Es war einmal ein junger Mann, der hieß Penteklimas, und der ging in die Welt, um sein Glück zu suchen. Als er eine Weile gegangen war, fand er auf dem Wege eine Erbse liegen und hob sie auf. Indem er sie aufhob, fiel ihm ein, daß er ausgezogen sei, um sein Glück zu suchen, und da er nun die Erbse gefunden, so müsse dies sein Glück sein. Als er darüber nachdachte, wie das sein könnte, sagte er bei sich: »wenn ich die Erbse stecke, so werde ich übers Jahr hundert Erbsen haben, und wenn ich diese das andere Jahr säe, werde ich das Zehnfache ärnten, und im vierten Jahre werde ich viele tausend Erbsen haben; ich bin also gut daran und will die Erbse wohl aufheben.« Er band sie also in sein Taschentuch, hatte aber seine Gedanken immer nur auf die Erbse gerichtet, und so oft er irgend ein Geschäft vornahm, ließ er es in der Hälfte, holte sein Taschentuch hervor und sah nach, ob er seine Erbse noch habe. Darauf nahm er eine Feder und rechnete aus, wie viel Erbsen er in dem einen und wie viel er in dem andern Jahre ärnten werde, und so fort, und wenn er mit dem Rechnen fertig war, sprach er: »ich bin gut daran.«
Nachdem er es so eine Weile getrieben hatte, machte er sich auf und ging an die Küste und verlangte zweihundert Schiffe zu mieten, und als ihn die Leute fragten, was er denn mit so viel Schiffen vorhabe, sagte er, daß er darauf seine Habe verschiffen wolle. Da staunten die Leute und glaubten anfangs, er wolle sie zum Besten haben. Als er aber fort und fort nach Schiffen fragte, verlangten sie von ihm genau zu wissen, wie viel Schiffe er nötig habe. Da holte der Mann seine Erbse hervor, machte nochmals seine Rechung und schloß danach seine Verträge mit den Schiffern.
Drauf liefen die Schiffer zum König und erzählten ihm, daß ein Mann in den Hafen gekommen wäre, der so reich sei, daß er zweihundert Schiffe verlange, um darauf seine Habe zu verschiffen. Als das der König hörte, wunderte er sich sehr und ließ den Menschen zu sich kommen, um selbst mit ihm zu sprechen. Der Penteklimas war aber von Gestalt recht ansehnlich, und hatte sich so schöne Kleider machen lassen, daß ihm von seinem Gelde nur zweihundert Piaster übrig blieben; aber er machte sich keine Sorgen, denn er hatte ja die Erbse, mit der er sein Glück machen wollte. Er erschien also guten Mutes vor dem König, und der fragte ihn, wo er sein Vermögen habe. Der Penteklimas aber antwortete: »ich habe es an einem sicheren Orte und brauche zweihundert Schiffe um es hierher zu schaffen.« Da dachte der König: »das wäre ein Mann für meine Tochter!« und fragte ihn also, ob er nicht seine Tochter heiraten wollte. Als der Penteklimas das hörte, wurde er ganz nachdenklich und sagte bei sich: »ich bin meiner Sache freilich noch nicht sicher, doch wenn ich nein sage, so giebt mir der König die Schiffe nicht.« Als ihn aber der König um eine Antwort drängte, sprach er endlich: »ich will erst hingehen und mein Vermögen holen, und dann soll die Hochzeit sein.« Daß nun der Penteklimas bei einem solchen Vorschlag so bedenklich tat, das machte den König nur noch hitziger, und er sprach also: »wenn du erst die Reise machen willst, so verlobe dich wenigstens mit ihr und nimm sie, wenn du zurückkommst.« Das war der Penteklimas zufrieden. Über dem Reden war es Abend geworden und der König wollte ihn nicht von sich lassen, sondern befahl, daß er in seinem Schlosse schlafen solle. Um nun zu sehen, ob er auch wirklich gut gewohnt sei, befahl der König heimlich, daß man ihm zerrissene Bettücher und eine zerlumpte Decke aufbreiten, und daß ein Diener ihn die Nacht über beobachten solle, ob er schlafe oder nicht; denn wenn er schläft, dachte der König, so ist er ein armer Schlucker, wenn er aber nicht schläft, so ist er gut erzogen und in einem neuen Bettzeug zu schlafen gewohnt, und kann also in den Lumpen nicht schlafen.
Am andern Morgen erzählte der Diener dem König, daß der Penteklimas die ganze Nacht über sehr unruhig gewesen sei und kein Auge zugetan habe. Das kam aber daher: weil der Penteklimas fürchtete, in diesen Lumpen seine Erbse zu verlieren und sie nicht mehr zu finden, so konnte er nicht schlafen und griff immer wieder dahin, wo er sie verborgen hatte, um sich zu überzeugen, daß sie noch da sei. Darauf befahl der König, ihm in der nächsten Nacht ein so weiches und schönes Lager als möglich zu bereiten. In diesem aber schlief der Penteklimas ganz vortrefflich, weil er da keine Furcht hatte, daß er darin seine Erbse verlieren könne. Als das der König hörte, war er überzeugt, daß dies der rechte Mann für seine Tochter sei, und drang nun darauf, daß die Verlobung gehalten werden solle. Am Verlobungsabend legte man die Prinzessin zu ihm; er hatte jedoch wenig Aufmerksamkeit für sie, denn sein Sinn war auf die Erbse gerichtet, und auf die Ernten, die er von ihr erwartete, und kaum war er eingeschlafen, so träumte ihm, daß er sie verloren habe; da wachte er im Sprunge auf und griff so hastig nach seiner Erbse, daß diese zu Boden fiel; nun fing er an zu schreien und zu schluchzen: »o Unheil! o Unheil! wo ist mein Glück! wo ist mein Glück!« bis er sie wieder gefunden hatte, und die Prinzessin wunderte sich nicht wenig über das sonderbare Treiben ihres Verlobten.
So trieb er es eine Weile und vertiefte sich mehr und mehr in seine Rechnungen, bis er endlich auf das Drängen des Königs zur See zu gehen beschloß und sich mit zweihundert Schiffen auf den Weg machte. Als er aber während der Fahrt wieder einmal über seinen Rechnungen saß, da fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, wie unsinnig sein Treiben sei, denn noch habe er ja nicht einmal für ein Feld gesorgt, um die eine Erbse zu säen, und nun gehe er mit zweihundert Schiffen, um die Ernte zu holen, die sie erst nach vielen Jahren liefern könne. »Ich bin ein Wahnsinniger«, sagte er bei sich, »aber was soll ich nun anfangen, wo ich den König und so viele Leute betrogen habe? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich in das Meer zu stürzen.« Er sann nun auf einen Vorwand, wie er von den Schiffen loskommen könne, und sprach zu den Schiffern, als sie der nächsten besten Küste nahe kamen: »hier sollt ihr mich an das Land setzen und so lange warten, bis ich euch rufe, denn um meine Schätze aufzusuchen, muß ich allein sein.« Als er aber auf das Land kam, da ging er in einen Wald und versteckte sich darin, und wollte nicht eher wieder hervorkommen, als bis die Schiffer des Wartens müde abgefahren wären.
Die Schiffer warteten lange Zeit auf ihn vergeblich, und als er gar nicht kommen wollte, beschlossen sie, ihn aufzusuchen. Sie durchsuchten also den ganzen Wald und entdeckten darin eine ganz mit Goldstücken angefüllte Höhle, welche ein Mohr mit dem Schwert in der Hand bewachte. Nicht weit davon aber entdeckten sie den Penteklimas in einem Dickicht versteckt. Sie riefen ihm also zu: »komm her! komm her! wir haben deinen Schatz gefunden.« Als das der Penteklimas hörte, wollte er anfangs seinen Ohren nicht trauen, doch faßte er sich ein Herz und kam hervor und befahl den Schiffern, den Mohren tot zu schlagen, und als sie das getan hatten, füllten sie die zweihundert Schiffe mit den Schätzen, die sie in der Höhle fanden, und kehrten damit nach Hause zurück. Der König aber empfing den Penteklimas in größter Pracht mit Fackeln und Laternen, und dieser hielt darauf seine Hochzeit mit der Königstochter und ward ein großer Mann. Wie dem unser Herrgott beigestanden hat! Denn wenn der Schatz nicht gefunden worden wäre, so hätten ihn die Schiffer unfehlbar tot geschlagen. Siehst du, wie ihn trotz seiner Narrheit mit der Erbse der liebe Gott nicht zu Grunde gehen ließ?
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]