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Es war einmal ein Katenmann, der hatte drei Söhne. Er hatte ihnen aber kein Erbe zu geben und war so arm, dass er sie nicht einmal ein Gewerbe konnte lernen lassen. Da sagte er eines Tages zu ihnen, sie müssten selber zusehen, wie sie fort kämen, und könnten lernen, wozu sie Lust hätten, und reisen, wohin sie wollten. Er wolle sie gern noch eine Strecke auf dem Weg begleiten. Und das tat er denn auch. Er begleitete sie bis da, wo drei Wege sich teilten. Da nahmen die Söhne von dem Vater Abschied, und jeder zog seine Straße. Wo die beiden Ältesten geblieben sind, habe ich nie erfahren können. Aber der Jüngste marschierte tapfer drauf zu und kam weit hinaus in die Welt.
Eines Nachts, als er durch einen großen Wald marschierte, kam ein gewaltiges Unwetter über ihn. Es wehte und stöberte so heftig, dass er fast die Augen im Kopf nicht offen halten konnte. Und eh er sich recht besann, war er in die Irre gekommen und konnte weder Weg noch Steg mehr finden. Zuletzt erblickte er weithin im Walde einen Lichtschimmer. Er ging grade darauf zu und kam endlich zu einem großen Gebäude, in welchem ein helles Feuer auf dem Herd brannte, woraus er schließen konnte, dass die Leute noch nicht zu Bett gegangen waren.
Er trat hinein, und drinnen war eine alte Frau, die puttelte da herum. „Guten Abend!“ sagte der Bursch. „Guten Abend!“ sagte die Frau. „Hutetu! Es ist so böses Wetter draußen die Nacht!“ sagte der Bursch. „Das ist wahr“, sagte die Frau. „Kann ich hier keine Herberge die Nacht kriegen?“ fragte der Bursch. „Hier ist keine gute Herberge für dich“, sagte die Frau. „Denn kommen die Leute nach Hause und finden dich hier, so töten sie dich und mich dazu.“ – „Was sind es denn für Leute, die hier wohnen?“ fragte der Bursch. „Ach, es sind lauter Räuber und Spitzbuben“, sagte die Frau. „Mich haben sie geraubt, als ich noch ganz klein war, und nun muss ich ihnen die Wirtschaft führen.“ – „Ich glaube, ich nehme hier gleichwohl Quartier“, sagte der Bursch. „Es mag gehen, wie es will. Denn hinaus will ich nicht wieder bei Nachtzeit in solchem Unwetter.“ – „Am schlimmsten ist das immer für dich selbst“, sagte die Frau. Der Bursch legte sich darauf in ein Bett, das da stand, aber er hütete sich wohl, dass er einschlief.
Bald danach kamen die Räuber an, und das alte Weib erzählte ihnen sogleich, es wär ein fremder Kerl ins Haus gekommen, der hätte nicht wieder fortwollen. „Hast du nicht gesehen, ob er Geld bei sich hatte?“ fragten die Räuber. „Ja, der und Geld!“ sagte die Frau. „Er hat kaum Kleider auf dem Leibe.“ Die Räuber flüsterten nun miteinander, was wohl mit ihm anzufangen wäre, ob sie ihn töten oder was sie sonst mit ihm anfangen sollten.
Indessen stand der Bursch auf und fragte sie, ob sie nicht einen Knecht gebrauchen könnten; denn er hätte große Lust, bei ihnen zu dienen. „Ja“, sagten sie. „Wenn du Lust hast und das Handwerk treiben willst, das wir treiben, so kannst du bei uns in Dienst kommen.“ – „Ja, es ist ganz einerlei, was es für ein Handwerk ist“, sagte der Bursch. „Denn als ich von Hause abreiste, sagte mein Vater zu mir, ich könnte lernen, was ich selber wollte.“ – „Hast du denn Lust, das Stehlen zu lernen?“ sagten die Räuber. „Ja“, sagte der Bursch, „das Handwerk möcht ich wohl lernen.“
Nun wohnte nicht weit davon ein Mann, der hatte drei Ochsen. Einen davon wollte er zur Stadt bringen und ihn verkaufen. Und das hatten die Räuber ausspioniert. Da sagten sie zu dem Burschen, wenn er imstande wäre, dem Mann unterwegs den Ochsen zu stehlen, so dass er’s nicht gewahr würde und ohne dass er ihm was zuleide täte, so wollten sie ihn in Dienst nehmen, sonst nicht. Der Bursch sagte, er wollt’s versuchen, und nahm mit sich einen schön gearbeiteten Schuh mit silberner Schnalle, welchen er da vorfand, den setzte er in den Weg hin, wo der Mann mit dem Ochsen herkommen sollte, ging dann etwas tiefer in den Wald hinein und verbarg sich unter einem Strauch.
Es dauerte nicht lange, so kam der Mann an. „Das wäre ja ein ganz hübscher Schuh!“ sagte er. „Hätte ich bloß den andern dazu, so wollt ich beide mit nach Hause nehmen. Dann, glaub ich, würde meine Altsche wohl einmal guten Sinnes“; denn er hatte eine sehr böse und schlimme Frau, und zwischen Schlägen und Prügel, die er von ihr bekam, war immer keine lange Zeit. Nun meinte er aber, könne er mit dem einen Schuh doch nichts anfangen, wenn er nicht den andern dazu hätte. Darum ließ er ihn stehen und ging weiter. Da nahm der Bursch den Schuh und eilte, dass er dem Mann voraus kam, und setzte den Schuh wieder vor ihm in den Weg hin. Als der Mann mit seinem Ochsen ankam und den Schuh sah, verdross es ihn, dass er so dumm gewesen war und vorhin den andern Schuh nicht mitgenommen hatte. „Ich muss wohl nun zurücklaufen und den andern nachholen“, sagte er bei sich selbst und band den Ochsen an einem Zaun fest. „So krieg ich doch mal ein Paar gute Schuh für meine Altsche. Vielleicht, dass sie dann guten Sinnes wird.“ Er ging nun zurück und suchte nach dem Schuh die Länge und die Breite. Aber all sein Suchen war umsonst. Zuletzt musste er denn mit dem einen Schuh zurückgehen. Indessen hatte sich aber der Bursch mit dem Ochsen davongemacht. Als der Mann zurückkam und sah, dass der Ochs fort war, fing er an zu weinen und zu lamentieren; denn er war so bange vor seiner Frau und fürchtete, sie möchte ihn totschlagen, wenn sie erfuhr, dass der Ochse fort war.
Da fiel es ihm aber ein, dass er noch zwei andre Ochsen im Stall hatte, und er ging zurück nach Hause, nahm den einen Ochsen und machte sich damit auf nach der Stadt, ohne dass die Frau etwas davon gewahr ward. Das hatten aber die Räuber wieder ausspioniert und sagten daher zu dem Burschen, wenn er dem Mann auch den zweiten Ochsen stehlen könnte, ohne dass er es merke und ohne dass er ihm was zuleide tue, so sollte er ihresgleichen sein. Ja, meinte der Bursch, das wäre eben nicht schwer. Diesmal aber nahm er einen Strick mit und hängte sich mitten auf dem Wege, wo der Mann vorbei musste, unter den Armen auf. Als nun der Mann mit seinem Ochsen ankam und ihn da hängen sah, ward er ein wenig verdutzt und sagte: „Dir muss schwer zu Sinn gewesen sein, guter Freund, dass du dich da aufgeknüpft hast. Meinetwegen aber magst du da hängen, solange du willst. Denn ich kann dir doch kein Leben wieder einblasen.“ Und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Als er fort war, sprang der Bursch herunter vom Baum, lief einen Richtsteig, so dass er dem Mann voraus kam, und hängte sich wieder mitten im Wege auf. „Ob dir wirklich so schwer zu Sinn gewesen ist, dass du dich da aufgeknüpft hast, oder ob es bloß bei mir spukt?“ sagte der Mann. „Meinetwegen aber magst du da hängen, solange du willst, ob du nun ein Gespenst bist oder was du sonst sein magst.“ Und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Der Bursch machte es wieder ebenso wie das vorige Mal, hüpfte herunter vom Baum, lief den Richtsteig durch den Wald und hängte sich wieder mitten im Wege auf.
Als der Mann ihn gewahr ward, sagte er bei sich selbst: „Das ist ja eine grässliche Geschichte! Sollte ihnen denn so schwer zu Sinn gewesen sein, dass sie sich alle drei aufgeknüpft haben? Ich kann’s aber nicht mal glauben. Es spukt wohl bloß bei mir. Nun will ich aber Gewissheit haben“, sagte er. „Hängen die andern beiden noch da, dann ist’s wirklich so. Hängen sie aber nicht da, so ist’s nichts anders als Spuk.“ Und damit band er seinen Ochsen fest und lief zurück, um zu sehen, ob sie noch da hingen. Während er nun nach allen Bäumen hinaufguckte, sprang der Bursch wieder herunter, nahm den Ochsen und machte sich damit aus dem Staube. Als der Mann zurückkam und sah, dass der Ochs fort war, da war’s Päckchen wieder fertig; er fing an zu weinen und zu lamentieren.
Endlich aber gab er sich doch zufrieden; denn er dachte bei sich selbst: Da ist kein andrer Rat, ich muss wieder nach Hause, und den dritten Ochsen auch holen, ohne dass meine Frau es gewahr wird, und muss dann versuchen, ihn um soviel besser zu verhandeln, damit ich wieder zu meinem Schaden komme. Er ging nun zurück und holte sich auch den dritten Ochsen, ohne dass seine Frau es gewahr ward. Die Räuber wussten aber wieder sehr gut Bescheid und sagten zu dem Burschen, wenn er ihm auch diesmal den Ochsen stehlen könnte, ohne dass der Mann es merke und ohne dass er ihm was zuleide tue, so sollte er Meister sein über sie alle zusammen. Der Bursch machte sich wieder auf und lief in den Wald; und als der Mann mit dem Ochsen daherkam, fing er an zu brüllen wie ein andrer großer Ochs. Als der Mann das hörte, ward er froh; denn er meinte seinen Mastochsen an der Stimme zu erkennen und glaubte, nun würde er sie alle beide wiederbekommen.
Er band den dritten Ochsen fest und lief abseits in den Wald und suchte da herum. Währenddessen aber machte der Bursch sich auch mit dem dritten Ochsen davon. Als der Mann zurückkam und sah, dass der auch fort war, ward ihm ganz heulig zumute. Er weinte und lamentierte und ließ sich in vielen Tagen nicht wieder zu Hause sehen, denn er war bange, seine Frau möchte ihn rein totschlagen.
Den Räubern aber wollte es gar nicht behagen, dass sie nun den Burschen als Meister über sich alle zusammen anerkennen sollten, und sie gedachten einmal einen Streich auszuführen, den der Bursch ihnen nicht sollte nachmachen können. Sie reisten daher alle miteinander fort und ließen ihn allein zurück.
Das erste, was der Bursch tat, als die andern das Haus verlassen hatten, war, dass er die drei Ochsen hinausjagte, worauf diese wieder nach dem Stall des Mannes, dem er sie genommen hatte, zurückliefen. Und der sich freute, das war der Mann, kannst du glauben. Darauf nahm er alle Pferde, welche die Räuber hatten, und belud sie mit dem Besten, was er vorfand, mit Gold und Silber und Kleidern und andern prächtigen Sachen, und sagte dann zu der Frau, sie solle die Räuber nur von ihm grüßen, er ließe sich vielmals bedanken und reise jetzt fort; aber es sollte ihnen schwer fallen, ihn wieder einzuholen, und damit reiste er ab.
Wie er nun eine lange Zeit gereist war, kam er wieder auf den Weg, von wo er zuerst in den Wald zu den Räubern gekommen war. Und diesen verfolgte er so lange, bis er wieder in das Dorf kam, wo sein Vater wohnte. Zuvor aber zog er sich eine Montierung an, die grade wie für einen General gemacht war, die hatte er unter den Sachen gefunden, die er von den Räubern mitgenommen. Und damit fuhr er auf den Hof wie ein großer Herr.
Dort stieg er ab und ging ins Haus zu seinem Vater und fragte ihn, ob er keine Herberge bei ihm bekommen könne. Nein, das könne er ganz und gar nicht. „Wie sollte ich wohl Herberge haben für einen so großen Herrn?“ sagte der Mann. „Ich habe kaum Betten, worauf ich selbst liegen kann, und die sind noch dazu schlecht genug.“ – „Du bist immer ein harter Mann gewesen, und das bist du auch noch“, sagte der Bursch. „Da du deinem eignen Sohn nicht einmal Herberge geben willst.“ – „Bist du denn mein Sohn?“ fragte der Mann. „Kennst du mich denn nicht mehr?“ sagte der Bursch. Ja, da erkannte er ihn wieder. „Aber was hast du denn gelernt, dass du in der Geschwindigkeit ein solcher Kerl geworden bist?“ fragte ihn der Vater. „Das will ich dir sagen“, versetzte der Bursch. „Du sagtest ja, ich könnte lernen, wozu ich Lust hätte, und da gab ich mich denn bei Räubern und Spitzbuben in die Lehre, und nun hab ich meine Lehrzeit ausgestanden und bin Meisterdieb geworden.“
Nun wohnte dicht neben seinem Vater der Amtmann, der hatte ein großes, herrliches Schloss und so viel Geld, dass er’s nicht zählen konnte, und dann hatte er auch eine Tochter, die war von außerordentlicher Schönheit. Die wollte nun der Meisterdieb gern haben und sagte zu seinem Vater, er solle zum Amtmann gehen und seine Tochter für ihn begehren. „Wenn er dich fragen sollte, was für ein Handwerk ich treibe, so kannst du nur sagen, ich sei Meisterdieb“, sagte er. „Ich glaube, du bist toll und verrückt“, sagte der Mann, „denn klug kannst du unmöglich sein, wenn du solche Narrheit im Kopf hast.“ Ja, er solle und müsse zum Amtmann gehen und ihn um seine Tochter bitten. Es wäre kein anderer Rat, sagte der Bursch. „Das tu ich wahrhaftig nicht!“ sagte der Vater. „Wie kann ich wohl zum Amtmann gehen, der so reich ist und soviel Geld hat, und; für dich um seine Tochter bitten? Das geht mein Lebtag nicht an!“
Es half aber nichts, er sollte und musste hin, und wenn er nicht im Guten wollte, so sollte er mit Gewalt, sagte der Meisterdieb. Da ging der Mann fort und kam weinend und heulend zum Amtmann. „Was fehlt dir?“ fragte ihn der Amtmann. Da erzählte ihm der Mann, dass er drei Söhne hätte, welche eines Tages fortgereist wären, und er hätte ihnen erlaubt, zu reisen, wohin sie wollten, und zu lernen, wozu sie Lust hätten. „Und nun ist der jüngste zurückgekommen und will mit aller Gewalt, ich soll zu dir gehen und deine Tochter für ihn begehren und soll sagen, er wäre Meisterdieb“, sagte der Mann und weinte und lamentierte ganz jämmerlich. „Gib dich nur zufrieden“, sagte der Amtmann und lachte. „Und grüße deinen Sohn von mir und sage ihm, er müsste erst Proben von seiner Geschicklichkeit ablegen. Wenn er am Sonntag den Braten vom Spieß in meiner Küche stehlen kann, während alle meine Leute darauf Acht haben, so soll er meine Tochter bekommen.“
Mit diesem Bescheid kam der Vater zu seinem Sohn zurück.
Der aber meinte, das solle ihm ein leichtes sein. Er sah nun zu, dass er drei lebendige Hasen bekam, die steckte er in einen Sack, behängte sich mit einigen Lumpen, so dass er ganz armselig und jämmerlich aussah, und dann schlich er sich am Sonntagvormittag, wie so ein andrer Betteljunge, mit seinem Sack auf die Diele des Amtmanns. Der Amtmann selbst und alle Leute im Hause waren in der Küche und wollten auf den Braten Acht geben. Da ließ der Bursch einen Hasen aus dem Sack schlüpfen, der – hast du nicht gesehen! – fort und auf dem Hof herum sprang, dass es eine Höllenwirtschaft war. „Seht einmal den Hasen da!“ sagten die Leute in der Küche und wollten hinaus und ihn fangen. Der Amtmann sah ihn auch. „Oh, lasst ihn laufen!“ sagte er. „Es nützt nicht, einen Hasen im Sprunge fangen zu wollen.“
Es dauerte nicht lange, so ließ der Bursch den zweiten Hasen hinaus. Den sahen die Leute in der Küche ebenfalls und glaubten, es wäre noch derselbe. Nun wollten sie hinaus und ihn fangen. Aber der Amtmann sagte wieder, es könne nichts nützen. Nach einer Weile ließ der Bursch den dritten Hasen hinaus, der wieder fort und auf dem Hof herum die Kreuz und Quer. Als die Leute den sahen, glaubten sie, es sei immer noch der erste, und nun wollten sie wieder hinaus und ihn fangen. „Das ist doch auch ein schnurriger Hase!“ sagte der Amtmann. „Kommt, Jungens, und lasst uns mal sehen, ob wir ihn erwischen können!“ Er hinaus und die andern ihm nach und der Hase voran und sie alle hinterher, dass es ein Mordsspektakel war. Mittlerweile aber nahm der Meisterdieb den Braten vom Spieß und lief damit fort – und wo da der Amtmann einen Braten zum Mittag herbekam, weiß ich nicht. Soviel aber weiß ich wohl, dass er diesmal keinen Hasenbraten bekam, obwohl er gelaufen war, dass ihm der Schweiß von der Stirn troff.
Am Mittag kam der Pfarrer aufs Schloss, und als der, Amtmann ihm erzählte, was der Meisterdieb ihm für einen Streich gespielt hatte, machte sich dieser über ihn lustig und wollte sich immer totlachen. „Ich weiß nicht, wie ich mich von einem solchen Kerl sollte foppen lassen“, sagte der Pfarrer. „Ja, nimm dich nur in acht“, sagte der Amtmann. „Vielleicht ist er bei dir, eh du dich’s versiehst.“ Der Pfarrer aber machte sich fortwährend über den Amtmann lustig, weil dieser sich hatte an der Nase herumführen lassen. Am Nachmittag kam der Meisterdieb und wollte die Tochter des Amtmanns haben, wie dieser ihm versprochen hatte. „Du musst erst noch mehr Proben ablegen“, sagte der Amtmann und gab ihm gute Worte. „Denn das Kunststück, das du heute gemacht hast, war eben nicht der Rede wert. Sieh mal zu, ob du nicht dem Pfarrer einen Possen spielen kannst. Denn der sitzt da drinnen und macht sich über mich lustig, weil ich mich von einem Kerl, wie du bist, an der Nase habe herumführen lassen.“ Der Meisterdieb meinte, das, sollte eben nicht schwer sein, und ging sogleich fort und traf seine Anstalten: Er verkleidete sich in einen Vogel, hängte sich ein großes weißes Laken um, brach einer Gans die Flügel ab und machte sie sich am Rücken fest, und dann kroch er auf einen großen Ahornbaum, der in dem Garten des Pfarrers stand.
Als am Abend der Pfarrer nach Hause kam, rief der Bursch vom Baum herunter: „Herr Lars! Herr Lars!“; denn der Pfarrer hieß Herr Lars. „Wer ruft mich?“ fragte der Pfarrer. „Ich bin ein Engel vom Himmel, der ausgesandt ist vom lieben Gott, um dir zu verkündigen, dass du lebendig ins Himmelreich kommen sollst von wegen deiner Frömmigkeit“, sagte der Meisterdieb. „Den nächsten Montag musst du dich reisefertig halten; denn alsdann komme ich und hole dich ab in einem Sack, und all dein Gold und dein Silber und was du sonst von den Eitelkeiten dieser Welt besitzest, musst du auf einen Haufen in deiner großen Stube zusammenlegen.“ Herr Lars fiel auf die Knie und dankte dem Engel, und am Sonntagmorgen, als er auf die Kanzel stieg, predigte er vor den Leuten, dass ihm auf dem großen Ahornbaum in seinem Garten ein Engel vom Himmel erschienen wäre, der hätte ihm verkündigt, dass er sollte lebendig ins Himmelreich kommen von wegen seiner Frömmigkeit, und er predigte und deutete ihnen das Wort Gottes, dass alle Leute, die in der Kirche waren, darüber weinen mussten.
Am Montag kam der Meisterdieb wieder in der Gestalt eines Engels, und der Pfarrer fiel auf die Knie und betete und dankte ihm, bevor er in den Sack gesteckt wurde, und als er hinein war, nahm der Meisterdieb den Sack und schleppte ihn an der Erde mit sich fort, über Stock und Stein. „Au, du!“ schrie der Pfarrer im Sack. „Wo bin ich?“ – „Du bist auf dem engen Wege, der in das Himmelreich führt“, sagte der Meisterdieb und schleppte den Sack immer weiter, so dass dem Pfarrer die Rippen im Leibe krachten.
Zuletzt warf er ihn in den Gänsestall des Amtmanns. Da flogen die Gänse auf ihn und fingen ah zu zischen und ihn zu beißen, und der Pfarrer war in seinem Sacke mehr tot als lebendig. „Au, du! Wo bin ich jetzt?“ rief er. „Jetzt bist du im Fegefeuer, um gereinigt und geläutert zu werden für das ewige Leben“, sagte der Meisterdieb, ging fort und holte sich all das Gold und das Silber und die kostbaren Sachen, die der Pfarrer in seiner großen Stube zusammengehäuft hatte.
Am Morgen, als das Gänsemädchen kam und die Gänse aus dem Stall lassen wollte, hörte sie den Pfarrer drinnen im Sack jammern. „Sagt mir um Gottes willen, wer seid Ihr, und was fehlt Euch?“ sagte das Mädchen. „Ach“, rief der Pfarrer, „bist du ein Engel vom Himmel, so lass mich hinaus und schicke mich wieder zurück auf die Erde; denn hier ist’s noch viel schlimmer als in der Hölle; tausend Teufel zwicken mich überall mit ihren Zangen.“ – „Ich bin, Gott bessre es, kein Engel“, sagte das Mädchen und half dem Pfarrer aus dem Sack. „Ich hüte bloß die Gänse des Amtmanns, und das sind auch wohl die Teufel, die Euch gezwickt haben, Gevatter“, sagte sie. „Ach, das hat der Meisterdieb getan! Ach, mein Gold und mein Silber und meine schönen Kleider!“ schrie der Pfarrer und jammerte und lamentierte und lief fort nach Hause, so dass das Mädchen glaubte, er habe rein den Verstand verloren.
Als der Amtmann die Geschichte erfuhr und hörte, wie der Pfarrer sowohl auf dem engen Wege als im Fegefeuer gewesen war, wollte er sich beinahe totlachen. Als aber der Meisterdieb kam und seine Tochter haben wollte, schwatzte er ihm wieder süß vor und sagte: „Du musst erst eine Probe ablegen, die noch besser ist, damit ich recht erfahre, wozu du taugst. Ich habe zwölf Pferde in meinem Stall stehen, auf die will ich zwölf Knechte setzen, einen auf jedes. Bist du nun imstande, ihnen die Pferde unter dem Hosenleder wegzustehlen, so will ich sehen, was ich für dich tun kann.“ – „Das ließe sich schon machen“, sagte der Meisterdieb. „Bekomme ich dann aber auch ganz gewiss deine Tochter?“ – „Ja, kannst du das, so will ich mein Bestes tun“, sagte der Amtmann.
Der Meisterdieb begab sich jetzt zu einem Krämer und kaufte sich zwei Flaschen Branntwein, aber in die eine goss er einen Schlaftrunk. Dann bestellte er sich elf Knechte, die mussten sich in der Nacht hinter der Scheune des Amtmanns verstecken. Für Geld und gute Worte bekam er auch von einer alten Frau einen lumpigen Weiberrock und eine Jacke, womit er sich wie ein altes Weib verkleidete. Darauf nahm er einen Stock in die Hand und einen Beutel auf den Nacken, und als es Abend wurde; hinkte er fort nach dem Stall des Amtmanns.
Als er dort ankam, tränkten die Leute eben die Pferde zur Nacht und hatten dabei alle Hände voll zu tun. „Was Teufel willst du denn hier?“ sagte einer von den Stallknechten zu dem vermeintlichen Weibe. „Hutetu! Es ist so kalt draußen!“ sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen. „lasst mich ein wenig bei euch in den Stall kriechen.“ – „Wo dich der Teufel nicht plagt! Pack dich fort!“ sagte der eine von den Knechten. „Denn kriegt der Amtmann dich hier zu sehen, so lässt er uns tanzen.“ – „Ach, das alte kümmerliche Weib!“ sagte ein andrer, der Mitleid mit ihr zu haben schien. „lasst nur die Alte sich in den Stall hinsetzen. Sie tut gewiss keinem was zuleide.“ Die andern aber sagten, daraus könne nichts werden, und während sie sich hierüber zankten und die Pferde tränkten, kroch der Meisterdieb immer weiter nach dem Stall zu, und endlich schlüpfte er hinter die Tür, wo ihn nachher weiter keiner bemerkte.
Auf die Nacht hin kam es den Leuten ein wenig kalt an, so still und unbeweglich auf den Pferden zu sitzen. „Hutetu! Es ist kalt wie der Teufel!“ sagte der eine und schlug die Arme um den Leib. „Wer nur ein bisschen Tabak hätte!“ sagte ein andrer. Ein dritter hatte denn ein Päckchen, und das teilten sie; es war zwar nicht viel für jeden, aber sie kauten und spuckten, und das half ein wenig.
Bald danach waren sie wieder gleich schlimm dran. „Hutetu!“ sagte der eine und schüttelte sich. „Hutetu!“ sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen, nahm die Flasche Branntwein hervor und zitterte so heftig mit der Hand, dass es schwappte in der Flasche, und trank dann, dass es ihr gluck im Halse sagte. „Was hast du da in der Flasche?“ sagte einer von den Stallknechten. „Ach, es ist nur ein Tröpfchen Branntwein“, sagte sie. „Was, Branntwein? Gib mal her! Gib mal her!“ schrieen sie alle zugleich. „Ach, ich habe nur so wenig“, sagte sie. „Ihr werdet nicht einmal nass davon im Mund.“ Aber es half nichts, sie wollten durchaus einen Schluck haben. Da nahm die Alte die Flasche mit dem Schlaftrunk, hielt sie jedem vor den Mund und ließ ihn davon trinken, soviel er brauchte, und der zwölfte hatte noch nicht getrunken, als der erste schon dasaß und schnarchte. Darauf warf der Meisterdieb seine Lumpen ab und nahm den einen Kerl nach dem andern und setzte sie verquer auf die Balken, rief dann seine elf Leute- und fort jagte er mit allen zwölf Pferden.
Als der Amtmann am Morgen herauskam und nach seinen Knechten sehen wollte, wachten diese eben auf und fingen an, mit den Spornen an die Balken zu hauen, dass die Splitter davonflogen, und einige von den Knechten fielen herunter, andre blieben hängen, und die andern saßen da wie Narren. „Ja, ich kann’s mir schon denken, wer hier gewesen ist“, sagte der Amtmann. „Ihr seid aber doch ganz elende Kerle, dass ihr hier sitzt und euch den Meisterdieb die Pferde unterm Hosenleder wegstehlen lasst!“ Und damit bekamen sie ihre gehörige Schmiere.
Später am Tage kam der Meisterdieb selbst und erzählte alle Umstände und wollte jetzt die Tochter des Amtmanns haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann aber gab ihm hundert Taler und sagte, er müsse erst einen Streich ausführen, der noch besser wäre. „Meinst du, dass du wohl das Pferd unter mir selbst stehlen könntest, wenn ich darauf reite?“ sagte der Amtmann. „Das ließe sich schon machen“, sagte der Meisterdieb. „Bekäme ich dann nur ebenso gewiss deine Tochter.“ Ja, er wollte sehn, was er tun könnte, sagte der Amtmann und bestimmte einen Tag, an welchem er zu einem großen Exerzierplatz hinaus reiten wollte.
Der Meisterdieb erhandelte sich eine alte abgelebte Schindmähre, flocht sich eine Siele aus Weiden und Besenreisern, kaufte einen alten Karren und ein großes Fass und sagte dann zu einem alten zahnlosen Weibe, er wolle ihr zehn Taler geben, wenn sie in das Fass kriechen und über dem Zapfenloch gaffen wolle, er würde dann den Finger hineinstecken. Leid sollte ihr nicht geschehen – sie sollte bloß ein wenig fahren -, und wenn er den Finger öfter als einmal herauszöge, so sollte sie noch zehn Taler dazu haben. Darauf zog er einige Lumpen an, machte sich im Gesicht unkenntlich mit Ruß, setzte sich eine Perücke auf und heftete sich einen Bart von Ziegenhaaren an, so dass keiner ihn wieder erkennen konnte, und damit karjuckelte er nach dem Exerzierplatz, wo der Amtmann schon eine Weile geritten war.
Es ging aber so langsam und so traurig, dass er fast nicht vom Fleck kam. Er duselte und duselte. Mal stand das Fuhrwerk ganz still. Dann ging es wieder ein wenig, aber so traurig, dass der Amtmann nimmer darauf verfallen konnte, dass das der Meisterdieb sein könne. Er ritt daher grade auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht jemanden dort im Walde hätte herumschleichen sehen. „Nein“, sagte der Mann, er hätte keinen gesehen. „Höre“, sagte der Amtmann. „Reite doch einmal in den Wald und sieh zu, ob nicht einer da herumschleicht. Ich will dir solange mein Pferd leihen und dir auch ein gutes Trinkgeld geben.“ – „Nein“, sagte der Mann. „Das kann ich nicht. Denn ich soll dieses Metfaß zu einer Hochzeit fahren. Nun ist mir aber unterwegs der Zapfen heraus gefallen, und darum muss ich beständig den Finger ins Loch halten.“ – „Reite du nur hin!“ sagte der Amtmann. „Ich werde schon derweil auf dein Pferd und auf das Fass Acht haben.“ Ja, dann solle aber der Amtmann geschwind den Finger ins Loch stecken, wenn er seinen herauszöge. Das tat denn der Amtmann auch, und der Meisterdieb setzte sich aufs Pferd.
Die Zeit aber verstrich, und es kam niemand zurück. Zuletzt ward’s der Amtmann überdrüssig, immer den Finger ins Loch zu halten, und er zog ihn heraus. „Nun kriege ich noch zehn Taler dazu!“ schrie das Weib drinnen im Pass. Da erschrak der Amtmann; denn er merkte nun wohl, wie die Sache sich verhielt, und begab sich schnell auf den Heimweg. Unterwegs brachten sie ihm schon sein Pferd entgegen, das der Meisterdieb bereits zu Hause bei ihm abgeliefert hatte.
Tags darauf kam der Bursch zum Amtmann und wollte seine Tochter haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann schwatzte ihm wieder allerlei vor, gab ihm zweihundert Taler und sagte, er müsste noch ein Probestück machen, könnte er das, dann sollte er auch ganz gewiss seine Tochter haben. „lass mich hören, was es ist“, sagte der Meisterdieb. „Kannst du mir denn wohl das Laken aus meinem Bett stehlen und meiner Frau das Hemd vom Leibe?“ fragte der Amtmann. „Das sollte sich schon machen lassen“, sagte der Meisterdieb. „Hätte ich nur ebenso gewiss deine Tochter.“ Als es nun Nacht geworden war, ging der Meisterdieb zum Galgen und schnitt einen armen Sünder los, nahm ihn auf den Nacken und trug ihn fort. Danach holte er sich eine große Leiter, die stellte er an das Kammerfenster des Amtmanns, stieg dann hinauf und bewegte den Toten, auf und ab, grade als wenn einer von außen ins Fenster guckte.
„Das ist der Meisterdieb, Frau!“ sagte der Amtmann und stieß sie in die Seite. „Jetzt schieß ich ihn!“ sagte er und nahm die Büchse, die er vor sein Bett hingelegt hatte. „Nein, tu das nicht, Mann!“ sagte die Frau. „Du hast ihn ja selber herbestellt.“ – „Ja, ich schieß ihn, dann bin ich ihn los“, sagte der Amtmann und fing an zu zielen. Bald aber war der Kopf oben, bald war er wieder unten. Endlich aber bekam der Amtmann ihn doch aufs Korn, knallte los, und der Tote bumste zur Erde nieder. Der Meisterdieb herunter von der Leiter, so schnell er nur konnte. „Ich bin nun zwar selbst die hohe Obrigkeit“, sagte der Amtmann. „Ich möchte aber doch nicht gern, dass die Leute etwas zu reden hätten. Darum ist’s am besten, ich stehe auf und begrabe den Toten.“ – „Ja, tu, wie es dir gut dünkt, Mann“, sagte die Frau. Da stand der Amtmann auf und ging hinunter, den Toten zu begraben.
Während er aber zur Tür hinausging, schlüpfte der Meisterdieb zum Fenster hinein. „Nun, Mann“, sagte die Frau – denn sie glaubte, es wäre der Amtmann – „bist du schon fertig?“ – „Ja“, sagte der Meisterdieb. „Ich steckte ihn bloß in ein Loch und scharrte etwas Erde darüber, und soweit ist er nun verwahrt. Es ist so ein abscheuliches Wetter draußen, ich will’s schon ein andermal besser machen. Gib mir aber das Laken“, sagte er, „damit ich mich abtrockne; denn ich habe mich über und über besudelt.“ Die Frau gab ihm das Laken. „Du musst mir auch noch dein Hemd geben“, sagte er; „denn das Laken verschlägt nicht, merke ich.“ Sie gab ihm nun auch noch ihr Hemd. Da fiel es ihm ein, dass er vergessen hatte, die Tür zuzumachen, und das musste er erst, eh er sich wieder zu Bett legte – und fort ging es mit dem Laken und mit dem Hemd.
Eine Weile danach kam der rechte Amtmann. „Nein, wie lange Zeit du gebraucht hast, um die Tür zuzumachen!“ sagte die Frau. „Wo hast du aber nun das Laken und mein Hemd gelassen?“ – „Was sagst du?“ rief der Amtmann. „Ich frage, wo du das Laken und mein Hemd gelassen hast, das ich dir gab, um dich damit abzutrocknen“, sagte sie. „Ei, zum Teufel!“ rief der Amtmann. „Ist er nun damit auch fort?“
Am Tage kam der Meisterdieb wieder und verlangte die Tochter des Amtmanns, wie dieser ihm versprochen hatte, und da konnte nun der Amtmann nicht anders, sondern gab sie ihm und noch viel Geld dazu. Denn er fürchtete, der Meisterdieb möchte ihm zuletzt noch die Augen aus dem Kopf stehlen und dass er gar zu sehr ins Gerede käme. Der Meisterdieb lebte nun mit der Tochter des Amtmanns lustig und vergnügt, Ob er nach dieser Zeit noch wieder stahl, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Tat er es aber, so geschah es wohl nur zu seinem eigenen Vergnügen.
Eines Nachts, als er durch einen großen Wald marschierte, kam ein gewaltiges Unwetter über ihn. Es wehte und stöberte so heftig, dass er fast die Augen im Kopf nicht offen halten konnte. Und eh er sich recht besann, war er in die Irre gekommen und konnte weder Weg noch Steg mehr finden. Zuletzt erblickte er weithin im Walde einen Lichtschimmer. Er ging grade darauf zu und kam endlich zu einem großen Gebäude, in welchem ein helles Feuer auf dem Herd brannte, woraus er schließen konnte, dass die Leute noch nicht zu Bett gegangen waren.
Er trat hinein, und drinnen war eine alte Frau, die puttelte da herum. „Guten Abend!“ sagte der Bursch. „Guten Abend!“ sagte die Frau. „Hutetu! Es ist so böses Wetter draußen die Nacht!“ sagte der Bursch. „Das ist wahr“, sagte die Frau. „Kann ich hier keine Herberge die Nacht kriegen?“ fragte der Bursch. „Hier ist keine gute Herberge für dich“, sagte die Frau. „Denn kommen die Leute nach Hause und finden dich hier, so töten sie dich und mich dazu.“ – „Was sind es denn für Leute, die hier wohnen?“ fragte der Bursch. „Ach, es sind lauter Räuber und Spitzbuben“, sagte die Frau. „Mich haben sie geraubt, als ich noch ganz klein war, und nun muss ich ihnen die Wirtschaft führen.“ – „Ich glaube, ich nehme hier gleichwohl Quartier“, sagte der Bursch. „Es mag gehen, wie es will. Denn hinaus will ich nicht wieder bei Nachtzeit in solchem Unwetter.“ – „Am schlimmsten ist das immer für dich selbst“, sagte die Frau. Der Bursch legte sich darauf in ein Bett, das da stand, aber er hütete sich wohl, dass er einschlief.
Bald danach kamen die Räuber an, und das alte Weib erzählte ihnen sogleich, es wär ein fremder Kerl ins Haus gekommen, der hätte nicht wieder fortwollen. „Hast du nicht gesehen, ob er Geld bei sich hatte?“ fragten die Räuber. „Ja, der und Geld!“ sagte die Frau. „Er hat kaum Kleider auf dem Leibe.“ Die Räuber flüsterten nun miteinander, was wohl mit ihm anzufangen wäre, ob sie ihn töten oder was sie sonst mit ihm anfangen sollten.
Indessen stand der Bursch auf und fragte sie, ob sie nicht einen Knecht gebrauchen könnten; denn er hätte große Lust, bei ihnen zu dienen. „Ja“, sagten sie. „Wenn du Lust hast und das Handwerk treiben willst, das wir treiben, so kannst du bei uns in Dienst kommen.“ – „Ja, es ist ganz einerlei, was es für ein Handwerk ist“, sagte der Bursch. „Denn als ich von Hause abreiste, sagte mein Vater zu mir, ich könnte lernen, was ich selber wollte.“ – „Hast du denn Lust, das Stehlen zu lernen?“ sagten die Räuber. „Ja“, sagte der Bursch, „das Handwerk möcht ich wohl lernen.“
Nun wohnte nicht weit davon ein Mann, der hatte drei Ochsen. Einen davon wollte er zur Stadt bringen und ihn verkaufen. Und das hatten die Räuber ausspioniert. Da sagten sie zu dem Burschen, wenn er imstande wäre, dem Mann unterwegs den Ochsen zu stehlen, so dass er’s nicht gewahr würde und ohne dass er ihm was zuleide täte, so wollten sie ihn in Dienst nehmen, sonst nicht. Der Bursch sagte, er wollt’s versuchen, und nahm mit sich einen schön gearbeiteten Schuh mit silberner Schnalle, welchen er da vorfand, den setzte er in den Weg hin, wo der Mann mit dem Ochsen herkommen sollte, ging dann etwas tiefer in den Wald hinein und verbarg sich unter einem Strauch.
Es dauerte nicht lange, so kam der Mann an. „Das wäre ja ein ganz hübscher Schuh!“ sagte er. „Hätte ich bloß den andern dazu, so wollt ich beide mit nach Hause nehmen. Dann, glaub ich, würde meine Altsche wohl einmal guten Sinnes“; denn er hatte eine sehr böse und schlimme Frau, und zwischen Schlägen und Prügel, die er von ihr bekam, war immer keine lange Zeit. Nun meinte er aber, könne er mit dem einen Schuh doch nichts anfangen, wenn er nicht den andern dazu hätte. Darum ließ er ihn stehen und ging weiter. Da nahm der Bursch den Schuh und eilte, dass er dem Mann voraus kam, und setzte den Schuh wieder vor ihm in den Weg hin. Als der Mann mit seinem Ochsen ankam und den Schuh sah, verdross es ihn, dass er so dumm gewesen war und vorhin den andern Schuh nicht mitgenommen hatte. „Ich muss wohl nun zurücklaufen und den andern nachholen“, sagte er bei sich selbst und band den Ochsen an einem Zaun fest. „So krieg ich doch mal ein Paar gute Schuh für meine Altsche. Vielleicht, dass sie dann guten Sinnes wird.“ Er ging nun zurück und suchte nach dem Schuh die Länge und die Breite. Aber all sein Suchen war umsonst. Zuletzt musste er denn mit dem einen Schuh zurückgehen. Indessen hatte sich aber der Bursch mit dem Ochsen davongemacht. Als der Mann zurückkam und sah, dass der Ochs fort war, fing er an zu weinen und zu lamentieren; denn er war so bange vor seiner Frau und fürchtete, sie möchte ihn totschlagen, wenn sie erfuhr, dass der Ochse fort war.
Da fiel es ihm aber ein, dass er noch zwei andre Ochsen im Stall hatte, und er ging zurück nach Hause, nahm den einen Ochsen und machte sich damit auf nach der Stadt, ohne dass die Frau etwas davon gewahr ward. Das hatten aber die Räuber wieder ausspioniert und sagten daher zu dem Burschen, wenn er dem Mann auch den zweiten Ochsen stehlen könnte, ohne dass er es merke und ohne dass er ihm was zuleide tue, so sollte er ihresgleichen sein. Ja, meinte der Bursch, das wäre eben nicht schwer. Diesmal aber nahm er einen Strick mit und hängte sich mitten auf dem Wege, wo der Mann vorbei musste, unter den Armen auf. Als nun der Mann mit seinem Ochsen ankam und ihn da hängen sah, ward er ein wenig verdutzt und sagte: „Dir muss schwer zu Sinn gewesen sein, guter Freund, dass du dich da aufgeknüpft hast. Meinetwegen aber magst du da hängen, solange du willst. Denn ich kann dir doch kein Leben wieder einblasen.“ Und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Als er fort war, sprang der Bursch herunter vom Baum, lief einen Richtsteig, so dass er dem Mann voraus kam, und hängte sich wieder mitten im Wege auf. „Ob dir wirklich so schwer zu Sinn gewesen ist, dass du dich da aufgeknüpft hast, oder ob es bloß bei mir spukt?“ sagte der Mann. „Meinetwegen aber magst du da hängen, solange du willst, ob du nun ein Gespenst bist oder was du sonst sein magst.“ Und damit ging er weiter mit seinem Ochsen. Der Bursch machte es wieder ebenso wie das vorige Mal, hüpfte herunter vom Baum, lief den Richtsteig durch den Wald und hängte sich wieder mitten im Wege auf.
Als der Mann ihn gewahr ward, sagte er bei sich selbst: „Das ist ja eine grässliche Geschichte! Sollte ihnen denn so schwer zu Sinn gewesen sein, dass sie sich alle drei aufgeknüpft haben? Ich kann’s aber nicht mal glauben. Es spukt wohl bloß bei mir. Nun will ich aber Gewissheit haben“, sagte er. „Hängen die andern beiden noch da, dann ist’s wirklich so. Hängen sie aber nicht da, so ist’s nichts anders als Spuk.“ Und damit band er seinen Ochsen fest und lief zurück, um zu sehen, ob sie noch da hingen. Während er nun nach allen Bäumen hinaufguckte, sprang der Bursch wieder herunter, nahm den Ochsen und machte sich damit aus dem Staube. Als der Mann zurückkam und sah, dass der Ochs fort war, da war’s Päckchen wieder fertig; er fing an zu weinen und zu lamentieren.
Endlich aber gab er sich doch zufrieden; denn er dachte bei sich selbst: Da ist kein andrer Rat, ich muss wieder nach Hause, und den dritten Ochsen auch holen, ohne dass meine Frau es gewahr wird, und muss dann versuchen, ihn um soviel besser zu verhandeln, damit ich wieder zu meinem Schaden komme. Er ging nun zurück und holte sich auch den dritten Ochsen, ohne dass seine Frau es gewahr ward. Die Räuber wussten aber wieder sehr gut Bescheid und sagten zu dem Burschen, wenn er ihm auch diesmal den Ochsen stehlen könnte, ohne dass der Mann es merke und ohne dass er ihm was zuleide tue, so sollte er Meister sein über sie alle zusammen. Der Bursch machte sich wieder auf und lief in den Wald; und als der Mann mit dem Ochsen daherkam, fing er an zu brüllen wie ein andrer großer Ochs. Als der Mann das hörte, ward er froh; denn er meinte seinen Mastochsen an der Stimme zu erkennen und glaubte, nun würde er sie alle beide wiederbekommen.
Er band den dritten Ochsen fest und lief abseits in den Wald und suchte da herum. Währenddessen aber machte der Bursch sich auch mit dem dritten Ochsen davon. Als der Mann zurückkam und sah, dass der auch fort war, ward ihm ganz heulig zumute. Er weinte und lamentierte und ließ sich in vielen Tagen nicht wieder zu Hause sehen, denn er war bange, seine Frau möchte ihn rein totschlagen.
Den Räubern aber wollte es gar nicht behagen, dass sie nun den Burschen als Meister über sich alle zusammen anerkennen sollten, und sie gedachten einmal einen Streich auszuführen, den der Bursch ihnen nicht sollte nachmachen können. Sie reisten daher alle miteinander fort und ließen ihn allein zurück.
Das erste, was der Bursch tat, als die andern das Haus verlassen hatten, war, dass er die drei Ochsen hinausjagte, worauf diese wieder nach dem Stall des Mannes, dem er sie genommen hatte, zurückliefen. Und der sich freute, das war der Mann, kannst du glauben. Darauf nahm er alle Pferde, welche die Räuber hatten, und belud sie mit dem Besten, was er vorfand, mit Gold und Silber und Kleidern und andern prächtigen Sachen, und sagte dann zu der Frau, sie solle die Räuber nur von ihm grüßen, er ließe sich vielmals bedanken und reise jetzt fort; aber es sollte ihnen schwer fallen, ihn wieder einzuholen, und damit reiste er ab.
Wie er nun eine lange Zeit gereist war, kam er wieder auf den Weg, von wo er zuerst in den Wald zu den Räubern gekommen war. Und diesen verfolgte er so lange, bis er wieder in das Dorf kam, wo sein Vater wohnte. Zuvor aber zog er sich eine Montierung an, die grade wie für einen General gemacht war, die hatte er unter den Sachen gefunden, die er von den Räubern mitgenommen. Und damit fuhr er auf den Hof wie ein großer Herr.
Dort stieg er ab und ging ins Haus zu seinem Vater und fragte ihn, ob er keine Herberge bei ihm bekommen könne. Nein, das könne er ganz und gar nicht. „Wie sollte ich wohl Herberge haben für einen so großen Herrn?“ sagte der Mann. „Ich habe kaum Betten, worauf ich selbst liegen kann, und die sind noch dazu schlecht genug.“ – „Du bist immer ein harter Mann gewesen, und das bist du auch noch“, sagte der Bursch. „Da du deinem eignen Sohn nicht einmal Herberge geben willst.“ – „Bist du denn mein Sohn?“ fragte der Mann. „Kennst du mich denn nicht mehr?“ sagte der Bursch. Ja, da erkannte er ihn wieder. „Aber was hast du denn gelernt, dass du in der Geschwindigkeit ein solcher Kerl geworden bist?“ fragte ihn der Vater. „Das will ich dir sagen“, versetzte der Bursch. „Du sagtest ja, ich könnte lernen, wozu ich Lust hätte, und da gab ich mich denn bei Räubern und Spitzbuben in die Lehre, und nun hab ich meine Lehrzeit ausgestanden und bin Meisterdieb geworden.“
Nun wohnte dicht neben seinem Vater der Amtmann, der hatte ein großes, herrliches Schloss und so viel Geld, dass er’s nicht zählen konnte, und dann hatte er auch eine Tochter, die war von außerordentlicher Schönheit. Die wollte nun der Meisterdieb gern haben und sagte zu seinem Vater, er solle zum Amtmann gehen und seine Tochter für ihn begehren. „Wenn er dich fragen sollte, was für ein Handwerk ich treibe, so kannst du nur sagen, ich sei Meisterdieb“, sagte er. „Ich glaube, du bist toll und verrückt“, sagte der Mann, „denn klug kannst du unmöglich sein, wenn du solche Narrheit im Kopf hast.“ Ja, er solle und müsse zum Amtmann gehen und ihn um seine Tochter bitten. Es wäre kein anderer Rat, sagte der Bursch. „Das tu ich wahrhaftig nicht!“ sagte der Vater. „Wie kann ich wohl zum Amtmann gehen, der so reich ist und soviel Geld hat, und; für dich um seine Tochter bitten? Das geht mein Lebtag nicht an!“
Es half aber nichts, er sollte und musste hin, und wenn er nicht im Guten wollte, so sollte er mit Gewalt, sagte der Meisterdieb. Da ging der Mann fort und kam weinend und heulend zum Amtmann. „Was fehlt dir?“ fragte ihn der Amtmann. Da erzählte ihm der Mann, dass er drei Söhne hätte, welche eines Tages fortgereist wären, und er hätte ihnen erlaubt, zu reisen, wohin sie wollten, und zu lernen, wozu sie Lust hätten. „Und nun ist der jüngste zurückgekommen und will mit aller Gewalt, ich soll zu dir gehen und deine Tochter für ihn begehren und soll sagen, er wäre Meisterdieb“, sagte der Mann und weinte und lamentierte ganz jämmerlich. „Gib dich nur zufrieden“, sagte der Amtmann und lachte. „Und grüße deinen Sohn von mir und sage ihm, er müsste erst Proben von seiner Geschicklichkeit ablegen. Wenn er am Sonntag den Braten vom Spieß in meiner Küche stehlen kann, während alle meine Leute darauf Acht haben, so soll er meine Tochter bekommen.“
Mit diesem Bescheid kam der Vater zu seinem Sohn zurück.
Der aber meinte, das solle ihm ein leichtes sein. Er sah nun zu, dass er drei lebendige Hasen bekam, die steckte er in einen Sack, behängte sich mit einigen Lumpen, so dass er ganz armselig und jämmerlich aussah, und dann schlich er sich am Sonntagvormittag, wie so ein andrer Betteljunge, mit seinem Sack auf die Diele des Amtmanns. Der Amtmann selbst und alle Leute im Hause waren in der Küche und wollten auf den Braten Acht geben. Da ließ der Bursch einen Hasen aus dem Sack schlüpfen, der – hast du nicht gesehen! – fort und auf dem Hof herum sprang, dass es eine Höllenwirtschaft war. „Seht einmal den Hasen da!“ sagten die Leute in der Küche und wollten hinaus und ihn fangen. Der Amtmann sah ihn auch. „Oh, lasst ihn laufen!“ sagte er. „Es nützt nicht, einen Hasen im Sprunge fangen zu wollen.“
Es dauerte nicht lange, so ließ der Bursch den zweiten Hasen hinaus. Den sahen die Leute in der Küche ebenfalls und glaubten, es wäre noch derselbe. Nun wollten sie hinaus und ihn fangen. Aber der Amtmann sagte wieder, es könne nichts nützen. Nach einer Weile ließ der Bursch den dritten Hasen hinaus, der wieder fort und auf dem Hof herum die Kreuz und Quer. Als die Leute den sahen, glaubten sie, es sei immer noch der erste, und nun wollten sie wieder hinaus und ihn fangen. „Das ist doch auch ein schnurriger Hase!“ sagte der Amtmann. „Kommt, Jungens, und lasst uns mal sehen, ob wir ihn erwischen können!“ Er hinaus und die andern ihm nach und der Hase voran und sie alle hinterher, dass es ein Mordsspektakel war. Mittlerweile aber nahm der Meisterdieb den Braten vom Spieß und lief damit fort – und wo da der Amtmann einen Braten zum Mittag herbekam, weiß ich nicht. Soviel aber weiß ich wohl, dass er diesmal keinen Hasenbraten bekam, obwohl er gelaufen war, dass ihm der Schweiß von der Stirn troff.
Am Mittag kam der Pfarrer aufs Schloss, und als der, Amtmann ihm erzählte, was der Meisterdieb ihm für einen Streich gespielt hatte, machte sich dieser über ihn lustig und wollte sich immer totlachen. „Ich weiß nicht, wie ich mich von einem solchen Kerl sollte foppen lassen“, sagte der Pfarrer. „Ja, nimm dich nur in acht“, sagte der Amtmann. „Vielleicht ist er bei dir, eh du dich’s versiehst.“ Der Pfarrer aber machte sich fortwährend über den Amtmann lustig, weil dieser sich hatte an der Nase herumführen lassen. Am Nachmittag kam der Meisterdieb und wollte die Tochter des Amtmanns haben, wie dieser ihm versprochen hatte. „Du musst erst noch mehr Proben ablegen“, sagte der Amtmann und gab ihm gute Worte. „Denn das Kunststück, das du heute gemacht hast, war eben nicht der Rede wert. Sieh mal zu, ob du nicht dem Pfarrer einen Possen spielen kannst. Denn der sitzt da drinnen und macht sich über mich lustig, weil ich mich von einem Kerl, wie du bist, an der Nase habe herumführen lassen.“ Der Meisterdieb meinte, das, sollte eben nicht schwer sein, und ging sogleich fort und traf seine Anstalten: Er verkleidete sich in einen Vogel, hängte sich ein großes weißes Laken um, brach einer Gans die Flügel ab und machte sie sich am Rücken fest, und dann kroch er auf einen großen Ahornbaum, der in dem Garten des Pfarrers stand.
Als am Abend der Pfarrer nach Hause kam, rief der Bursch vom Baum herunter: „Herr Lars! Herr Lars!“; denn der Pfarrer hieß Herr Lars. „Wer ruft mich?“ fragte der Pfarrer. „Ich bin ein Engel vom Himmel, der ausgesandt ist vom lieben Gott, um dir zu verkündigen, dass du lebendig ins Himmelreich kommen sollst von wegen deiner Frömmigkeit“, sagte der Meisterdieb. „Den nächsten Montag musst du dich reisefertig halten; denn alsdann komme ich und hole dich ab in einem Sack, und all dein Gold und dein Silber und was du sonst von den Eitelkeiten dieser Welt besitzest, musst du auf einen Haufen in deiner großen Stube zusammenlegen.“ Herr Lars fiel auf die Knie und dankte dem Engel, und am Sonntagmorgen, als er auf die Kanzel stieg, predigte er vor den Leuten, dass ihm auf dem großen Ahornbaum in seinem Garten ein Engel vom Himmel erschienen wäre, der hätte ihm verkündigt, dass er sollte lebendig ins Himmelreich kommen von wegen seiner Frömmigkeit, und er predigte und deutete ihnen das Wort Gottes, dass alle Leute, die in der Kirche waren, darüber weinen mussten.
Am Montag kam der Meisterdieb wieder in der Gestalt eines Engels, und der Pfarrer fiel auf die Knie und betete und dankte ihm, bevor er in den Sack gesteckt wurde, und als er hinein war, nahm der Meisterdieb den Sack und schleppte ihn an der Erde mit sich fort, über Stock und Stein. „Au, du!“ schrie der Pfarrer im Sack. „Wo bin ich?“ – „Du bist auf dem engen Wege, der in das Himmelreich führt“, sagte der Meisterdieb und schleppte den Sack immer weiter, so dass dem Pfarrer die Rippen im Leibe krachten.
Zuletzt warf er ihn in den Gänsestall des Amtmanns. Da flogen die Gänse auf ihn und fingen ah zu zischen und ihn zu beißen, und der Pfarrer war in seinem Sacke mehr tot als lebendig. „Au, du! Wo bin ich jetzt?“ rief er. „Jetzt bist du im Fegefeuer, um gereinigt und geläutert zu werden für das ewige Leben“, sagte der Meisterdieb, ging fort und holte sich all das Gold und das Silber und die kostbaren Sachen, die der Pfarrer in seiner großen Stube zusammengehäuft hatte.
Am Morgen, als das Gänsemädchen kam und die Gänse aus dem Stall lassen wollte, hörte sie den Pfarrer drinnen im Sack jammern. „Sagt mir um Gottes willen, wer seid Ihr, und was fehlt Euch?“ sagte das Mädchen. „Ach“, rief der Pfarrer, „bist du ein Engel vom Himmel, so lass mich hinaus und schicke mich wieder zurück auf die Erde; denn hier ist’s noch viel schlimmer als in der Hölle; tausend Teufel zwicken mich überall mit ihren Zangen.“ – „Ich bin, Gott bessre es, kein Engel“, sagte das Mädchen und half dem Pfarrer aus dem Sack. „Ich hüte bloß die Gänse des Amtmanns, und das sind auch wohl die Teufel, die Euch gezwickt haben, Gevatter“, sagte sie. „Ach, das hat der Meisterdieb getan! Ach, mein Gold und mein Silber und meine schönen Kleider!“ schrie der Pfarrer und jammerte und lamentierte und lief fort nach Hause, so dass das Mädchen glaubte, er habe rein den Verstand verloren.
Als der Amtmann die Geschichte erfuhr und hörte, wie der Pfarrer sowohl auf dem engen Wege als im Fegefeuer gewesen war, wollte er sich beinahe totlachen. Als aber der Meisterdieb kam und seine Tochter haben wollte, schwatzte er ihm wieder süß vor und sagte: „Du musst erst eine Probe ablegen, die noch besser ist, damit ich recht erfahre, wozu du taugst. Ich habe zwölf Pferde in meinem Stall stehen, auf die will ich zwölf Knechte setzen, einen auf jedes. Bist du nun imstande, ihnen die Pferde unter dem Hosenleder wegzustehlen, so will ich sehen, was ich für dich tun kann.“ – „Das ließe sich schon machen“, sagte der Meisterdieb. „Bekomme ich dann aber auch ganz gewiss deine Tochter?“ – „Ja, kannst du das, so will ich mein Bestes tun“, sagte der Amtmann.
Der Meisterdieb begab sich jetzt zu einem Krämer und kaufte sich zwei Flaschen Branntwein, aber in die eine goss er einen Schlaftrunk. Dann bestellte er sich elf Knechte, die mussten sich in der Nacht hinter der Scheune des Amtmanns verstecken. Für Geld und gute Worte bekam er auch von einer alten Frau einen lumpigen Weiberrock und eine Jacke, womit er sich wie ein altes Weib verkleidete. Darauf nahm er einen Stock in die Hand und einen Beutel auf den Nacken, und als es Abend wurde; hinkte er fort nach dem Stall des Amtmanns.
Als er dort ankam, tränkten die Leute eben die Pferde zur Nacht und hatten dabei alle Hände voll zu tun. „Was Teufel willst du denn hier?“ sagte einer von den Stallknechten zu dem vermeintlichen Weibe. „Hutetu! Es ist so kalt draußen!“ sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen. „lasst mich ein wenig bei euch in den Stall kriechen.“ – „Wo dich der Teufel nicht plagt! Pack dich fort!“ sagte der eine von den Knechten. „Denn kriegt der Amtmann dich hier zu sehen, so lässt er uns tanzen.“ – „Ach, das alte kümmerliche Weib!“ sagte ein andrer, der Mitleid mit ihr zu haben schien. „lasst nur die Alte sich in den Stall hinsetzen. Sie tut gewiss keinem was zuleide.“ Die andern aber sagten, daraus könne nichts werden, und während sie sich hierüber zankten und die Pferde tränkten, kroch der Meisterdieb immer weiter nach dem Stall zu, und endlich schlüpfte er hinter die Tür, wo ihn nachher weiter keiner bemerkte.
Auf die Nacht hin kam es den Leuten ein wenig kalt an, so still und unbeweglich auf den Pferden zu sitzen. „Hutetu! Es ist kalt wie der Teufel!“ sagte der eine und schlug die Arme um den Leib. „Wer nur ein bisschen Tabak hätte!“ sagte ein andrer. Ein dritter hatte denn ein Päckchen, und das teilten sie; es war zwar nicht viel für jeden, aber sie kauten und spuckten, und das half ein wenig.
Bald danach waren sie wieder gleich schlimm dran. „Hutetu!“ sagte der eine und schüttelte sich. „Hutetu!“ sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen, nahm die Flasche Branntwein hervor und zitterte so heftig mit der Hand, dass es schwappte in der Flasche, und trank dann, dass es ihr gluck im Halse sagte. „Was hast du da in der Flasche?“ sagte einer von den Stallknechten. „Ach, es ist nur ein Tröpfchen Branntwein“, sagte sie. „Was, Branntwein? Gib mal her! Gib mal her!“ schrieen sie alle zugleich. „Ach, ich habe nur so wenig“, sagte sie. „Ihr werdet nicht einmal nass davon im Mund.“ Aber es half nichts, sie wollten durchaus einen Schluck haben. Da nahm die Alte die Flasche mit dem Schlaftrunk, hielt sie jedem vor den Mund und ließ ihn davon trinken, soviel er brauchte, und der zwölfte hatte noch nicht getrunken, als der erste schon dasaß und schnarchte. Darauf warf der Meisterdieb seine Lumpen ab und nahm den einen Kerl nach dem andern und setzte sie verquer auf die Balken, rief dann seine elf Leute- und fort jagte er mit allen zwölf Pferden.
Als der Amtmann am Morgen herauskam und nach seinen Knechten sehen wollte, wachten diese eben auf und fingen an, mit den Spornen an die Balken zu hauen, dass die Splitter davonflogen, und einige von den Knechten fielen herunter, andre blieben hängen, und die andern saßen da wie Narren. „Ja, ich kann’s mir schon denken, wer hier gewesen ist“, sagte der Amtmann. „Ihr seid aber doch ganz elende Kerle, dass ihr hier sitzt und euch den Meisterdieb die Pferde unterm Hosenleder wegstehlen lasst!“ Und damit bekamen sie ihre gehörige Schmiere.
Später am Tage kam der Meisterdieb selbst und erzählte alle Umstände und wollte jetzt die Tochter des Amtmanns haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann aber gab ihm hundert Taler und sagte, er müsse erst einen Streich ausführen, der noch besser wäre. „Meinst du, dass du wohl das Pferd unter mir selbst stehlen könntest, wenn ich darauf reite?“ sagte der Amtmann. „Das ließe sich schon machen“, sagte der Meisterdieb. „Bekäme ich dann nur ebenso gewiss deine Tochter.“ Ja, er wollte sehn, was er tun könnte, sagte der Amtmann und bestimmte einen Tag, an welchem er zu einem großen Exerzierplatz hinaus reiten wollte.
Der Meisterdieb erhandelte sich eine alte abgelebte Schindmähre, flocht sich eine Siele aus Weiden und Besenreisern, kaufte einen alten Karren und ein großes Fass und sagte dann zu einem alten zahnlosen Weibe, er wolle ihr zehn Taler geben, wenn sie in das Fass kriechen und über dem Zapfenloch gaffen wolle, er würde dann den Finger hineinstecken. Leid sollte ihr nicht geschehen – sie sollte bloß ein wenig fahren -, und wenn er den Finger öfter als einmal herauszöge, so sollte sie noch zehn Taler dazu haben. Darauf zog er einige Lumpen an, machte sich im Gesicht unkenntlich mit Ruß, setzte sich eine Perücke auf und heftete sich einen Bart von Ziegenhaaren an, so dass keiner ihn wieder erkennen konnte, und damit karjuckelte er nach dem Exerzierplatz, wo der Amtmann schon eine Weile geritten war.
Es ging aber so langsam und so traurig, dass er fast nicht vom Fleck kam. Er duselte und duselte. Mal stand das Fuhrwerk ganz still. Dann ging es wieder ein wenig, aber so traurig, dass der Amtmann nimmer darauf verfallen konnte, dass das der Meisterdieb sein könne. Er ritt daher grade auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht jemanden dort im Walde hätte herumschleichen sehen. „Nein“, sagte der Mann, er hätte keinen gesehen. „Höre“, sagte der Amtmann. „Reite doch einmal in den Wald und sieh zu, ob nicht einer da herumschleicht. Ich will dir solange mein Pferd leihen und dir auch ein gutes Trinkgeld geben.“ – „Nein“, sagte der Mann. „Das kann ich nicht. Denn ich soll dieses Metfaß zu einer Hochzeit fahren. Nun ist mir aber unterwegs der Zapfen heraus gefallen, und darum muss ich beständig den Finger ins Loch halten.“ – „Reite du nur hin!“ sagte der Amtmann. „Ich werde schon derweil auf dein Pferd und auf das Fass Acht haben.“ Ja, dann solle aber der Amtmann geschwind den Finger ins Loch stecken, wenn er seinen herauszöge. Das tat denn der Amtmann auch, und der Meisterdieb setzte sich aufs Pferd.
Die Zeit aber verstrich, und es kam niemand zurück. Zuletzt ward’s der Amtmann überdrüssig, immer den Finger ins Loch zu halten, und er zog ihn heraus. „Nun kriege ich noch zehn Taler dazu!“ schrie das Weib drinnen im Pass. Da erschrak der Amtmann; denn er merkte nun wohl, wie die Sache sich verhielt, und begab sich schnell auf den Heimweg. Unterwegs brachten sie ihm schon sein Pferd entgegen, das der Meisterdieb bereits zu Hause bei ihm abgeliefert hatte.
Tags darauf kam der Bursch zum Amtmann und wollte seine Tochter haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann schwatzte ihm wieder allerlei vor, gab ihm zweihundert Taler und sagte, er müsste noch ein Probestück machen, könnte er das, dann sollte er auch ganz gewiss seine Tochter haben. „lass mich hören, was es ist“, sagte der Meisterdieb. „Kannst du mir denn wohl das Laken aus meinem Bett stehlen und meiner Frau das Hemd vom Leibe?“ fragte der Amtmann. „Das sollte sich schon machen lassen“, sagte der Meisterdieb. „Hätte ich nur ebenso gewiss deine Tochter.“ Als es nun Nacht geworden war, ging der Meisterdieb zum Galgen und schnitt einen armen Sünder los, nahm ihn auf den Nacken und trug ihn fort. Danach holte er sich eine große Leiter, die stellte er an das Kammerfenster des Amtmanns, stieg dann hinauf und bewegte den Toten, auf und ab, grade als wenn einer von außen ins Fenster guckte.
„Das ist der Meisterdieb, Frau!“ sagte der Amtmann und stieß sie in die Seite. „Jetzt schieß ich ihn!“ sagte er und nahm die Büchse, die er vor sein Bett hingelegt hatte. „Nein, tu das nicht, Mann!“ sagte die Frau. „Du hast ihn ja selber herbestellt.“ – „Ja, ich schieß ihn, dann bin ich ihn los“, sagte der Amtmann und fing an zu zielen. Bald aber war der Kopf oben, bald war er wieder unten. Endlich aber bekam der Amtmann ihn doch aufs Korn, knallte los, und der Tote bumste zur Erde nieder. Der Meisterdieb herunter von der Leiter, so schnell er nur konnte. „Ich bin nun zwar selbst die hohe Obrigkeit“, sagte der Amtmann. „Ich möchte aber doch nicht gern, dass die Leute etwas zu reden hätten. Darum ist’s am besten, ich stehe auf und begrabe den Toten.“ – „Ja, tu, wie es dir gut dünkt, Mann“, sagte die Frau. Da stand der Amtmann auf und ging hinunter, den Toten zu begraben.
Während er aber zur Tür hinausging, schlüpfte der Meisterdieb zum Fenster hinein. „Nun, Mann“, sagte die Frau – denn sie glaubte, es wäre der Amtmann – „bist du schon fertig?“ – „Ja“, sagte der Meisterdieb. „Ich steckte ihn bloß in ein Loch und scharrte etwas Erde darüber, und soweit ist er nun verwahrt. Es ist so ein abscheuliches Wetter draußen, ich will’s schon ein andermal besser machen. Gib mir aber das Laken“, sagte er, „damit ich mich abtrockne; denn ich habe mich über und über besudelt.“ Die Frau gab ihm das Laken. „Du musst mir auch noch dein Hemd geben“, sagte er; „denn das Laken verschlägt nicht, merke ich.“ Sie gab ihm nun auch noch ihr Hemd. Da fiel es ihm ein, dass er vergessen hatte, die Tür zuzumachen, und das musste er erst, eh er sich wieder zu Bett legte – und fort ging es mit dem Laken und mit dem Hemd.
Eine Weile danach kam der rechte Amtmann. „Nein, wie lange Zeit du gebraucht hast, um die Tür zuzumachen!“ sagte die Frau. „Wo hast du aber nun das Laken und mein Hemd gelassen?“ – „Was sagst du?“ rief der Amtmann. „Ich frage, wo du das Laken und mein Hemd gelassen hast, das ich dir gab, um dich damit abzutrocknen“, sagte sie. „Ei, zum Teufel!“ rief der Amtmann. „Ist er nun damit auch fort?“
Am Tage kam der Meisterdieb wieder und verlangte die Tochter des Amtmanns, wie dieser ihm versprochen hatte, und da konnte nun der Amtmann nicht anders, sondern gab sie ihm und noch viel Geld dazu. Denn er fürchtete, der Meisterdieb möchte ihm zuletzt noch die Augen aus dem Kopf stehlen und dass er gar zu sehr ins Gerede käme. Der Meisterdieb lebte nun mit der Tochter des Amtmanns lustig und vergnügt, Ob er nach dieser Zeit noch wieder stahl, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Tat er es aber, so geschah es wohl nur zu seinem eigenen Vergnügen.
Quelle:
(Unbekannt-Norwegen)