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Ein Häuptling besaß viele Rinder, hatte aber keine Hirten. Nach einiger Zeit kam ein Waisenknabe und bat darum, die Rinder des Häuptlings hüten zu dürfen. Der Häuptling war einverstanden, und so zog der Knabe jeden Tag mit den Rindern hinaus. Draußen auf dem Feld blies er sein Horn, dessen Klang überaus lieblich war. Während die Rinder grasten, röstete der Knabe grünen Mais im Feuer. Dann kletterte er auf einen Baum und trank das Wasser, das an einer bestimmten Stelle, zwischen zwei Ästen, heraus quoll. Wenn er abends nach Hause kam, blies er immer sein Horn, und alle waren von dem Klang bezaubert. Eines Tages beschlossen die Mädchen des Ortes, ihm auf das Feld zu folgen, um zu sehen, was er tagsüber mache. Sie gingen mit ihm hinaus, und er röstete mit ihnen zusammen grünen Mais im Feuer. Als sie genug gegessen hatten, verlangten sie nach Wasser. Da sagte der Hirte: „Nur die, die mich lieben, sollen Wasser trinken.“ Alle Mädchen kletterten nun nacheinander auf den Baum, tranken, und der Hirte half ihnen, wieder herunterzukommen. Nur ein Mädchen ließ er zurück, weil sie ihn nicht wirklich liebte. Am Abend trieb er die Rinder heimwärts, blies in sein Horn und rief dem Mädchen zu: „Warum bist du mir nachgelaufen, wenn du mich doch verschmähst?“ Das Mädchen oben auf dem Baum bat, dass er ihr herunterhelfen möge und versprach, ihn fortan nicht mehr zu verschmähen. Doch der Hirte und die anderen Mädchen gingen nach Hause und ließen sie allein zurück. Erst als ein Mann zufällig vorüber kam, wurde das Mädchen befreit.
Quelle:
(Märchen aus Afrika – Venda)