Es war einmal ein König und eine Königin, die bekamen keine Kinder, und zu denen kam einst ein verkleideter Dämon, der versprach dem König, daß er Kinder bekommen solle, wenn er ihm das älteste davon geben wolle. Der König war das zufrieden, und der Dämon zog darauf einen Apfel hervor, zerschnitt ihn in zwei Hälften, und gab die eine dem König und die andere der Königin zu essen, und die Königin gebar darauf nach einander drei Knaben.
Dem König aber war das Versprechen leid, das er dem Dämon gegeben hatte; er baute daher einen Turm von lauter Glas und setzte seine Kinder hinein. Da sagte ihm der Dämon: »wenn du dein Wort nicht hältst und mir das Kind giebst, so werde ich mich bücken und erglänzen und drei Herzen verbrennen.«
Als nun die Knaben herangewachsen waren, da verlangte der Älteste von seinem Vater, daß er ihn aus dem Turme lassen solle, damit er etwas von der Welt und der Herrlichkeit seines Vaters sehen könne. Doch aus Furcht vor dem Dämon schlug ihm das der König rund ab. Da aber die Knaben von Tag zu Tag neugieriger wurden, die Welt zu sehen, so machten sie sich eines Tages heimlich aus dem Turme, um sich ein bischen herumzutreiben.
Wie sie nun so lustig und guter Dinge herumliefen, entstand auf einmal ein großes Unwetter mit Blitz und Donner und dicker Finsternis, packte den ältesten Sohn und nahm ihn mit sich fort. Da gingen die zwei jüngeren zu ihrem Vater und erzählten ihm, was vorgegangen, und dieser ließ in seiner Trauer sein Schloß schwarz anstreichen, und bekannt machen, daß in der Stadt Niemand mehr singen und tanzen dürfe, sondern alle Welt fortan nur trauern solle.
Den ältesten Knaben aber führte der Dämon in eine Wüstenei, dort schlug er mit der Hand auf die Erde, und diese öffnete sich sofort, und sie stiegen hinunter. Darauf kamen sie zur Wohnung des Dämon, in welcher vierzig Kammern waren. Der Dämon hielt den Knaben, als ob er sein leiblicher Sohn wäre; er nährte ihn mit lauter Wild und gab ihm die Schlüssel von neununddreißig Kammern und erlaubte ihm, zu seiner Unterhaltung alle Schätze zu betrachten, die darin aufgehäuft waren. Er gab ihm auch ein Buch, um darin zu lesen, und wenn der Knabe seine Lektion gut gelernt hatte, so herzte und liebkoste er ihn.
Eines Tages sagte der Dämon: »komm her und lause mich ein wenig«, und dabei entdeckte der Knabe einen kleinen goldenen Schlüssel, der auf dem Scheitel des Dämon angebunden war. Der Knabe erriet, daß dies der Schlüssel zu der verschlossenen Kammer war, und in einer Nacht nahm er den Schlüssel von dem Kopfe des Dämon und schloß sie auf, und darin fand er eine schöne Jungfrau, die wie die Sonne glänzte, aber an ihren Haaren aufgehängt war. Da löste sie der Knabe, und die Jungfrau küßte und herzte ihn und rief: »ach! du Ärmster! wie kamst du hierher? Denn meine Zeit ist jetzt um, und darum wird er dich nun an meiner Statt hängen und uns am Ende alle beide fressen. Hat er dir ein Buch gegeben, um es auswendig zu lernen? und hat er dich schon gefragt, ob du es auswendig kannst? und wenn er dich so wieder fragt, so mußt du ihm antworten, daß du es nicht lernen könntest, mich aber mußt du wieder dahin hängen, wo ich war.« Der Knabe tat, wie ihm das Mädchen geheißen, schloß die Türe ihrer Kammer wieder zu und band den Schlüssel wieder auf den Kopf des Dämons.
Am andern Morgen gab der Dämon dem Knaben seine Lektion auf, und als er am Abend zurückkam, fragte er ihn: »hast du deine Lektion gelernt?« und als der Knabe sagte, daß er sie noch nicht könne, ward er böse und gab ihm statt des Abendbrotes eine Tracht Schläge. In der Nacht holte der Knabe wieder den Schlüssel von dem Scheitel des Dämons und ging zu der Jungfrau, löste sie ab, gab ihr Wasser zu trinken, und diese sprach zu ihm: »du mußt dich bemühen, so viel du kannst, das ganze Buch auswendig zu lernen, aber dich vor dem Dämon so stellen, als könntest du es nicht zu Stande bringen; und wenn du das ganze Buch gelernt hast, dann komm und hole mich, denn wenn wir hier bleiben, sind wir beide verloren.«
Der Knabe bemühte sich nun, das Buch so schnell er konnte auswendig zu lernen, ohne daß es der Dämon merkte, und ertrug die Schläge geduldig, die ihm dieser für seine Faulheit gab; und als er es ganz auswendig wußte, da richtete er eine Schale mit Salz, ein Stück Seife und einen Kamm so her, wie dieses Buch vorschrieb, und nahm auch einen Quersack voll Goldstücke; darauf holte er sich in der Nacht den Schlüssel von dem Scheitel des Dämons, ging zu der Jungfrau, und nachdem er diese losgeknüpft, gab er ihr einen Schlag und verwandelte sie in eine Stute, setzte sich auf sie und ritt davon, so schnell er konnte.
Am andern Morgen suchte der Dämon vergebens nach dem Knaben, und fand dabei auch, daß die Jungfrau weg war; da verwandelte er sich in eine Wolke und verfolgte sie, und wie er ihnen nahe kam, da rief die Stute dem Knaben zu: »was gaffst du lange! wirf die Schale mit dem Salze hin!« und als dies der Knabe getan hatte, da entstand daraus ein großes Feuer und dicker Rauch; davon wurde die Wolke aufgehalten, und der Knabe erhielt dadurch einen Vorsprung. Nach einer Stunde fragte die Stute den Knaben: »siehst du nichts, was hinter uns herkommt?« und dieser sah sich um und antwortete: »ja, ich sehe eine finstere Wolke, die hinter uns her den Berg herabwirbelt.« Da rief die Stute: »wirf schnell die Seife hin.« Daraus wurde ein breiter Strom, der den Dämon in seinem Laufe aufhielt.
Nach einer Stunde fragte die Stute abermals: »siehst du nichts hinter uns herkommen?« »Ja«, sagte er, »ich sehe einen Wildeber, der uns grunzend nachläuft.« Da hieß ihn die Stute den Kamm hinwerfen, und aus diesem ward ein Sumpf. Der Eber stürzte sich hinein, um sich darin zu wälzen, und so entkam ihm der Knabe sammt der Stute.
Er ritt hierauf zur Stadt, in der sein Vater wohnte, und wie er abgestiegen war, gab er der Stute einen Schlag und verwandelte sie wieder in ein Mädchen; darauf sprach der Jüngling zu ihr: »du bist ledig und ich bin ledig, wir wollen einander nehmen.« Sie antwortete, »daß sie das zufrieden sei, aber daß ein jedes seine Eltern besuchen solle,« und nahm von ihrem Finger einen Ring und gab ihn dem Jüngling. Darauf nahm jedes eine Hälfte des Goldsackes und ging zu seinen Eltern.
Der Jüngling aber ging nicht in das Schloß seines Vaters, sondern zu einer Alten und sagte zu ihr: »guten Abend, Mütterchen! kann ich nicht über Nacht bei dir bleiben?« Die aber sagte, daß sie kein Bettzeug habe, er gab ihr also eine Handvoll Gold, um sich das Nötige anzuschaffen, und als die Alte damit für das Essen, Trinken und Schlafen gesorgt hatte, sagte er ihr, bevor er sich niederlegte: »Morgen früh werde ich in ein Maultier verwandelt sein, und dann sollst du mich auf den Markt führen und verkaufen, aber nicht mitsammt dem Halfter, denn dieses mußt du nach Hause zurückbringen, und wenn sie dich fragen, wie viel du für das Maultier verlangst, so mußt du sagen: ’so viel es wert ist‘, und unter sechstausend Piaster darfst du mich nicht hergeben.«
Am andern Morgen brachte die Alte das Maultier auf den Markt und verkaufte es für sechstausend Piaster, behielt aber das Halfter, und wie sie heimging, kam der Jüngling hinter ihr her, denn dieser war das Halfter, und so machte sie es Tag für Tag, und die Alte gewann viel Geld mit ihm.
Eines Abends aber sagte der Jüngling: »morgen früh werde ich mich in ein Badehaus dem Schlosse des Königs gegenüber verwandeln, und wenn du dieses verkaufst, so darfst du den Schlüssel nicht mit verkaufen, sondern mußt vorwenden, daß das Bad und dein Haus nur einen Schlüssel hätten und daß du eine alte Frau seist und keinen andern Schlüssel für dein Haus finden könntest; denn wenn du den Schlüssel mitgiebst, so hast du mich verloren.«
Als die Alte am andern Morgen vor dem Badehause stand, da kam der Dämon in der Gestalt eines Mannes zu ihr und kaufte das Bad von ihr für funfzigtausend Piaster, doch bedingte sie sich den Schlüssel aus, weil es ihr Hausschlüssel sei, und der Käufer war es zufrieden. Als aber die Alte mit dem Schlüssel weg war, da ging der Dämon in das Bad und sagte zu ihm: »jetzt will ich dich verderben.« Da antwortete das Bad: »morgen früh wirst du dich wie ein Schwein im Kote wälzen«, und am andern Morgen stak der Dämon an der Stelle, wo das Bad gewesen war, bis an den Hals im Kote.
Der Jüngling offenbarte sich hierauf der Alten, bei der er wohnte, und sagte ihr, daß er der Sohn des Königs sei, und als sie das hörte, beugte sie sich zur Erde und küßte ihm die Hand, und gelobte ihm, Niemand etwas von alle dem zu erzählen, was sie von ihm gesehen. Er aber ging dann in den Garten des Königs und verwandelte sich in einen Granatapfel, der so groß war, daß ihn der Baum, an dem er hing, kaum tragen konnte. Als der König diesen Apfel erblickte, pflückte er ihn und stellte ihn auf ein Bänkel seines Gemaches.
Der Dämon aber verwandelte sich in einen Menschen, und kam zum König und sprach zu ihm: »Viele Grüße von deinem jüngsten Sohn, und wenn du einen Granatapfel hättest, so bittet er dich, ihn ihm zu schicken, denn er ist krank und hat große Lust nach dieser Frucht.« Als das der König hörte, da befahl er seiner Kammerfrau, dem Mann jenen großen Granatapfel zu geben. Wie diese ihn aber dem Manne hinreichte, fiel er ihr auf die Erde und zersprang in Stücke, so daß alle seine Körner sich auf dem Boden zerstreuten. Da verwandelte sich der Dämon in eine Gluckhenne mit ihren Küchlein, und begann die Granatkörner aufzupicken.
Der Jüngling aber verwandelte sich in einen Fuchs und fraß die Henne sammt den Küchlein auf, doch wie er damit fertig war, merkte er, daß er auf beiden Augen blind geworden sei. Drauf nahm er wieder seine Gestalt an und sagte zum König: »ich bin dein Sohn, den der Dämon geraubt hatte«, und erzählte ihm die ganze Geschichte. Da freute sich der König von der einen Seite, daß er seinen Sohn wieder gefunden, aber von der andern betrübte er sich darüber, daß er blind geworden sei. Dennoch stellte der König große Festlichkeiten zur Rückkehr seines Sohnes an, die fünf Tage dauerten.
Darauf aber wollte der Blinde seine Verlobte aufsuchen, und der Vater sprach zu ihm: »ach, mein Sohn, du warst so lange Zeit fern von mir, und nun willst du nach fünf Tagen schon wieder fort?« Da erzählte er dem König von dieser Jungfrau, und daß er mit ihr verlobt sei und sie nun heimholen wolle, und somit machte er sich nach ihr auf den Weg. Der König aber begann wieder zu trauern und ließ sein Schloß wieder schwarz anstreichen.
Wir wollen nun sehen, wie es der Jungfrau erging, als sie nach Hause kehrte, um ihren Vater aufzusuchen. Unterwegs lief ihr ein allerliebstes Hündchen nach, das ihr so sehr gefiel, daß sie es mit sich nahm; nach fünf Tagen wurde es aber blind, und als darauf die Jungfrau über einen Bach sprang, wollte ihr das Hündchen nachfolgen, weil es aber blind war, fiel es in das Wasser, und von diesem Wasser erhielt es sein Augenlicht wieder.
Darauf kam die Jungfrau zu ihrem Vater, und zum Danke für ihre Rückkehr baute der König ein großes Krankenhaus, wo Kranke jeder Art aufgenommen und geheilt wurden. Die Jungfrau aber ging jeden Morgen zu ihnen und fragte sie, ob sie zufrieden seien und ob es ihnen an nichts fehle.
Wie nun der Blinde in die Stadt der Jungfrau kam, ging er als Blinder in ihr Krankenhaus. Am andern Morgen kam die Jungfrau und sah ihn, als er nach seinem Ringe suchte, den er von der Hand verloren hatte. Sie fragte ihn, was er suche, und er antwortete, daß er nach einem Ringe suche, der ihm von der Hand gefallen sei. Da half ihm die Jungfrau suchen und fand den Ring, und das war ihr eigener. Da fragte sie ihn: »wo fandest du diesen Ring, der mir gehört?« und er antwortete, daß er ihn unterwegs gefunden. Sie wollte das aber nicht glauben, und setzte ihm so lange zu, bis er ihr sagte, daß er den Ring von der und der Königstochter habe, mit welcher zusammen er viele Gefahren bestanden. Als das die Prinzessin hörte, umarmte und küßte sie ihn, und fragte ihn: »wie bist du blind geworden?« Da erzählte er, wie es ihm ergangen sei, und sie führte ihn zu ihrem Vater und sagte: »der hat mich aus der Höhle des Dämons gerettet.«
Nun gingen sie mit einander zu jenem Bache und sprangen beide hinein, und davon wurde der Jüngling wieder sehend. Hierauf kehrten sie nach Hause zurück und hielten Hochzeit mit einander, und wäre ich auch dabei gewesen, so hätte ich wohl auch einen Löffel Erbsenbrei bekommen.
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]