1
(2)
Es war einmal ein armer Fischer, der warf seine Netze ins Meer, um Fische zu fangen; aber obgleich er sie wiederholt ausgeworfen hatte, blieben sie leer. Als er am nächsten Tag wieder die Netze auswarf, fing er einen großen Fisch, dessen Seiten beschrieben waren. Er kam ins Dorf und zeigte den Fisch. Auf dem Fische stand: »Wer von mir ißt, bekommt einen Sohn, und der wird ein großer Mann werden.« Das meldeten sie dem König, und der König kaufte den Fisch für seine Frau und gab dem Fischer dafür eine Menge Geld, und der Fischer wurde reich. Dann gab er den Fisch der Köchin, damit sie ihn koche. Als der Fisch gar war, brachte sie ihn der Königin zum Essen, die Überreste aber, den Kopf und den Schwanz, tat sie zusammen und aß sie selbst. Das Fischwasser mit dem Abfall bekam der Ochs, und der Ochs trank ihn mit hinunter. Da geschah es, daß die Königin guter Hoffnung wurde, und wie eine Zeit verstrichen war, bekam sie ein Knäblein. Dann verging ein Tag, und die Köchin bekam einen Knaben, und nach abermals einem Tage bekam der Ochs einen Knaben, auch ein richtiges Menschenkind.
Die Knaben wuchsen rasch. Schon nach kurzer Zeit war der Königssohn zum Manne herangereift und die andern auch. Da wollte der Königssohn in die Welt ziehen, aber er hatte kein Pferd. Und sie zogen aus, um ein Pferd für ihn zu suchen. Der Königssohn kam zu einem Helden, aber keines seiner Pferde vermochte ihn zu tragen. Sie suchten weiter nach einem Pferde, aber sie fanden bloß einen alten Mann am Felde, das war ein Zauberer. Der riet ihnen: »Kauft im nächsten Dorf von einem Bauern ein wildes Stutenfüllen.« Als sie das Füllen gekauft hatten und es eine Nacht zu Hause hielten, lief es fort, um an seiner Mutter zu trinken. Doch als es am folgenden Morgen nach Hause kam, kannte sein Herr das Pferd nicht mehr, so groß war es geworden, wie ein gewöhnliches Bauernpferd. Allein, kaum ward es dunkel, so lief es wieder davon. Und als die zweite Nacht vorüber war und es am Morgen wieder nach Hause kam, war es schon ein übergroßes Pferd, so groß, wie die Bauern keins hatten. Nach der zweiten Nacht taugte es für den Ältesten, den Königssohn.
Nun mußten sie ausziehen und für den Sohn der Köchin ein Pferd suchen. Der Sohn der Köchin aber war noch stärker als der Königssohn. Da half nichts, als wieder zu dem Alten zu gehen. Der Alte beschied sie, die Stute zu holen, die dem Teufel gehörte. Und sie bekamen für ihn die Stute. Als die Stute einen Tag bei ihnen war, bat sie, am Strande des Meeres weiden zu dürfen. Doch am Abend, als sie nach Hause kam, war sie noch unbändiger als das Pferd des Königssohns, noch wilder und kräftiger und größer.
Zwei Jünglinge hatten nun Pferde, nur der Ochsensohn hatte noch keins. Aber er war stärker als die andern beiden, kräftiger und klüger. Jetzt mußten sie für ihn ein Pferd suchen, und sie gingen wieder zu demselben Alten. Doch der Zauberer sprach: »Du bekommst nur dann ein Pferd, wenn du mir so viel Branntwein kaufst, daß ich mich damit betrinken kann.« Dann schickte er sie zu einem alten Mann am Meeresstrand, einem Zauberer, wie er einer war. Von ihm würden sie ein Pferd bekommen. Der Ochsensohn ging hin zu dem Manne, zu dem er geschickt war, und der Zauberer sah ihn an und meinte: »Ach herrje! Aus dir wird nichts.« Dann sprach er: »Wenn du mir ein Faß Branntwein kaufst, so will ich dich bescheiden.« Und der Ochsensohn versprach ihm den Branntwein. Da gab er ihm ein kleines Gläschen von einem Zaubertrank zu trinken. »Nimm erst den Zaubertrank! Dann sag ich dir, wo du ein Pferd bekommst.« Als jener den Trank getrunken hatte, sagte der alte Mann: »Wenn du zum Meere gehst, kommst du an eine große Eiche; da steig hinauf und bleib dort sitzen, bis ein weidendes Pferd zum Strande kommt! Das hat einen Sattel auf dem Rücken und Steigbügel. Während das Pferd grast, verhalte dich ganz still! Es wird bald zum Strande gehen und Wasser trinken, dann komm vom Baum herunter und kraue es! Setz dich auf seinen Rücken und halt dich im Sattel; wohin es dich auch bringt, bleib sitzen. Wenn du herunterfällst, ist’s dein Tod, aber wenn du oben bleibst, bist du Herr des Pferdes.« So machte es denn der junge Mann. Als das Pferd von selbst auf ihn zukam, um sich krauen zu lassen, sprang er ihm flink auf den Rücken und nahm die Zügel in die Hand. Doch kaum saß er oben, als das Pferd auf einen Felsen sprang und vom Felsen geradeaus ins Meer, es sprang neun Klafter tief, und das machte es dreimal, vom Meer auf den Felsen und vom Felsen ins Meer. Aber der Ochsensohn saß fest auf seinem Rücken. Wie sie nach dem dritten Mal zu der Eiche kamen, sprach das Pferd zu ihm: »Jetzt bist du mein Herr, denn du saßest fest im Sattel. Jetzt kannst du mich getrost weiden lassen. Wenn du mich brauchst, so pfeife nur, dann bin ich bei dir.« Dann ging der Ochsensohn nach Hause und rühmte vor den Brüdern – er nannte sie Brüder, den Königssohn und den Sohn der Köchin – rühmte vor den Brüdern: »Jetzt habe ich auch ein Pferd.« Der Königssohn aber ritt fort und bat die andern, ihm zu folgen.
Als nun die beiden Brüder zu Pferde saßen, pfiff auch der Ochsensohn seinem Pferd, da kam es zu ihm geflogen, und es war zweimal so schön als die andern. Dann machten sie sich gleich zusammen auf den Weg und ritten einen halben Tag. Die Luft war glühend heiß. Sie waren so durstig, daß ihnen die Zunge am Gaumen klebte. Wenn sie nur Wasser zu trinken gehabt hätten! Der Königssohn ritt voran, der Sohn der Köchin hinter ihm her, und der Ochsensohn als letzter. Da fand der Königssohn in der Hitze am Wege einen Brunnen, und darauf lag eine goldene Schöpfkelle. Als er abstieg, um Wasser aus der Kelle zu trinken, nahm der Ochsensohn die Knute und schlug auf den Brunnen, da verschwand der Brunnen und nahm von des Königssohn Stulpstiefeln die Absätze mit. Aber als er so schlug, verging ihnen allen der Durst. Sie ritten ein weites Stück vorwärts, doch die Hitze währte immer noch. Während des Rittes fingen sie wieder an zu dürsten. Da sahen sie neben der Straße einen schönen Garten, in dem Garten waren allerhand Äpfel und allerlei Beeren. Der Königssohn bog zur Seite, beschwor den Baum und suchte mit der Hand davon zu pflücken. Da nahm der Ochsensohn wieder die Knute und schlug nach dem Baume. Da verschwand auch der Garten, und es blieb nicht ein einziger Baum zurück.
Sie zogen ihren Weg weiter, denn sie hatten gehört, daß in der Nähe ein anderes Königreich wäre, wohin ein schönes Mädchen von einem Drachen entführt sei. Das Mädchen wollten sie erlösen. Sie ritten ununterbrochen ihrem Ziele zu. Wie es Nacht wurde, kamen sie an ein großes Haus, an ein großes Gehöft. Dort war keine Menschenseele zu sehen, aber der Hof war voll Ochsen, beinahe fünfhundert Ochsen. Da gingen sie in den Hof, aber da war weiter nichts als eine Eiche und der Viehstall voll Ochsen. Sie blieben die Nacht über in dem Stalle, aber auch hier war keine Menschenseele, und sie bekamen nichts zu essen.
Am folgenden Morgen schmiedeten sie einen eisernen Topf und stellten den Königssohn zum Kochen an. Er warf fünfundzwanzig Ochsen in den Topf und kochte sie. Die andern aber gingen fort, um eiserne Haken zu schmieden.
Schon hatte der Königssohn die Ochsen gar gekocht, da kam der Besitzer des Hofes, ein ellenlanger Mann mit ellenlangem Bart und einem Bund Heu auf dem Kopf. Er warf seinen Ochsen Heu vor, dann kam er auf den Königssohn zu und sprach: »Was machst du denn da ohne meine Erlaubnis?« Als er den Koch in die Hände bekam, fing er an, ihn zu prügeln und zu peitschen, daß ihm die Sinne vergingen. Dann fraß er die Ochsen selbst, fünfundzwanzig Ochsen, ging wieder fort und sagte: »Wenn du morgen meine Ochsen noch einmal anrührst, bekommst du noch bessere Prügel.« Dann war er verschwunden. Der Königssohn mochte nun nicht gern sagen, daß er durchgepeitscht worden war, darum steckte er andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an zu kochen. Als die Brüder am Mittag zum Essen kamen, hatte er die Ochsen immer noch im Topf, sie waren noch nicht gar. Da sprach der Ochsensohn: »Merkwürdig, daß das Fleisch noch nicht weich ist, wo doch die Ochsen schon so lange kochen.« Aber der Königssohn antwortete: »Ich habe mich so geeilt, es war viel Arbeit, alles vorzubereiten, das nahm viel Zeit, und ich hatte Kopfschmerzen dazu«, log er. Aber der Ochsensohn wußte, was vorgefallen war, er wußte alles. Dann aßen sie, und am andern Tag mußte der zweite Bruder kochen, und sie gingen wieder zum Schmieden. Doch der Königssohn erzählte dem Ochsensohn nicht, daß er gepeitscht worden war, er dachte nur bei sich: ‚Unserm Bruder blühen heute noch bessere Prügel als mir.‘ Wieder kam der Herr des Gehöfts in den Viehstall mit einem Bund Heu auf dem Kopf. Er sah, daß die Ochsen im Stall weniger geworden waren und daß der Mann dort wieder kochte. Da hielt er keine lange Rede, sondern sprach: »Gestern hast du es getan, und heut bist du wieder dabei, trotz dem Verbot«, packte ihn und peitschte ihn so heftig, daß er halbtot liegenblieb. Dann aß er flink die Ochsen auf und machte sich davon, indem er rief: »Wenn du morgen wieder kochst, schlag ich dich tot.« Und der Bruder steckte andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an, sie zu kochen. Als die zwei zum Essen kamen, war das Fleisch noch roh, es hatte eben angefangen zu kochen. Der Ochsensohn sprach: »Sonderbar, daß das Fleisch noch gar nicht gekocht hat, sondern erst in den Topf getan ist.« Da antwortete sein Bruder: »Ich habe so Bauchgrimmen, daß ich nichts davon essen mag, wenn ihr wollt, so eßt doch«, und er hielt sich den Bauch. Darauf sagte der Ochsensohn: »Ich werde nicht so wie ihr kochen.«
Am dritten Tag gingen die beiden Brüder, die die Prügel gekriegt hatten, zum Schmieden. Und der Ochsensohn warf fünfundzwanzig Ochsen in den Topf, um sie zu kochen. Er hatte das Fleisch fast fertig, da kommt der Wirt wieder mit dem Bund Heu auf dem Kopf. Als er aber sieht, daß wieder von seinen Ochsen gekocht wird, nimmt er sich nicht die Zeit, den Ochsen das Heu zu bringen. Er springt auf den Burschen zu und schreit: »Was! Du kümmerst dich nicht darum, was ich sage, jetzt schlag ich dich tot!« Er will auf ihn einschlagen, aber im Handumdrehen packt der Ochsensohn den Alten beim Bart, schleudert ihn von einer Wand zur andern und spricht: »Du elender Wicht, du wolltest meine Brüder töten und mich auch noch, dafür nagle ich dich jetzt an diese Eiche.« Und das tat er auch. Er nagelte den Alten an die Eiche, dann nahm er das Fleisch aus dem Kessel und warf ihn noch einmal voll Ochsen.
Da sah er die Brüder kommen und hörte, wie sie sagten: »Die vorhergehenden Tage haben wir die Prügel gekriegt, heute mag der Bruder noch ärgere bekommen haben.« Sie kamen in die Stube und sahen, daß das Fleisch noch kochte, da dachten sie: »Er hat sie tüchtig gekriegt.« Aber der Ochsensohn kam auf sie zu und sprach: »Oh, ihr Schwätzer, ihr habt mir nicht gesagt, daß der Alte euch töten wollte; geht zu der Eiche da, dort seht ihr euren Tod. Dann geht hin und eßt das gute Fleisch, das ich gekocht habe!« Sie gingen hin und aßen das Fleisch. »Auf euch will ich mich nicht mehr verlassen, ich habe auch schon für morgen Fleisch fertig. Weiß ich doch nicht, was für eine Ratte euch töten kann.« Am letzten Tage gingen sie alle drei zur Schmiede, und sie bekamen die Haken fertig. Nun war es Zeit für sie, fortzugehen. Sie machten sich auf den Weg, da bat der Alte inständig und sprach zu dem Ochsensohn: »Du bist klug und stark, mach mich von der Eiche los, so will ich dir noch einen Rat geben.« – »Du magst da bleiben«, er glaubte ihm nicht, ließ den Alten am Baum, und sie zogen weiter.
Sie ritten lange, bis sie dahin kamen, wo das von dem Drachen entführte Mädchen war. Es war ein prächtiges Schloß, ringsherum von einer so hohen Mauer umgeben, daß nur ein Vogel hinüberfliegen konnte. Da warfen die Brüder die eisernen Haken auf die Mauer, und die Mauer neigte sich nach vorn, und sie kletterten an den Haken in die Höhe. So gelangten alle drei auf die Mauer, und einer nach dem andern ließ sich auf der Innenseite an den Haken hinunter in den Schloßhof. Die Haken ließen sie hängen, damit sie wieder herauskonnten.
Dann betraten sie zu dritt einen Saal in dem Schlosse. Dort sahen sie ein hübsches Mädchen, das fragte: »Wie seid ihr getauften Menschenkinder hier hereingekommen? Hier lebt ein riesiger Drache mit zwölf Köpfen, der hat schon viele Menschen gefressen und getötet. Außer mir und zwei andern Mädchen ist keine Menschenseele im Schloß. Ich bin die Tochter einer Magd, in der zweiten Kammer ist die Tochter eines Edelmannes, und in der letzten Kammer wohnt eine Königstochter, Jelena Prekrasnaja (Schöne Helena) ist ihr Name.«
Da ließ der Ochsensohn die Brüder bei dem Mädchen, und er selbst ging weiter, das zweite Mädchen zu suchen. Er gelangte auch zu ihr, und sie wies ihn zur Königstochter. Als er bei dieser eintrat, kam sie auf ihn zu und sagte: »Ihr seid umsonst gekommen, arme Männer, heraus kommt ihr nicht wieder, ihr werdet getötet werden. Mein Gatte, der mich bewacht, ist ein zwölfköpfiger Drache.« Dann zeigte sie ihm sein Schwert, das an der Wand hing, und sprach: »Dort hängt sein Schwert an einem Mähnenhaar. Nimm es, versuch, es zu heben! Kannst du es bewegen? Er schwenkt das Schwert wie einen Pfriemen in der Hand. Dort in der Ecke die große Keule, die schwingt er wie ein Stöckchen.« Der Ochsensohn faßte nach dem Schwert, aber so sehr er sich auch abmühte, er konnte es nicht bewegen. Da sagte die Königstochter: »Komm her und trink von diesem Zaubertrank!« Und sie gab ihm ein paar Fläschchen von dem Zaubertrank zu trinken. Da konnte er das Schwert heben, aber es wurde ihm noch sehr schwer. Und er ging zum zweitenmal hin und schlürfte von dem Trank, da durchströmte ihn Kraft, und er schwang das Schwert wie einen Löffel. Jelena Prekrasnaja aber sagte zu ihm: »Hier haben wir noch zwei Krüge mit Zaubertränken; rechts in dem Krug ist ein Trank, der die Kraft vermehrt, und hier zur Linken ein Trank, der die Kraft schwinden läßt, die müssen wir jetzt miteinander vertauschen. Nimm das Schwert mit dir, komme, was da wolle. Wenn ein Kampf zwischen euch entsteht, so schone dich nicht.« Dann gab sie ihm noch ein winzig kleines Fläschchen und sagte: »Nur in der äußersten Not trink hiervon, dann hältst du aus. Nun, Gott befohlen, verrat mich nicht!« Der Ochsensohn kam zu den Brüdern und sprach: »Paßt auf, wenn der Drache hinter mir herkommt, weicht mir nicht von der Seite! Wenn er mich tötet, so tötet er euch auch, und wenn ich davonkomme, sind wir alle gerettet.«
Da hörte man ein Geräusch wie das Grollen des Gewitters am Himmel, das noch ein paar Werst weit entfernt ist. Wie das Rollen des Donners nahte sich dröhnend der Drache dem Schloß. Als er in den Garten kam, fragte er die Königstochter: »Wie ist der Russe hereingekommen? Nach russischer Luft riecht das Schloß.« Und Jelena antwortete: »Was kann ich dazu, es kam ein Mann herein und nahm dein Schwert hier von der Wand.« – »Aha!« Er nahm die Keule in die Hand und rief: »Komm nur her!« Mehr sprach er nicht. Da kam der Ochsensohn auf ihn zu und schlug ihm mit dem Schwert drei Köpfe ab. Doch wie ihm der Drache mit dem Prügel eins über den Kopf ziehen wollte, hieb er daneben und schlug ihm die Lenden blutig. Da hieb der Held wieder mit dem Schwert auf ihn ein und schlug ihm noch einen Kopf ab. Da stöhnte der Drache: »Sollen wir weiterkämpfen oder Frieden machen? Wenn du willst, ich bin dazu bereit.« Beide waren in Not, der eine hatte vier Köpfe verloren, dem andern waren die Lenden blutig geschlagen. Und der Drache fragte: »Wollen wir nicht erst einen Schluck Wasser trinken?« – »Warum nicht? Laß uns gehen«, antwortete der Held. Der Drache ging nach der rechten Seite, um zu trinken, und sprach zu dem andern: »Trink du da drüben, ich trinke hier.« Aber die Krüge waren vertauscht. Die Kraft des Drachen schwand, und die des Ochsensohnes nahm zu. Dann schritten sie aufs neue zum Kampfe: »Laß uns jetzt wieder kämpfen!« Wie sie den Kampf wieder aufnahmen, ließ ihn der Ochsensohn nicht mehr zum Schlage kommen, er hieb ihm mit dem Schwert noch vier Köpfe auf einmal ab. Da brummte der Drache das Mädchen an: »Jelena, bring jetzt den Zaubertrank, das letzte Fläschchen, mein bestes Fläschchen.« Aber der Ochsensohn höhnte: »Sieh her, wo dein Fläschchen ist!« Er setzte es an den Mund, und dann hieb er ihm mit einem Schlag die noch übrigen Köpfe ab. Nachdem er das Ungeheuer getötet hatte, ging er zu dem Mädchen. Und sie feierten ein fröhliches Fest mit gutem Essen und Trinken, und alle waren vergnügt. Und die Königstochter gab dem Ochsensohn einen Ring von ihrer Hand, in dem ihr Name stand, und sagte: »Weil du mein Erlöser bist, so sei auch mein Bräutigam.«
Danach überlegten sie, wie sie davonkämen, sie mußten wieder an denselben Haken in die Höhe klimmen, die Mädchen in die Höhe heben und selbst hinüberkommen. Zuerst stiegen die Brüder hinüber, und der Ochsensohn reichte ihnen die Tochter der Magd, dann hob er des Edelmanns Töchterlein hinauf, aber als er ihnen die Königstochter geben wollte, sprachen die Brüder untereinander: »Die Königstochter wird er wohl selbst zur Frau nehmen wollen, weil er ihr Befreier ist, und wir bekommen hinterher die schlechteren.« Und der Königssohn meinte: »Das Mädchen nehme ich zur Braut, und des Edelmanns Töchterchen nimmst du. Die Tochter der Magd nehmen wir so mit, die wagt niemandem etwas zu verraten. Den Bruder aber lassen wir drin. Hätte er den Ochsenwirt damals von der Eiche losgemacht, so hätte der ihn hierauf vorbereitet.«
Diesmal war der Ochsensohn sehr dumm. Er hätte selbst voraussteigen und die Mädchen hinüberheben und die Brüder zuletzt holen sollen, dann wäre er ihrer Bosheit entgangen. Nun, da er als letzter drinnenblieb, geschah es, daß ihn die Brüder emporzogen, um ihn von oben hinabstürzen zu lassen, so daß er in Stücke zerschmetterte. Dann zogen die beiden auf ihren Pferden mit den Mädchen nach Hause, aber den Bruder ließen sie mit zerbrochenen Knochen tot liegen.
Nach einiger Zeit kam zu dem Platz ein Kranich geflogen, der sah den Toten, und es fiel ihm ein, daß derselbe Mann einmal seine Jungen vor einer Hagelwolke geschützt hatte. Er flog herbei, setzte sich auf ihn und suchte die Stücke zusammen. Er besprengte ihn mit Totenwasser, da wurde der Körper wieder ganz, dann brachte er Wasser des Lebens und benetzte ihm die Lippen, da wurde der Held wieder lebendig. Und er sprach: »Huhu, wie lange habe ich geschlafen!« Und der Kranich antwortete: »Du hättest bis in die Ewigkeit geschlafen, wenn ich nicht gewesen wäre. Denk an deine Guttat!«
Da ging der Ochsensohn aus dem Schloß und ging weiter durch das Land, und nachdem er lange gegangen war, kam er an eine Höhle. Er sah hinein, da gewahrte er im Innern der Erde einen Lichtstreifen, das war ein anderes Land. Und als er dem Lichtstreifen nachgehen wollte, fiel er zu Boden und erwachte in einem prächtigen, großen Walde am Rande eines Sumpfes, so daß er nicht wußte, wohin er gehen sollte. Da kam ein großer Vogel zu ihm, der sprach: »Noch ist es eine weite Strecke bis zu deinem Reich, aber wenn du mir von deinem eigenen Fleisch zu kosten gibst, wenn ich dich auf dem Rücken trage, so will ich dich dorthin bringen.« Da setzte er sich auf den Rücken des Vogels, und er versprach dem Vogel den Anteil. Ein Messer hatte er bei sich. Sie flogen so lange, bis der Mann fragte: »Ist es noch weit?« – »Noch ist es weit«, sprach der Vogel, »wenn ich den Kopf umwende, so halte ein Stück Fleisch bereit.« Und der Vogel wendete den Kopf um, da schnitt er sich mit dem Messer ein Stück Fleisch aus dem Schenkel und steckte es dem Vogel in den Schnabel, dann flogen sie wieder weiter. Sie flogen so lange, bis der Vogel zum zweitenmal den Kopf umwendete, da gab er ihm aus dem andern Schenkel ein Stück in den Schnabel.
Als der Vogel zum zweitenmal gegessen hatte, brachte er den Ochsensohn zu dem Schlosse, wo sie dem Königssohn, seinem Bruder, die Hochzeit bereiteten. Der wollte die Königstochter heimführen, die er vom Drachen befreit hatte. Und er ging ins Schloß, weil ihm die Füße versagten, und blieb über Nacht dort. In dem Schlosse erfuhr er, daß morgen die Hochzeit sein sollte, und sie fragten ihn, ob er nicht zur Hochzeit die Kantele spielen wolle. Da ging er in den Hochzeitssaal und begann zu spielen. Er griff in die Saiten und spielte für die Braut, die auf dem Stuhle saß. Und die Braut erkannte den Ring an seinem Finger, sprang vom Stuhl und rief: »Das ist der Held, der mich erlöst hat!« Dann erzählte sie die ganze Geschichte, wie sie geschehen war.
Da wurden die Brüder, die ihn umgebracht hatten, an die Schweife von Rossen gebunden und geschleift, aber den Ochsenbruder machten sie zum Königssohn und zum Erben des Reiches, und er feierte mit Jelena, der Königstochter, Hochzeit.
Die Knaben wuchsen rasch. Schon nach kurzer Zeit war der Königssohn zum Manne herangereift und die andern auch. Da wollte der Königssohn in die Welt ziehen, aber er hatte kein Pferd. Und sie zogen aus, um ein Pferd für ihn zu suchen. Der Königssohn kam zu einem Helden, aber keines seiner Pferde vermochte ihn zu tragen. Sie suchten weiter nach einem Pferde, aber sie fanden bloß einen alten Mann am Felde, das war ein Zauberer. Der riet ihnen: »Kauft im nächsten Dorf von einem Bauern ein wildes Stutenfüllen.« Als sie das Füllen gekauft hatten und es eine Nacht zu Hause hielten, lief es fort, um an seiner Mutter zu trinken. Doch als es am folgenden Morgen nach Hause kam, kannte sein Herr das Pferd nicht mehr, so groß war es geworden, wie ein gewöhnliches Bauernpferd. Allein, kaum ward es dunkel, so lief es wieder davon. Und als die zweite Nacht vorüber war und es am Morgen wieder nach Hause kam, war es schon ein übergroßes Pferd, so groß, wie die Bauern keins hatten. Nach der zweiten Nacht taugte es für den Ältesten, den Königssohn.
Nun mußten sie ausziehen und für den Sohn der Köchin ein Pferd suchen. Der Sohn der Köchin aber war noch stärker als der Königssohn. Da half nichts, als wieder zu dem Alten zu gehen. Der Alte beschied sie, die Stute zu holen, die dem Teufel gehörte. Und sie bekamen für ihn die Stute. Als die Stute einen Tag bei ihnen war, bat sie, am Strande des Meeres weiden zu dürfen. Doch am Abend, als sie nach Hause kam, war sie noch unbändiger als das Pferd des Königssohns, noch wilder und kräftiger und größer.
Zwei Jünglinge hatten nun Pferde, nur der Ochsensohn hatte noch keins. Aber er war stärker als die andern beiden, kräftiger und klüger. Jetzt mußten sie für ihn ein Pferd suchen, und sie gingen wieder zu demselben Alten. Doch der Zauberer sprach: »Du bekommst nur dann ein Pferd, wenn du mir so viel Branntwein kaufst, daß ich mich damit betrinken kann.« Dann schickte er sie zu einem alten Mann am Meeresstrand, einem Zauberer, wie er einer war. Von ihm würden sie ein Pferd bekommen. Der Ochsensohn ging hin zu dem Manne, zu dem er geschickt war, und der Zauberer sah ihn an und meinte: »Ach herrje! Aus dir wird nichts.« Dann sprach er: »Wenn du mir ein Faß Branntwein kaufst, so will ich dich bescheiden.« Und der Ochsensohn versprach ihm den Branntwein. Da gab er ihm ein kleines Gläschen von einem Zaubertrank zu trinken. »Nimm erst den Zaubertrank! Dann sag ich dir, wo du ein Pferd bekommst.« Als jener den Trank getrunken hatte, sagte der alte Mann: »Wenn du zum Meere gehst, kommst du an eine große Eiche; da steig hinauf und bleib dort sitzen, bis ein weidendes Pferd zum Strande kommt! Das hat einen Sattel auf dem Rücken und Steigbügel. Während das Pferd grast, verhalte dich ganz still! Es wird bald zum Strande gehen und Wasser trinken, dann komm vom Baum herunter und kraue es! Setz dich auf seinen Rücken und halt dich im Sattel; wohin es dich auch bringt, bleib sitzen. Wenn du herunterfällst, ist’s dein Tod, aber wenn du oben bleibst, bist du Herr des Pferdes.« So machte es denn der junge Mann. Als das Pferd von selbst auf ihn zukam, um sich krauen zu lassen, sprang er ihm flink auf den Rücken und nahm die Zügel in die Hand. Doch kaum saß er oben, als das Pferd auf einen Felsen sprang und vom Felsen geradeaus ins Meer, es sprang neun Klafter tief, und das machte es dreimal, vom Meer auf den Felsen und vom Felsen ins Meer. Aber der Ochsensohn saß fest auf seinem Rücken. Wie sie nach dem dritten Mal zu der Eiche kamen, sprach das Pferd zu ihm: »Jetzt bist du mein Herr, denn du saßest fest im Sattel. Jetzt kannst du mich getrost weiden lassen. Wenn du mich brauchst, so pfeife nur, dann bin ich bei dir.« Dann ging der Ochsensohn nach Hause und rühmte vor den Brüdern – er nannte sie Brüder, den Königssohn und den Sohn der Köchin – rühmte vor den Brüdern: »Jetzt habe ich auch ein Pferd.« Der Königssohn aber ritt fort und bat die andern, ihm zu folgen.
Als nun die beiden Brüder zu Pferde saßen, pfiff auch der Ochsensohn seinem Pferd, da kam es zu ihm geflogen, und es war zweimal so schön als die andern. Dann machten sie sich gleich zusammen auf den Weg und ritten einen halben Tag. Die Luft war glühend heiß. Sie waren so durstig, daß ihnen die Zunge am Gaumen klebte. Wenn sie nur Wasser zu trinken gehabt hätten! Der Königssohn ritt voran, der Sohn der Köchin hinter ihm her, und der Ochsensohn als letzter. Da fand der Königssohn in der Hitze am Wege einen Brunnen, und darauf lag eine goldene Schöpfkelle. Als er abstieg, um Wasser aus der Kelle zu trinken, nahm der Ochsensohn die Knute und schlug auf den Brunnen, da verschwand der Brunnen und nahm von des Königssohn Stulpstiefeln die Absätze mit. Aber als er so schlug, verging ihnen allen der Durst. Sie ritten ein weites Stück vorwärts, doch die Hitze währte immer noch. Während des Rittes fingen sie wieder an zu dürsten. Da sahen sie neben der Straße einen schönen Garten, in dem Garten waren allerhand Äpfel und allerlei Beeren. Der Königssohn bog zur Seite, beschwor den Baum und suchte mit der Hand davon zu pflücken. Da nahm der Ochsensohn wieder die Knute und schlug nach dem Baume. Da verschwand auch der Garten, und es blieb nicht ein einziger Baum zurück.
Sie zogen ihren Weg weiter, denn sie hatten gehört, daß in der Nähe ein anderes Königreich wäre, wohin ein schönes Mädchen von einem Drachen entführt sei. Das Mädchen wollten sie erlösen. Sie ritten ununterbrochen ihrem Ziele zu. Wie es Nacht wurde, kamen sie an ein großes Haus, an ein großes Gehöft. Dort war keine Menschenseele zu sehen, aber der Hof war voll Ochsen, beinahe fünfhundert Ochsen. Da gingen sie in den Hof, aber da war weiter nichts als eine Eiche und der Viehstall voll Ochsen. Sie blieben die Nacht über in dem Stalle, aber auch hier war keine Menschenseele, und sie bekamen nichts zu essen.
Am folgenden Morgen schmiedeten sie einen eisernen Topf und stellten den Königssohn zum Kochen an. Er warf fünfundzwanzig Ochsen in den Topf und kochte sie. Die andern aber gingen fort, um eiserne Haken zu schmieden.
Schon hatte der Königssohn die Ochsen gar gekocht, da kam der Besitzer des Hofes, ein ellenlanger Mann mit ellenlangem Bart und einem Bund Heu auf dem Kopf. Er warf seinen Ochsen Heu vor, dann kam er auf den Königssohn zu und sprach: »Was machst du denn da ohne meine Erlaubnis?« Als er den Koch in die Hände bekam, fing er an, ihn zu prügeln und zu peitschen, daß ihm die Sinne vergingen. Dann fraß er die Ochsen selbst, fünfundzwanzig Ochsen, ging wieder fort und sagte: »Wenn du morgen meine Ochsen noch einmal anrührst, bekommst du noch bessere Prügel.« Dann war er verschwunden. Der Königssohn mochte nun nicht gern sagen, daß er durchgepeitscht worden war, darum steckte er andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an zu kochen. Als die Brüder am Mittag zum Essen kamen, hatte er die Ochsen immer noch im Topf, sie waren noch nicht gar. Da sprach der Ochsensohn: »Merkwürdig, daß das Fleisch noch nicht weich ist, wo doch die Ochsen schon so lange kochen.« Aber der Königssohn antwortete: »Ich habe mich so geeilt, es war viel Arbeit, alles vorzubereiten, das nahm viel Zeit, und ich hatte Kopfschmerzen dazu«, log er. Aber der Ochsensohn wußte, was vorgefallen war, er wußte alles. Dann aßen sie, und am andern Tag mußte der zweite Bruder kochen, und sie gingen wieder zum Schmieden. Doch der Königssohn erzählte dem Ochsensohn nicht, daß er gepeitscht worden war, er dachte nur bei sich: ‚Unserm Bruder blühen heute noch bessere Prügel als mir.‘ Wieder kam der Herr des Gehöfts in den Viehstall mit einem Bund Heu auf dem Kopf. Er sah, daß die Ochsen im Stall weniger geworden waren und daß der Mann dort wieder kochte. Da hielt er keine lange Rede, sondern sprach: »Gestern hast du es getan, und heut bist du wieder dabei, trotz dem Verbot«, packte ihn und peitschte ihn so heftig, daß er halbtot liegenblieb. Dann aß er flink die Ochsen auf und machte sich davon, indem er rief: »Wenn du morgen wieder kochst, schlag ich dich tot.« Und der Bruder steckte andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an, sie zu kochen. Als die zwei zum Essen kamen, war das Fleisch noch roh, es hatte eben angefangen zu kochen. Der Ochsensohn sprach: »Sonderbar, daß das Fleisch noch gar nicht gekocht hat, sondern erst in den Topf getan ist.« Da antwortete sein Bruder: »Ich habe so Bauchgrimmen, daß ich nichts davon essen mag, wenn ihr wollt, so eßt doch«, und er hielt sich den Bauch. Darauf sagte der Ochsensohn: »Ich werde nicht so wie ihr kochen.«
Am dritten Tag gingen die beiden Brüder, die die Prügel gekriegt hatten, zum Schmieden. Und der Ochsensohn warf fünfundzwanzig Ochsen in den Topf, um sie zu kochen. Er hatte das Fleisch fast fertig, da kommt der Wirt wieder mit dem Bund Heu auf dem Kopf. Als er aber sieht, daß wieder von seinen Ochsen gekocht wird, nimmt er sich nicht die Zeit, den Ochsen das Heu zu bringen. Er springt auf den Burschen zu und schreit: »Was! Du kümmerst dich nicht darum, was ich sage, jetzt schlag ich dich tot!« Er will auf ihn einschlagen, aber im Handumdrehen packt der Ochsensohn den Alten beim Bart, schleudert ihn von einer Wand zur andern und spricht: »Du elender Wicht, du wolltest meine Brüder töten und mich auch noch, dafür nagle ich dich jetzt an diese Eiche.« Und das tat er auch. Er nagelte den Alten an die Eiche, dann nahm er das Fleisch aus dem Kessel und warf ihn noch einmal voll Ochsen.
Da sah er die Brüder kommen und hörte, wie sie sagten: »Die vorhergehenden Tage haben wir die Prügel gekriegt, heute mag der Bruder noch ärgere bekommen haben.« Sie kamen in die Stube und sahen, daß das Fleisch noch kochte, da dachten sie: »Er hat sie tüchtig gekriegt.« Aber der Ochsensohn kam auf sie zu und sprach: »Oh, ihr Schwätzer, ihr habt mir nicht gesagt, daß der Alte euch töten wollte; geht zu der Eiche da, dort seht ihr euren Tod. Dann geht hin und eßt das gute Fleisch, das ich gekocht habe!« Sie gingen hin und aßen das Fleisch. »Auf euch will ich mich nicht mehr verlassen, ich habe auch schon für morgen Fleisch fertig. Weiß ich doch nicht, was für eine Ratte euch töten kann.« Am letzten Tage gingen sie alle drei zur Schmiede, und sie bekamen die Haken fertig. Nun war es Zeit für sie, fortzugehen. Sie machten sich auf den Weg, da bat der Alte inständig und sprach zu dem Ochsensohn: »Du bist klug und stark, mach mich von der Eiche los, so will ich dir noch einen Rat geben.« – »Du magst da bleiben«, er glaubte ihm nicht, ließ den Alten am Baum, und sie zogen weiter.
Sie ritten lange, bis sie dahin kamen, wo das von dem Drachen entführte Mädchen war. Es war ein prächtiges Schloß, ringsherum von einer so hohen Mauer umgeben, daß nur ein Vogel hinüberfliegen konnte. Da warfen die Brüder die eisernen Haken auf die Mauer, und die Mauer neigte sich nach vorn, und sie kletterten an den Haken in die Höhe. So gelangten alle drei auf die Mauer, und einer nach dem andern ließ sich auf der Innenseite an den Haken hinunter in den Schloßhof. Die Haken ließen sie hängen, damit sie wieder herauskonnten.
Dann betraten sie zu dritt einen Saal in dem Schlosse. Dort sahen sie ein hübsches Mädchen, das fragte: »Wie seid ihr getauften Menschenkinder hier hereingekommen? Hier lebt ein riesiger Drache mit zwölf Köpfen, der hat schon viele Menschen gefressen und getötet. Außer mir und zwei andern Mädchen ist keine Menschenseele im Schloß. Ich bin die Tochter einer Magd, in der zweiten Kammer ist die Tochter eines Edelmannes, und in der letzten Kammer wohnt eine Königstochter, Jelena Prekrasnaja (Schöne Helena) ist ihr Name.«
Da ließ der Ochsensohn die Brüder bei dem Mädchen, und er selbst ging weiter, das zweite Mädchen zu suchen. Er gelangte auch zu ihr, und sie wies ihn zur Königstochter. Als er bei dieser eintrat, kam sie auf ihn zu und sagte: »Ihr seid umsonst gekommen, arme Männer, heraus kommt ihr nicht wieder, ihr werdet getötet werden. Mein Gatte, der mich bewacht, ist ein zwölfköpfiger Drache.« Dann zeigte sie ihm sein Schwert, das an der Wand hing, und sprach: »Dort hängt sein Schwert an einem Mähnenhaar. Nimm es, versuch, es zu heben! Kannst du es bewegen? Er schwenkt das Schwert wie einen Pfriemen in der Hand. Dort in der Ecke die große Keule, die schwingt er wie ein Stöckchen.« Der Ochsensohn faßte nach dem Schwert, aber so sehr er sich auch abmühte, er konnte es nicht bewegen. Da sagte die Königstochter: »Komm her und trink von diesem Zaubertrank!« Und sie gab ihm ein paar Fläschchen von dem Zaubertrank zu trinken. Da konnte er das Schwert heben, aber es wurde ihm noch sehr schwer. Und er ging zum zweitenmal hin und schlürfte von dem Trank, da durchströmte ihn Kraft, und er schwang das Schwert wie einen Löffel. Jelena Prekrasnaja aber sagte zu ihm: »Hier haben wir noch zwei Krüge mit Zaubertränken; rechts in dem Krug ist ein Trank, der die Kraft vermehrt, und hier zur Linken ein Trank, der die Kraft schwinden läßt, die müssen wir jetzt miteinander vertauschen. Nimm das Schwert mit dir, komme, was da wolle. Wenn ein Kampf zwischen euch entsteht, so schone dich nicht.« Dann gab sie ihm noch ein winzig kleines Fläschchen und sagte: »Nur in der äußersten Not trink hiervon, dann hältst du aus. Nun, Gott befohlen, verrat mich nicht!« Der Ochsensohn kam zu den Brüdern und sprach: »Paßt auf, wenn der Drache hinter mir herkommt, weicht mir nicht von der Seite! Wenn er mich tötet, so tötet er euch auch, und wenn ich davonkomme, sind wir alle gerettet.«
Da hörte man ein Geräusch wie das Grollen des Gewitters am Himmel, das noch ein paar Werst weit entfernt ist. Wie das Rollen des Donners nahte sich dröhnend der Drache dem Schloß. Als er in den Garten kam, fragte er die Königstochter: »Wie ist der Russe hereingekommen? Nach russischer Luft riecht das Schloß.« Und Jelena antwortete: »Was kann ich dazu, es kam ein Mann herein und nahm dein Schwert hier von der Wand.« – »Aha!« Er nahm die Keule in die Hand und rief: »Komm nur her!« Mehr sprach er nicht. Da kam der Ochsensohn auf ihn zu und schlug ihm mit dem Schwert drei Köpfe ab. Doch wie ihm der Drache mit dem Prügel eins über den Kopf ziehen wollte, hieb er daneben und schlug ihm die Lenden blutig. Da hieb der Held wieder mit dem Schwert auf ihn ein und schlug ihm noch einen Kopf ab. Da stöhnte der Drache: »Sollen wir weiterkämpfen oder Frieden machen? Wenn du willst, ich bin dazu bereit.« Beide waren in Not, der eine hatte vier Köpfe verloren, dem andern waren die Lenden blutig geschlagen. Und der Drache fragte: »Wollen wir nicht erst einen Schluck Wasser trinken?« – »Warum nicht? Laß uns gehen«, antwortete der Held. Der Drache ging nach der rechten Seite, um zu trinken, und sprach zu dem andern: »Trink du da drüben, ich trinke hier.« Aber die Krüge waren vertauscht. Die Kraft des Drachen schwand, und die des Ochsensohnes nahm zu. Dann schritten sie aufs neue zum Kampfe: »Laß uns jetzt wieder kämpfen!« Wie sie den Kampf wieder aufnahmen, ließ ihn der Ochsensohn nicht mehr zum Schlage kommen, er hieb ihm mit dem Schwert noch vier Köpfe auf einmal ab. Da brummte der Drache das Mädchen an: »Jelena, bring jetzt den Zaubertrank, das letzte Fläschchen, mein bestes Fläschchen.« Aber der Ochsensohn höhnte: »Sieh her, wo dein Fläschchen ist!« Er setzte es an den Mund, und dann hieb er ihm mit einem Schlag die noch übrigen Köpfe ab. Nachdem er das Ungeheuer getötet hatte, ging er zu dem Mädchen. Und sie feierten ein fröhliches Fest mit gutem Essen und Trinken, und alle waren vergnügt. Und die Königstochter gab dem Ochsensohn einen Ring von ihrer Hand, in dem ihr Name stand, und sagte: »Weil du mein Erlöser bist, so sei auch mein Bräutigam.«
Danach überlegten sie, wie sie davonkämen, sie mußten wieder an denselben Haken in die Höhe klimmen, die Mädchen in die Höhe heben und selbst hinüberkommen. Zuerst stiegen die Brüder hinüber, und der Ochsensohn reichte ihnen die Tochter der Magd, dann hob er des Edelmanns Töchterlein hinauf, aber als er ihnen die Königstochter geben wollte, sprachen die Brüder untereinander: »Die Königstochter wird er wohl selbst zur Frau nehmen wollen, weil er ihr Befreier ist, und wir bekommen hinterher die schlechteren.« Und der Königssohn meinte: »Das Mädchen nehme ich zur Braut, und des Edelmanns Töchterchen nimmst du. Die Tochter der Magd nehmen wir so mit, die wagt niemandem etwas zu verraten. Den Bruder aber lassen wir drin. Hätte er den Ochsenwirt damals von der Eiche losgemacht, so hätte der ihn hierauf vorbereitet.«
Diesmal war der Ochsensohn sehr dumm. Er hätte selbst voraussteigen und die Mädchen hinüberheben und die Brüder zuletzt holen sollen, dann wäre er ihrer Bosheit entgangen. Nun, da er als letzter drinnenblieb, geschah es, daß ihn die Brüder emporzogen, um ihn von oben hinabstürzen zu lassen, so daß er in Stücke zerschmetterte. Dann zogen die beiden auf ihren Pferden mit den Mädchen nach Hause, aber den Bruder ließen sie mit zerbrochenen Knochen tot liegen.
Nach einiger Zeit kam zu dem Platz ein Kranich geflogen, der sah den Toten, und es fiel ihm ein, daß derselbe Mann einmal seine Jungen vor einer Hagelwolke geschützt hatte. Er flog herbei, setzte sich auf ihn und suchte die Stücke zusammen. Er besprengte ihn mit Totenwasser, da wurde der Körper wieder ganz, dann brachte er Wasser des Lebens und benetzte ihm die Lippen, da wurde der Held wieder lebendig. Und er sprach: »Huhu, wie lange habe ich geschlafen!« Und der Kranich antwortete: »Du hättest bis in die Ewigkeit geschlafen, wenn ich nicht gewesen wäre. Denk an deine Guttat!«
Da ging der Ochsensohn aus dem Schloß und ging weiter durch das Land, und nachdem er lange gegangen war, kam er an eine Höhle. Er sah hinein, da gewahrte er im Innern der Erde einen Lichtstreifen, das war ein anderes Land. Und als er dem Lichtstreifen nachgehen wollte, fiel er zu Boden und erwachte in einem prächtigen, großen Walde am Rande eines Sumpfes, so daß er nicht wußte, wohin er gehen sollte. Da kam ein großer Vogel zu ihm, der sprach: »Noch ist es eine weite Strecke bis zu deinem Reich, aber wenn du mir von deinem eigenen Fleisch zu kosten gibst, wenn ich dich auf dem Rücken trage, so will ich dich dorthin bringen.« Da setzte er sich auf den Rücken des Vogels, und er versprach dem Vogel den Anteil. Ein Messer hatte er bei sich. Sie flogen so lange, bis der Mann fragte: »Ist es noch weit?« – »Noch ist es weit«, sprach der Vogel, »wenn ich den Kopf umwende, so halte ein Stück Fleisch bereit.« Und der Vogel wendete den Kopf um, da schnitt er sich mit dem Messer ein Stück Fleisch aus dem Schenkel und steckte es dem Vogel in den Schnabel, dann flogen sie wieder weiter. Sie flogen so lange, bis der Vogel zum zweitenmal den Kopf umwendete, da gab er ihm aus dem andern Schenkel ein Stück in den Schnabel.
Als der Vogel zum zweitenmal gegessen hatte, brachte er den Ochsensohn zu dem Schlosse, wo sie dem Königssohn, seinem Bruder, die Hochzeit bereiteten. Der wollte die Königstochter heimführen, die er vom Drachen befreit hatte. Und er ging ins Schloß, weil ihm die Füße versagten, und blieb über Nacht dort. In dem Schlosse erfuhr er, daß morgen die Hochzeit sein sollte, und sie fragten ihn, ob er nicht zur Hochzeit die Kantele spielen wolle. Da ging er in den Hochzeitssaal und begann zu spielen. Er griff in die Saiten und spielte für die Braut, die auf dem Stuhle saß. Und die Braut erkannte den Ring an seinem Finger, sprang vom Stuhl und rief: »Das ist der Held, der mich erlöst hat!« Dann erzählte sie die ganze Geschichte, wie sie geschehen war.
Da wurden die Brüder, die ihn umgebracht hatten, an die Schweife von Rossen gebunden und geschleift, aber den Ochsenbruder machten sie zum Königssohn und zum Erben des Reiches, und er feierte mit Jelena, der Königstochter, Hochzeit.
[Finnland: August von Löwis of Menar: Finnische und estnische Märchen]