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Es war einmal ein König, der hatte in einem großen Kriege alle Schlachten nacheinander verloren. Seine Heere waren alle vernichtet, und jetzt war er in der Verzweiflung daran, sich ein Leid anzutun. Da, in dem Augenblick, erschien vor ihm ein Mann, der sprach zum König: „Ich weiß, was dir fehlt. Fasse Mut, ich will dir helfen, wenn du mir ‚en noa Sil‘ aus deinem Hause versprichst. Nach dreimal sieben Jahren will ich dann kommen und mir das Versprochene abholen.“ Der König wusste nicht, wie ihm geschah. Er dachte, der fremde Mann meine ein neues Seil (en noa Sil – eine neue Seele, und en noa Sil – ein neues Seil, klingt im Sächsischen gleich), und einen so geringfügigen Preis versprach er ohne weiteres: „du hast ja“, dachte er, „solche Sachen in deiner Gerätekammer die Menge!“ Der König aber hatte lange keine Kinder gehabt, und in der Zeit, dass er im Kriege war, ward ihm ein Sohn geboren, davon wusste er nichts. Der fremde Mann aber wusste es, denn es war der Oberste der Teufel. Sowie der König das Versprechen gegeben hatte, entfernte sich der Fremde ein wenig aus seinen Augen, nahm eine eiserne Geißel mit vier Schwänzen und knallte damit nach den vier Winden. Siehe, da strömte auf einmal von allen Seiten zahlreiches Kriegsvolk herbei. An der Spitze desselben gewann der König bald eine Schlacht nach der andern, so dass in kurzem sein Feind um Frieden bitten musste.
Darauf zog er heim in sein Reich, und seine Freude über den Sieg ward noch größer, als er hörte, dass ihm ein Sohn und Nachfolger geboren sei. Jetzt hielt er sich für den glücklichsten Menschen in der Welt, denn er war erstens ein starker und gefürchteter König und wurde auch von seinen Untertanen geliebt . Dann hatte er einen Sohn, der war an Leib und Seele ohne Fehl und nahm immer mehr zu an Kraft und Schönheit. Dreimal sieben Jahre waren bald zu Ende seit dem großen Kriege und der König hatte seines Versprechens schon ganz vergessen. Da erschien plötzlich eines Tages der fremde Mann in der nämlichen Gestalt als ehemals und forderte nach dem Vertrage „en noa Sil“. Der König wollte sich recht dankbar bezeigen und ließ aus seiner Gerätekammer das längste neue Seil holen. Der Fremde aber wies es hohnlächelnd zurück und rief: „Eine neue Seele habe ich gemeint, und das ist dein Sohn, der damals geboren ward. Der ist nun mir verfallen und muss mir sogleich mitfolgen in mein Reich!“ Da entsetzte sich der König, zerraufte sein Haar, zerriss seine Kleider, rang die Hände und wollte vor Schmerz fast vergehen. Das half aber alles nichts. Der Königssohn mit seinem unschuldigen, kindlichen Herzen tröstete den Vater und sprach: „Lasset es gut sein, Vater, dieser abscheuliche Höllenfürst wird mir doch nichts tun können “ Der Teufel fuhr zornig auf: „Warte, du junger Tugendspiegel, du sollst mir dies schwer büßen!“ Damit fasste er ihn und führte ihn durch die Luft auf einmal in die Hölle.
Da war große Trauer im ganzen Königreich: Alle Häuser wurden mit schwarzem Flor behangen, und der König verschloss sich in seinem Gram in den Palast und war wie ein Toter unter Lebendigen.
Als der Höllenfürst mit dem Königssohn in seinem Reiche angelangt war, so zeigte er ihm das höllische Feuer und sagte, man werde jetzt noch siebenmal ärger heizen, und in dieses Feuer solle er morgen früh geworfen werden, wenn er in der kommenden Nacht nicht tun könne, was er ihm auftrage. Es war aber in der Nähe ein ungeheurer Teich. Diesen befahl der Teufel in der Nacht trockenzulegen, in Wiese zu verwandeln, die Wiese zu mähen, Heu zu machen, das Heu in Schober zu bringen, dass man’s am Morgen nur gleich einführen könne. Darauf schloss der Teufel den Königssohn in ein einsames Gemach ein. Da ward dieser sehr traurig und betrübt und nahm Abschied vom Leben, denn dass er seinen Auftrag ausrühren könne, daran durfte er nicht einmal denken. Nur einmal öffnete sich die Türe, und herein trat die Teufelstochter und brachte zu essen. Als sie den schönen Königssohn sah mit den verweinten Augen, da regte sich etwas in ihrem Herzen, und sie erbarmte sich seiner und sprach: „Iß und trink und sei guten Mutes, ich will schon dafür sorgen, dass alles geschieht, was mein Vater dir aufgetragen hat. Zeige nur morgen früh ein heiteres Antlitz!“ Damit ging sie fort. Der Königssohn aber blieb traurig. In der Nacht, als alles schlief, stand die Teufelstochter leise auf, ging an ihres Vaters Bett, verstopfte ihm die Ohren, nahm dann dessen eiserne Geißel mit den vier Schwänzen und ging hinaus vor den Palast und peitschte nach allen vier Weltecken, dass es tausendfach widerhallte und das ganze Höllenreich erzitterte. Da sauste und brauste es in der Luft, und es kamen von allen Seiten die Höllengeister herbei und fragten: „Was steht zu Befehl?“ Die Teufelstochter gab ihnen den Auftrag, den Teich geschwind auszutrocknen, in Wiese zu verwandeln, Heu zu machen und dasselbe in Schober zu legen. Man hörte einige Zeit heftiges Sausen, wie wenn der Sturmwind einher fährt, und einige heftige Schläge, dann aber wurde es still.
Als am frühen Morgen der Königssohn zum Fenster hinausblickte, so sah er zu seiner Verwunderung und Freude an der Stelle des Sees eine Menge Heuschober. Er fasste nun Mut, und sein Gesicht wurde heiter. Die Teufelstochter hatte, sobald alles vollendet war, ihrem Vater die Ohren wieder aufgestopft und die Geißel neben ihn gelegt. Als der am Morgen erwachte, so freute er sich in seiner Bosheit, dass er den Königssohn nun bald im höllischen Feuer sehen solle. Wie erstaunte er aber, als er hinauskam und sah, dass sein Auftrag vollzogen war! Da wurde er noch grimmiger und ging zum Königssohn und sprach: „Diesmal ist es dir gelungen, aber morgen wirst du mir dennoch die heiße Glut schmecken! Siehe den großen Wald da oben auf dem Gebirge. Den sollst du in der Nacht hauen, das Holz in Klaftern legen, dass man es morgen früh einführen kann. In die Stelle, wo der Wald war, sollst du einen Weingarten hinsetzen, und die Trauben sollen gleich so reif sein, dass man morgen früh Weinlese halten kann!“ Die Türe wurde darauf wieder geschlossen, und der Königssohn überließ sich abermals dem Kummer, denn das, glaubte er, könne unmöglich geschehen. Da kam die Teufelstochter mit dem Essen, erkundigte sich um den neuen Auftrag und tröstete ihn wieder.
Er fasste Mut und ward ruhig. Die Teufelstochter aber tat in der Nacht ebenso als in der vorigen. Sie verstopfte ihrem Vater die Ohren, knallte mit der Peitsche viermal in alle Weltecken, gab den Teufeln den Auftrag, und man hörte nur einige Mal knallen und knarren, und alles war fertig.
Am Morgen war der Teufelsfürst neugierig, ob das einfältige Menschenkind auch den zweiten Auftrag wohl ausgeführt habe, und er sah zu seinem Erstaunen, dass alles so war, wie er befohlen hatte. Sein Zorn stieg jetzt aufs höchste. „Auch diesmal ist es dir gelungen: allein ich will nun sehen, ob dein Menschenwitz zum drittenmal dich retten wird! Aus purem Sande sollst du in der kommenden Nacht eine Kirche bauen, mit Kuppel und Kreuz, die feststeht und zusammenhält.“ Der Teufelsfürst schloss hierauf die Türe und ging fort, der Königssohn aber ward betrübt und fing an zu verzagen. Als die Teufelstochter ihm wieder zu essen brachte, so fragte sie ihn gleich wieder, warum er so betrübt sei, und er klagte ihr sein Leid und teilte ihr den neuen Auftrag mit. „Das ist“, sprach sie“ „eine schwere Sache, und ich fürchte, das werde ich nicht zustande bringen. Indes, ich will es versuchen. Allein schließe du kein Auge zu in der Nacht, damit du mich hörst, wenn ich dich rufe.“ Kaum war es Mitternacht, so nahm die Teufelstochter, nachdem sie ihrem Vater die Ohren verstopft hatte, wieder die mächtige Geißel und knallte nach allen vier Ecken der Welt. Da kamen die Diener gleich geschäftig herbei und fragten, was zu Befehl stehe. Als aber die Teufelstochter den Auftrag ihnen mitteilte, schraken alle zusammen und riefen: „Eine Kirche bauen! Das können wir nie und nimmer, selbst nicht aus Steinen oder Eisen, geschweige denn aus purem Sand!“ Allein die Teufelstochter befahl ihnen strenge, gleich ans Werk zu gehen. Da eilten sie fort und fingen an zu arbeiten, dass ihnen der Schweiß rann und der Sand in Klumpen sich ballte, aber das Werk wollte nicht fortschreiten. Mehrmals brachten sie die Kirche bis zur Hälfte, da stürzte sie wieder zusammen. Einmal war sie fast ganz fertig, die Kuppel gewölbt, es fehlte nur das Kreuz an der Spitze, allein als die Teufel dieses aufsetzen wollten, sank die ganze Kirche wieder zusammen. Wie die Teufelstochter sah, dass alles vergeblich und die Zeit bald vorüber sei, da entließ sie die Teufel und ging ungesäumt zum Königssohn ans Fenster und rief: „Auf, auf. Noch kann ich dich retten, wenn du gerettet sein willst! Ich verwandle mich in ein weißes Pferd, sitze du schnell auf, und ich trage dich heim!“ Kaum hatte sie’s gesagt, so stand da ein weißes Pferd, und der Königssohn schwang sich auf, und fort ging es im ärgsten Galopp.
Als aber am Morgen der alte Teufel erwachte, schien ihm alles so still. Er griff nach der Peitsche, um sein Volk aufzuwecken, allein diese lag nicht an ihrer Stelle. Da tat er seinen Mund auf und schrie, dass die ganze Hölle erzitterte. Dadurch fielen ihm auch die Stöpsel aus den Ohren, und nun hörte er, dass draußen alles Hausgesinde schon an der Arbeit war. Er dachte jetzt an den Königssohn und ging zu dessen Zimmer. Allein als er hinkam, sah er die Türe offen und den Königssohn nicht da. Er suchte nun schnell seine Geißel, endlich fand er sie in einer Ecke liegen. Er knallte damit nach den vier Winden, und alle Teufel aus seinem Reich kamen herbei und fragten:
„Herr, was befiehlst du wieder? Wir haben die ganze Nacht uns müde gearbeitet, gönnst du uns denn gar keine Ruhe?“ – „Wer hat euch denn geheißen?“ – „Deine Tochter tat es auf deinen Befehl!“ – „Meine Tochter!“ schrie der Höllenfürst entsetzlich, „ha, die Menschengefühlige! jetzt ist mir alles klar. Sie hat mir die Ohren verstopft, sie hat die aufgetragenen Geschäfte mittelst meiner Macht verrichtet um des Elenden willen und ist jetzt mit ihm fort! Ha, wartet, ich will euch noch beide gleich zurückholen!“ Damit erhob er sich gerade auf in die Luft und sah den Fliehenden nach und erblickte sogleich das weiße Pferd und den Reiter. Er schoss sogleich wieder hinab und rief seinen Teufeln zu: „Auf, eilet fort dawärts, das weiße Pferd, das ihr antrefft, und seinen Reiter bringt mir tot oder lebendig hierher!“ Alsbald wurde der Himmel schwarz von den Scharen, die dahinflogen. Als man das Sausen von ferne vernahm, rief das weiße Pferd seinem Reiter zu: „Schaue zurück, was siehst du?“ – „Eine schwarze Wolke.“ – „Das ist das Heer meines Vaters, das uns verfolgt. Wir sind verloren, wenn du nicht genau erfüllst, was ich dir sage. Ich verwandle mich in eine große Kirche und dich in einen Pfarrer. Stelle dich an den Altar und singe immerfort und gib keine Antwort, wenn man dich fragt.“ Der Königssohn versprach, alles genau so zu machen. Das Heer nahte heran und wunderte sich über die große Kirche. Die Türen standen alle offen. Es konnte jedoch niemand über die Schwelle, so viele auch versuchten.
Der Königssohn stand als Pfarrer am Altar und sang immerfort: „Herr, sei mit uns! Herr, schirme uns!“ Die Teufel hörten lange den wundersamen Gesang, und als der Pfarrer nicht aufhörte, so riefen sie, er solle ihnen Auskunft geben, ob er nicht ein weißes Pferd und einen Reiter darauf gesehen. Doch jener hörte nichts, und da gingen sie weiter und zogen bis an das Ende des Höllenreiches, ohne etwas von einem weißen Pferd und dem Reiter zu sehen. Als sie unverrichteter Sache am Abend heimkehrten, da sprühte der alte Teufel Zornesflammen. Am anderen Morgen erhob er sich wieder gerade aufwärts in die Luft und sah den Fliehenden nach. Er erblickte in weiter Ferne die Kirche und hörte leise den Gesang, dass es ihm durch die Seele schnitt. „Das sind sie!“ sprach er bei sich, „nun wartet, ihr werdet mich nicht überlisten!“ Er schoss eiligst hinunter, versammelte noch eine größere Schar als die frühere und rief: „Flugs auf, eilet hin zur Kirche, zerstöret sie von Grund aus und bringt mir einen Stein mit und den Pfarrer tot oder lebendig.“ Im Hui flogen sie fort. Allein unterdessen hatte die Teufelstochter sich wieder in das weiße Pferd verwandelt und den Pfarrer in den reitenden Königssohn und eilte auch weiter. Aber bald hörten sie hinter sich ein Brausen und Zischen. Das Pferd rief dem Reiter: „Schaue zurück. Was siehst du?“ – „Ein schwarze Wolke wie die vorige, nur noch größer und schrecklicher!“ – „Siehe, das ist ein neues Heer meines Vaters. Tue wieder genau, was ich dir sage, sonst sind wir verloren. Ich verwandle mich in einen großen Erlenbaum und dich in ein goldnes Vöglein. Singe nur immerfort und lasse dich durch nichts beirren und schrecken!“ Der Königssohn versprach, alles genau so zu tun. Das Teufelsheer war bald angelangt, siebenhundert Meilen weiter als da, wo die Kirche gestanden, aber es fand keine Spur von der Kirche und dem Pfarrer, von dem weißen Ross und dem Königssohn. Als sie an den hohen Erlenbaum kamen, verwunderten sie sich sehr und standen still und sahen auf den Baum und das goldne Vöglein, und das sang in einem fort: „Furcht‘ mich nicht! Furcht‘ mich nicht!“ – „Wenn doch nur das Vöglein einmal aufhörte“, sprachen sie, „dass wir es fragten, ob es uns keine Kunde geben könne von der Kirche und dem Pfarrer, dem weißen Ross und dem Königssohn“. Aber das Vöglein sang fort ohne Aufhören. Da zogen sie weiter bis ans Ende des Höllenreiches und kehrten dann abends auch unverrichteter Sache zurück.
Der alte Teufel sprühte abermals Zornesflammen. Am andern Morgen hob er sich wieder gerade auf in die Luft und sah nach den Fliehenden. Da erblickte er zweimal siebenhundert Meilen weit nur halb deutlich den hohen Erlenbaum und das goldne Vöglein, und der Gesang tönte leise zu ihm, dass es ihm durch die Seele schnitt. „Ha, ihr sollt mir doch nicht entkommen!“ Sogleich schoss er nieder, versammelte eine noch viel größere Schar als früher und rief: „Auf, eilet fort und hauet den Erlenbaum den ihr treffet, um und bringt mir einen Span davon, das goldne Vöglein aber fanget und bringt es tot oder lebendig!“ Flugs zog das Heer fort. Der Erlenbaum und das goldne Vöglein darauf waren indes wieder zu Ross und Reiter geworden und waren bald abermals siebenhundert Meilen von der Stelle fort, wo der Erlenbaum gestanden. Da vernahmen sie ein Brausen und Zischen. „Schaue zurück“, sprach das weiße Ross, „was siehst du?“ – „Eine schwarze Wolke, aber noch größer und schrecklicher als die frühere.“ – „Das ist das Heer meines Vaters. Tue wieder genau, was ich dir sage, sonst sind wir verloren. Ich verwandle mich in ein Reisfeld und dich in eine Wachtel. Laufe nur immerfort durch das Feld und singe, aber in einem fort und lasse dich durch keine Fragen beirren!“ Der Königssohn versprach, es genau so zu machen. Das teuflische Heer kam mit Brausen näher und war schon dreimal siebenhundert Meilen gekommen und sah und spähte nach allen Seiten und sah weder Kirche und Pfarrer, noch Erlenbaum und Goldvöglein, noch Ross und Reiter. Als es das große Reisfeld erblickte, stand es staunend still und sah die Wachtel im Korn hin- und herlaufen und hörte ihren wundersamen Ruf: „Gott mit uns! Gott mit uns!“ – „Wenn doch der Vogel nur einmal stillstünde und aufhörte zu rufen, dass wir ihn fragten!“ Allein das tat er nicht, und so zogen sie bis an das Ende des Höllenreiches und kehrten am Abend unverrichteter Sache zurück.
Da kochte in dem alten Teufel die Wut. Er fuhr am andern Morgen wieder gerade auf in die Luft, sah das große Reisfeld wie einen grauen Streifen und vernahm leise den Ruf der Wachtel, und es ging ihm durch Mark und Bein. „Ha, noch seid ihr in meiner Gewalt. Ihr, meine Diener, alle auf, eilet hin und mähet das Reisfeld und bringet mir eine Garbe mit und fanget die Wachtel! – Doch halt! bleibt! Jetzt muss ich selbst ihnen nach. Denn kommen sie über die viermal siebenhundert Meilen hinaus, so können sie dann meiner spotten. Da hat meine Macht ein Ende!“ Damit erhob er sich in die Luft und fuhr ihnen nach. Die Teufelstochter und der Königssohn waren als Ross und Reiter schon wieder ein gutes Stück fortgeflohen, noch fehlten ihnen nur sieben Meilen von dem irdischen Königreich. Da hörten sie hinter sich ein so heftiges Stürmen und Brausen wie noch nie bisher. Das weiße Ross sprach zu seinem Reiter: „Schaue zurück. Was siehst du?“ – „Einen schwarzen Punkt am Himmel, noch schwärzer als die Nacht, daraus zucken feurige Blitze!“ – „Wehe, wehe! Das ist mein Vater. Wenn du jetzt nicht getreu befolgst, was ich dir sage, so sind wir verloren. Ich verwandle mich in einen großen Milchweiher und dich in eine Ente. Schwimme immer nur in der Mitte herum und halte das Haupt versteckt. Lasse dich nur ja durch keine Lockungen verleiten, das Haupt aus der Milch herauszuziehen oder ans Ufer zu schwimmen!“ Der Königssohn versprach, es genau so zu machen. Bald stand der alte Teufel am Ufer. Aber den Verwandelten konnte er nichts anhaben, wenn er nicht zuvor die Ente in seine Gewalt bekommen. Allein die schwamm in der Mitte des Weihers. Erreichen konnte er sie nicht, das war zu weit. Hinzuschwimmen getraute er sich nicht, denn in der reinen Milch müssen die Teufel ertrinken. So blieb ihm denn nichts übrig, als durch Schmeichelworte die Ente an sich zu locken. „Liebes Entlein, warum irrst du immer in der Mitte herum, schaue um dich. Hier, wo ich bin, wie wunderschön ist es!“ Allein das Entlein sah und hörte lange nicht. Aber in seinem Innern regte sich allmählich die Lust, wenigstens einmal hinauszublicken.
Als der Versucher fortfuhr zu locken, blickte es denn einmal rasch auf. Da hatte ihm der Böse sogleich das Gesicht geraubt, dass es stockblind war. Der Milchweiher wurde gleich etwas trüb und fing an zu gären, und eine klagende Stimme drang zu der Ente: „Wehe, wehe! was hast du getan!“ Sie gelobte, sich jetzt durch nichts verführen zu lassen. Der Teufel aber tanzte am Ufer vor boshafter Freude und rief: „Aha, bald habe ich euch!“ und versuchte nun auch in der getrübten Milch zur Ente zu schwimmen, um sie zu packen. Allein da er noch untersank, kehrte er gleich um. Lange lockte und reizte er wieder die Ente, sie möchte doch ans Ufer kommen. Sie aber blieb ruhig und hielt das Haupt immer in der Milchflut und spottete zuletzt des Bösen. Da wurde der Teufel zornig und ungeduldig. Er verwandelte sich auf einmal in eine große Kröpfgans und schlürfte den ganzen Milchweiher samt der Ente ein. Dann wackelte er langsam heimwärts. „Jetzt ist alles gut!“ sprach eine Stimme aus der Milch zur Ente, und die Milch fing an zu gären und zu sieden. Dem Teufel wurde immer schwüler und bänger. Nur mit Mühe konnte er sich fortbewegen. „Wäre ich nur daheim!“ seufzte er. Aber das war umsonst. Schon hatte ihn die siedende Milch ganz aufgeblasen. Noch einige Schritte wankte er fort. Plötzlich gab es ein lautes Krachen. Er war zerplatzt und zerstoben, und es standen da in jugendlicher Schönheit und Herrlichkeit der Königssohn und die Teufelstochter.
Nun zog der Königssohn mit der Teufelstochter in seines Vaters Reich. Es war gerade der siebente Tag, seitdem der Teufel den Königssohn entführt hatte, als sie anlangten. Da entstand großer Jubel im ganzen Land. Die schwarzen Florgehänge wurden abgenommen, Grünreis und Blumen auf den Weg gestreut, und der alte König kam unter Pauken- und Trompetenschall den Einziehenden entgegen. Es wurde eine glänzende Hochzeit gefeiert, und der alte König übertrug seinem Sohne die Regierung, und der herrschte weise und gerecht wie sein Vater und herrscht heute noch, wenn er nicht gestorben ist.
Darauf zog er heim in sein Reich, und seine Freude über den Sieg ward noch größer, als er hörte, dass ihm ein Sohn und Nachfolger geboren sei. Jetzt hielt er sich für den glücklichsten Menschen in der Welt, denn er war erstens ein starker und gefürchteter König und wurde auch von seinen Untertanen geliebt . Dann hatte er einen Sohn, der war an Leib und Seele ohne Fehl und nahm immer mehr zu an Kraft und Schönheit. Dreimal sieben Jahre waren bald zu Ende seit dem großen Kriege und der König hatte seines Versprechens schon ganz vergessen. Da erschien plötzlich eines Tages der fremde Mann in der nämlichen Gestalt als ehemals und forderte nach dem Vertrage „en noa Sil“. Der König wollte sich recht dankbar bezeigen und ließ aus seiner Gerätekammer das längste neue Seil holen. Der Fremde aber wies es hohnlächelnd zurück und rief: „Eine neue Seele habe ich gemeint, und das ist dein Sohn, der damals geboren ward. Der ist nun mir verfallen und muss mir sogleich mitfolgen in mein Reich!“ Da entsetzte sich der König, zerraufte sein Haar, zerriss seine Kleider, rang die Hände und wollte vor Schmerz fast vergehen. Das half aber alles nichts. Der Königssohn mit seinem unschuldigen, kindlichen Herzen tröstete den Vater und sprach: „Lasset es gut sein, Vater, dieser abscheuliche Höllenfürst wird mir doch nichts tun können “ Der Teufel fuhr zornig auf: „Warte, du junger Tugendspiegel, du sollst mir dies schwer büßen!“ Damit fasste er ihn und führte ihn durch die Luft auf einmal in die Hölle.
Da war große Trauer im ganzen Königreich: Alle Häuser wurden mit schwarzem Flor behangen, und der König verschloss sich in seinem Gram in den Palast und war wie ein Toter unter Lebendigen.
Als der Höllenfürst mit dem Königssohn in seinem Reiche angelangt war, so zeigte er ihm das höllische Feuer und sagte, man werde jetzt noch siebenmal ärger heizen, und in dieses Feuer solle er morgen früh geworfen werden, wenn er in der kommenden Nacht nicht tun könne, was er ihm auftrage. Es war aber in der Nähe ein ungeheurer Teich. Diesen befahl der Teufel in der Nacht trockenzulegen, in Wiese zu verwandeln, die Wiese zu mähen, Heu zu machen, das Heu in Schober zu bringen, dass man’s am Morgen nur gleich einführen könne. Darauf schloss der Teufel den Königssohn in ein einsames Gemach ein. Da ward dieser sehr traurig und betrübt und nahm Abschied vom Leben, denn dass er seinen Auftrag ausrühren könne, daran durfte er nicht einmal denken. Nur einmal öffnete sich die Türe, und herein trat die Teufelstochter und brachte zu essen. Als sie den schönen Königssohn sah mit den verweinten Augen, da regte sich etwas in ihrem Herzen, und sie erbarmte sich seiner und sprach: „Iß und trink und sei guten Mutes, ich will schon dafür sorgen, dass alles geschieht, was mein Vater dir aufgetragen hat. Zeige nur morgen früh ein heiteres Antlitz!“ Damit ging sie fort. Der Königssohn aber blieb traurig. In der Nacht, als alles schlief, stand die Teufelstochter leise auf, ging an ihres Vaters Bett, verstopfte ihm die Ohren, nahm dann dessen eiserne Geißel mit den vier Schwänzen und ging hinaus vor den Palast und peitschte nach allen vier Weltecken, dass es tausendfach widerhallte und das ganze Höllenreich erzitterte. Da sauste und brauste es in der Luft, und es kamen von allen Seiten die Höllengeister herbei und fragten: „Was steht zu Befehl?“ Die Teufelstochter gab ihnen den Auftrag, den Teich geschwind auszutrocknen, in Wiese zu verwandeln, Heu zu machen und dasselbe in Schober zu legen. Man hörte einige Zeit heftiges Sausen, wie wenn der Sturmwind einher fährt, und einige heftige Schläge, dann aber wurde es still.
Als am frühen Morgen der Königssohn zum Fenster hinausblickte, so sah er zu seiner Verwunderung und Freude an der Stelle des Sees eine Menge Heuschober. Er fasste nun Mut, und sein Gesicht wurde heiter. Die Teufelstochter hatte, sobald alles vollendet war, ihrem Vater die Ohren wieder aufgestopft und die Geißel neben ihn gelegt. Als der am Morgen erwachte, so freute er sich in seiner Bosheit, dass er den Königssohn nun bald im höllischen Feuer sehen solle. Wie erstaunte er aber, als er hinauskam und sah, dass sein Auftrag vollzogen war! Da wurde er noch grimmiger und ging zum Königssohn und sprach: „Diesmal ist es dir gelungen, aber morgen wirst du mir dennoch die heiße Glut schmecken! Siehe den großen Wald da oben auf dem Gebirge. Den sollst du in der Nacht hauen, das Holz in Klaftern legen, dass man es morgen früh einführen kann. In die Stelle, wo der Wald war, sollst du einen Weingarten hinsetzen, und die Trauben sollen gleich so reif sein, dass man morgen früh Weinlese halten kann!“ Die Türe wurde darauf wieder geschlossen, und der Königssohn überließ sich abermals dem Kummer, denn das, glaubte er, könne unmöglich geschehen. Da kam die Teufelstochter mit dem Essen, erkundigte sich um den neuen Auftrag und tröstete ihn wieder.
Er fasste Mut und ward ruhig. Die Teufelstochter aber tat in der Nacht ebenso als in der vorigen. Sie verstopfte ihrem Vater die Ohren, knallte mit der Peitsche viermal in alle Weltecken, gab den Teufeln den Auftrag, und man hörte nur einige Mal knallen und knarren, und alles war fertig.
Am Morgen war der Teufelsfürst neugierig, ob das einfältige Menschenkind auch den zweiten Auftrag wohl ausgeführt habe, und er sah zu seinem Erstaunen, dass alles so war, wie er befohlen hatte. Sein Zorn stieg jetzt aufs höchste. „Auch diesmal ist es dir gelungen: allein ich will nun sehen, ob dein Menschenwitz zum drittenmal dich retten wird! Aus purem Sande sollst du in der kommenden Nacht eine Kirche bauen, mit Kuppel und Kreuz, die feststeht und zusammenhält.“ Der Teufelsfürst schloss hierauf die Türe und ging fort, der Königssohn aber ward betrübt und fing an zu verzagen. Als die Teufelstochter ihm wieder zu essen brachte, so fragte sie ihn gleich wieder, warum er so betrübt sei, und er klagte ihr sein Leid und teilte ihr den neuen Auftrag mit. „Das ist“, sprach sie“ „eine schwere Sache, und ich fürchte, das werde ich nicht zustande bringen. Indes, ich will es versuchen. Allein schließe du kein Auge zu in der Nacht, damit du mich hörst, wenn ich dich rufe.“ Kaum war es Mitternacht, so nahm die Teufelstochter, nachdem sie ihrem Vater die Ohren verstopft hatte, wieder die mächtige Geißel und knallte nach allen vier Ecken der Welt. Da kamen die Diener gleich geschäftig herbei und fragten, was zu Befehl stehe. Als aber die Teufelstochter den Auftrag ihnen mitteilte, schraken alle zusammen und riefen: „Eine Kirche bauen! Das können wir nie und nimmer, selbst nicht aus Steinen oder Eisen, geschweige denn aus purem Sand!“ Allein die Teufelstochter befahl ihnen strenge, gleich ans Werk zu gehen. Da eilten sie fort und fingen an zu arbeiten, dass ihnen der Schweiß rann und der Sand in Klumpen sich ballte, aber das Werk wollte nicht fortschreiten. Mehrmals brachten sie die Kirche bis zur Hälfte, da stürzte sie wieder zusammen. Einmal war sie fast ganz fertig, die Kuppel gewölbt, es fehlte nur das Kreuz an der Spitze, allein als die Teufel dieses aufsetzen wollten, sank die ganze Kirche wieder zusammen. Wie die Teufelstochter sah, dass alles vergeblich und die Zeit bald vorüber sei, da entließ sie die Teufel und ging ungesäumt zum Königssohn ans Fenster und rief: „Auf, auf. Noch kann ich dich retten, wenn du gerettet sein willst! Ich verwandle mich in ein weißes Pferd, sitze du schnell auf, und ich trage dich heim!“ Kaum hatte sie’s gesagt, so stand da ein weißes Pferd, und der Königssohn schwang sich auf, und fort ging es im ärgsten Galopp.
Als aber am Morgen der alte Teufel erwachte, schien ihm alles so still. Er griff nach der Peitsche, um sein Volk aufzuwecken, allein diese lag nicht an ihrer Stelle. Da tat er seinen Mund auf und schrie, dass die ganze Hölle erzitterte. Dadurch fielen ihm auch die Stöpsel aus den Ohren, und nun hörte er, dass draußen alles Hausgesinde schon an der Arbeit war. Er dachte jetzt an den Königssohn und ging zu dessen Zimmer. Allein als er hinkam, sah er die Türe offen und den Königssohn nicht da. Er suchte nun schnell seine Geißel, endlich fand er sie in einer Ecke liegen. Er knallte damit nach den vier Winden, und alle Teufel aus seinem Reich kamen herbei und fragten:
„Herr, was befiehlst du wieder? Wir haben die ganze Nacht uns müde gearbeitet, gönnst du uns denn gar keine Ruhe?“ – „Wer hat euch denn geheißen?“ – „Deine Tochter tat es auf deinen Befehl!“ – „Meine Tochter!“ schrie der Höllenfürst entsetzlich, „ha, die Menschengefühlige! jetzt ist mir alles klar. Sie hat mir die Ohren verstopft, sie hat die aufgetragenen Geschäfte mittelst meiner Macht verrichtet um des Elenden willen und ist jetzt mit ihm fort! Ha, wartet, ich will euch noch beide gleich zurückholen!“ Damit erhob er sich gerade auf in die Luft und sah den Fliehenden nach und erblickte sogleich das weiße Pferd und den Reiter. Er schoss sogleich wieder hinab und rief seinen Teufeln zu: „Auf, eilet fort dawärts, das weiße Pferd, das ihr antrefft, und seinen Reiter bringt mir tot oder lebendig hierher!“ Alsbald wurde der Himmel schwarz von den Scharen, die dahinflogen. Als man das Sausen von ferne vernahm, rief das weiße Pferd seinem Reiter zu: „Schaue zurück, was siehst du?“ – „Eine schwarze Wolke.“ – „Das ist das Heer meines Vaters, das uns verfolgt. Wir sind verloren, wenn du nicht genau erfüllst, was ich dir sage. Ich verwandle mich in eine große Kirche und dich in einen Pfarrer. Stelle dich an den Altar und singe immerfort und gib keine Antwort, wenn man dich fragt.“ Der Königssohn versprach, alles genau so zu machen. Das Heer nahte heran und wunderte sich über die große Kirche. Die Türen standen alle offen. Es konnte jedoch niemand über die Schwelle, so viele auch versuchten.
Der Königssohn stand als Pfarrer am Altar und sang immerfort: „Herr, sei mit uns! Herr, schirme uns!“ Die Teufel hörten lange den wundersamen Gesang, und als der Pfarrer nicht aufhörte, so riefen sie, er solle ihnen Auskunft geben, ob er nicht ein weißes Pferd und einen Reiter darauf gesehen. Doch jener hörte nichts, und da gingen sie weiter und zogen bis an das Ende des Höllenreiches, ohne etwas von einem weißen Pferd und dem Reiter zu sehen. Als sie unverrichteter Sache am Abend heimkehrten, da sprühte der alte Teufel Zornesflammen. Am anderen Morgen erhob er sich wieder gerade aufwärts in die Luft und sah den Fliehenden nach. Er erblickte in weiter Ferne die Kirche und hörte leise den Gesang, dass es ihm durch die Seele schnitt. „Das sind sie!“ sprach er bei sich, „nun wartet, ihr werdet mich nicht überlisten!“ Er schoss eiligst hinunter, versammelte noch eine größere Schar als die frühere und rief: „Flugs auf, eilet hin zur Kirche, zerstöret sie von Grund aus und bringt mir einen Stein mit und den Pfarrer tot oder lebendig.“ Im Hui flogen sie fort. Allein unterdessen hatte die Teufelstochter sich wieder in das weiße Pferd verwandelt und den Pfarrer in den reitenden Königssohn und eilte auch weiter. Aber bald hörten sie hinter sich ein Brausen und Zischen. Das Pferd rief dem Reiter: „Schaue zurück. Was siehst du?“ – „Ein schwarze Wolke wie die vorige, nur noch größer und schrecklicher!“ – „Siehe, das ist ein neues Heer meines Vaters. Tue wieder genau, was ich dir sage, sonst sind wir verloren. Ich verwandle mich in einen großen Erlenbaum und dich in ein goldnes Vöglein. Singe nur immerfort und lasse dich durch nichts beirren und schrecken!“ Der Königssohn versprach, alles genau so zu tun. Das Teufelsheer war bald angelangt, siebenhundert Meilen weiter als da, wo die Kirche gestanden, aber es fand keine Spur von der Kirche und dem Pfarrer, von dem weißen Ross und dem Königssohn. Als sie an den hohen Erlenbaum kamen, verwunderten sie sich sehr und standen still und sahen auf den Baum und das goldne Vöglein, und das sang in einem fort: „Furcht‘ mich nicht! Furcht‘ mich nicht!“ – „Wenn doch nur das Vöglein einmal aufhörte“, sprachen sie, „dass wir es fragten, ob es uns keine Kunde geben könne von der Kirche und dem Pfarrer, dem weißen Ross und dem Königssohn“. Aber das Vöglein sang fort ohne Aufhören. Da zogen sie weiter bis ans Ende des Höllenreiches und kehrten dann abends auch unverrichteter Sache zurück.
Der alte Teufel sprühte abermals Zornesflammen. Am andern Morgen hob er sich wieder gerade auf in die Luft und sah nach den Fliehenden. Da erblickte er zweimal siebenhundert Meilen weit nur halb deutlich den hohen Erlenbaum und das goldne Vöglein, und der Gesang tönte leise zu ihm, dass es ihm durch die Seele schnitt. „Ha, ihr sollt mir doch nicht entkommen!“ Sogleich schoss er nieder, versammelte eine noch viel größere Schar als früher und rief: „Auf, eilet fort und hauet den Erlenbaum den ihr treffet, um und bringt mir einen Span davon, das goldne Vöglein aber fanget und bringt es tot oder lebendig!“ Flugs zog das Heer fort. Der Erlenbaum und das goldne Vöglein darauf waren indes wieder zu Ross und Reiter geworden und waren bald abermals siebenhundert Meilen von der Stelle fort, wo der Erlenbaum gestanden. Da vernahmen sie ein Brausen und Zischen. „Schaue zurück“, sprach das weiße Ross, „was siehst du?“ – „Eine schwarze Wolke, aber noch größer und schrecklicher als die frühere.“ – „Das ist das Heer meines Vaters. Tue wieder genau, was ich dir sage, sonst sind wir verloren. Ich verwandle mich in ein Reisfeld und dich in eine Wachtel. Laufe nur immerfort durch das Feld und singe, aber in einem fort und lasse dich durch keine Fragen beirren!“ Der Königssohn versprach, es genau so zu machen. Das teuflische Heer kam mit Brausen näher und war schon dreimal siebenhundert Meilen gekommen und sah und spähte nach allen Seiten und sah weder Kirche und Pfarrer, noch Erlenbaum und Goldvöglein, noch Ross und Reiter. Als es das große Reisfeld erblickte, stand es staunend still und sah die Wachtel im Korn hin- und herlaufen und hörte ihren wundersamen Ruf: „Gott mit uns! Gott mit uns!“ – „Wenn doch der Vogel nur einmal stillstünde und aufhörte zu rufen, dass wir ihn fragten!“ Allein das tat er nicht, und so zogen sie bis an das Ende des Höllenreiches und kehrten am Abend unverrichteter Sache zurück.
Da kochte in dem alten Teufel die Wut. Er fuhr am andern Morgen wieder gerade auf in die Luft, sah das große Reisfeld wie einen grauen Streifen und vernahm leise den Ruf der Wachtel, und es ging ihm durch Mark und Bein. „Ha, noch seid ihr in meiner Gewalt. Ihr, meine Diener, alle auf, eilet hin und mähet das Reisfeld und bringet mir eine Garbe mit und fanget die Wachtel! – Doch halt! bleibt! Jetzt muss ich selbst ihnen nach. Denn kommen sie über die viermal siebenhundert Meilen hinaus, so können sie dann meiner spotten. Da hat meine Macht ein Ende!“ Damit erhob er sich in die Luft und fuhr ihnen nach. Die Teufelstochter und der Königssohn waren als Ross und Reiter schon wieder ein gutes Stück fortgeflohen, noch fehlten ihnen nur sieben Meilen von dem irdischen Königreich. Da hörten sie hinter sich ein so heftiges Stürmen und Brausen wie noch nie bisher. Das weiße Ross sprach zu seinem Reiter: „Schaue zurück. Was siehst du?“ – „Einen schwarzen Punkt am Himmel, noch schwärzer als die Nacht, daraus zucken feurige Blitze!“ – „Wehe, wehe! Das ist mein Vater. Wenn du jetzt nicht getreu befolgst, was ich dir sage, so sind wir verloren. Ich verwandle mich in einen großen Milchweiher und dich in eine Ente. Schwimme immer nur in der Mitte herum und halte das Haupt versteckt. Lasse dich nur ja durch keine Lockungen verleiten, das Haupt aus der Milch herauszuziehen oder ans Ufer zu schwimmen!“ Der Königssohn versprach, es genau so zu machen. Bald stand der alte Teufel am Ufer. Aber den Verwandelten konnte er nichts anhaben, wenn er nicht zuvor die Ente in seine Gewalt bekommen. Allein die schwamm in der Mitte des Weihers. Erreichen konnte er sie nicht, das war zu weit. Hinzuschwimmen getraute er sich nicht, denn in der reinen Milch müssen die Teufel ertrinken. So blieb ihm denn nichts übrig, als durch Schmeichelworte die Ente an sich zu locken. „Liebes Entlein, warum irrst du immer in der Mitte herum, schaue um dich. Hier, wo ich bin, wie wunderschön ist es!“ Allein das Entlein sah und hörte lange nicht. Aber in seinem Innern regte sich allmählich die Lust, wenigstens einmal hinauszublicken.
Als der Versucher fortfuhr zu locken, blickte es denn einmal rasch auf. Da hatte ihm der Böse sogleich das Gesicht geraubt, dass es stockblind war. Der Milchweiher wurde gleich etwas trüb und fing an zu gären, und eine klagende Stimme drang zu der Ente: „Wehe, wehe! was hast du getan!“ Sie gelobte, sich jetzt durch nichts verführen zu lassen. Der Teufel aber tanzte am Ufer vor boshafter Freude und rief: „Aha, bald habe ich euch!“ und versuchte nun auch in der getrübten Milch zur Ente zu schwimmen, um sie zu packen. Allein da er noch untersank, kehrte er gleich um. Lange lockte und reizte er wieder die Ente, sie möchte doch ans Ufer kommen. Sie aber blieb ruhig und hielt das Haupt immer in der Milchflut und spottete zuletzt des Bösen. Da wurde der Teufel zornig und ungeduldig. Er verwandelte sich auf einmal in eine große Kröpfgans und schlürfte den ganzen Milchweiher samt der Ente ein. Dann wackelte er langsam heimwärts. „Jetzt ist alles gut!“ sprach eine Stimme aus der Milch zur Ente, und die Milch fing an zu gären und zu sieden. Dem Teufel wurde immer schwüler und bänger. Nur mit Mühe konnte er sich fortbewegen. „Wäre ich nur daheim!“ seufzte er. Aber das war umsonst. Schon hatte ihn die siedende Milch ganz aufgeblasen. Noch einige Schritte wankte er fort. Plötzlich gab es ein lautes Krachen. Er war zerplatzt und zerstoben, und es standen da in jugendlicher Schönheit und Herrlichkeit der Königssohn und die Teufelstochter.
Nun zog der Königssohn mit der Teufelstochter in seines Vaters Reich. Es war gerade der siebente Tag, seitdem der Teufel den Königssohn entführt hatte, als sie anlangten. Da entstand großer Jubel im ganzen Land. Die schwarzen Florgehänge wurden abgenommen, Grünreis und Blumen auf den Weg gestreut, und der alte König kam unter Pauken- und Trompetenschall den Einziehenden entgegen. Es wurde eine glänzende Hochzeit gefeiert, und der alte König übertrug seinem Sohne die Regierung, und der herrschte weise und gerecht wie sein Vater und herrscht heute noch, wenn er nicht gestorben ist.
Quelle: (Josef Haltrich)