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Der lose Knecht

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Eine Frau hatte ihren Nachbar gern, und sie wusste, wenn ihr Mann auf dem Felde war, es immer so einzurichten, dass sie mit jenem zusammenkam, und beide lebten dann gut. Hans, der lose Knecht des Mannes, wusste aber wohl darum, und eines Tages überkam ihn der Foppgeist. „Halt!“ dachte er, „du musst einmal einen Spaß haben!“ Der Mann sollte, wie die Frau es bestimmt hatte, wieder einmal mit dem Hans weit ins Feld fahren, um zu pflügen. Der Nachbar aber, das wusste Hans, pflügte den Tag in der Nähe des Dorfes. Als der Mann zum Dorfe hinausgefahren, hielt Hans still und sagte: „Herr Vater, sollen wir heute nicht nur in der Nähe bleiben und hier pflügen auf unserm nächsten Feld? Es ist schon spät!“ – „Mir ist es recht!“ sprach der Mann, und so trieb Hans gleich seitwärts und war bald auf dem Land. Sie fingen nun an zu arbeiten und waren recht fleißig. Nach einer oder zwei Stunden kam die Frau und brachte Kuchen (Hibes) und Wein. Hans sah sie schon von weitem, und da nahm er gleich seinen weißen Kotzen und breitete ihn auf sein schwarzes Ross, damit die Frau nur ja glauben sollte, es sei der Nachbar, denn er hatte ein weißgraues Pferd. Er selbst aber warf sich zu Boden, dass sie ihn nicht gleich sehen konnte. Die Frau gab auch wenig acht. Sie wusste ja, ihr Mann und Hans sei weit weg im Feld und als sie so überhin das weiße Pferd gesehen, ging sie in Gedanken gerade darauf los.
Als sie ganz nahe war, sprang Hans vom Boden auf und rief: „Ha, ha, Herr Vater, die Frau Mutter bringt uns Wein und warmen Kuchen. Ich rieche ihn schon!“ Die Frau sah auf und wurde gleich ganz rot im Gesicht. Sie fasste sich jedoch schnell und sprach: „Nun, lieber Mann, hier bringe ich euch etwas zur Erquickung!“ – „Aber wie kommt dies?“ fragte der Mann verwundert. „Ihr habt ja sonst das nie getan? Und wie wusstet Ihr, dass wir hier waren?“ Die Frau hatte nun allerlei Entschuldigungen, die recht gut waren. Der Mann ging darauf ein und ließ sich sogleich den Kuchen wohl schmecken, aß und trank und sah um sich. „Hans!“ rief er nur einmal, „wer pflügt dort?“ – „Das ist ja unser Nachbar, der Husaren-Jakob!“ – „So? Nun gehe hin und trage ihm auch ein Stück Kuchen.“ Hans ging. Auf dem Weg zerbrach er aber den Kuchen in kleine Stücke und ließ diese nach und nach einzeln fallen „Herr Nachbar!“ sprach Hans, sowie er anlangte, „mein Herr Vater weiß alles. Er will nur ruhig essen. Dann kommt er sogleich mit dem Kultereisen, um Euch zu erschlagen!“
Der Husaren-Jakob bekam Angst, allein er konnte es doch nicht glauben, dass es Ernst sein werde. Hans eilte zurück und ging zu seinem Herrn ganz nahe und sagte ihm ins Ohr. „Unser Nachbar hat einen Schatz gefunden. Er bittet Euch, mit Eurem Kultereisen sogleich zu ihm zu kommen und ihm beim Ausgraben zu helfen!“ Wer konnte jetzt geschwinder sein als der Mann. Er sprang rasch auf vom Boden, riss das Kultereisen vom Pflug heraus und lief in einem Atem fort. Als der Husaren-Jakob das sah, dachte er: „Das ist nicht Spaß!“ und machte lange Beine. Der Mann lief ihm lange nach, konnte ihn aber nicht einholen. Endlich ward er müde und kehrte langsam um. Da bemerkte er die Kuchenstückchen, die er beim Laufen nicht gesehen hatte, und las sie einzeln auf. „Was macht mein Mann?“ fragte die Frau den Hans bestürzt. „Er sammelt Steine“, sagte Hans, „um Euch zu erwerfen, denn er weiß alles.“ Da sprang die Frau husch! auf und lief und lief in einem Atem dem Dorfe zu.
Als der Mann das sah, kam er schnell zu Hans und fragte: „Warum läuft meine Frau so entsetzlich?“ – „Was weiß ich. Es muss daheim Feuer ausgekommen sein!“ sprach Hans. Nun lief der Mann trotz seiner Müdigkeit nach und hinter seiner Frau her und erreichte sie im Hofe. Da war sie keuchend niedergefallen und konnte keinen Schritt weiter. Kaum war ihr Mann angelangt, so faltete sie die Hände und bat: „Ach lieber Mann, nur noch einmal verzeihe mir. Ich will mein Lebtag kein Wort weiter mit dem Nachbar sprechen!“
Was der Mann da für Augen gemacht und was er weiter getan habe, wird nicht erzählt. Soviel aber ist bekannt, dass der lose Hans den folgenden Morgen Christtag hatte und mit Ehren aus dem Dienste entlassen wurde.

Quelle: (Josef Haltrich)

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