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Märchenbasar

Der Kämmerer des Königs

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Es war einmal ein König, der war mit seinen Kammerdienern gut Freund, und er versprach einem jeden für die Hochzeit eine Mitgift. Einer von ihnen wollte eine Reise machen, um sich eine Frau zu suchen, die hübsch, klug und ehrbar wäre. Er kam zu einem großen Gut, und schon auf den ersten Treppenstufen, die ins Haus führten, begegnete er einem Mädchen wie es hübscher nicht sein konnte. Er bat um Unterkunft, und es kam ein alter Landmann, der ihn mit freundlichem Entgegenkommen aufnahm und ihm sein Haus zeigte: »Nun, wie gefällt es Euch?« »Ich finde es ausgezeichnet, nur ist der Giebel recht niedrig.« Dann zeigte ihm der alte Bauer seine Felder und Saaten. »Nun, wie findet Ihr sie?« »Sehr gut, wenn sie nur nicht schon verzehrt wären.« Der Landmann verstand die Worte nicht, denn die Fassade des Hauses war hoch, und sein Speicher war noch voller Korn. Am Abend erschien ein prächtiges Huhn auf dem Tisch, das die Tochter des Bauern zerlegte, indem sie ihrem Vater den Kopf, ihrer Mutter die Flügel, dem Gast die Füße gab, und für sich selbst die Brust behielt. Der Bauer wollte seine Tochter nicht fragen, warum sie dies tat, aber in der Nacht erzählte er in seinem Zimmer seiner Frau von der Unterhaltung mit dem Kammerdiener und hob die Art hervor, in der seine Tochter das Huhn zerlegt hatte. Die Tochter, die von ihrem Zimmer aus alles mitangehört hatte, antwortete von da: »Ich weiß, was unser Gast sagen wollte. Daß der Giebel unseres Hauses sehr niedrig sei, sagte er meinetwegen, weil er mich auf dem Treppenabsatz anfand. Und die schon verzehrte Saat bezog sich darauf, Vater, daß Ihr verschuldet seid, und alles, was Ihr erntet, dient nur, um die Schulden zu bezahlen.« »Gut,« sagte der Vater, »und jetzt erkläre mir, warum du beim Abendessen mir den Kopf des Huhns, deiner Mutter die Flügel, und unserem Gast die Füße gegeben hast.« »Euch, Vater, habe ich den Kopf gegeben, weil es Euch zusteht, das Haus zu regieren. Meiner Mutter gab ich die Flügel, weil sie die Familie beschirmt. Dem Gast gab ich die Füße, weil er auf Reisen ist, und die Brust behielt ich für mich, um gegen das Liebesleid, das mir von unserem Gast kommen wird, gewappnet zu sein.« Der Kämmerer hatte alles mitangehört, mochte er das Mädchen schon seiner Schönheit wegen, so war er jetzt um so entzückter über ihre Klugheit. Am nächsten Tag entschloß er sich, um ihre Hand bei dem Vater anzuhalten, und der gab sein Einverständnis. Er zog mit seiner Frau an den Hof, wollte sie dem König aber nicht vorstellen. Der König argwöhnte, daß sie vielleicht nicht hübsch wäre, und schwor, daß er sie um jeden Preis sehen wollte. Er strich um ihr Haus herum, aber stets waren vor ihren Fenstern die Vorhänge zugezogen. Schließlich bestach er eine Dienerin, daß sie ihn in das Zimmer ihrer Herrin ließ, wenn diese gerade schlief und ihr Mann außerhalb wäre. Der König schwor, daß er sie nicht berühren würde und sie lediglich ansehen wollte. Auf Zehenspitzen betrat er das Schlafzimmer und erblickte ein schönes Bett mit zugezogenen Vorhängen aus grünem Damast. Er zog sie beiseite und da sah er das wunderschönste Mädchen der Welt. In dem Augenblick stürzte die Dienerin herein und sagte, er solle fliehen, da der Hausherr käme. In der Eile ließ der König einen Handschuh fallen. Der Kämmerer kam in das Zimmer, und das erste, was er sah, war der Handschuh. Er war voller Argwohn und behandelte seine Frau fortan nicht mehr gut. Es war die Hölle im Haus. Voller Gewissensbisse, dies den einst glücklichen Eheleuten angetan zu haben, erzählte die Dienerin alles dem König. Der König erinnerte sich, daß er einen Handschuh verloren hatte, und ließ den Kammerdiener rufen, zu dem er sagte: »Du hast mir einen großen Schimpf angetan indem du mir nie deine Frau vorgestellt hast, damit ich sie kennenlerne.« »Herr, es ist, weil sie sehr krank ist.« »Nun gut, morgen werde ich in eurem Hause essen.« Am folgenden Tag ging der König hin. Die Frau des Kämmerers setzte sich als letzte an den Tisch, und da es über ein Jahr her war, daß sie zum letzten Male mit ihrem Mann gegessen hatte, brach sie in Tränen aus, sobald sie Platz genommen hatte. Der König fragte sie, warum sie so bitterlich weinte. Da antwortete sie:

Ich wurde einst von Herzen geliebt.
Heut‘ werde ich es nicht mehr, und ich weiß nicht warum.

Der Kämmerer antwortete:

Als ich meinen Weinberg betrat,
fand ich die Spur eines Diebes darin.

Und der König erklärte:

Jener Dieb, der deinen
Weinberg betrat, war ich.
Grünes Weinlaub schob ich beiseit‘,
und schöne Weintrauben erblickte ich.
Doch bei meiner Ehre als König schwöre ich,
daß ich die Trauben nicht berührte.

Der König erklärte, daß die grünen Weinblätter die damastenen Vorhänge wären, und erzählte, wie er die entblößten Arme gesehen habe, und wie ihm beim Davongehen in der Eile ein Handschuh hinuntergefallen sei. Der Kämmerer war sehr erleichtert und erkannte die Gefahren einer zu großen Neugier. Fortan schloß er seine Frau nie mehr ein, und diese war am Hofe bei allen als die schönste, klügste und ehrbarste Frau bekannt.
In der Version von Loulé Die Frau des Händlers sagt die Ehefrau bei Tisch, als der Prinz im Hause des Händlers zu Abend ißt:

Einst wurde ich begehrt und geliebt,
jetzt werde ich verschmäht,
und dabei habe ich doch nichts getan.

Der Ehemann antwortet:

Ich ging in meinen Weinberg
und fand die Spuren eines Diebes.
Ob er von den Trauben aß oder nicht,
das habe ich nicht gesehen und weiß ich nicht.

Daraufhin bemerkt der Prinz:

Ich bin in deinen Weinberg gegangen
und habe grünes Weinlaub beiseite geschoben.
Als Prinz schwöre ich dir,
daß ich von den Trauben nicht aß.

Nach Abgabe der gegenseitigen Erklärungen versöhnen sich die Eheleute.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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