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Der siebenmal Getötete

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Ein Bauer hatte drei Söhne. Von diesen waren die beiden ältern gescheit, der jüngste aber so, was man „tulemutig“ nennt. Als der Vater starb, hinterließ er ihnen nur eine Kuh, und da sie diese nicht zerteilen konnten, so beschlossen sie, jeder solle einen Stall bauen und die Kuh solle dem gehören, in dessen Stall sie hineingehen werde. Die beiden ältern Brüder bauten jeder einen prächtigen Stall, der eine aus Steinen, der andere aus gutem Bauholz. Der jüngste aber flocht nur einen aus grünen Weiden. Als am Abend die Herde heimkehrte, standen die Brüder von weitem und waren neugierig, in wessen Stall die Kuh gehen werde. Sie kam langsam heran, trat vor die Tür des gemauerten Stalles und sah hinein, kehrte aber um und ging zum nächsten, hölzernen Stall und sah wieder hinein, auch von hier ging sie weiter und kam zum Weidenen. Hier fraß sie von dem Laubwerk an der Türöffnung und ging zuletzt: auch in den Stall. Da lief der Jüngste hin und schlug froh die Türe zu, und die Kuh war sein, die andern aber ließen die Nase hängen und ärgerten sich, dass sie umsonst sich so große Kosten gemacht hatten.
Am nächsten Donnerstag trieb der Dumme seine Kuh auf den Markt, um sie zu verkaufen. Da sahen ihn die Leute, und einige Spaßvögel nahmen sich gleich vor, ihn zu narren. „Wird man mir meine Kuh gut bezahlen ?“ fragte der Dumme, als er an eine Menschengruppe anlangte. „Ja“, rief ihm einer zu, „wenn sie nur drei Füße hätte!“ – „Das kann ich ja leicht machen!“ erwiderte der Dumme, nahm seine Axt und hieb der Kuh einen Fuß ab, sie hinkte jetzt nur schwer auf drei Füßen ein Stück weiter. Da war eine zweite Menschengruppe, und er fragte wieder: „Wird man mir meine Kuh gut bezahlen?“ – „Ja“, rief einer, „wenn sie nur zwei Füße hätte!“ – „Dem lässt sich ja leicht helfen“, sprach der Dumme und nahm seine Axt und hieb ihr noch einen Fuß ab. Nun konnte die Kuh nicht weiter gehen, und er musste einen Wagen nehmen und sie führen lassen. Er kam an eine dritte Menschengruppe und fragte auch hier: „Wie gelten die Kühe am besten?“ – „Wenn sie nur einen Fuß haben!“ rief einer. „Das lässt sich leicht machen!“ sprach der Dumme und hieb auch sogleich den dritten Fuß ab. Er fuhr weiter und gelangte wieder zu einer Menschengruppe und fragte: „Wird man mir meine Kuh gut bezahlen?“ – Ja!“ rief einer, „wenn sie keinen Fuß hätte!“ – „Das ist leicht zu machen!“ sprach der Dumme und nahm die Axt und hieb auch den letzten Fuß ab, und darunter verblutete auch die Kuh und war bald tot. Nun zog er weiter, und als er wieder zu einem Menschenhaufen kam, fragte er, ob man ihm seine Kuh jetzt gut bezahlen würde. Da rief eine Stimme: „Fahre nur hinaus auf den Schindanger zu der dicken Eiche, die wird dir sie gut bezahlen!“ Der Dumme führte seine tote Kuh hinaus und lud sie unter der Eiche ab und sprach: „Wann soll ich nach dem Geld kommen?“ Die Eiche aber antwortete nichts. Da rief er drohend: „Sage mir gleich, willst du zahlen? Sonst hole ich die Axt und haue dich nieder!“ Es wehte aber gerade ein heftiger Wind durch die Wipfel, so dass die Eiche knurrte: krrz! Der Dumme aber glaubte, sie habe geantwortet: „Morgen!“ – „Gut denn, morgen komme ich mit dem Wagen, aber das sage ich dir, ich bringe auch die Axt mit, zahlst du nicht, so haue ich dich nieder!“ Damit kehlte er heimwärts. Am andern Morgen nahm er sich einen Wagen zu Leihen und fuhr hinaus, ohne jemandem etwas zu sagen. Es war aber das Wetter sehr schön, und kein Lüftchen regte sich. Dreimal fragte er die Eiche, ob sie nun zahlen wolle, allein sie antwortete nichts. Da nahm er seine Axt und hieb zu, dass die Späne weit flogen. Nur einmal sah er, als er wieder einen derben Hieb geführt hatte, zu einer Öffnung eine Menge Gold- und Silberstücke herausfallen. „Aha, du hast dich anders bedacht und willst zahlen! Es ist mir auch recht, es soll dir weiter nichts geschehen, nur zu!“ Nun fielen in einem fort immer Geldstücke heraus, bis keine weiter im Baum waren, es lag aber ein großer Haufen ringsherum. Der Dumme lud nun alles auf und machte seinen Wagen voll, oben aber legte er Späne, damit niemand wüsste, was er auf dem Wagen habe. Als er daheim anlangte, rief er seine Brüder herbei und sprach: „Seht da, was ich für die Kuh bekommen habe!“ und zeigte ihnen die vielen Geldstücke. „Die wollen wir redlich teilen“, sprach er, „allein, wo bekommen wir jetzt ein Viertel?“ – „Gehe nur gleich zu unserm Nachbar, dem Popen, allein sage nicht, dass wir Geld messen und teilen sollen!“ – „Es ist schon gut!“ rief der Jüngste und lief gleich hin und sprach: „Gebt mir doch ein wenig Euer Viertel, wir sollen nicht Geld messen!“ Der Pope gab’s, allein er war doch neugierig und ging dem Dummen nach und stellte sich ans Fenster und guckte verstohlen hinein. Als aber die Brüder den Dummen mit dem Viertel kommen sahen und auch gleich den Popen am Fenster erblickten, fragten sie: „Wie hast du gefragt?“ Er erzählte es. „Nu merkst du’s, dass er schon am Fenster ist!“ – „Wartet, ich will ihn gleich gucken lehren!“ Damit ging er hinaus, nahm eine Axt und kam wieder herein und stellte sich ans Fenster.
Als nun der Pope wieder guckte, schlug der Dumme durchs Fenster ihn aufs Haupt, dass er gleich tot war. „O weh, was hast du getan!“ sprachen seine Brüder. „Schweigt nur, das soll mir noch Geld einbringen!“ Damit lief er hinaus, nahm den Toten und trug ihn zum Edelmann in die Dreschtenne und legte ihn ins „Gereg“. Es geschah aber, dass der Edelmann in den Hof kam und sehen wollte, wie viel die Drescher, die eben bei Tische saßen, gearbeitet hätten. Als er in die Tenne trat und hier den Popen liegen sah, ward er zornig: „Ha, du bist der Dieb!“ hob seinen Stock und versetzte ihm eins aufs Haupt. Der Pope regte und rührte sich nicht. „Aha, Ihr habt den Popen totgeschlagen!“ rief der Dumme von der Gasse. „Schweig“, sprach der Edelmann, „ich gebe dir hundert Gulden, wenn du ihn auf der Stelle fortschaffst!“ Der Dumme nahm die hundert Gulden und lief sogleich zum Popen in den Stall, brachte dessen Ross, ohne dass es jemand merkte, in den Hof zum Edelmann, setzte den toten Popen aufs Ross, band ihm einen Stock in die Hand und führte darauf das Ross hinaus auf die Wiese. Als der Dumme zurückkam, lag gerade die Frau vom Popen im Fenster und fragte: „Hast du nicht meinen Mann gesehen?“ – „Ei, ja freilich, er reitet draußen auf der Wiese müßig herum!“ Da läutete die Frau dem Kantor und schickte ihn gleich hinaus nach ihrem Mann. Der Kantor lief hinaus, als er hier den Pfarrer hin- und herreiten sah mit erhobenem Stock, konnte er sich des Lachens nicht enthalten und rief:
„Herr Pfarrer, sind Sie vielleicht närrisch?“ Kaum hatte das Ross die Stimme des Kantors gehört, so wieherte es und lief auf ihn zu, der aber machte schnell „Kehrtum“ und lief, dass ihm der Atem fast ausging, denn er dachte nicht anders, der Pfarrer wolle ihm für seine lose Rede den Rücken mit dem Stock bearbeiten. Er lief aber fort bis zur Schule, hier öffnete er die Gassentüre, konnte sie jedoch nicht gleich schließen, das Ross mit dem Popen kam im Galopp nachgerannt, und da dieser sich nicht bückte, schlug er an das Querholz mit dem Haupte an und stürzte vom Ross herab. Da erschrak der Kantor nicht wenig, als er sah, dass der Pope tot war, er war aber klug genug und nahm ihn gleich in seine Stube und versteckte ihn.
Um Mitternacht, als alles still war, stand er auf und trug den Toten ans Wirtshaus, lehnte ihn an die Türe und rief mit verstellter Stimme, als wenn er der Pope wäre: „Mache auf und gib mir um einen Kreuzer Branntwein, ich sterbe gleich!“
„Das fehlt mir gerade!“ rief der Wirt, „dass ich um einen Kreuzer aufstehe!“ Der Kantor schlich sich fort und ließ den Toten da. Als der Wirt am frühen Morgen aufstand, um die Kühe auszutreiben, öffnete er ein wenig die Türe, um zu sehen, ob es bald Tag sei, indem fiel ihm der tote Pope entgegen. „O Gott!“ seufzte er, „an dessen Tod bist du schuld!“ Er war aber klug, nahm ihn schnell und trug ihn unterhalb der Gemeinde, stellte ihn hier an eine Zaunstütze, setzte ihm ein Puschken (Sträußchen) auf den Hut und gab ihm eine Geißel in die Hand. Als nicht lange darauf der Hirt mit seiner Herde dahin kam, wurde das Vieh „scheuch“ und lief in die Kreuz und die Quer. Der Hirte hatte seine Not, und als er den Mann mit dem Puschken auf dem Hut und der Geißel in der Hand sah, merkte er die Ursache und wollte sein Gift an ihm auslassen. Er nahm einen Stein und warf ihn so, dass der alsbald zu Boden fiel. Der Hirt lief hin und sah, dass er tot war. „Ach, wie wird es dir jetzt gehen!“ dachte er. Indem sah er weit vor sich einen Wagen, der fuhr zur Mühle. Sogleich nahm er den Toten und lief und lief, dass ihm der Schweiß vor Anstrengung und Angst troff, und weil er „Opintschen“ anhatte, hörte man ihn nicht. Er erreichte den Wagen und legte den Toten auf die Säcke, ohne dass es der Fuhrmann merkte, und lief alsbald zurück.
Der Weg aber war „schwer und gram“, und der Wagen wollte fast nicht fort. Nur einmal sah der Fuhrmann um sich und bemerkte den Fremden auf seinem Wagen. Da stieg ihm die Galle gleich, dass der Kerl so mir nichts, dir nichts ganz verstohlen sich aufgesetzt hatte. Er nahm seinen dicken Geißelstock und versetzte ihm eins aus allen Kräften. Der aber regte und rührte sich nicht. Jetzt bekam der Mann Angst. Er untersuchte ihn und fand, dass er tot war, und glaubte nicht anders, als dass er dies verschuldet. Er dachte nun lange hin und her, wie er sich gut freimachen könnte. Indem sah er im Mühlengraben einen leeren Kahn angebunden. Sogleich nahm er den Toten, setzte ihn hinein und band ihm eine Schaufel in die Hand und ließ den Kahn stromab fließen. Der kam an eine sumpfige und rohrige Stelle und „blieb halten“. Nicht lange so schlich in dem Rohr ein Jäger gebückt heran. Nur einmal sah er da, wo er die wilden Enten zu finden hoffte, den Mann mit dem Kahn. In seinem Ärger legte er gleich an und schoss, und der Mann mit der Schaufel fiel alsbald ins Wasser, und das trug ihn fort. Dem Jäger standen nach der Tat die Haare zu Berge. Er warf sein Büchse weg und floh in die Welt, und kein Mensch hat ihn mehr gesehen. Der Dumme aber verzehrte sein Geld mit seinen Brüdern in Frieden, und auch die andern Mörder verloren allmählich die Angst aus ihrem Gewissen.

Quelle: (Josef Haltrich)

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