Früher, als der Himmel noch ganz nahe bei der Erde war, da lebte im Regenbogenland der Regenbogengeist.
Dieser hat Haare so bunt wie der Regenbogen. Und sein Land, das soll einfach nur schön sein: dort gibt es violette Erdbeeren, blaue Bäume, gelbes Gras, und die Blumen, die wachsen von den Wolken herab. In der Mitte des Reiches stand ein großes, buntes Schloss mit vielen glitzernden Türmchen.
Eigentlich wollte der Regenbogengeist nur seine Ruhe haben und das Leben genießen. Oft saß er auf einer kuschelweichen Wolke und schaute von da aus dem bunten Treiben auf der Erde zu und dachte sich: „Ach, wie schön habe ich es doch hier in meinem Regenbogenland!“, während es auf der Erde turbulent zuging.
Aber auch im Himmel konnte es manchmal recht laut werden, was dem Regenbogengeist überhaupt nicht gefiel. Sonne und Regen gerieten nämlich häufig in Streit darüber, wer von ihnen der Stärkere sei. Wieder einmal tobte der Sturm heftig. Der Regen und sein Freund, der Wind, versuchten die Sonne vom Himmelszelt zu vertreiben.
Doch die Sonne strahlte so kräftig wie nie zuvor, sodass alle ins Schwitzen gerieten, sogar der Regenbogengeist.
An solchen Tagen hätte sich der Regenbogengeist am liebsten die Ohren zugehalten, wenn er welche gehabt hätte, und sich weit weg gewünscht.
Doch mit dem Wünschen alleine war es nicht getan. Er musste sich etwas einfallen lassen, schließlich konnte er diese Streitereien nicht leiden.
So kam er auf die Idee, sich eine Brücke zur Erde zu bauen.
Er spannte einen riesengroßen Regenbogen vom Himmel zur Erde und rutschte darauf zur Erde hinunter.
Wie staunten die Menschen und Tiere, als sie dieses bunte, farbenfrohe Wesen erblickten.
Sobald die Sonne wieder freundlich vom Himmel schaute und der Regen sich zurückgezogen hatte, machte sich der Regenbogengeist wieder daran, die Himmelsleiter empor zu steigen.
Die Menschen und Tiere beneideten den Regenbogengeist und wurden neugierig, wie es wohl dort oben im Regenbogenland aussehen mochte.
Ob sie es wohl wagen konnten, es dem Regenbogengeist gleich zu tun und den Regenbogen entlang hinauf zu klettern?
Nun berieten sie, wer von ihnen den Anfang machen sollte. Keiner traute sich so recht. Schließlich wussten sie nicht, was sie dort droben erwarten würde.
Also wollten sie das Los entscheiden lassen. Es traf die kleine Maus, die als Erste hinaufsteigen sollte.
Beim nächsten Besuch des Regenbogengeistes huschte das Mäuschen zum Regenbogen und begann eifrig daran empor zu klettern, was ihm große Mühe bereitete: einen Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück. Die Brücke schien ziemlich rutschig zu sein.
Doch irgendwann hatte es das Mäuschen doch geschafft und stand vor dem bunten Schloss und versuchte, durch das Tor einzutreten. Leider war die Tür versperrt und die Maus hämmerte dagegen, bis ihre Kräfte dahin schwanden und sie auf der anderen Seite der Brücke hinunterrutschte.
Auf der Erde angekommen, wurde sie bereits von ihren Freunden erwartet. Diese staunten nicht schlecht über die wundersame Verwandlung. Als kleines, graues Mäuschen hatte es die Erde verlassen und als Regenbogenmäuschen kehrte es zurück.
Hatte es das Regenbogenland auch nicht betreten können, die Reise hatte sich allemal gelohnt. Vom Rutschen ist das Mäuschen richtig bunt geworden.
Nun war der Andrang riesengroß. Jeder wollte solch schöne Farben besitzen. Alle warteten ungeduldig auf die nächste Gelegenheit, zum Himmel hoch zu steigen.
Als nächste war die kleine Raupe an der Reihe. Ihr erging es genauso wie dem Mäuschen. Am höchsten Punkt angelangt stand sie vor verschlossenen Türen und rutschte dann zur anderen Seite wieder hinunter und war wie von Zauberhand bemalt eine Regenbogenraupe.
Die große Schlange wollte es ihr gleich tun und wand sich sofort um den Regenbogen. Sie umklammerte ihn und zog sich Stück für Stück hinauf, um dann mit Schwung zur Erde hinunterzusausen. Als Regenbogenschlange zeigte sie ihr schönstes Zischen.
So wäre es noch lange weiter gegangen, wäre dem Regenbogengeist nicht plötzlich aufgefallen, dass seine Brücke an Farbe verlor.
Da wurde ihm klar, was geschehen war. Zuvor hatte er noch nie Regenbogenmäuse, Regenbogenraupen oder gar Regenbogenschlangen gesehen.
Er musste besser auf seine Himmelsleiter Acht geben!
Von da an war nur mehr selten ein Regenbogen zu sehen, denn der Regenbogengeist stellte die Brücke nur dann auf, wenn er zur Erde runter oder wieder hinauf ins Regenbogenland wollte. Zwischendrin versteckte er sie.
Daher kommt es, dass es bis heute niemand ins Regenbogenland geschafft hat.
Nur den Regenbogen können wir manchmal sehen. Dann wissen wir, dass Sonne und Regen sich wieder mal streiten.
Man erzählt sich, dass noch einige versucht haben, in den Genuss der Farbenpracht zu gelangen. Aber weil der Regenbogengeist seine Brücke nie lange aufstellt, ist so mancher auf halbem Weg heruntergefallen und hart auf dem Hinterteil gelandet.
Quelle: Carmen Kofler