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Der König der Fische

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Es war einmal ein Mann, welcher Fischer war, der ging alle Tage auf den Fischfang, aber sehr oft fing er nichts. Seine Frau sprach: »Alle Tage streunt er beim Fischen herum, aber nie bringt er einen Fisch mit. Du mußt einen anderen Beruf ergreifen oder wir werden Hungers sterben.« »Gut, warte, Frau! Ich gehe zum letzten Male hin; wenn ich nichts fange, so werde ich meinen Beruf aufgeben.« Am andern Tage geht er auf den Fischfang und beim ersten Zuge fängt er einen großen roten Fisch. Der Fisch sagt zu ihm: »Fischer, o guter Fischer, laß mich wieder in den Fluß und du wirst jeden Tag soviel Fische fangen wie du willst.« Er wirft ihn wieder in den Fluß, und mit dem ersten Netz, das er auswirft, fängt er einen Zentner Fische. Zufrieden kehrt er heim. Seine Frau sagt zu ihm: »Wie kommt es, daß du seit so langer Zeit auf den Fischfang gegangen bist, ohne jemals das geringste heimzubringen, und heute schleppst du so viele Fische herbei?« »Ich will es dir sagen: ich habe einen großen roten Fisch gefangen, der mir gesagt hat, daß ich, wenn ich ihn wieder in den Fluß ließe, täglich soviel Fische fangen würde, wie ich wollte.« Seine Frau sagte zu ihm: »Morgen wirst du wieder hingehen, und wenn du ihn fängst, so wirst du mir ihn bringen, ich will ihn verspeisen.« Der Fischer geht mit einem Netz um den Hals auf den Fischfang; er wirft es in den Fluß und fängt wiederum den roten Fisch. Der Fisch sagt zu ihm: »Fischer, o guter Fischer, laß mich wieder in den Fluß, und du wirst jeden Tag soviel Fische fangen wie du willst.« »Ich darf dich nicht loslassen, denn meine Frau hat mir gesagt, sie wolle dich verspeisen.« »Wenn deine Frau mich verspeist hat, so wird sie um Mitternacht drei schöne Knaben gebären; die Stute, die im Stall ist, wird zu gleicher Zeit drei schöne Füllen werfen und die Hündin drei schöne kleine Hündchen. Diese drei Hunde sollst du nennen: ‚Schnellwiederwind‘, ‚Überalldurch‘ und ‚Bricheisen‘. Du mußt deiner Frau sagen, sie soll meine Gräten aufbewahren und sie in einer Büchse mit etwas Wasser auf den Kamin stellen. Sobald das Wasser rot wird, stehen einem der Knaben außergewöhnliche Dinge bevor.« Mitternacht kommt; die Frau gebärt drei schöne Knaben, die Stute wirft drei hübsche Füllen und die Hündin drei schöne kleine Hündchen.
Als die Knaben erwachsen waren, wollte der älteste abreisen. Da wurde das Wasser in der Büchse rot. Der Bursch nimmt sein Pferd, seinen Hund und eine Gräte aus der Büchse, die ihm als Wurfspeer dienen soll. Er kommt in ein Land, in welchem alles in Trauer ist; er fragt, warum alle Leute so bekümmert seien. Sein Wirt antwortet ihm: »Es gibt hier eine Bestie mit sieben Köpfen, die das ganze Land in Schrecken setzt; dieses Jahr muß man eine Jungfrau opfern, welche von dem Tier verschlungen werden soll, und das Los ist auf die Königstochter gefallen.« »Hat noch niemand versucht, die Bestie umzubringen?« »Nie hat das jemand vermocht!« Am anderen Tage begleitete man die Königstochter bis zum Eingang der Höhle. Der junge Mann nahm sein Pferd und seinen Hund und begab sich zur Höhle. Dort fand er die Königstochter und fragte sie, wohin sie gehe. Sie sagte zu ihm, sie ginge, um von der Bestie mit sieben Köpfen verschlungen zu werden. »Steigt hinten auf mein Pferd, ich will die Bestie umbringen.« »Nein, Ihr werdet verschlungen werden wie ich!« »Fürchtet nichts, ich nehme es auf mich, sie zu töten.« Die Königstochter steigt hinter den Reiter auf das Roß; die Pforte der Höhle öffnet sich, der Hund stürzt sich auf die Bestie, der Reiter nimmt seinen Wurfspeer und schießt ihn durch den einen Kopf derselben. Die Bestie sagt zu ihm: »Ich bin stärker als je, du hast mir einen Kopf abgeschlagen, aber es bleiben mir immer noch sechs.« Der Hund stürzt sich auf die Bestie, der Reiter nimmt seinen Wurfspeer und schießt ihn durch einen anderen Kopf derselben. Die Bestie sagt zu ihm: »Ich bin stärker als je, du hast mir zwei Köpfe abgeschlagen, aber es bleiben mir immer noch fünf.« Der Hund stürzt sich viermal nacheinander auf die Bestie, ebenso schießt ihr der Reiter mit seinem Wurfspeer durch vier Köpfe und es blieb ihr nur mehr einer. Die Bestie sagte zu ihm: »Ich bin stärker als je, ich werde dich fressen, dich, die Königstochter, dein Pferd und deinen Hund!« Der Hund stürzt sich auf die Bestie, der Reiter nimmt seinen Wurfspeer, trennt ihr den letzten Kopf ab, und die Bestie fällt um. Der Reiter schneidet darauf die sieben Zungen aus den Köpfen und wickelt sie in das Taschentuch der Königstochter die ihm sagt, daß sie ihm nichts anbieten kann als sich selbst, wenn er sie zur Frau nehmen wolle. Der Reiter sagt zu ihr, daß er eine Reise zu machen habe, welche ein Jahr und einen Tag dauern würde; bei seiner Rückkehr würde er sie beim Wort nehmen. Dann geht er davon, ohne jemandem zu sagen, was sich soeben zugetragen hatte.
Die Königstochter geht durch das Wäldchen zurück, um in ihres Vaters Schloß zurückzukehren. Sie findet drei Köhler, welche im Walde Kohle brannten. »Wie kommt es, daß Ihr nicht von der Bestie mit sieben Köpfen verschlungen seid? Wer hat Euch das Leben gerettet?« »Ein junger Reiter mit seinem Pferd und seinem Hund, der hat die Bestie getötet!« »Gut. Wenn Ihr nicht sagt, daß ich, der Köhlerssohn, die Bestie getötet habe, so schneide ich Euch mit meinem kleinen Beil auf einem Baumstumpf den Kopf ab.« Dann packt er die Jungfrau und läßt sie angeben, wo die Köpfe der Bestie sind; sie nehmen einen Sack, in welchem gerade keine Kohlen sind, und stecken die Köpfe hinein. Vater, Oheim und Sohn gehen mit der Jungfrau ins Louvre des Königs.
Welch eine Überraschung war das für alle Leute, als man die Jungfrau noch am Leben sah! Sie mußte ihrem Vater sagen, der Köhler wäre es gewesen, der die Bestie mit sieben Köpfen getötet hätte. Die ganze Stadt freute sich. Der König ließ aus Dankbarkeit den Köhler in seinen Palast kommen und gab ihm seine Tochter zur Frau. Die Jungfrau aber sagte, sie könne den Köhler noch nicht heiraten, weil er zu schwarz wäre: »Man muß erst für hundert Franken Seife kaufen und ihn alle Tage einseifen.« Die Diener und die Mägde seiften den Köhler alle Tage ein. Nach sechs Monaten war die Seife aufgebraucht. Der Vater sagte zu seiner Tochter: »Jetzt mußt du ihn heiraten!« »Lieber Vater, man muß nochmals für hundert Franken Seife kaufen, denn ich finde ihn noch nicht sauber genug.« Man kaufte wiederum für hundert Franken Seife und begann von neuem, den Köhler alle Tage einzuseifen.
Als das Jahr um war, kam der Reiter zu demselben Wirt zurück, und da er die Stadt so freudig bewegt sah, fragte er seinen Wirt, warum man sich so freue. »Ihr wißt also nicht, daß der König zwanzig Jungfrauen verheiratet zu Ehren der Prinzessin, die sich mit dem Köhler verheiratet, welcher die Bestie mit den sieben Köpfen getötet hat?« Der Reiter sagte kein Wort; er gab seinem Hunde einen Brief ins Maul und um die Frühstücksstunde kratzte der Hund mit seiner Pfote am Fuß der Prinzessin. Alle Welt ruft: »Welch ein hübscher Hund! Welch ein hübscher Hund!« Der Hund öffnet das Maul, die Prinzessin nimmt den Brief und sagt keinem Menschen ein Wort, weil sie den Hund wiedererkannt hatte. Der Hund springt auf den Tisch, nimmt ein gebratenes Rebhuhn und entweicht durch das Fenster. Der König bemerkt die Geschicklichkeit des Hundes und sagt: »Wenn er morgen wiederkommt, muß man ihn fangen, um zu erfahren, wem er gehört.« Am andern Morgen kommt der Hund um dieselbe Stunde wieder, springt auf den Tisch, nimmt einen Fisch und eilt davon, ohne daß man ihn aufhalten kann. Der König fragt, wem dieser Hund gehört. Man antwortet ihm, daß er im Gasthof der Stadt sich aufhält. Der König läßt den Herrn des Hundes holen. Der Herr des Hundes läßt antworten, daß er den König nicht braucht; daß, wenn der König ihm etwas zu sagen habe, er ihn aufsuchen möge. Der König schickt erzürnt eine Schwadron aus, diesen Reiter gefangen zu nehmen. Die Prinzessin sagt zu ihm: »Lieber Vater, wenn Ihr wünscht, daß ich Euch begleite, so wollen wir gehen und sehen, wer dieser Reiter ist.« Der König sagt zu ihr, er brauche sich den Befehlen seines Untergebenen oder eines Fremden, den kein Mensch kennt, nicht zu unterwerfen. Die Schwadron kommt vor die Tür und fragt den Wirt, wo derjenige sei, der sich den Befehlen des Königs nicht hat fügen wollen; und wenn er nicht gutwillig kommen wolle, so werde man ihn festnehmen und binden und mit Gewalt fortführen. Der Reiter steigt zu Pferd und tötet mit einem Speerwurf die Leute der Schwadron mit Ausnahme eines einzigen, damit er dem König sage, daß er ihn aufsuchen solle, wenn er mit ihm etwas zu reden habe. Der König war bekümmert, als er sah, daß man ihm seine Schwadron getötet hatte. Seine Frau und seine Tochter rieten ihm, sein Roß zu besteigen und den Reiter aufzusuchen. Er ging hin. Als der König den Fremden erblickte, grüßte er ihn und lud ihn ein, bei ihm zu frühstücken. Er nahm sein Pferd und seinen Hund mit; nie in seinem Leben hatte der König dergleichen gesehen. Am folgenden Tage sollte die Hochzeit der Prinzessin mit dem Köhler stattfinden. Beim Frühstück sagte der König zu dem Reiter, es geschehe deshalb, weil der Köhler die Bestie mit sieben Köpfen getötet habe. Der Reiter bat, man möge ihn die Köpfe sehen lassen; man sagte, sie seien unter der Stiege in einem Kohlensack. Man brachte die Köpfe herbei; der Reiter sagte, er wolle sehen, ob die Zungen in den Mäulern seien: es waren keine darin. Darauf zog er das Taschentuch hervor, in welches der Name der Prinzessin eingestickt war, und die sieben Zungen fanden sich darin. Der König fragte die Prinzessin, wer das gewesen sei, der die Bestie mit sieben Köpfen getötet habe. Die Prinzessin sagte dem König, es sei der Reiter gewesen, der die Bestie getötet habe, der Reiter mit seinem Pferd, seinem Hund und seinem Wurfspieß, und der Köhler habe ihr gedroht, ihr den Kopf auf einem Baumstumpf abzuhauen, wenn sie nicht sagen würde, daß er die Bestie getötet hätte. Darauf sagte der König, die Prinzessin solle sich mit dem Reiter verheiraten. Der Köhler brannte gerade Kohlen in einem weit entfernten Gehölz. Am andern Tage verheiratete sich die Prinzessin mit dem Reiter.
Abends, als der Reiter ins Zimmer trat, gewahrte er eine große Helligkeit; er fragt seine Frau, was das bedeute. Sie sagt ihm, das sei ein Schloß, welches von alten Feen bewohnt wäre. Sogleich verläßt er das Gemach, nimmt seinen Speer, sein Pferd und seinen Hund und geht ins Schloß. Er öffnet die Türe und erblickt eine alte Frau, deren Haare bis zum Boden fielen. Die Alte sagt zu ihm: »Haltet Euren Hund fest, er will mich fressen!« »Ich habe keine Schnur, um ihn anzubinden!« »Nehmt eines meiner Haare!« Er reißt ihr eines aus und ist auf der Stelle verwandelt. Die Prinzessin wartete auf ihren Gatten; jedermann begab sich auf die Suche nach ihm: man fand weder den Reiter noch das Roß noch den Speer noch den Hund.
Die Büchse wurde wieder rot. Der zweite Bruder bat nun um die Erlaubnis zur Abreise; er nahm seinen Speer, sein Pferd und seinen Hund, welche genau denen seines Bruders glichen, und ging vor dem Louvre des Königs vorüber. Als die Prinzessin ihn sah, sprach sie zu ihm: »Wo habt Ihr denn die Nacht verbracht?« Er merkte, daß man ihn für seinen Bruder halte; er sprach aber kein Wort, um genauer zu erfahren, was sich zugetragen habe, und er erfuhr, daß sein Bruder die Prinzessin geheiratet habe. Die Prinzessin ließ ihn in ihre Kammer kommen; als er eintrat, gewahrte er eine große Helligkeit; wie sein Bruder ging er ins Feenschloß und die Alte verwandelte ihn ebenfalls.
Die Büchse wurde wieder rot. Der jüngste Bruder wollte abreisen; er nahm sein Roß, seinen Hund und seinen Speer und ging vor dem Louvre des Königs vorüber, wo er die Prinzessin traf, die ihn, ebenso wie seinen Bruder, in ihre Kammer kommen ließ. »Was ist das für eine große Helligkeit?« »Das ist ein Schloß, welches von alten Feen bewohnt ist.« Sogleich verläßt er das Gemach, nimmt seinen Speer, sein Roß und seinen Hund und pocht ans Tor. Die Alte sagt zu ihm: »Haltet Euren Hund fest, er will mich fressen!« Da ruft er seinen Hund: »Bricheisen, Überalldurch und Tötealles!« und er hetzt ihn gegen die Alte; der Hund springt ihr an den Hals und erwürgt sie. Dann nahm er die Büchse und goß das Wasser auf seine Brüder, welche sogleich ihre menschliche Gestalt wieder annahmen. Sie bestiegen wieder ihre Rosse und kehrten ins Louvre des Königs zurück. Die Prinzessin fragte, welches ihr Gatte wäre; der Älteste sagte zu ihr, er sei es, die anderen wären seine Brüder. Alles jauchzte vor Freude. Cric, Cric, mein Märchen ist zu Ende, cric, crac, mein Märchen ist aus.

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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