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Ein Mann und eine Frau hatten zwei Kinder und nichts zu essen. Da sprach die Frau zu ihrem Manne: „Gehe zu einem Zigeuner und lasse eine Axt machen und gehe damit in den Wald und haue Starnester aus!“ Das tat der Mann, und wie er in den Wald kam, sah er einen wunderschönen Vogel. Er nahm seine Axt und warf nach ihm, traf aber nicht, und der Vogel flog weiter. Er verfolgte ihn nun in einem fort den ganzen Tag. Der Vogel ward endlich so müde, dass er die Flügel senkte und zur Erde fiel. Der Mann fing ihn jetzt und trug ihn nach Hause und legte ihn in einen Korb. Da sang er so wunderschön, dass alle Leute aus der Nachbarschaft und die vorübergingen hinkamen, standen und zuhörten. Der Mann aber und seine Frau und seine Kinder waren hungrig, und er wollte ihn töten. Da sprachen die Leute, das wäre doch jammerschade, er solle es nicht tun. Die Armen verschmerzten noch eine Zeitlang den Hunger und ließen ihn leben.
In der Nacht aber hatte der Vogel ein Ei gelegt, das war ein Karfunkelstein, und alles wurde licht und hell im Zimmer, als schiene die Sonne. Da wunderten sich die Leute noch mehr und kamen in das Haus und sahen den glänzenden Stein und den schönen Vogel. Nun kam auch ein Jude des Weges, und als er hörte, was es gebe, ging er neugierig hinein und bekam gleich Lust nach dem schönen Stein. Der Mann aber wollte ihn nicht verkaufen. Weil ihm aber der Jude zuletzt eine sehr große Summe anbot und er so bedürftig war und nicht wusste, wie er sonst seine Not stillen sollte, so gab er ihn hin. „Vielleicht“, dachte er, „wird der Vogel wieder einen legen.“ Und er täuschte sich nicht. Am folgenden Morgen lag auf der nämlichen Stelle wieder ein Karfunkelstein. „Weh dir!“ sprach der Jude bei sich, „du bist ein armer ruinierter Mensch, wenn du den Vogel nicht bekommst“, und lief gleich zu dem Manne und sprach: „Was soll ich dir geben für den Vogel? Verlange!“ Der Mann aber sagte, der Vogel wäre ihm um keinen Preis feil. Da bot ihm der Jude eine unendlich große Summe. Doch war der Mann jetzt nicht zu erweichen. „Lasse mich ihn doch wenigstens einmal näher betrachten“, sprach der Jude. Der Mann reichte den Korb dar, und der Jude erfasste vom Vogel den linken Flügel und hob ihn auf und las für sich mit Erstaunen, was darunter geschrieben stand: „Wer das Herz isst, wird jeden Morgen drei Goldstücke unterm Polster finden!“ Er hob den rechten Flügel, und darunter stand geschrieben: „Wer die Leber isst, wird König in Rom!“
Da fragte ihn der Mann, der nicht lesen konnte: „Was steht denn da geschrieben?“ – „Sehr Schlechtes!“ antwortete der Jude, „in zwei Tagen wird der Vogel sterben. Wenn Ihr ihn aber jetzt schlachtet und mir ganz zurichtet, so will ich noch den Preis dafür geben, den ich Euch zuletzt geboten.“ Der Mann dachte: „Besser ein kleiner Gewinn als ein großer Verlust“ tötete den Vogel und ließ ihn für den Juden zurichten. Wie man ihn nun am Spieße briet, fielen Herz und Leberchen in die Bratpfanne, und die beiden Knaben des Mannes, die am Herde zusahen, aßen dieselben gleich, der ältere Knabe das Herz und der jüngere die Leber. Als der Vogel dem Juden vorgesetzt wurde und er sah, dass Herz und Leber fehlten, rief er: „So haben wir nicht gehandelt. Ich sollte den ganzen Vogel haben, und nun fehlt Herz und Leber, das Beste.“ Da nahm er sein Geld schnell wieder zurück und zog mit seinem Karfunkelstein in die Welt. Der Mann aber war sehr zornig, dass er um den Vogel und den schönen Gewinn gekommen, und als er erfuhr, dass seine Knaben Herz und Leber gegessen hatten, so schlug er sie unbarmherzig und jagte sie fort. Da kam ein alter Soldat des Weges, der erbarmte sich der Kinder, und der Mann sprach: „Wenn du dich ihrer so annimmst, so führe sie mit dir fort aus meinen Augen. Doch warte, ich will sie zuvor noch zeichnen.“ Er schnitt jedem den kleinen Finger der linken Hand ab.
Der Soldat nahm die Kinder mit, machte eine Salbe und heilte ihnen die Finger an. Sie schliefen über Nacht in einem Wald, und als sie morgens erwachten, lagen unter dem Haupte des Knaben, der das Herz gegessen hatte, drei Goldstücke. Der Soldat nähte sie dem Jungen in einen Rockzipfel und führte sie dann in die Stadt, wo der König wohnte, und setzte sie auf einen Stein und ging seiner Wege. Der König lag gerade im Fenster, erblickte die Knaben, ließ sie jedoch sitzen. Die Königstochter kam aber auch bald in das Fenster, und als sie die armen Knaben auf dem Steine sah, schickte sie eine Magd hin und ließ sie ins Schloss bringen. Sie wurden mit an den Tisch gesetzt, und während des Essens erzählten sie, wie ihr Vater sie so sehr geschlagen und ihnen den Finger abgehauen habe, weil sie das Herzchen und Leberchen vom Vogel gegessen hätten, wie aber ein guter Soldat sich ihrer erbarmt, sie geheilt und in die große Stadt gebracht hätte. Der König und die Königstochter fühlten Mitleid mit den Armen und behielten sie bei sich. Jeder bekam eine Büchse, und damit gingen sie täglich auf die Jagd. Der König hatte eine treue Dienstmagd.
Als diese nach einiger Zeit aus dem Dienst gehen sollte, kam sie vor ihren Herrn und sprach: „An jedem Morgen, seit die beiden Knaben im Hause sind, fand ich unter dem Polster des ältern drei Goldstücke. Hier sind alle, und es fehlt auch nicht ein einziges!“ Da kam es dem König etwas unheimlich vor.
Er sprach zu seiner Tochter: „Es ist mit den Jungen nicht ganz richtig, schicken wir sie fort!“ Man nahm alle Goldstücke und nähte sie dem ältern Knaben in einen Kleidzipfel ein, dann führte man beide in einen Wald und ließ sie da allein. Sie aber gingen miteinander weiter. Da kamen sie auf einen Kreuzweg. Hier warfen sie das Los, welchen Weg jeder gehen sollte. Da traf es sich, dass der Ältere nach Morgen zog, der Jüngere gegen Mittag, der Stadt Rom zu. Als dieser spät abends vor der Stadt anlangte, waren die Tore verschlossen. Er musste nun vor dem Tore bleiben. Die Römer aber hatten in dem Jahre schon sieben Könige gehabt, alle waren gestorben und niemand wollte jetzt König sein. Da hatte der Rat ausgemacht, frühmorgens, wenn das Tor geöffnet würde, den ersten, der dadurch einziehe, zum König zu nehmen. Der erste war aber der Junge. Er wurde gleich von dem ganzen Rate als König begrüßt, und er hatte nichts dawider, setzte sich die Krone auf und fing an zu regieren und große Paläste, Schlösser und Türme zu bauen.
Der ältere Bruder war auf seinem Wege bald in eine kleine Stadt gekommen. Da blieb er und nahm sich eine Frau und lebte einige Zeit mit ihr ganz gut. Denn dass ihr Mann so viele Dukaten hatte, gefiel ihr. Und sie wusste sie alle hinzubringen. Eines Tages fragte sie ihn aber, woher er die vielen Goldstücke bekomme. Und er erzählte ihr arglos, wie ja ein Mann seinem Weib erzählt, wie das vom Vogelherzen, das er in sich habe, herrühre. Die Frau lief sogleich in die Apotheke, braute einen Schlaftrunk und ein Brechmittel und gab ihrem Mann beides ein. Da gab er das Herz von sich. Sie verschluckte es gleich, und von da an waren unter ihrem Haupte die drei Dukaten. Jetzt jagte sie ihren Mann aus dem Hause und nahm sich einen andern. Der nun zog traurig fort ins Elend. Ein Jahr lang brachte er sich noch gut durch. Denn er nahm die Dukaten, die in seinem Kleidzipfel eingenäht waren, hervor. Als die aber aufgezehrt waren, wusste er nichts anzufangen und litt nun große Not.
Eines Tages ging er missmutig in den Wald. Da sah er ein altes Weib im Kot liegen. Das war aber eine Hexe. „Hilf mir“, rief diese ihm zu, „ich will dir auch helfen!“ Da hob er sie aus der Kotlache heraus. Die Hexe gab ihm einen Zaum und sprach:
„Über was du diesen Zaum immer schüttelst, es sei Stein, Baum, Tier oder Mensch, das wird ein Pferd!“ – „Das ist was Gutes!“ dachte er bei sich, „du willst gleich versuchen!“ Da schüttelte er ihn über einem Stein, sogleich stand ein Pferd vor ihm. Er schwang sich auf und ritt geradeaus zu der Stadt, wo seine Frau wohnte. Vor dem Stadttore nahm er den Zaum ab. Da lag ein Stein an der Stelle, wo das Pferd gestanden. Er ging nun hinein und kam insgeheim in das Haus zu seiner Frau, ohne dass sie es merkte. Sie ging gerade im Hof herum. Er schüttelte den Zaum über ihr, und gleich war sie ein Pferd. Da setzte er sich auf und ritt in einem fort bis in die Nähe der Stadt Rom, also dass sein Pferd fast zusammensank. „Warte, es ist noch nicht genug!“ sprach er. Da sah er viele Leute mächtige Bausteine führen. „Das ist eine gute Arbeit für dein Pferd!“ sprach er und führte nun in einem fort so viele Steine, dass dieses immer magerer wurde und zuletzt nur die Knochen an sich hatte. Da klagten ihn die Leute, welche durch ihn in ihrem Erwerb verkürzt wurden, aus Neid und Bosheit vor dem höchsten Gerichte als einen Tierquäler an, und er wurde zum Tode verurteilt. Wie er gehängt werden sollte, war der König auch zugegen.
Da erkannte der Verurteilte seinen Bruder und rief: „Bruder, finde ich denn bei dir keine Gnade?“ Der König sah ihn lange verwundert an. Endlich erkannte er ihn auch, fiel ihm um den Hals und sprach: „O Bruder, wie gerne täte ich das, aber wohin käme es mit der Gerechtigkeit, wenn ich sie nicht üben sollte!“ – „So übe denn nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit, aber höre mich erst!“
Nun erzählte er dem König seine ganze Geschichte seit ihrer Trennung. „Wohlan“, sprach dieser, „zeige, dass dieses Pferd dein Weib ist!“ Da nahm jener den Zaum ab, und alsbald stand seine Frau da. Gleich musste sie durch ein Brechmittel das Herz herausgeben. Ihr Mann verschluckte es sogleich, und die Dukaten fanden sich sofort wieder unter seinem Haupte, und er blieb nun bei seinem Bruder und wurde dessen Schatzmeister. Der König aber sprach: „Untreue muss mit dem Tode bestraft werden“, und ließ die Frau hinrichten, wie sie es verdient hatte.
Beide Brüder lebten nun zusammen glücklich. Sie suchten auch ihren alten Vater auf. Der aber wollte sie lange nicht erkennen. Da sprachen sie: „Ihr erinnert Euch doch, wie Ihr uns einem alten Soldaten gabt und zuvor jedem von uns den kleinen Finger von der linken Hand abhiebet. Der gute Soldat heilte uns die Finger an. Aber da seht Ihr noch die Narben!“ und damit zeigten sie ihm die Finger. Er musste nun freilich alles für wahr halten, und da er es schon lange schwer bereut hatte, dass er seine Kinder des Geldes wegen verstoßen hatte, sprach er:
„Strafet mich jetzt nur gut, ich habe es verdient!“ Die Söhne aber sagten: „Lasset das nur sein, Vater. Gerade dadurch, dass Ihr uns fortjagtet, sind wir zu Glück und Ehren gekommen!“ Der Jude aber hörte und sah auch, dass in Erfüllung gegangen wäre, was unter den Flügeln des seltsamen Vogels gestanden. Er ging in seinem Neid und Verdruss in den Wald und erhängte sich.
In der Nacht aber hatte der Vogel ein Ei gelegt, das war ein Karfunkelstein, und alles wurde licht und hell im Zimmer, als schiene die Sonne. Da wunderten sich die Leute noch mehr und kamen in das Haus und sahen den glänzenden Stein und den schönen Vogel. Nun kam auch ein Jude des Weges, und als er hörte, was es gebe, ging er neugierig hinein und bekam gleich Lust nach dem schönen Stein. Der Mann aber wollte ihn nicht verkaufen. Weil ihm aber der Jude zuletzt eine sehr große Summe anbot und er so bedürftig war und nicht wusste, wie er sonst seine Not stillen sollte, so gab er ihn hin. „Vielleicht“, dachte er, „wird der Vogel wieder einen legen.“ Und er täuschte sich nicht. Am folgenden Morgen lag auf der nämlichen Stelle wieder ein Karfunkelstein. „Weh dir!“ sprach der Jude bei sich, „du bist ein armer ruinierter Mensch, wenn du den Vogel nicht bekommst“, und lief gleich zu dem Manne und sprach: „Was soll ich dir geben für den Vogel? Verlange!“ Der Mann aber sagte, der Vogel wäre ihm um keinen Preis feil. Da bot ihm der Jude eine unendlich große Summe. Doch war der Mann jetzt nicht zu erweichen. „Lasse mich ihn doch wenigstens einmal näher betrachten“, sprach der Jude. Der Mann reichte den Korb dar, und der Jude erfasste vom Vogel den linken Flügel und hob ihn auf und las für sich mit Erstaunen, was darunter geschrieben stand: „Wer das Herz isst, wird jeden Morgen drei Goldstücke unterm Polster finden!“ Er hob den rechten Flügel, und darunter stand geschrieben: „Wer die Leber isst, wird König in Rom!“
Da fragte ihn der Mann, der nicht lesen konnte: „Was steht denn da geschrieben?“ – „Sehr Schlechtes!“ antwortete der Jude, „in zwei Tagen wird der Vogel sterben. Wenn Ihr ihn aber jetzt schlachtet und mir ganz zurichtet, so will ich noch den Preis dafür geben, den ich Euch zuletzt geboten.“ Der Mann dachte: „Besser ein kleiner Gewinn als ein großer Verlust“ tötete den Vogel und ließ ihn für den Juden zurichten. Wie man ihn nun am Spieße briet, fielen Herz und Leberchen in die Bratpfanne, und die beiden Knaben des Mannes, die am Herde zusahen, aßen dieselben gleich, der ältere Knabe das Herz und der jüngere die Leber. Als der Vogel dem Juden vorgesetzt wurde und er sah, dass Herz und Leber fehlten, rief er: „So haben wir nicht gehandelt. Ich sollte den ganzen Vogel haben, und nun fehlt Herz und Leber, das Beste.“ Da nahm er sein Geld schnell wieder zurück und zog mit seinem Karfunkelstein in die Welt. Der Mann aber war sehr zornig, dass er um den Vogel und den schönen Gewinn gekommen, und als er erfuhr, dass seine Knaben Herz und Leber gegessen hatten, so schlug er sie unbarmherzig und jagte sie fort. Da kam ein alter Soldat des Weges, der erbarmte sich der Kinder, und der Mann sprach: „Wenn du dich ihrer so annimmst, so führe sie mit dir fort aus meinen Augen. Doch warte, ich will sie zuvor noch zeichnen.“ Er schnitt jedem den kleinen Finger der linken Hand ab.
Der Soldat nahm die Kinder mit, machte eine Salbe und heilte ihnen die Finger an. Sie schliefen über Nacht in einem Wald, und als sie morgens erwachten, lagen unter dem Haupte des Knaben, der das Herz gegessen hatte, drei Goldstücke. Der Soldat nähte sie dem Jungen in einen Rockzipfel und führte sie dann in die Stadt, wo der König wohnte, und setzte sie auf einen Stein und ging seiner Wege. Der König lag gerade im Fenster, erblickte die Knaben, ließ sie jedoch sitzen. Die Königstochter kam aber auch bald in das Fenster, und als sie die armen Knaben auf dem Steine sah, schickte sie eine Magd hin und ließ sie ins Schloss bringen. Sie wurden mit an den Tisch gesetzt, und während des Essens erzählten sie, wie ihr Vater sie so sehr geschlagen und ihnen den Finger abgehauen habe, weil sie das Herzchen und Leberchen vom Vogel gegessen hätten, wie aber ein guter Soldat sich ihrer erbarmt, sie geheilt und in die große Stadt gebracht hätte. Der König und die Königstochter fühlten Mitleid mit den Armen und behielten sie bei sich. Jeder bekam eine Büchse, und damit gingen sie täglich auf die Jagd. Der König hatte eine treue Dienstmagd.
Als diese nach einiger Zeit aus dem Dienst gehen sollte, kam sie vor ihren Herrn und sprach: „An jedem Morgen, seit die beiden Knaben im Hause sind, fand ich unter dem Polster des ältern drei Goldstücke. Hier sind alle, und es fehlt auch nicht ein einziges!“ Da kam es dem König etwas unheimlich vor.
Er sprach zu seiner Tochter: „Es ist mit den Jungen nicht ganz richtig, schicken wir sie fort!“ Man nahm alle Goldstücke und nähte sie dem ältern Knaben in einen Kleidzipfel ein, dann führte man beide in einen Wald und ließ sie da allein. Sie aber gingen miteinander weiter. Da kamen sie auf einen Kreuzweg. Hier warfen sie das Los, welchen Weg jeder gehen sollte. Da traf es sich, dass der Ältere nach Morgen zog, der Jüngere gegen Mittag, der Stadt Rom zu. Als dieser spät abends vor der Stadt anlangte, waren die Tore verschlossen. Er musste nun vor dem Tore bleiben. Die Römer aber hatten in dem Jahre schon sieben Könige gehabt, alle waren gestorben und niemand wollte jetzt König sein. Da hatte der Rat ausgemacht, frühmorgens, wenn das Tor geöffnet würde, den ersten, der dadurch einziehe, zum König zu nehmen. Der erste war aber der Junge. Er wurde gleich von dem ganzen Rate als König begrüßt, und er hatte nichts dawider, setzte sich die Krone auf und fing an zu regieren und große Paläste, Schlösser und Türme zu bauen.
Der ältere Bruder war auf seinem Wege bald in eine kleine Stadt gekommen. Da blieb er und nahm sich eine Frau und lebte einige Zeit mit ihr ganz gut. Denn dass ihr Mann so viele Dukaten hatte, gefiel ihr. Und sie wusste sie alle hinzubringen. Eines Tages fragte sie ihn aber, woher er die vielen Goldstücke bekomme. Und er erzählte ihr arglos, wie ja ein Mann seinem Weib erzählt, wie das vom Vogelherzen, das er in sich habe, herrühre. Die Frau lief sogleich in die Apotheke, braute einen Schlaftrunk und ein Brechmittel und gab ihrem Mann beides ein. Da gab er das Herz von sich. Sie verschluckte es gleich, und von da an waren unter ihrem Haupte die drei Dukaten. Jetzt jagte sie ihren Mann aus dem Hause und nahm sich einen andern. Der nun zog traurig fort ins Elend. Ein Jahr lang brachte er sich noch gut durch. Denn er nahm die Dukaten, die in seinem Kleidzipfel eingenäht waren, hervor. Als die aber aufgezehrt waren, wusste er nichts anzufangen und litt nun große Not.
Eines Tages ging er missmutig in den Wald. Da sah er ein altes Weib im Kot liegen. Das war aber eine Hexe. „Hilf mir“, rief diese ihm zu, „ich will dir auch helfen!“ Da hob er sie aus der Kotlache heraus. Die Hexe gab ihm einen Zaum und sprach:
„Über was du diesen Zaum immer schüttelst, es sei Stein, Baum, Tier oder Mensch, das wird ein Pferd!“ – „Das ist was Gutes!“ dachte er bei sich, „du willst gleich versuchen!“ Da schüttelte er ihn über einem Stein, sogleich stand ein Pferd vor ihm. Er schwang sich auf und ritt geradeaus zu der Stadt, wo seine Frau wohnte. Vor dem Stadttore nahm er den Zaum ab. Da lag ein Stein an der Stelle, wo das Pferd gestanden. Er ging nun hinein und kam insgeheim in das Haus zu seiner Frau, ohne dass sie es merkte. Sie ging gerade im Hof herum. Er schüttelte den Zaum über ihr, und gleich war sie ein Pferd. Da setzte er sich auf und ritt in einem fort bis in die Nähe der Stadt Rom, also dass sein Pferd fast zusammensank. „Warte, es ist noch nicht genug!“ sprach er. Da sah er viele Leute mächtige Bausteine führen. „Das ist eine gute Arbeit für dein Pferd!“ sprach er und führte nun in einem fort so viele Steine, dass dieses immer magerer wurde und zuletzt nur die Knochen an sich hatte. Da klagten ihn die Leute, welche durch ihn in ihrem Erwerb verkürzt wurden, aus Neid und Bosheit vor dem höchsten Gerichte als einen Tierquäler an, und er wurde zum Tode verurteilt. Wie er gehängt werden sollte, war der König auch zugegen.
Da erkannte der Verurteilte seinen Bruder und rief: „Bruder, finde ich denn bei dir keine Gnade?“ Der König sah ihn lange verwundert an. Endlich erkannte er ihn auch, fiel ihm um den Hals und sprach: „O Bruder, wie gerne täte ich das, aber wohin käme es mit der Gerechtigkeit, wenn ich sie nicht üben sollte!“ – „So übe denn nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit, aber höre mich erst!“
Nun erzählte er dem König seine ganze Geschichte seit ihrer Trennung. „Wohlan“, sprach dieser, „zeige, dass dieses Pferd dein Weib ist!“ Da nahm jener den Zaum ab, und alsbald stand seine Frau da. Gleich musste sie durch ein Brechmittel das Herz herausgeben. Ihr Mann verschluckte es sogleich, und die Dukaten fanden sich sofort wieder unter seinem Haupte, und er blieb nun bei seinem Bruder und wurde dessen Schatzmeister. Der König aber sprach: „Untreue muss mit dem Tode bestraft werden“, und ließ die Frau hinrichten, wie sie es verdient hatte.
Beide Brüder lebten nun zusammen glücklich. Sie suchten auch ihren alten Vater auf. Der aber wollte sie lange nicht erkennen. Da sprachen sie: „Ihr erinnert Euch doch, wie Ihr uns einem alten Soldaten gabt und zuvor jedem von uns den kleinen Finger von der linken Hand abhiebet. Der gute Soldat heilte uns die Finger an. Aber da seht Ihr noch die Narben!“ und damit zeigten sie ihm die Finger. Er musste nun freilich alles für wahr halten, und da er es schon lange schwer bereut hatte, dass er seine Kinder des Geldes wegen verstoßen hatte, sprach er:
„Strafet mich jetzt nur gut, ich habe es verdient!“ Die Söhne aber sagten: „Lasset das nur sein, Vater. Gerade dadurch, dass Ihr uns fortjagtet, sind wir zu Glück und Ehren gekommen!“ Der Jude aber hörte und sah auch, dass in Erfüllung gegangen wäre, was unter den Flügeln des seltsamen Vogels gestanden. Er ging in seinem Neid und Verdruss in den Wald und erhängte sich.
Quelle: (Josef Haltrich)