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Märchenbasar

Der goldene Vogel und der gute Hase

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Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, zwei von ihnen waren klug, einer war ein Narr. Er besass auch einen Apfelbaum, der goldene Äpfel trug, aber jede Nacht raubte jemand Äpfel. Deshalb legte der König seinen Dienern schwere Bestrafungen auf.

Eines Tages sprach sein ältester Sohn zu ihm: „Vater, ich werde den goldenen Apfelbaum bewachen. Und wenn es mir nicht gelingt, den Dieb zu fangen, kannst du mich töten.“
„Nun gut, so geh.“
Er ging, um Wache zu halten. In der Nacht kam ein goldener Vogel und stahl einen goldenen Apfel vom Baum.

Am nächsten Tag erhob sich der König und fragte seinen Sohn: „Hast du den Dieb gefangen?“ Der König zählte die Äpfel am Baum: Einer fehlte. „Nun“ sagte er zu seinem Sohn, „so sollst du getötet werden.“

Die Edlen des Königreiches und jedermann baten ihn, Verzeihung zu gewähren, und der König begnadigte seinen Sohn.

Da sagte der zweite Sohn zum König: „Vater, jetzt will ich gehen und Wache halten; es kann sein, dass ich den Dieb ergreifen werde.“
„Nun gut, so geh.“
Er traf seine Vorbereitungen und begab sich auf Wache. Der goldene Vogel kam wieder und stahl einen Apfel vom Baum.

Am nächsten Tag erhob sich der König und fragte seinen Sohn: „Hast du den Dieb gefangen?“ „Nein, Vater, ich habe ihn nicht gefangen, er ist mir entwischt.“ „Hast du ihn wenigstens gesehen?“
„Ja, ich habe ihn gesehen.“
„Nun denn, wie kommt es, dass er dir entwischen konnte? Du sollst getötet werden.“

Da traten die Königin und alle Edelleute für ihn ein. Der König verzieh auch diesem Sohn. Da bat der dritte Bruder, der Narr, er solle ihm erlauben hinzugehen und die goldenen Äpfel zu bewachen. „Vater“ sagte er, „ganz gewiss werde ich den Dieb fangen.“

„Geh also, Narr, der du bist“ antwortete der König, „deine klugen Brüder haben Wache gehalten und konnten den Dieb nicht fassen, was willst du Narr denn tun?“

„Kümmere dich nicht darum, Vater, meine Brüder mögen klug sein, aber sie konnten den Dieb nicht fassen. Ich, der ich ein Narr bin, weiss besser als sie, wie er zu fangen ist.“
„So geh, aber du wirst sterben müssen, wenn du ihn nicht fängst.“
„Sehr wohl, Vater, ich stimme dir zu, dass du mich tötest; sollte ich aber den Dieb fangen, bin ich es, der dich töten wird.“
„Nun gut, ich werde nach keiner Ausrede suchen.“

Der Narr traf seine Vorbereitungen und ging, um Wache zu halten. Er stieg auf den Baum, um von dort zu beobachten, steckte eine Nadel in einen Ring und legte sein Kinn auf die Nadel. „Sobald ich einschlafe“ sagte er sich, „wird mich die Nadel stechen, und ich werde aufwachen.“

Gerade gegen Tagesanbruch sah er einen goldenen Vogel kommen, in der Absicht, einen der goldenen Äpfel zu stehlen. Er schoss auf den Vogel und beraubte ihn so dreier goldener Federn. Diese hob er auf und behielt sie in seiner Hand. Am Morgen stand er auf, ging zu. seinem Vater, der ihn fragte: „Hast du den Dieb ergriffen? Was hast du ihm weggenommen?“

„Ich habe ihm mit dem Schuss einer Muskete ein Stück seines Hemdes genommen.“

Da sagte der König zu ihm: „Jetzt kannst du mich töten.“
„Vater, ich schenke dir dein Leben.“

Er zeigte ihm die drei goldenen Federn. Sein Vater wurde so sehr durch den ungeheuren Glanz geblendet, dass er erblindete.

„Was sollen wir jetzt anfangen, wir Unglücklichen?“
Der älteste Bruder sprach zum Vater: „Ich will diesen Vogel suchen.“
„Gut, gehe, mein Sohn; denke an mich.“

Der Königssohn nahm viel Geld und ein schönes Pferd mit sich. Auf der Suche nach dem goldenen Vogel zog er hinaus in die Welt. Einmal sah er ein schmuckes Gasthaus. Dort kehrte er ein und bestellte sich etwas zu essen und zu trinken. Da hörte er Streit im Nachbarzimmer. Er schaute durch das Schlüsselloch und sah zwölf junge Damen beim Kartenspiel. Als er vorsichtig die Tür ein wenig öffnete, riefen die Jungfrauen ihm zu: „Kommt nur herein, Herr, und spielt mit uns.“

Er ging hinein und verlor all sein Geld im Spiel. Er verkaufte sein Pferd und verlor auch dieses Geld. Dann verkaufte er seine Kleider und verlor immer noch. Zuletzt bat er die Jungfrauen, ihm hundert Florins zu leihen. Sie liehen ihm die Summe, und er verspielte auch diese hundert Florins. „Was soll ich jetzt tun, Bettler, der ich bin?“

Die Jungfrauen liessen ihn verhaften und ins Gefängnis sperren. Sechs Monate sah er niemanden, der älteste der drei Brüder.

Dann traf der jüngere Bruder seine Vorbereitungen und verlangte von seinem Vater, dass er ihn den goldenen Vogel suchen lassen möge. Sein Vater sagte zu ihm: „Jeder von euch geht fort, und keiner kehrt zurück. Nun gut, so geh.“

Der zweite Bruder nahm noch mehr Geld mit als der erste und ein noch schöneres Pferd. Auch er kam zu jenem Gasthaus und liess sich etwas zu essen und zu trinken bringen. Auch er hörte, wie sich Leute im Nachbarzimmer stritten, öffnete die Tür ein wenig und sah zwölf Jungfrauen beim Kartenspiel.

„Kommt nur herein, Herr, und spielt mit uns.“ Der Königssohn setzte sich, um mitzuspielen, und verlor all sein Geld. Er verkaufte sein Pferd für eine stattliche Summe und verlor das Geld in gleicher Weise. Dann verkaufte er seine Kleider und verspielte den Gewinn ebenso. Zuletzt borgte er sich hundert Florins von den zwölf Jungfrauen und verspielte auch sie. „Was soll ich jetzt tun, Bettler, der ich bin?“

Die Jungfrauen liessen ihn verhaften und ins Gefängnis werfen.

Da sagte der König: „Volle sechs Monate sind vergangen, seit meine beiden Söhne fortgezogen sind, und keiner von ihnen ist zurückgekehrt.“

Nun wünschte der Narr, der jüngste Bruder, auf die Suche nach dem goldenen Vogel auszuziehen. Er bat seinen Vater, ihn gehen zu lassen.

„Nun gut, mein Junge. Narr, der du bist, vielleicht wirst du mir diesen Vogel eher bringen als deine beiden klugen Brüder, die auszogen und nicht zurückkamen.“

So traf der Narr seine Vorbereitungen. Er zog fast ohne Geld fort, ohne alles, ausgenommen zwei Flaschen Wein, und machte sich mit Gottes Hilfe auf den Weg. Nach einem langen Ritt kam er an ein kleines Gehölz. In diesem Wald sah er einen lahmen Hasen, der vor ihm zu flüchten suchte. Er wollte den Hasen töten, aber der beschwor ihn: „Habe Gottesfurcht, töte mich nicht. Ich weiss, wohin du gehen willst, ich werde es dir sagen.“ „Das ist gut“ erwiderte der närrische Prinz. Er stieg von seinem Pferd, zog eine schöne Rübe aus seiner Tasche und gab sie dem Hasen zu fressen. Er selbst trank etwas von seinem Wein und fragte den Hasen: „Wenn ich dir Wein anböte, würdest du gewiss nicht davon trinken?“

„Warum sollte ich nicht von dem Wein trinken?“ erwiderte der Hase, „du brauchst mir nur etwas davon zu geben.“ So gab er ihm etwas Wein. Der Hase trank und dankte ihm höflich. Dann fragte ihn der närrische Prinz: „Wovon sprachst du vorhin?“

„lch sage dir, dass du auf der Suche nach dem goldenen Vogel bist, dem du drei Federn mit einem Musketenschuss genommen hast. Du hast die Federn deinem Vater gezeigt, der daraufhin erblindete.“
„Ja, so ist es.“
„Also höre: Du wirst verschiedene Vögel sehen in einem diamantenen Käfig, einem Käfig aus Gold, einem Käfig aus Silber und einem Käfig aus Holz. Im ersten wird sich ein diamantener Vogel befinden, im zweiten ein goldener Vogel, im dritten ein silberner Vogel und im vierten ein elender gewöhnlicher Vogel. Hüte dich davor, einen der Vögel mit einem schönen Käfig zu nehmen, das würde dir Unglück bringen. Jetzt steig auf meinen Rücken und lass dein Pferd in diesem Wald grasen.“

Er ritt auf dem Hasen zu dem Ort, wo sich die Vögel befanden. Der Hase beschwor ihn noch einmal: „Um Gottes willen hüte dich davor, einen Vogel mit einem schönen Käfig zu berühren! Nimm den im gewöhnlichen Käfig.“

Der Prinz ging hinein und sah drei verschiedene Käfige. „Warum“ sagte er sich, „sollte ich einen von diesen nehmen, wenn ich doch einen Vogel mit einem schönen Käfig haben kann?“ Er näherte sich dem diamantenen Käfig mit dem diamantenen Vogel und hätte ihn genommen, wenn nicht plötzlich diese verfluchten Vögel ein entsetzliches Geschrei angestimmt hätten. Die Wächter kamen herbeigelaufen und nahmen den Prinzen fest. Am nächsten Tag fragte ihn der König: „Warum bist du hierhergekommen?“

„Ich kam, Herr, um den Vogel zu nehmen, der mir die goldenen Äpfel stahl.“

„Höre mich also. Du sollst jenen Vogel haben, vorausgesetzt, du tust etwas für mich: Da gibt es einen gewissen König, der ein silbernes Pferd besitzt. Stiehl ihm dieses Pferd und bringe es mir, dann werde ich dir den Vogel geben.“
„Sehr wohl.“

Der Narr kam zu dem Hasen und begann zu klagen. Doch der Hase sagte: „Habe ich dir nicht geraten, den Vogel im schönen Käfig nicht zu berühren, sondern den Vogel im gewöhnlichen Käfig zu nehmen? Nun sei nur still; komm mit mir, ohne mich zu besteigen. Und höre, dort werden schöne Pferde aus Gold und Silber sein. Berühre sie nicht, sondern nimm den elenden Gaul nahe der Tür!“

Gut, sie gingen. Und der Prinz sah die schönen Pferde, eines ganz aus Gold, das andere aus Silber. Er schaute sie an und sagte sich : „Warum sollte ich diesen elenden Gaul nehmen, wenn ich das goldene Pferd haben kann?“ Als er versuchte, das goldene Pferd zu besteigen, wieherten alle Pferde laut, und er wurde gefangengenommen. Am Morgen fragte ihn der König: „Was wolltest du hier?“

„Ich kam, um dein silbernes Pferd zu stehlen, weil der andere König mir sagte, dass er mir dafür seinen goldenen Vogel geben würde.“

„Nun, ich werde es dir selbst aushändigen, wenn du folgende Aufgabe für mich ausführst: Unser dritter König hat eine Tochter mit goldenen Locken. Wenn du sie entführst und zu mir bringst, sollst du mein silbernes Ross erhalten.“
„Sehr gut.“

Der Prinz kam zurück zu seinem Hasen. „Warum nur machst du nicht, was man dir sagt?“ fragte der Hase und hätte ihn fast geschlagen. „Komm jetzt mit mir, aber steige nicht auf meinen Rücken. Du wirst dorthin gehen, wo die Prinzessin wohnt. Du wirst mit ihr essen, du wirst mit ihr trinken, schliesslich wirst du mit ihr schlafen. Dann werde ich in der Nacht kommen und euch beide fortbringen.“

Gut, er ging dorthin, wo die Prinzessin wohnte. Er ass, er trank, und er schlief mit ihr. Der Hase stand in der Nacht auf und trug die bei den davon. Als es Tag geworden war, hatten sie schon eine grosse Entfernung zurückgelegt.

„Wo bin ich?“ fragte die Prinzessin.

„Du wirst die Frau dieses Prinzen werden“ sagte der Hase zu ihr. Da war sie sehr froh, einen so jungen und hübschen Gatten zu bekommen.

„Gut, nun haben wir die Prinzessin mit den goldenen Locken. Aber wie wollen wir jetzt das silberne Pferd und den goldenen Vogel stehlen?“ erkundigte sich der närrische Prinz.

„Oh“ erwiderte der Hase, „dies ist meine Angelegenheit.“

So blieben der Prinz und die Prinzessin zurück, und der Hase brach allein auf. Er ging zu dem König und stahl ihm jenen elenden Gaul, der nahe der Tür stand. Er bestieg ihn und kehrte zu dem Narren zurück. Dieser war entzückt, dass es dem Hasen gelungen war, das schöne silberne Pferd zu stehlen. Er setzte die Prinzessin auf das silberne Pferd. Mit Gottes Hilfe reisten sie weiter und erreichten das Haus jenes Königs, der den goldenen Vogel besass. Der Hase stahl den elenden Vogel in dem kläglichen Käfig. Kein einziger Vogel und kein einziges Pferd hatten auch nur einen einzigen Schrei ausgestossen. Als er dem Narren den Vogel brachte, war dieser restlos begeistert von dem goldenen Vogel in einem goldenen Käfig. Wieder setzten sie ihren Weg mit Gottes Hilfe fort und gelangten in jenen Wald, wo der Narr sein Pferd zurückgelassen hatte.

Vor dem Aufbruch des Prinzen sagte ihm der Hase: „Ich verbiete dir, deine beiden Brüder vom Tode freizukaufen.“ Der Prinz schwor, dass er dies nicht tun würde. Dank der Hilfe des guten Hasen, der sie gerettet hatte, kehrten er und die Prinzessin nach Hause zurück. Als der Prinz seinem Vater den goldenen Vogel geschenkt hatte, erhielt dieser sein Augenlicht zurück. Der Vater war entzückt darüber, dass sein Sohn die Prinzessin mit den goldenen Locken und ein silbernes Ross mit sich führte. Sie machten Hochzeit und lebten zusammen.

Nach fünf Jahren geschah es, dass der närrische Prinz seine beiden Brüder suchen wollte. „Geh nicht, mein Sohn“ sagte sein Vater, „lass Gott sie bestrafen.“ – „Erlaube es mir, Vater. Ich werde gehen und sie suchen.“ Sein Vater widersetzte sich nochmals, aber er bat ihn so eindringlich, dass der Vater ihm schliesslich erlaubte aufzubrechen.

Der Prinz kam in eine grosse Stadt und sah dort, seine beiden Brüder. Sie sollten gerade hingerichtet werden. Der Narr wollte sie vor der Todesstrafe retten und auslösen, aber die Edelleute verweigerten es ihm. Er bot eine ungeheure Summe an, aber sie wollten diese nicht annehmen. „Wenn ihr es nicht wollt, kann ich nur nach Hause gehen.“

Er kam zurück und sagte zu seinem Vater: „Ach, Vater, nun sind meine Brüder tot.“
„Da sie mir nicht gehorcht haben“ erwiderte der Vater, „ist es nur recht, dass Gott sie bestraft hat.“ Der jüngste Sohn lebte mit seiner Frau, und sie lebten mit der Hilfe des guten goldenen Gottes.

Quelle:
(Zigeunermärchen)

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