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Märchenbasar

Der Riese und der kleine Junge

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Ein kleiner Junge hütete die Schafe, da kam ein Riese zu ihm und wollte ihn als Knecht haben. Der Junge gieng darauf ein. »Sobald du die Schafe nach Hause getrieben hast, wirst du mich hier finden«, sprach der Riese. Als nun der Junge zurück kam, machten sie sich auf nach der Wohnung des Riesen. Unterwegs wurden sie beide einig darüber, daß sie etwas trockenes Holz zum Kochen mit nach des Riesen Wohnung bringen müssten, und so trafen sie denn eine Birke. »Ich denke, wir nehmen diese Birke da.« – »Sie ist ein bischen klein,« sagte der Junge. So giengen sie ein Stück wieder und fanden eine Eiche, eine große Eiche, die der Wind umgebrochen hatte. »Ich denke, wir nehmen diese Eiche,« sprach der Junge. – »Sie ist ein bischen groß«, meinte der Riese. – »Warum nicht gar, sagte der Junge; fasse du am Wipfel an, so will ich am Wurzelende anfassen,« und zugleich fieng er an, ein Paar lange spitze Holzpflöcke zu schnitzen. »Was willst du mit den Pflöcken?« fragte der Riese. – »Sie dir in die Augen stechen, wenn du hinter dich siehst,« sprach der Junge. Als nun der Riese den Wipfel angriff und zu schleppen anfieng, setzte der Junge sich auf das Wurzelende; der Riese aber wagte nicht hinter sich zu sehen. Sobald sie eine kurze Strecke weiter waren, sagte der Riese: »Schau, schau, das ist schwer!« – »Warum nicht gar, sprach der Junge; ich bin noch nicht im mindesten müde.« Als sie nun anfingen, sich der Wohnung des Riesen zu nähern, sprach der Junge: »Du wirst den Baum nicht eher zu Boden werfen, als bis ich es dich heiße.« Als nun der Junge es hieß, warf er den Baum nieder. »Schau, schau, das war schwer! rief der Riese. Nun werde ich dir einen Rath geben, fuhr er fort; gehe nicht in den Pferdestall, noch auch in den Viehstall.« Der Riese war aber kaum im Hause, als der Junge schon in den Pferdestall lief. Dort fand er ein Pferd, welches zu ihm sagte: »Weißt du was für Arbeit der Hausherr dir morgen aufgibt?« – »Woher soll ich das wissen?« erwiederte der Junge. – »Er wird zu dir sagen, du sollst das Boot ins Wasser schieben, sprach das Pferd; du aber antworte ihm: »Wenn ich das Boot anfasse, um es ins Wasser zu schieben, so geht es ganz und gar in Stücke.« Am andern Tage als der Riese sich zum Frühstück setzte, sagte er zu dem Jungen: »Geh und setze das Boot aus.« – »Soll ich das Boot aussetzen, so geht es ganz und gar in Stücke,« versetzte der Junge. – »Schau, schau! sagte der Riese, da muss ich es wohl selbst aussetzen.« Er schob also das Boot ins Wasser, denn er wollte auf den Fischfang fahren. »Nimm die Ruder und rudere!« befahl der Riese. – »Wenn ich rudern soll, sagte der Junge, so gehen die Ruder und das ganze Geräth in Stücke.« – »Nun gut, so will ich lieber selbst rudern,« sprach wiederum der Riese. Sie fuhren eine kleine Strecke. »Hier ist meine Schellfischbank,« sprach der Riese. – »Hast du keine bessere Bank als eine Schellfischbank?« sagte der Junge. Sie fuhren wieder eine kleine Strecke. »Hier ist meine Kabeljaubank,« sagte der Riese. – »Hast du keine bessere Bank als so eine?« fragte der Junge. Sie fuhren wieder ein Stück. »Hier ist meine Wallfischbank, sagte der Riese; nimm die Schnur und fange an zu angeln.« Der Junge blieb ruhig sitzen und sah bloß die Schnur an. »Was hast du auf mein Fischgeräth zu sehen?« fragte der Riese. – »Also das ist dein Fischgeräth? sagte der Junge; soll ich damit fischen, so geht es ganz und gar in die Brüche!« – »Nun gut, dann will ich lieber allein fischen,« sagte der Riese und machte sich selbst daran. Kaum hatte er angefangen, so bissen zwei Wallfische auf einmal an und er ruderte mit ihnen ans Ufer. Als sie dorthin kamen, ergriff der Riese mit jeder Hand einen Wallfisch hinten beim Schwanz und zog sie ans Land, worauf er sie zusammenband und im Trockenhause aufhieng. »Geh nun und mach Feuer!« befahl er seinem Knechte. – »Wenn ich Feuer anblasen soll, so blase ich das Dach vom Hause,« sagte der Junge. – »Nun gut, sprach der Riese, so will ich es lieber selbst thun;« als er aber zu blasen anfieng, flog der Junge unter das Dach hinauf und drehte sich da herum wie ein Kreisel. Der Riese schaute auf und fragte: »Was hast du da oben vor?« – »Ich hole ein Paar Schindeln zum Unterzünden des Feuers,« antwortete der Junge, und der Riese sagte zu sich selbst: »Ich denke gar, der Junge kann fliegen.« Hierauf kam der Junge wieder herunter und sie kochten sich Essen. Nachdem sie gekocht und gegessen hatten, legte der Riese sich zu einem Mittagschläfchen nieder. Als er eingeschlafen war, lief der Junge in den Stall zum Pferde. »Geh in den Viehstall, sagte es zu ihm, und schlage die Kuh todt, denn das Leben des Riesen steckt in der Kuh, und schneide das Herz mitten entzwei; dann kehre in das Haus zurück, und sieh ob ihm der Garaus gemacht ist; dann geh wieder zur Kuh und schneide das Herz in kleine Stücke. Hast du das gethan, so komm wieder hierher zu mir, binde mich los und nimm eine Büchse, einen Degen, ein Stück Schwefel, einen Feuerstein und einen Kamm mit.« Wie das Pferd ihn hieß, so that der Junge. Als er die Kuh todt geschlagen und ihr das Herz gespalten hatte, gieng er zu dem Riesen hinein, um zu sehen, wie es mit ihm stand; dieser war aber in demselben Augenblick gestorben, als der Junge der Kuh das Herz durchspaltete. Dann gieng der Junge zu dem Pferde, vergaß aber vorher das Kuhherz in kleine Stücke zu zerschneiden, wie ihm das Pferd gesagt hatte. Dann machten sich beide auf den Weg und legten eine große Strecke zurück, eine ganze Tagereise, durch Thäler und über Berge, deren Namen der Junge nicht einmal wusste. Sie gelangten zu großen Flüssen mit Furthen, die der Junge gleichfalls nicht kannte. Sie kamen jedoch überall vorwärts und zogen immer weiter. Da sprach das Pferd zu dem Jungen: »Hörst du nichts und siehst du nichts?« – »Ich höre nichts und sehe auch nichts,« antwortete der Junge. Sie zogen eine kleine Strecke weiter. »Hörst du nichts und siehst du nichts?« fragte das Pferd aufs neue. – »Es scheint mir, als ob ich am Himmel das Sausen eines Windes hörte,« sprach der Junge. – »Dann ist der Riese wieder aufgelebt, sagte das Pferd: wirf das Stück Schwefel hinter dich und wünsche, daß es zu einem großen Wasser werde, so daß der Riese weder hinüber noch hinum kommen kann.« Der Junge that wie das Pferd ihn hieß, und es entstand ein solches Wasser. Als der Riese bei demselben anlangte, rief er: »Ach, ich wollte ich hätte meine große Schöpfkelle hier, dann tränke ich alles aus wie nichts.« Er lief daher zurück, holte die Schöpfkelle und kam wieder an das Wasser, welches er ganz und gar austrank. Dann sprach er zu der Kelle: »Bleib hier, bis ich wiederkehre.« Da flog ein kleines Vögelein herbei, welches rief: »Pip, pip, wenn du deine Schöpfkelle hier liegen lässest, so nehme ich sie, hacke sie entzwei und trage sie zu Walde.« – »Ei du kleiner Vogel, sprach der Riese; wenn ich dich in meiner Gewalt hätte, so hiebe ich dir den Kopf ab. Lieber will ich jedoch meine Kelle zurücktragen, ehe ich sie dir gönne.« – Dann trug er die Kelle wieder zurück und eilte hierauf dem Jungen und dem Pferde wieder nach. Da wiederholte sich das Zwiegespräch zwischen dem Pferde und dem Jungen, der nun auf den Rath jenes den Feuerstein hinter sich warf. Dieser verwandelte sich in einen Berg, zu dessen Durchbohrung der Riese sich von Hause einen Bohrer holte. Als er das Bohrloch durchschnitten und den Bohrer liegen lassen wollte, musste er ihn auf die Drohung des Vögleins wieder nach Hause tragen. Ebenso gieng es mit der Axt, die er gebraucht hatte um einen langen unwegsamen Wald zu durchhauen, der aus dem Kamm des Jungen entstanden war. Als er sich dann dem Jungen und dem Pferde aufs neue näherte, so hatten sie nicht weit zu einer tiefen langen Bergkluft, und über die Kluft gieng ein schmaler Steig. Wenn sie nur wohlbehalten über die Kluft kommen konnten, so waren sie gerettet und konnten ihren Weg in Frieden fortsetzen. Der Riese lief also aus Leibeskräften, um sie noch vor der Kluft zu erreichen, so daß er sich die eine Hand gegen einen Baumstumpf abstieß. Eben waren nun Pferd und Junge im Begriff, über den Steig zu setzen, da langte der Riese an und packte das Pferd beim Schwanz. »Ach, wenn ich doch meine beiden Hände hätte, dann hielte ich dich fest wie nichts,« sprach der Riese und in demselben Augenblicke riß der Schwanz glatt weg. Pferd und Junge kamen glücklich hinüber, der Riese aber stürzte in die Kluft und brach’s Genick. »Jetzt sind wir aus aller Gefahr, sagte das Pferd, aber nun haben wir einen kupfernen Wald vor uns, wo wir durchmüssen; wenn du da nur einen einzigen Zweig abbrichst, so sind wir des Todes.« – »Ich werde mich wohl hüten,« antwortete der Junge. So zogen sie durch den Wald; aber als sie eben bei dem letzten Zweige vorüberkamen, brach ihn der Junge ab. Da erschien der Riese, dem der Wald gehörte; er hatte einen Kupferharnisch an und einen Kupferhut auf dem Kopfe und fragte: »Wer zieht durch meinen Wald und bricht von meinen Bäumen?« – »Das thun wir, antwortete der Junge; was willst du von uns?« – »Du sollst bald sehen, was ich will,« sagte der Riese, und nun begann ein Kampf zwischen ihm und dem Pferde; dies aber erhielt den Sieg und schlug ihn todt, nahm dann den Kupferharnisch und Kupferhut und zog weiter. »Nun kommen wir zu einem silbernen Walde, sprach das Pferd zu dem Jungen, und wenn du einen einzigen Zweig abbrichst, so ist es mit uns vorbei.« – »Ich werde nichts abbrechen,« sagte der Junge, brach jedoch einen Zweig von dem letzten Baume, so daß der Riese, der Herr des Waldes, der im Silberharnisch und mit Silberhut erschien, einen Kampf begann, aber von dem Pferde erschlagen wurde und dieses wiederum Harnisch und Hut mitnahm. Bei dem nun folgenden goldenen Walde gieng es ganz ebenso; der Junge brach trotz des Verbotes den letzten Zweig ab, und der mit Goldharnisch und Goldhut erscheinende Riese, der Herr desselben, verlor im Kampfe mit dem Pferde nicht nur diese, sondern auch das Leben. So nun waren Junge und Pferd glücklich allen Gefahren entkommen und langten bei einem Königsschlosse an. »Du kannst mich draußen lassen, sprach das Pferd, und allein in das Schloss gehen; vergiß aber nicht, daß ich hier zurückgeblieben bin.« Der Junge that wie das Pferd ihn hieß und sprach: »Guten Tag, gnädiger Herr König!« – »Schönen Dank!« antwortete dieser. Da der Junge mit der Mütze auf dem Kopfe stehen blieb, fragte ihn der König: »Warum nimmst du nicht die Mütze ab?« – »Ich habe den Kopfgrind,« antwortete der Junge, der seinen Goldhut nicht zeigen wollte. Als der König dies hörte, ließ er ihn die Mütze aufbehalten. »Was willst du hier?« fragte der König weiter. – »Ja, sagte der Junge, ich nehme Dienste bei jedem, der mich haben will.« – »Nun so kannst du hier bleiben,« sprach der König. Da war der Tag zu Ende. Am nächsten Morgen schickte der König den Jungen an die Arbeit; er hatte aber drei Töchter und von diesen war die jüngste die schönste. Während nun der Junge im Garten arbeitete, stand die jüngste Prinzessin am Fenster und sah ihm zu. Er kratzte sich den Kopf und hob dabei die Mütze so weit auf, daß die Prinzessin ein wenig von dem Goldhute sah. »Sollte nicht der Vater bald daran denken, uns Freier zu schaffen?« sagte sie in diesem Augenblick und wandte sich vom Fenster zu ihren Schwestern. »Ei was, sprach der König, da müsset ihr selbst zusehen.« – »Nun gut, antwortete die jüngste Prinzessin, so nehme ich mir den Jungen zum Mann, der gestern hierher gekommen ist.« – »Du wirst doch nicht den Grindkopf nehmen?« fragte der König. – »Warum nicht? meinte die Prinzessin; er ist gut genug für mich.« Aber die zwei andern Schwestern wählten jede einen Bräutigam von hoher Geburt. Den nächsten Tag schickte der König die zukünftigen Schwiegersöhne auf die Jagd und gab jedem der beiden vornehmen eine neue gute Schrotflinte, während der Grindkopf nur eine alte bekam, die zu nichts taugte. So zogen sie hinaus in die Berge; aber der Junge gieng zu seinem Pferde, nahm da seine eigene Flinte und schlug dann einen besondern Weg ein. Nach einiger Zeit trafen sie wieder zusammen, und die beiden vornehmen Herren sahen nun, daß der Grindkopf so viele Vögel geschossen hatte, wie er nur irgend tragen konnte, während es ihnen selbst noch mit keinem einzigen gelungen war; sie wollten daher dem Jungen die Vögel abkaufen. »Ich will sie euch wohl gerne überlassen, sagte der Junge, aber dann müsst ihr mir auch die Geschenke geben, die ihr von euren Bräuten bei der Verlobung bekommen habet.« Sie giengen darauf ein und erhielten dafür die Vögel, jeder ein großes Bund, während der Junge dagegen leer blieb, weshalb er unterwegs doch wenigstens noch eine Nachteule schoß und damit nach Hause schlenderte. Als sie hierauf vor den König und die Prinzessinnen traten, sprach jener zu der jüngsten: »Was willst du mit dem Grindkopf da? siehst du nicht, was die beiden andern nach Hause gebracht haben? und er, er hat bloß eine Nachteule.« – »Was thut’s? sagte die Prinzessin; er ist gut genug für mich.« Alsdann fieng man an Hochzeit zu halten und zu essen und zu trinken und zu tanzen, so daß der Junge das Pferd vergaß. Es wieherte daher, um ihn zu erinnern; allein der Junge hörte nicht darauf; es wieherte noch einmal, da fiel ihm sein Pferd ein und er lief hinaus. »Haue mir den Kopf ab!« sagte das Pferd. – »Dir den Kopf abhauen? sagte der Junge; dir sollte ich den Kopf abhauen, trotzdem du mir soviel Gutes erwiesen?« – »Haust du mir den Kopf nicht ab, so beiße ich dir den deinigen vom Leibe!« sprach das Pferd. So musste der Junge wohl Folge leisten und warf den Kopf hinter sich. Dieser verwandelte sich in einen schönen Jüngling, der dem Jungen in das Schloss folgte und daselbst der Hochzeit beiwohnte.

[Lappland: Felix Liebrecht: Lappländische Märchen]

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