2.
Als sie in ein andres Dorf kamen, hungerte sie, und der Herr sprach: »Petre, geh‘ und kauf‘ Milch!« – »Keine Milch, Herr, lieber Käslein,« bat Petrus, der die Käslein gern aß. – »Es gescheh‘ nach Deinem Willen. Hier hast Du Geld, kauf‘ drei Käslein!«
Petrus ging in ein Haus, und kaufte drei Käslein. Eins verzehrte er sogleich, kehrte dann nach einer Weile zurück und brachte nur zwei. »Wo ist das dritte Käslein?« fragte der Herr. Petrus that, als ob er es nicht hörte, und sie gingen wetter.
Sie kamen in einen Wald, wo sie ausruhten. Da sprach der Herr zu Petrus: »Petre, ich habe kein Geld mehr, und wir werden dessen bedürfen. Hier unter dem Baume, auf dem wir sitzen, liegt ein Schatz. Nimm eine Stange, schaff‘ den Baumstock heraus, und heb‘ den Schatz.«
Petrus war sogleich an der Arbeit, und als er den Baumstock herausgeschafft, fand er in der That einen Schatz von lauter Goldmünzen. Er nahm die Goldmünzen und legte sie auf einen Haufen vor den Herrn. Der Herr zählte die Goldmünzen, und machte drei gleich große Häuflein; eins gab er Petrus, eins behielt er für sich, und eins ließ er liegen.
»Wem gehört denn das dritte Häuflein, Herr?« fragte Petrus. – »Das gehört Dem, der das dritte Käslein gegessen.« Schnell war Petrus mit dem Geständniß heraus: »Herr, das dritte Käslein hab ich gegessen.« Aber der Herr sah ihn mit ernstem Blicke an und sprach: »Petre, Du bekennst Dich nicht zu dem Käslein, sondern zu dem Gelde. Im Gelde steckt der Satan. Geh‘, nimm all das Geld und vertheil‘ es unter die Armen!«
Petrus erröthete über und über; er nahm das Geld, und that, wie ihm der Herr befohlen.
3.
Einst ging Petrus, ganz in Gedanken vertieft, neben dem Herrn einher, bis er plötzlich zu ihm sagte: »Es muß doch eine schöne Sache sein, Hergott zu sein! Wenn ich nur einen halben Tag Hergott wär‘, dann wollt‘ ich wieder Peter sein!« – Der Herr lächelte und sprach: »Es gescheh‘ nach Deinem Willen. Sei Hergott von jetzt an bis zum Abend!«
Eben näherten sie sich einem Dorfe, aus welchem ein Bauernmädchen eine Heerde Gänse trieb. Als es sie auf die Wiese getrieben, ließ es sie dort, und eilte in das Dorf zurück.
»He, willst Du die Gänse allein lassen?« fragte Petrus das Mädchen.
»Was, ich soll heut die Gänse hüten? Wir haben heut Kirchweih‘,« versetzte das Mädchen.
»Und wer soll denn die Gänse hüten?« fragte Petrus weiter.
»I, heut muß sie der liebe Hergott hüten!« entgegnete das Mädchen, und eilte fort.
»Peter« sprach der Herr: »Du hast’s vernommen, Gern wär‘ ich mit Dir in das Dorf zur Kirchweih‘ gegangen; allein die Gänse könnten verunglücken, und Du bist Hergott bis zum Abend, Du mußt sie hüten.« Was blieb Petrus übrig? Er machte zwar ein verdrießliches Gesicht, gleichwohl mußte er die Gänse hüten; aber er verschwor sich, niemals wieder Hergott sein zu wollen.
Einst kamen sie spät Abends in ein Dorf. Der Herr wollte in einer armseligen Hütte nur ein Nachtlager, ersuchen; allein Petrus bat, sie möchten doch in eines der stattlichen Häuser gehen, wo Ueberfluß wäre. Der Herr hielt ihn nicht ab und ließ ihn gehen; er selbst blieb vor der armseligen Hütte sitzen. Petrus ging in das Haus das von allen das stattlichste war. »Hier ist Ueberfluß, hier werden wir ein gutes Nachtmahl und ein gutes Nachtlager bekommen!« dachte Petrus; allein er irrte sich. Die Bäuerin fertigte ihn barsch ab: sie koche nicht für Landstreicher und habe für solche kein Nachtlager! Petrus ärgerte sich, doch ließ er sich nicht abschrecken, er ging in das zweite Haus, wurde aber dort gleichfalls weggewiesen, und ebenso im dritten. Voll Verdruß kehrte er endlich zu dem Herrn zurück.
»Komm, versuchen wir’s in dieser Hütte« sprach der Herr und Beide traten ein. Sie fanden ein Weib mit ihren Kindern eben beim Essen. Ueberall war die Armuth sichtbar. »Da werden wir gut ankommen, das Weib hat ja selbst nichts!« dachte Petrus, allein er irrte sich. Als der Herr um Nachtmahl und Nachtlager bat, erwiderte das Weib, eine Wittwe: »Wenn Ihr mit dem vorlieb nehmet, was ich habe will ich Euch gerne bewirthen.«
Der Herr war mit allem zufrieden, und die Wittwe stand auf und ging hinaus, und es währte nicht lange, so brachte sie ihnen in einer Schüssel Suppe. Sie entschuldigte sich, daß die Suppe nicht fett genug sei sie würde sie gern fetter gemacht haben, allein sie habe kein Oel. »Peter, zähl‘ die Augen, die auf der Suppe schwimmen!« sprach der Herr. Petrus zählte die Augen; es waren ihrer mehr, als sechzig, nur oberflächlich gezählt. Als sie gegessen hatten und sich auf den Boden begeben sollten, wo ihnen die Wittwe ein Lager zurechtgemacht, zählte der Herr so viel Goldmünzen auf den Tisch, als Augen auf der Suppe geschwommen, und schenkte sie der Wittwe. Die Wittwe wußte nicht, was vor Freuden anzufangen.
Zeitig Morgens ging sie in das benachbarte stattliche Haus, um Milch zu holen, damit sie den Reisenden ein gutes Frühstück bereiten konnte, und erzählte da der Bäuerin, wie reich sie die Reisenden für eine schlechte Suppe belohnt hätten; daß sie ihr so viel Goldmünzen gegeben, als Augen auf der Suppe geschwommen. Die Bäuerin war geldgierig. Sie sagte daher der Wittwe, sie möchte für die Reisenden nichts kochen; sie selbst wolle die Reisenden laden, sie habe Alles im Ueberfluß, und könne ihnen eine bessere Suppe bereiten. Als dies die Wittwe Petrus und dem Herrn sagte, sprach der Herr: »Peter, komm!« Sie gingen in das Haus der Bäuerin von den Danksagungen der Wittwe begleitet.
Die reiche Bäuerin bereitete ihnen eine recht fette Suppe. »Haben sie die schlechte Suppe so gut bezahlt wie werden sie erst die gute Suppe bezahlen!« dachte sie. – »Peter, zähl die Augen, die auf der Suppe schwimmen!« sprach der Herr. – »O Herr« rief Petrus dem die Suppe überaus schmeckte, »die Suppe ist so gut, daß all das Fett auf ihr in ein einziges Auge zusammenfließt. Die Bäuerin verdient, daß Du sie doppelt so reich belohnst.« Als sie gingen, schenkte der Herr der Bäuerin nur eine Goldmünze. Die Bäuerin war unzufrieden, allein der Herr gab ihr nicht mehr. »Wie viel Augen, so viel Goldmünzen.«
Unterwegs tadelte Petrus den Herrn, aber der Herr sprach: »Peter, nicht die Größe der Gabe macht ihren Werth, sondern die Absicht, die der Geber hat. Wahrlich, die schlechte Suppe der armen Wittwe war sechzigmal mehr werth, als die gute Suppe der reichen Bäuerin.«
[Tschechien: Joseph Wenzig: Westslawischer Märchenschatz]