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Der goldhaarige Prinz

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In alten Zeiten lebte einmal in einer Hauptstadt ein so schöner und guter Prinz, dass seine Aeltern sich an ihm nie satt sehen konnten und liebevoll auf Alles Acht gaben, was er that. Nun muss man auch wissen, dass dieser Prinz goldenen Bart und goldene Haare hatte. Alle entzückten sich beim Anblicke derselben, denn Niemand hatte noch etwas Aehnliches gesehen.
Der Prinz wurde immer grösser und stärker und seine Aeltern beschlossen ihm eine Frau zu geben. »Suche dir nur eine aus, welche dir gefällt«, sagten sie; »was du immer für eine wählen magst, dessen sei versichert, dass wir sie freudig und mit offenen Armen aufnehmen wollen.« »Das will ich schon«, erwiederte der Prinz; »aber wenn ich nicht eine finde, die mir gleicht, so nehm‘ ich keine und wär‘ es auch die reichste und schönste von der Welt!« Darauf liessen seine Aeltern sein Bild malen und dasselbe vervielfacht an den Strassenecken aufhängen mit dem Bedeuten, jede Jungfrau, welche dem Prinzen gleiche, solle am königlichen Hofe erscheinen. Dasselbe geschah auch in den entlegensten Städten des Reiches.
In einer dieser Städte lebte ein Kaufmann, dieser hatte drei Töchter, von denen die jüngste das Bild des Prinzen sah und sagte: »Ich gleiche dem Prinzen ganz!« Und je mehr sie das Bild ansah, desto mehr verliebte sie sich in den unbekannten Königssohn. Sie sann nun Tag und Nacht, was sie thun sollte; denn sie scheute sich es ihrem Vater zu sagen, noch weniger konnte sie es über sich bringen an den königlichen Hof zu gehen. Da erinnerte sie sich, dass sie eine Freundin habe, die war eine grosse Zaubererin und ihr vertraute sie ihr Geheimniss an. Diese belehrte sie, wie sie es anzufangen habe, um ihr Ziel zu erreichen. »Um mit dem Prinzen sprechen zu können«, sagte sie, »musst du drei Haare von seinem Kopfe und seinem Barte haben; diese lege mit warmer Asche in einen Topf, lass es ein wenig sieden und dann verwandelt sich der Prinz in eine Taube. Sodann öffne das Fenster und stell‘ in die Mitte des Zimmers ein Wasserbecken und du wirst sehen, dass der Prinz in stürmischer Eile daherkommt.« »Ich danke dir, Freundin«, sagte die Kaufmannstochter; »du wirst sehen, dass ich deine Rathschläge bestens befolgen werde.« »Thu nur, wie ich dir gesagt habe«, erwiederte die Hexe, »und du wirst dein Glück finden.«
Nach einigen Tagen sagte der Kaufmann zu seinen Töchtern: »Was soll ich euch bringen, meine Kinder, denn ich muss in die Hauptstadt reisen meiner Geschäfte halber und komme in vierzehn Tagen wieder zurück.« »Ein schönes Kleid!« rief die älteste. »Und mir eine goldene Kette!« sagte die zweite. »Und was willst du?« sagte der Kaufmann zur dritten, welche die schönste war und schwieg. »Lieber Vater«, erwiederte sie, »ich möchte nur drei Kopf- und Barthaare von unserem Königssohne und dann wär‘ ich zufrieden.« »Schon recht«, erwiederte der Kaufmann, »jeder Narr hat seine eigene Art, aber du kannst darauf rechnen, dass ich es dir bringe.«
Er verreiste und nachdem er in der Stadt seine Geschäfte besorgt hatte, kaufte er für seine älteste Tochter ein schönes Kleid und für die zweite eine schmucke goldene Halskette. »Aber wie soll ich es nur anfangen, einige Kopf- und Barthaare des Prinzen zu bekommen?« fragte er einen Freund. »Da gibt es kein anderes Mittel«, sagte dieser, »als dass du zum Barbier des Prinzen gehest und mit ihm redest.« Der Kaufmann that es. Der Barbier zeigte sich zwar bereit; »aber«, meinte er, »es wird mir schwer, recht schwer werden; denn so oft ich beim Prinzen bin, stehen die Wachen rings umher und lassen mich keinen Augenblick aus den Augen.« Da aber der Kaufmann nicht aufhörte zu bitten, versprach er das Mögliche thun zu wollen. Am folgenden Tage hatte der Barbier beim Prinzen zu thun; aber nur mit der grössten Mühe gelang es ihm einige Barthaare mit dem Messer heimlich unter seinen Arm zu streichen und sie dem Kaufmanne bringen zu können. Dieser hatte grosse Freude und gab dem Barbier ein kostbares Geschenk.
Als der Kaufmann nach Hause kam, brachte er jeder seiner Töchter, was sie gewünscht hatten; die jüngste aber war viel zufriedener als die beiden ältern. Kaum war sie ungestört allein in ihrem Zimmer, so kleidete sie sich, wie eine Königin, stellte ein Wasserbecken hin, öffnete das Fenster und that, was ihr jene Freundin gerathen hatte. Sogleich flog in stürmischer Eile eine Taube durch das Fenster herein, tauchte sich in das Wasserbecken und verwandelte sich in einen wunderschönen Jüngling, der kein anderer war, als der Prinz mit den goldenen Haaren. Das Mädchen aber wurde vor Scham ganz roth. »Und was willst du von mir?« fragte der Prinz; »warum hast du mich in solcher Eile herbei gerufen?« Da fasste sie sich ein Herz und sagte: »Grossmächtiger Prinz, ich habe Euer Bild gesehen und weil ich glaube Euch zu gleichen, habe ich Euch hergerufen, denn ich getraute mich nicht an Euren Hof zu kommen.« Da sah der Prinz sie freundlich an und sagte: »Ja, es ist wahr, du gleichest mir und gefällst mir, dich will ich heiraten.« Und sie redeten noch viel und thaten zärtlich mit einander und am Ende erlaubte ihr der Prinz, dass sie ihn am nächsten Sonntag wieder rufen dürfe.
Die älteste Schwester aber hatte den ganzen Vorgang und alle Reden vor der Thüre belauscht und auf das Glück der jüngsten Schwester neidisch sann sie nach, wie sie ihr dieses Glück rauben könne. Es gelang ihr die jüngste Schwester am Sonntage mit der zweiten fast den ganzen Tag vom Hause fern zu halten; dann kleidete sie sich schön wie eine Prinzessin, nahm die Barthaare des Prinzen und den Aschentopf aus dem Kasten ihrer Schwester und that damit, was sie ihre Schwester thun gesehen. Aber die Unglückliche vergass sowol das Fenster zu öffnen, als auch das Wasserbecken mitten in das Zimmer zu stellen. Mit einem Schlage in das Fenster flog nun die Taube blutend herein, suchte vergebens das Wasserbecken und flog eben so schnell zornig girrend wieder hinweg mit Zurücklassung vieler Blutspuren auf dem Boden. Das tödtlich erschrockene Mädchen las zwar die Scherben auf und wusch die Blutflecken weg, aber das Fenster war und blieb zerbrochen. Als nun die jüngste Schwester nach Hause kam, merkte sie gleich, was geschehen war und fing an bitterlich zu weinen. »Der Prinz ist tödtlich verwundet und gewiss ist kein Arzt, der ihm helfen kann!« jammerte sie voll Angst. Am zweiten Tage darauf kleidete sie sich als Arzt und entfloh von Hause, willens den Prinzen aufzusuchen um zu sehen, ob sie ihm etwa helfen könnte. Sie ging den ganzen Tag und ganz matt und müde befand sie sich abends in einem Walde so dunkel wie der Rachen des Wolfes. Verzweifelnd ging sie hin und her und weinte. »Mein Gott«, jammerte sie, »was soll ich thun? Gewiss werden die wilden Thiere mich noch zerreissen, doch es geschehe da, was Gottes Wille ist!« Gerade war sie bei einem grossen Baume, da stieg sie, so weit sie konnte, in den Gipfel hinauf, um die Nacht hier zuzubringen.
Um zwölf Uhr Mitternacht hörte sie unter dem Baume reden und erblickte vier Hexen, welche um ein Feuer sassen und sich wärmten. Anfangs achtete sie wenig darauf; als sie aber hörte, dass die Hexen vom Prinzen mit den goldenen Haaren redeten, lauschte sie mit ängstlicher Spannung und liess sich kein Wort entgehen. »Der arme Prinz, er ist wirklich zum Tode krank«, sagte eine noch junge Hexe zu einer ältern; »wüsstet Ihr denn gar nicht, wie etwa noch zu helfen sein möchte?« »O ja«, erwiederte die Befragte. »Es dürfte Jemand nur mit dem Blute der Schlange, die im Garten des Königs unter einem Steine ist, ein wenig Salbei sieden, den Kopf des Prinzen damit bestreichen und er wäre geheilt; denn eine solche Salbe hat die Kraft, dem Prinzen die Glasscherben aus dem Kopfe zu ziehen und keiner der Aerzte weiss darum.« Das Mädchen wusste genug; »mein Gott, ich danke dir!« sagte sie und als der Morgen tagte, stieg sie vom Baume herab und machte sich getrost wieder auf den Weg. Noch an demselben Tage abends kam sie in der Hauptstadt an. Sie erfuhr, dass der Königssohn in Todesgefahr schwebe und bereits von den Aerzten aufgegeben sei; jedoch stehe der königliche Palast noch jedem offen, der Hülfe zu bringen im Stande sei. Da ging sie augenblicklich hin, stellte sich dem Könige vor und versprach Hülfe. »Ich erlaub‘ Euch gerne, zum Prinzen zu kommen«, sagte der betrübte König, »aber mir scheint, Ihr seid für einen rechten Doktor doch gar zu jung. Nun, wir wollen sehen!« Sie wurde hinein geführt und als sie den Prinzen so elend sah, wollte sie in Thränen ausbrechen, aber sie hielt sich zurück und ordnete für die Nacht nur einen fieberstillenden Trank an. Am Morgen früh liess sie die Schlange im Garten suchen und tödten und in ihrem Blute den Salbei sieden; damit bestrich sie den Kopf des Prinzen. Und nur wenige Tage vergingen; da waren die Glasscherben nach und nach alle herausgekommen und der Prinz konnte gesund sein Lager verlassen. Der König und die Königin konnten sich vor Freude gar nicht fassen und wussten nicht, wie sie dem jungen Doktor danken sollten. »Schade«, sagte der König lächelnd, »dass Ihr nicht ein Mädchen seid; in diesem Falle hätten wir Euch unsern Sohn zum Gemal gegeben, denn Ihr seht ihm ganz ähnlich. Da Ihr aber nun einmal dies nicht seid, so verlanget zum Lohne, was Ihr immer wollt und wir werden es Euch geben.« »Ich verlange nichts von Euch«, erwiederte sie, »als ein Pferd von Eurem Sohne, eine Locke von seinen Haaren zum Andenken und sein goldenes Waschbecken.« Der König verwunderte sich zwar sehr über dieses Verlangen, aber er gab es ihr mit Freuden und sie ritt auf dem Pferde vergnügt nach Hause. Nach wenigen Tagen schloss sie sich allein in ihr Zimmer ein, kleidete sich prächtig, stellte das goldene Waschbecken hin, öffnete das Fenster und that nun mit den Haaren des Prinzen, was sie das erste Mal gethan hatte. Sogleich kam die Taube wieder mit einem Schwerte unter den Flügeln, tauchte sich in das Wasserbecken und vor ihr stand der Prinz mit zornigem Blicke und dem blanken Schwerte in der Hand. »Warum rufst du mich wieder«, sagte er, »nachdem du mich das vorige Mal fast zum Sterben krank gemacht hast? Siehst du hier das Schwert? Damit sollte ich dich durchbohren, für dieses Mal will ich dir noch verzeihen, aber heiraten will ich dich nun und nimmermehr!« Da warf sie sich vor ihm auf die Knie und beschwor ihn sie anzuhören. Nun erzählte sie, wie Alles zugegangen war und wie sie ihn geheilt habe. »Das glaub‘ ich nicht!« rief er. »Seht nur«, sagte sie, »hier ist Eure Haarlocke, dort steht Euer goldenes Waschbecken und unten im Stalle ist das Pferd, das Ihr mir geschenkt habt!« Als der Prinz dies sah, war sein Zorn besänftigt, sie gaben sich wieder die Hände und wechselten die Ringe.
Vierzehn Tage später wurde die Hochzeit gefeiert und sie waren glücklich und zufrieden durch ihr ganzes Leben. Und ihr bestes Glück war, dass sie sich nicht nur äusserlich an Schönheit, sondern auch innerlich an Tugend gleich waren. –

[Italien: Christian Schneller: Märchen und Sagen aus Wälschtirol]

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