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Der Schmiedlerner

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Es war einmal ein Schmied, der hatte einen Lerner. Der Schmied schimpfte den Lerner oft aus, weil er von den Leuten hörte, der Bub gehe an Sonntagen immer nur zum hintern Kirchen! Der Lerner verteidigte sich, so gut er konnte, allein der Meister glaubte ihm nicht und drohte ihm einmal im Ernst: »Wenn es noch einmal geschieht, daß du zum hintern Kirchen gehst, so will ich mit dir nichts mehr zu tun haben und jage dich schnurstracks aus dem Haus.«
Der Lerner merkte sich das und nahm sich fest vor, am Sonntag in die Kirche zu gehen.
Als der Sonntag kam und es zum Kirchgang läutete, da war auch der Schmiedlerner schon im Feiertagskleid und wollte zum Gottesdienst gehen. Da kam aber gerade ein Soldat in das Haus, brachte einen zerbrochenen Degen und wollte ihn sogleich gemacht haben. Der Lerner entgegnete ihm, er könne jetzt den Degen nicht machen, denn es sei Zeit zum Kirchengehen. Der Soldat ließ sich nicht damit abweisen und sagte, er müsse den Degen gemacht haben, sei es dann, wie es wolle. Der Lerner gab endlich nach, sperrte schnell die Schmiede auf, ließ den Blasbalg tüchtig sausen und fing an zu schmieden, daß die Funken nach allen Seiten flogen. Alsbald war die Arbeit getan, und er hatte nur noch des Meisters Siegel daraufzuschlagen. Das war auch bald geschehen, und er gab dem Soldaten seinen Degen wieder. Als aber der Soldat den Degen sah, schauderte er zurück und konnte ihn nicht angreifen. Denn des Meisters Siegel, das der Lerner daraufgeschlagen hatte, war ein Kreuz. Da kam es zum Streit zwischen den beiden Burschen, der Soldat wollte das Kreuz fort haben, der andere aber gehorchte nicht und sagte: »Der Meister macht immer sein Zeichen auf die Arbeit, und ich tue es auch nicht anders; wenn du den Degen so nicht willst, dann mußt du ihn lassen.«
Der Soldat wollte sich mit diesem Bescheid nicht zufriedengeben, der Lerner aber schob ihn zur Schmiede hinaus und machte sich schleunig auf den Weg in die Kirche. Er ging eine kurze Strecke vorwärts, da begegneten ihm schon die Leute, die vom Gottesdienst kamen, und unter den ersten der Schmiedemeister. Als dieser den Lerner sah, ging er auf ihn zu und schimpfte ihn grob aus. Der Bub wollte sich verteidigen und fing an, die Geschichte von dem Soldaten zu erzählen, aber der Schmied ließ ihn nicht ausreden und sagte: »Ich habe schon genug von dir, du sollst mich nicht noch einmal drankriegen. Noch allemal haben mir’s nur andere Leute gesagt, daß du hinter die Kirche gehst, aber heute habe ich’s selbst gesehen, und jetzt hilft dir alles nichts mehr.«
Der Bub sah wohl, daß da nichts zu machen war, und ging trüben Sinnes nach Hause.
Beim Mittagessen gab der Meister dem Jungen seinen Abschied und sagte: »Wenn du gegessen hast, dann packe nur gleich zusammen und geh hin, wo der Pfeffer wächst. Ich kann dich nimmer brauchen.«
Der Lerner tat keine Widerrede mehr, weil er wohl sah, daß damit nicht geholfen war, und packte nach dem Essen seine Sachen zusammen. Als er mit dem Bündel aus dem Haus trat, sah er vor der Werkstätte noch den Degen liegen, den er am Vormittag bearbeitet hatte, und dachte sich: Ich nehme ihn doch mit, als ihn unnütz liegen zu lassen, ein Degen ist immer gut zu brauchen. Er nahm den Degen mit und wanderte nun hinaus in die weite Welt. Durch manches Dorf führte ihn sein Weg und durch manche Stadt, und allenthalben fragte er um Arbeit. Aber all sein Fragen wollte nichts helfen, und so hieß es halt immer weitergehen, wenn auch mit leerem Beutel und hungrigem Magen.
Als er wieder einmal um Arbeit fragte, da wiesen ihn die Leute in ein Schloß, das in der Nähe lag, und erzählten ihm, daß da ein Hütebub nötig sei. »Aber es ist kein gutes Hüten bei dem Schloß droben«, sagten sie, »denn es ist eine verwunschene Alpe auf dem Berg, und da hat ein Hirt keinen guten Stand.«
Der Schmiedlerner achtete nicht viel auf die Warnungen, ging zu dem Grafen und meldete sich als Hirt. Der Graf nahm ihn freundlich auf, erzählte ihm aber ebenfalls, daß es auf der Alpe unheimlich sei und daß schon mehreren Hirten das Hüten nicht gut getan habe. »Wenn du das Hüten übernimmst, so will ich dich auch ordentlich bezahlen, daß du dich etwa nicht zu beklagen hast. Aber achtgeben mußt du dann schon auch und kein Stück in die verwunschene Alpe hineinlassen, sonst wünsche ich dir Glück.«
Der Lerner dachte sich: Was will ich machen? Arbeit habe ich jetzt keine, und in die Alpe werde ich nicht hineinfahren müssen.
»Ist schon recht«, sagte er zum Grafen, »ich will schon hüten und recht aufpassen, daß kein Stücklein in die verwunschene Alm geht.«
Sie waren nun handelseins, und der Schmiedlerner war jetzt Hirtenbub. Am anderen Tag trieb er das erstemal sein Vieh auf die Weide. Ein Diener des Grafen ging mit ihm und zeigte ihm genau das Mark, wie weit er zu hüten habe und wo die verwunschene Alpe angehe. Der Diener ging dann heim und ließ den Hirten allein bei seiner Herde. Der hatte aber genug zu tun. Bald lief ein Stück dahin, daß er ihm nachlaufen mußte, bald rannte eins dorthin, und er mußte wieder nachrennen. Der Tag ging ihm schnell vorüber, aber als es anfing, Abend zu werden und es Zeit war zum Heimfahren, da fühlte er auch eine solche Müdigkeit, daß er fast keinen Fuß mehr aufheben konnte.
Am zweiten Tag ging es nicht besser. Das Vieh wollte auf der Alpe des Grafen nicht bleiben, weil da nur schlechte Weide war, und versuchte immer hinüberzuspringen auf die verbotene, weil dort das Gras so hoch stand, daß es einem bis an die Knie reichte. Der Hirt hatte in einem fort abzuwehren, und wenn er das Vieh an einem Ort zurückgetrieben hatte, so mußte er schon wieder an einen anderen hinlaufen und dort mit aller Kraft die Peitsche handhaben. Als endlich der Abend kam, war er müde wie ein gehetzter Hund und konnte kaum noch die Beine rühren. Er dachte sich: Das ist ein schönes Handwerk, das Schmieden gehört auch nicht zum Leichtesten, aber lieber als an einem solchen Platz Hirt sein, will ich Tag und Nacht auf den Amboß klopfen.
Gegend Abend trieb er müd und unwillig die Herde heim und war herzlich froh, sein Bett zu erreichen, um den matten Leib ein bißchen ausruhen zu lassen.
Am dritten Tag ging es ihm wieder wie am ersten und zweiten. Am vierten Abend endlich, als er sich schon ganz müde gelaufen hatte und das Vieh gar nicht aufhörte, ihn herumzujagen, wurde ihm die Sache verleidet, und er dachte bei sich: Was wird denn auf dieser Alm sein? Das Gras ist ja schön, und ich sehe niemanden, der dem Vieh etwas zuleid tun könnte. Das beste ist, ich lasse die hungrigen Dinger einmal hinlaufen; wenn sie genug gefressen haben, werden sie wohl wieder zurückkommen. Kaum hatte er die Geißel beiseite gelegt und sein Laufen eingestellt, da war auch schon die ganze Herde über die Grenze und watete mit gefräßigem Eifer in dem hohen Gras umher. Es dauerte nicht lange, da legte sich ein Stück nach dem anderen auf den Boden, weil sie auf der fetten Weide bald satt waren.
Der Hirt legte sich auch in die Sonne, gerade dort, wo die Grenze zwischen den beiden Almen gezogen war. Er schaute nicht viel um sich, spielte und schnitzte etwas und hatte doch seine Gedanken immer bei der verbotenen Alpe. Auf einmal klapperten alle Schellen und Glocken, er schaute um und sah die ganze Herde im Rudel daherrennen. Hinterher aber fuhr ein scheußlicher Drache mit langem Hals und aufgesperrtem Rachen. Der Hirt wußte sich schnell zu helfen, stellte sich hinter die nächste Föhre und zückte seinen Degen. Er ließ die ganze Herde vorbeilaufen, und als der Drache kam, führte er einen Schlag und schlug ihm mit einem Hieb den Kopf weg. Augenblicklich fielen Kopf und Drache zur Erde, daß der Boden zitterte, und der Knabe ließ vor Freude einen hellen Juchzer ab.
Er machte sich nun über den Drachen her und schnitt Kopf und Leib in Stücke. Im Kopf fand er einen eisernen Schlüssel, und diesen versteckte er an einem sicheren Ort. Die Stücke des Drachen aber warf er über einen Abgrund hinaus, weil von der ganzen Sache niemand etwas wissen sollte. Nun kehrte er mit der Herde heim, sperrte sie in den Stall und legte sich schlafen, ohne vom Drachen ein Wort zu verlieren.
Am anderen Tag trieb er die Herde wieder hinaus, plagte sich aber nur wenig mit der Bewachung der Grenze. Er ließ das Vieh gehen, wohin es wollte, und legte sich selbst an einen bequemen Ort. Als der Abend kam und er noch mit allerlei Kurzweil beschäftigt war, hörte er auf einmal wieder das Klappern und Klingeln und sah die Herde im Sturm daherlaufen. Hinterdrein flog wieder ein Drache, der streckte zwei lange Hälse hinaus und sperrte zwei fürchterliche Rachen auf. Der Hirt stellte sich wieder hinter die Föhre, hielt den Degen schlagfertig, ließ Schafe und Ziegen vorbeirennen und führte, sobald der Drache herankam, einen kräftigen Streich. Da fiel das Ungetüm nieder, daß der Boden zitterte, und die beiden Köpfe lagen richtig abseits vom Rumpf. Der Hirte juchzte lustig, machte sich an den Drachen, zerschnitt ihn und fand in dem Kopf, der zur rechten Seite stand, einen silbernen Schlüssel. Diesen versteckte er, den Drachen aber warf er in einen Abgrund. Dann fuhr er mit der Herde heim und legte sich schlafen.
Am folgenden Tag ging es nicht anders. Der Hirt spielte für sich, die Herde lief auf die verbotene Alpe, und als der Abend kam, rannte alles durcheinander, daß die Schellen klapperten und die Glocken klingelten. Hinterdrein fuhr ein Drache mit drei Köpfen. Der Hirt stellte sich hinter die Föhre, haute mit einem Streich alle drei Köpfe ab, zerschnitt den Drachen und fand im mittleren Kopf einen Schlüssel, der von purem Gold war. Diesen versteckte er, den Drachen aber warf er in den Abgrund hinab zu den anderen zweien. Dann fuhr er heim mit der Herde und legte sich schlafen, ohne einem Menschen von den Drachen etwas zu sagen.
Am folgenden Tag fuhr er wieder hinaus und ließ die Herde grasen, wo sie wollte; allein heute kam kein Drache, und die Ziegen und Schafe warteten ruhig, bis der Hirt sie heimtrieb. Ebenso ging es am folgenden und am dritten Tag, der Hirt hatte das leichteste Hüten, und das Vieh wurde so fett, daß sich jeder Mensch darüber wunderte. Der Graf fragte den Hirten öfter, ob ihm das Hüten nicht sauer werde, hörte aber nie die mindeste Klage. Er schaute die Herde an, fragte, wie das zuginge, daß alle Stücke so fett seien. Der Hirt sagte aber gar kein Wort, daß die Drachen tot seien und ihre Alm nun von dem Vieh des Grafen abgeweidet werde. So ging es lange Zeit fort, und der Hirt hatte die besten Zeiten.
Weil ihm das Hüten keine Mühe machte, suchte er sich auf andere Weise die Zeit zu vertreiben und fing zur Kurzweil allerlei Spiele an. Besonders tändelte er oft im Schatten der Föhre, hinter der er seine Heldentaten vollbracht hatte. Er grub bald da, bald dort in der Erde ein Loch auf, ohne an etwas anderes zu denken als an seine Spiele.
Da kam er einmal mit Graben an ein Eisenblech und wunderte sich stark, was denn das zu bedeuten habe. Er erweiterte das Loch immer mehr und sah endlich, daß es eine eiserne Tür war, die er entdeckt hatte. Er wunderte sich sehr, was diese zu bedeuten habe, und er dachte nach, wie sie etwa aufgemacht werden könnte. Da fielen ihm die drei Schlüssel ein. Er lief sogleich hin und holte sie herbei. Zuerst steckte er den goldenen an, der sperrte aber nicht auf. Dann probierte er den silbernen, auch dieser wollte nicht passen. Endlich versuchte er es mit dem eisernen, und sogleich ging das Schloß auf. Der Hirt öffnete die Tür und schaute neugierig hinein. Da sah er nichts als einen großen, finsteren Gang. Er entschloß sich und ging hinein. Als der Gang zu Ende war, kam er in einen großen, weiten Saal. Er schaute sich nach allen Seiten um und fand, daß alles in dem Saal von Eisen war. Ein lebendes Wesen sah er nicht, außer daß an einer Krippe ein kohlschwarzes Roß stand, das einen eisernen Harnisch trug, und daneben hing auch ein eiserner Harnisch für einen Ritter.
Am Ende des Saales war eine silberne Tür. Zu dieser ging er hin, zog den goldenen Schlüssel heraus und wollte aufmachen. Der goldene paßte aber nicht, und er nahm den silbernen. Dieser sperrte ganz leicht auf, und er konnte ungehindert hineintreten. Da war wieder ein großer, weiter Saal, aber in diesem war alles von Silber, und an einer Krippe stand ein Roß mit silbernem Harnisch, und daneben hing auch ein Silberharnisch für einen Ritter.
Am Ende des Saales war eine goldene Tür, auf diese ging der Hirt los und öffnete sie mit dem goldenen Schlüssel. Drinnen war wieder ein großer Saal, der den ersten beiden ganz ähnlich sah, nur daß hier alles von purem Gold war. Hier stand ein weißes Roß mit goldenem Harnisch, und der Ritterharnisch, der daneben hing, funkelte auch von purem Gold.
Der Junge schaute sich alles gut an, ging dann wieder zurück und sperrte die Türen zu. Er ging nun öfter in diese Gemächer hinein, weil es ihm drinnen so gut gefiel und ihm das Hüten jetzt nicht viel zu schaffen machte. Er sagte aber keinem Menschen etwas davon und hielt es so geheim wie die Geschichte von den drei Drachen.
Nun hatte aber der Graf eine wunderschöne Tochter, und täglich kamen Grafen und Ritter in das Schloß, die um ihre Hand warben. Der Graf wußte nicht, welchem unter den vielen Freiern er seine Tochter geben sollte. Er mochte auch keinen dadurch beleidigen, daß er ihm einen anderen vorzog, und sann auf ein Mittel, wie er seine Tochter verheiraten könnte, ohne selbst die Wahl vorzunehmen und allerlei Verdruß zu erregen. Er ließ bekanntmachen, wer seine Tochter haben wolle, der müsse sie gewinnen, und setzte zugleich den Tag an, an dem sich die jungen Herren zu dem Wettkampf versammeln sollten.
Der Hirt hörte von dieser Kundmachung, und es fiel ihm sogleich ein, ob er denn nicht auch aus den unterirdischen Sälen ein Pferd und einen Harnisch nehmen und sich beim Wettrennen einfinden könnte. Er meinte, probieren schadet nichts, und war bald entschlossen, den Spaß mitzumachen.
Als der bestimmte Tag herankam, wurde es lebendig auf allen Gassen und Straßen, und schmucke Ritter und Grafen auf prachtvollen Pferden ritten dem Grafenschloß zu. Auch kam einer mit eisernem Harnisch auf einem kohlschwarzen Pferd dahergesprengt. Das war niemand anders als der Hütebub des Schlosses, aber kein Mensch erkannte ihn, und man hielt ihn für einen stattlichen Ritterssohn. Zur bestimmten Zeit wurde die Grafentochter herausgeführt und auf eine Säule gestellt. In der Hand hielt sie einen Veilchenstengel empor, und es wurde bekanntgemacht, die Ritter sollten im weiten Kreise herumreiten, und wer dann diese Blume zuerst erjage, der sollte die Braut nach Hause führen.
Die Ritter stellten sich an und begannen den Ritt. Da lief das schwarze Pferd, auf dem der Hirt saß, allen andern weit voraus, und bald konnte der Ritter sich zur Hand der schönen Jungfrau erheben und ihr den Veilchenstengel abnehmen. Die anderen Ritter schauen ihm mißgünstig nach, er selbst aber gab dem Pferd die Sporen und sprengte wie im Flug von dannen. Er kam auf die Alpe zurück, führte das Pferd wieder an seinen Ort, legte den Harnisch ab, und als ob nichts geschehen wäre, fuhr er abends mit seiner Herde nach Hause. Den Veilchenstengel gab er heimlich der Grafentochter, sagte aber niemandem etwas, wie es zugegangen war, daß er ihn erlangt habe.
Der Graf wartete wochenlang und meinte, der Sieger müßte kommen, um die gewonnene Braut zu begehren. Wer sich aber nicht meldete, das war der Ritter, der den Veilchenstengel gewonnen hatte.
Dem Grafen ging die Geduld aus, und er ließ bekanntmachen, daß seiner Tochter wegen noch einmal ein Wettreiten gehalten werde.
Am bestimmten Tag kamen wieder zahlreiche Ritter und Grafensöhne, um ihr Glück und Geschick zu probieren. Auch kam einer dahergeritten im silbernen Harnisch und auf rotem Roß und stellte sich in die Reihe der übrigen. Zur bestimmten Stunde wurde die Grafentochter herausgeführt mit einem Veilchenstengel in der Hand. Der Ritt begann, und allen voraus flog der silberne Ritter auf dem roten Pferd. Er nahm den Veilchenstengel aus der Hand der Jungfrau und sprengte damit augenblicklich von dannen. Das war wieder der gräfliche Hirt gewesen, der ritt jetzt zur Alpe zurück, tat Roß und Harnisch an ihren Ort und fuhr abends mit der Herde heim. Den Veilchenstengel brachte er wieder der Grafentochter, sagte aber weder ihr noch sonst jemandem, daß er selbst ihn gewonnen habe.
Der Graf wartete wieder lange Zeit auf die Meldung des Siegers. Aber auch diesmal kam der Bräutigam nicht, um seine Braut zu holen, und das dritte Wettrennen wurde ausgeschrieben. Diesmal kam der Hirt auf dem weißen Roß und im goldenen Harnisch und stellte sich in die Reihe der Grafen und Ritter. Als die Jungfrau auf der Säule den Veilchenstengel emporhob und das Zeichen zum Ritt gegeben wurde, war er wieder der erste am Ziel und nahm die Blume aus ihrer Hand. Dann flog er von dannen, und kein Mensch wußte, wohin er gekommen war. Er ritt aber zur Alpe, tat Pferd und Harnisch, wohin sie gehörten, und trieb abends die Herde heim. Den Veilchenstengel brachte er wieder der Grafentochter, sagte ihr aber nichts, woher er ihn bekommen habe.
Auch diesmal wartete der Graf umsonst auf das Erscheinen des Bräutigams. Er war voll Zorn und Ärger und wußte nicht, was er anfangen sollte. Er erfuhr aber, daß seine Tochter den Veilchenstengel immer wieder bekommen hatte, ließ sie daher vor sich kommen und fragte, wer derjenige sei, der die gewonnenen Blumen zurückgebracht habe. Sie erzählte, daß allemal am Abend der Hirtenbub mit dem Veilchenstengel zu ihr gekommen war. Als der Graf das hörte, wurde er sehr neugierig und ließ sogleich den Hirten vor sich rufen. Er forderte ihn auf, zu bekennen, wer ihm an jedem Abend den gewonnenen Veilchenstengel gegeben habe. Da erzählte der Hirt, daß er sie von keinem anderen empfangen habe, sondern daß er selbst der dreimalige Sieger sei.
Als der Graf das hörte, fuhr er ihn an und sagte: »Aber warum hast du dich denn nicht früher gemeldet?«
Der Hirt antwortete: »Ich habe mir halt immer gedacht, sie würde mich doch nicht mögen.«
Der Graf aber sprach: »Was ich einmal gesagt habe, das muß seine Richtigkeit haben, und du bist daher der Bräutigam meiner Tochter.«
Bei diesen Worten war der Schmiedlerner wie aus allen Wolken gefallen und wußte nicht, wie er die Großmut seines Herrn genug loben und ihm danken sollte.
Es wurde nun alles zur Hochzeit bereitgemacht, und viele Ritter und Herren wurden eingeladen. Erst beim Hochzeitsmahl fragte man den Bräutigam, woher er denn die schönen Waffen und Rosse bekommen habe. Da erzählte er von den drei Drachen, von den in ihren Köpfen gefundenen Schlüsseln und von den unterirdischen Sälen.
Da wunderte sich alles, und nach der Mahlzeit führte er die andern hinaus zu der Föhre, sperrte die eiserne Tür auf und führte sie hinein. Als sie in den ersten Saal kamen, wo alles von Eisen war, da hub das schwarze Roß an zu reden und sagte zu dem alten Grafen: »Ich bin dein Urgroßvater und habe diese Alpe dem Urgroßvater deines Hirten genommen, und jetzt bin ich verloren.«
Als sie in den zweiten Saal kamen, wo alles von Silber war, da fing das rote Roß an zu reden und sagte zum alten Grafen: »Ich bin dein Großvater und habe um diese Sache nur wenig gewußt; ich bin im Fegfeuer.«
Dann gingen sie in den dritten Saal, wo alles von Gold war, und da hub das weiße Roß an zu reden und sagte zum alten Grafen: »Ich bin dein Vater und habe um die Sache gar nichts mehr gewußt und bin nun selig.«
Hiermit waren alle drei Rosse verschwunden, und die Grafenleute mit den Gästen kehrten in das Schloß zurück. Wie lange sie dort noch geschmaust haben, weiß ich dir nicht zu sagen.

(mündlich in Hafling)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]

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