste gönnte, dessen er zum Leben bedurfte. Er gönnte daher auch anderen nichts; aber er mußte doch Leute für den Betrieb des Hofes halten, und die wollten und mußten ja etwas zu essen haben. Lars war niemals froh, obschon er reicher und reicher ward, denn er meinte immer, es gehe zu viel in der Wirthschaft drauf. Endlich kam er auf den Gedanken, es möchte sich doch wohl bezahlen, eine Frau zu haben, welche den Haushalt besorge, wenn er nur eine bekommen könnte, die selbst nichts verzehrte.
Eines Tages sprach Lars mit seinem Käthner darüber, und der Käthner schrieb sich das hinters Ohr. Als er nach Hause kam, sagte er zu seiner Tochter, die Grete hieß: »Wenn du morgen den Hofbauer hier vorüber kommen siehst, so mußt du die Gänse hinaus treiben und sie hüten, und dann mußt du sagen: Geh, kleine Gans, für den, der nichts ißt! Dann wird er dich gewiß fragen, wer das sei, der nichts ißt. Dann mußt du sagen: das bin ich; mein Vater ist ein armer Mann und hat viele Kinder, so daß er mir nichts zu essen geben kann; aber drinnen in der Stube steht ein Pfosten, in den hat Vater einige Löcher gebohrt, zu denen gehe ich ab und an einmal hin und gähne über ihnen und schnappe mir einen Mundvoll Luft; davon lebe ich.«
Es ging, wie der Käthner gedacht hatte: am nächsten Morgen mußte Lars Larsen aufs Feld und an ihrem Hause vorüber gehn. Da trieb Grete die Gänse hinaus und ging und hütete sie. »Geh, kleine Gans, für den, der nichts ißt!« sagte sie. Das hörte Lars, und da frug er: »Wer ist das, der nichts ißt?« – »Ach, das bin ich,« sagte Grete, »denn mein Vater ist ein armer Mann und hat viele Kinder, so daß er mir nichts zu essen geben kann.« – »Wovon lebst du denn?« frug Lars. »Es steht ein Pfosten drinnen in unsrer Stube,« sagte das Mädchen, »in den hat Vater einige Löcher gebohrt, zu denen gehe ich ab und an einmal hin und gähne über ihnen und schnappe mir einen Mundvoll Luft; davon lebe ich.« – »Höre, mein liebes Kind!« sagte der Hofbauer, »hättest du nicht Lust, mich zu heiraten und Hofbäuerin zu werden?« – »O ja!« sagte Grete, und so hielten sie Hochzeit, und sie zog auf den Hof. Lars stellte einen Pfosten in der Stube auf und bohrte einige Löcher in denselben, zu denen sie hingehen und gähnen konnte, wenn sie hungrig wäre.
Als einige Zeit vergangen war, sagte der Hofbauer zu seinem Knechte, welcher Niels hieß: »Höre, Niels,« sagte er, »ich weiß doch nicht recht, ob unsere Bäuerin nichts ißt, denn mich dünkt, sie wird so fett. Kannst du mir nicht sagen, wie ich dahinter kommen soll?« – »Ich weiß nicht,« sagte Niels; »es müßte denn sein, daß ich euch in den Schornstein hinunterließe; dann könntet ihr ja sehen, ob sie dort etwas ißt.« Das däuchte dem Manne gut, und der Knecht ließ ihn in den Schornstein hinab; dort hing er wie die anderen Schafskeulen. Aber dann ging Niels zu der Frau hinein und sagte: »Nehmt euch in acht, daß ihr draußen in der Küche nichts eßt; denn unser Bauer hängt droben im Schornstein.« – »Es ist gut,« sagte die Frau, und dann ließ sie die Mägde recht feuchtes Holz holen und auf den Herd legen. Als nun der Mann so lange dort gehangen hatte, wie es Niels gefiel, nahm er ihn herunter, und da war er so verräuchert, daß er weder gähnen noch bellen konnte. »Nun, hat sie etwas gegessen?« frug Niels. »Nein, dort hat sie nichts gegessen,« sagte der Mann, und ihm war so schlimm, daß er hingehn und sich zu Bette legen mußte.
Als wieder einige Zeit vergangen war, sagte der Mann: »Höre, Niels! ich fürchte doch, daß unsere Bäuerin etwas ißt; mich dünkt, sie wird so fett. Kannst du mir nicht sagen, wie ich dahinter kommen soll?« – »Nein, das kann ich nicht,« sagte Niels, »es müßte denn sein, daß ihr in das Schlafzimmer hinaufginget, dort liegt eine große Federdecke, in die könnt ihr ja hineinkriechen, ich werde ein kleines Loch machen, zu dem ihr hinausgucken könnt; dann erfahrt ihr ja, ob sie vielleicht da droben etwas ißt.« Ja, das wäre sehr gut, däuchte dem Manne, und er kroch in die Decke; aber Niels ging hinunter und sagte zu der Frau: »Nehmt euch in acht, daß ihr droben im Schlafzimmer nichts eßt! denn unser Bauer liegt droben in einer Decke.« – »Es ist gut,« sagte die Frau, und dann rief sie die Mägde. »Hört,« sagte sie ihnen, »mich dünkt, die Betten droben im Schlafzimmer müssen einmal an die Sonne, sonst werden sie ganz muffig. Tragt sie jetzt hinaus und klopft sie tüchtig aus.« Die Mägde wußten Bescheid: sie trugen die Betten in die Sonne und klopften sie tüchtig aus, und legten sie dann wieder hin, wie sie gelegen hatten. Dann kam Niels hinauf und zog den Mann aus der Decke heraus, da war derselbe so mürbe geklopft, daß er weder kriechen noch gehen konnte. »Nun hat sie etwas gegessen?« frug Niels. »Nein, dort hat sie nichts gegessen«, sagte der Mann, und er schlich hinunter und legte sich in sein Bett und war noch acht Tage nachher in der elendesten Verfassung. Die Frau kam und pflegte ihn, und dabei sagte sie ihm: »Höre, Lars! du solltest nicht mehr essen, als ich esse, dann wärest du immer gesund und munter.«
Wiederum verging einige Zeit, und der Mann hatte sich von den Prügeln erholt, die er bekommen, da sagte er zu Niels: »Ich fürchte wirklich, daß unsere Bäuerin doch etwas ißt, denn mich dünkt, sie wird so fett. Kannst du mir nicht behilflich sein, dahinter zu kommen?« – »Nein,« sagte Niels, »jetzt habt ihr ja gesehen, daß sie weder in der Küche noch im Schlafzimmer etwas ißt, daher weiß ich nicht, wo sie es thun sollte, es wäre denn im Keller. Dort steht eine alte Biertonne, in die könntet ihr hineinkriechen und durch das Spundloch hinausgucken; dann erführet ihr doch, ob sie dort etwas ißt.« Das dünkte dem Manne gut, und er kroch in die Tonne hinab. Aber Niels ging zur Frau hinein und sagte: »Nehmt euch in acht, drunten im Keller etwas zu essen, denn der Bauer sitzt in der alten Biertonne.« – »Es ist gut,« sagte die Frau, und dann rief sie die Mägde herbei. »Hört,« sagte sie, »drunten im Keller steht die alte Biertonne und stinkt mir in die Nase, so oft ich hinunterkomme. Füllt Wasser in den Braukessel und heizt tüchtig unter demselben, und gießt dann das Wasser in die Biertonne, daß sie ordentlich rein wird!« Die Mägde waren eben so gesonnen wie sie, und sie beeilten sich, zu thun, was sie geheißen hatte, und der Mann ward also fast ganz verbrüht. Als Niels ihm aus der Tonne half, mußte er gleich zu Bette und blieb einen ganzen Monat liegen. Die Frau kam zu ihm und pflegte ihn und sagte: »Es ist aber doch arg, daß du so verreisest und mir krank wirst;« denn er hatte ihr jedes Mal, wenn er ihr so auflauern wollte, weißgemacht, daß er verreisen müßte.
Sie hatten zwei fette Ochsen im Stalle, und während der Mann krank lag, sagte die Frau zu Niels: »Du kannst die beiden Ochsen nehmen und mit ihnen nach Kopenhagen gehn und sie verkaufen, und das Geld magst du selbst behalten, weil du mir treu gedient hast.« Das that Niels auch; aber als der Mann nun wieder aufstand, vermißte er sogleich seine Ochsen. Da sagte er zu seiner Frau: »Aber wo sind die Ochsen, Bäuerin?« – »Die habe ich gegessen,« sagte die Frau. »Aber wo sind denn die Häute?« – »Die habe ich mitgegessen,« sagte die Frau. »Aber wo sind denn die Hörner?« – »Die habe ich auch gegessen,« sagte die Frau. Da vergingen dem Manne die Sinne, und er sank ohnmächtig nieder. Man brachte ihn zu Bette und ließ den Doctor holen; aber gegen die Krankheit gab es kein Mittel. Er starb und wurde begraben, Grete erbte den Hof und alles Geld. Die Wittwe ließ ihm einen schönen Grabstein setzen, und dann verheiratete sie sich mit Niels, und sie leben heute noch froh und vergnügt.

[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]

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