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Märchenbasar

Der Kater

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Bei einem gar grossen Herren diente ein Bauernjunge. Ein Jahr seiner Dienstzeit war bereits um, und der Herr fragte ihn, welchen Lohn er dafür verlange. »Einen Groschen«! war die Antwort. Der Herr mochte sich mit Gegenvorstellungen abmüden, so viel er wollte, es half nichts, und dem Knechte musste der verlangte Groschen ausgezahlt werden. Mit diesem machte er sich auf den Weg und ging lange, lange herum, bis er einem Bauern begegnete, der einen Sack auf dem Rücken trug. »Was hast Du im Sacke?« fragte der Knecht. »Einen Kater, den ich feilbieten will«, antwortete der Bauer. Der Knecht bekam Lust, den Kater zu kaufen und trug dem Bauer für den Kater im Sacke seinen einjährigen Dienstlohn an. Der Verkäufer, im Wahne eine namhafte Summe für seine Ware einzulösen, ging den Vertrag mit Freuden ein. Der Knecht nahm den Kater und zahlte dem Bauern seinen Groschen. Der Bauer mochte sich geberden, wie er wollte, es half nichts; denn was er gefordert, hatte er erhalten.
Der Kater und sein neuer Herr gingen nun eine Weile, bis sie an den Saum eines grossen Waldes gelangten. Hier zimmerte der Bauernjunge auf Geheiss des Katers eine Hütte, in der beide Platz genug hatten. Ihr Einsiedlerleben währte jedoch nicht lange, und der Kater kam auf den Gedanken, im Namen seines neuen Herrn, so schmierig und zerlumpt er auch war, um die Hand der Tochter eines grossen, grossen Bojaren zu werben. Auf dem Wege zu dem Schlosse des Bojaren begegnete dem Brautwerber Kater ein Hase, der ihn nach dem Ziel seiner Reise fragte. »Zu unserem Herrn«, war die Antwort, »er soll mir Recht sprechen. Der Verleumdungen und üblen Nachreden wäre ich schon satt. Welchen Schaden immer die Katze anrichten mag, heisst es: der Kater hat’s gethan, und hallo! geht es los ans Hetzen mit Hunden.« Dem Hasen dünkte die Gelegenheit gut, sich auch Recht sprechen zu lassen; daher bat er den Kater, er möchte ihn mitnehmen. Der Kater aber befahl ihm, alle Hasen seines Geschlechtes zu versammeln und so vereint an den Hof zu gehen. Der Hase brauchte keine Bedenkzeit, und im Augenblicke hatte er mehrere Hunderte von Hasen versammelt, um unter Führung des Katers vor den Stuhl der Gerechtigkeit zu treten.
An dem Hofthore des Schlosses angelangt, bannte des Katers gebieterisches »Halt!« die Hasen an Ort und Stelle. Er selbst trat vor den Bojaren und sprach: »Hoher Herr! Mein Gebieter, der Prinz Iwaniewicz, sendet Dir diese Herde Hasen zum Geschenke. Befiehl, wohin ich sie Dir führen soll.« Der Bojar traute kaum seinen Augen. Der Kater kam zu den Hasen und sprach: »Der Herr ist geneigt, Euch Recht zu sprechen, nur müsstet Ihr vorher untereinander Rat pflegen über die Art und Weise, wie Ihr die Beschwerden vorbringen sollet. Zu diesem Ende hat er Euch gestattet, in jenen Stall zu treten.« Und er führte sie in eine geräumige Stallung, in der alle Hasen eingesperrt wurden. Der Kater trat wieder vor den Bojaren und bat um die Hand seiner Tochter für seinen Herrn. Der Bojare dachte bei sich: »Es muss doch ein grosser, mächtiger Herr sein, der mir ein solches Geschenk dargebracht hat.« Dann sagte er zum Kater: »Ich werde mich zur Hochzeitsfeier bereiten. Dein Herr möge kommen, die Bitte gewähre ich ihm mit Freuden.« Der Kater, hocherfreut über den Erfolg seiner Bemühungen, lief eiligst zu seinem Herrn, um ihm die freudige Nachricht zu überbringen. Auch war er jetzt gar geschäftig, alle Anstalten zur Abreise zu treffen. Er hatte vollauf zu thun, seinem Herrn eine abgetragene Offiziers-Uniform zu verschaffen und ihn so abzurichten, dass man ihm ein klein wenig Lebensart anmerke. Dies machte dem Kater nicht wenig Mühe. Schliesslich begaben sie sich auf den Weg, und der Kater lud seinem Herrn zwei Säcke auf, vollgestopft mit allerhand abgenützten Soldatenmützen. Als unsere Wanderer den Fluss, der in der Nähe des Bojarengutes floss, im Rücken hatten, hiess der Kater seinem Gesellen die Mützen aus beiden Säcken auf das Wasser schütten. Nachdem dies geschehen war, eilte er selbst zum Bojaren und klagte über den Unfall, der ihnen begegnet, indem ihr stattliches Gefolge samt und sonders im Flusse ertrunken sei. Die auf dem Wasser schwimmenden Soldatenmützen bestätigten seine Aussage. Der Bojare nahm herzlichen Anteil an ihrem Unglücke und berief die besten Schneider, die, ohne Mass zu nehmen, auf den ersten Blick für den Prinz Iwaniewicz die Kleider verfertigten. Hierauf wurde die Hochzeitsfeier abgehalten, und nachdem diese zu Ende war, äusserte der Bojar den Wunsch, seinen neuen Schwiegersohn in seiner Behausung zu besuchen. Der Kater war darüber garnicht verlegen und flösste auch seinem Herrn Mut ein. Die Reise wurde angetreten und der Kater bildete allein den Vortrab. Sie fuhren durch einen grossen, grossen Wald. Der Kater hatte indessen einen bedeutenden Vorsprung gewonnen und stiess auf einen Schafhirten. Diesen bewog er durch Drohungen und Versprechungen, dass er dem Festzuge auf die Frage, wem diese Herden angehören, antwortete: »Dem Prinzen Iwaniewicz.« Gleiches that der Kater mit anderen Hirten, die er unterwegs antraf. Alle diese Herden gehörten aber einem steinalten Mütterchen, das tief in dem Walde ein grosses und glänzendes Schloss als alleinige Herrin bewohnte. Der Kater gelangte bald auch zu dem Schlosse und zwang die alte Frau durch Bitten und Drohungen dazu, dass sie ihr Schloss mit allen Bequemlichkeiten auf einige Stunden den Ankömmlingen abtrat, und sich herbeiliess, sich durch diese Zeit in einem hohlen Baume neben dem Schlosse verborgen zu halten; der Kater versprach, sie auf das Beste zu versorgen. Der Zug war bei den Herden vorüber und die Hirten hatten ihr Wort gehalten. Im Schlosse ging es erst recht lustig zu. Die Hochzeitsgäste sangen und sprangen, dass ihnen die Beine weh thaten. Manches Glas ward geleert und mancher Freudenschuss abgefeuert. Die Feier war grossartig, denn man feuerte sogar Kanonen los. »Es lebe das junge Brautpaar!« hörte man aus dem Schlosse den Bojaren rufen. Der Kater war jetzt gar geschäftig. »Habt Ihr’s gehört«, sagte er, »das junge Brautpaar soll leben! heisst es, – nieder mit dem halbfaulen Baum!« Und man richtete die Kanone auf den Baum, in dem das steinalte Mütterchen die Hochzeitsspeisen sich gut schmecken liess. Die Lunte an und – um den alten Baum samt dem alten Mütterchen war es geschehen. Der falsche Prinz Iwaniewicz blieb nun ungestört Besitzer des Schlosses und erinnerte sich oft des Groschens als Dienstlohn eines Jahres, um welchen er den gar klugen Kater gekauft hatte.

[Ukraine: Raimund Friedrich Kaindl: Ruthenische Märchen und Mythen aus der Bukowina]

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