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Märchenbasar

Der Fuchs führt den Wolf in die Schafmeierei

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Der Fuchs lag eben vor seiner Burg und leckte sich den Schnurrbart, als der geschlagene Wolf mit blutigen Malen herbeikam. »Gevatter, wie seht Ihr doch so abgehärmt aus? Hat Euch der Trunk schlecht bekommen? Ihr wäret doch kurz zuvor so schön, und wo habt Ihr die roten Zeichen Euch verdient?«
»Daran ist deine Untreue und Bosheit schuld, Verräter; doch warte, du sollst mir noch alles bezahlen!«
»Euere Vorwürfe sind ungerecht, denn kann ich dafür, daß Ihr ein Tor und kein Weiser seid? Aber verderbt mir jetzt nicht den Nachgeschmack von meinem vortrefflichen Frühstück.«
»Was habt Ihr denn gefrühstückt?« fragte der Wolf begierig. »Ich esse jetzt«, sprach der Fuchs, »jeden Morgen mit meiner Frau und meinen Kindern ein Schaf, solang es dauern wird; es sind aber noch gegen hundert Stück in der Meierei, die ich wohl kenne.«
»Gevatter, Ihr wißt, ich esse Schafe für mein Leben gern, wollt Ihr mich hinführen, daß ich mir auch nur eins nehme, so soll alles vergessen sein, was Ihr mir getan habt.«
»So kommt denn, daß ich Treue und Freundschaft für Undank Euch erweise!« Wer war froher als der Wolf. Es war aber um die Meierei ein hoher und fester Frieden und nur ein einziges kleines Loch bei der Wasserrinne zu finden; dahin führte der Fuchs den Wolf, und der zwängte sich mühsam hinein. »Aber haltet jetzt Wort«, sprach der Fuchs, »und esset nicht mehr als ein Schaf und denket an mich, mein Weib und meine Kinder, für die eigentlich diese Schafe bestimmt sind.«
»Sorget nicht, Gevatter, ich weiß schon, was ich meiner Ehre schuldig bin.« Damit schlich er zu den Schafen, packte und würgte das erste beste, schleppte es auf die Seite und verschlang es. »Das war doch gar zu klein, das willst du nicht zählen«, sprach er bei sich selbst, ging hin, würgte ein zweites und verschlang es gleichfalls. »Auch das war noch keines!« sprach er wieder, »denn wie könnte ich sonst noch so großen Hunger haben?« Er ging hin und packte ein drittes und verzehrte es. »Ich weiß nicht«, sprach er, »träume ich nur, daß ich Schafe esse; ich spüre in meinem Magen noch nichts davon«; er ging und würgte ein viertes, ein fünftes, sechstes und endlich zehntes. »Das ist nun eines«, sprach er, denn jetzt war er so vollkommen satt und so vollgefressen, daß ihm das Fleisch in den Schlund hinaufreichte. Er wollte nun wieder hinaus; allein es war, als solle eine mächtige Kufe Weins zu einem Kellerfenster hinein oder hinaus, so dick war er geworden gegen die kleine Öffnung. Er zwängte den Kopf hinein und konnte nun weder vorwärts noch rückwärts. Der Fuchs stand aber draußen. »Gevatter«, sprach der Wolf ganz leise, »sagt mir, wie komme ich hinaus?«
»Sagte ich’s Euch«, rief der Fuchs ganz laut, »Ihr solltet nur ein Schaf essen.«
»Nun ja, und das habe ich auch getan; die neun ersten waren so klein, daß ich sie gar nicht gezählt habe; nur das zehnte war ein Schaf, denn davon wurde ich satt.«
»Es gibt kein anderes Mittel«, sprach der Fuchs, »Ihr müßt nun so lange warten, bis Ihr wieder so dünn werdet als damals, als Ihr hineinkröchet« und lief damit fort. Bald aber kamen die Schäferhunde, die hatten den Wolf gewittert und die Stimme des Fuchses gehört; sie rissen ihm den Bauch herein, daß alles genossene Fleisch aus dem Magen herausfiel und die Gedärme ihm heraushingen. Er zog sich mühsam hindurch und entkam in den Wald; der schlimme Fuchs lag vor seiner Wohnung und sonnte sich. »Gevatter, wozu schleppt Ihr soviel Seil mit Euch ? Wollt Ihr Euch denn erhängen?« Der Wolf sah, daß der Fuchs im Sichern war, er erwiderte nichts und lief nach seiner Burg, um sich zu heilen; aber in seinem Herzen kochte er Rache für die Schmach, die ihm der Fuchs angetan.

[Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen]

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