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Der träge Mahomed

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Eines Tages kam zu dem Sultan Harun al Raschid ein junger Sklave, der sprach:
»Meine Herrin Zubede sendet dir durch mich ihre Grüße und läßt dir sagen, sie habe eine Krone gefertigt, zu der ihr noch ein Stein fehle. Sie fragt bei dir an, ob du ihr den fehlenden geben kannst.«
Da suchte Harun al Raschid in seinen Schatzkammern; aber wie sehr er auch suchte, es fand sich kein Stein, der groß genug gewesen wäre.
Endlich sagte Harun zu dem Sklaven:
»Bringe mir die Krone, damit ich selber sehe, ob ich das Gewünschte nicht herbeischaffen kann.«
Als die Krone gebracht wurde, sah er, daß sie aus kostbaren Steinen gefertigt war. Er zeigte sie allen Großen des Reiches und sprach zu ihnen:
»Sucht in euren Schätzen, bis ihr einen Stein findet, der groß genug ist, um das Mittelstück dieser Krone zu bilden.«
Sie taten, wie ihnen befohlen war; aber vergebens.
Da berief Harun al Raschid alle Kaufleute seines Reiches, versprach ihnen viel Gold und Silber, konnte aber auch von ihnen keinen Stein bekommen, der groß genug gewesen wäre.
Fast verzweifelte er daran, je zu erlangen, was er so eifrig suchte, als ein Mann zu ihm kam, der sprach:
»In der Nähe von Bagdad wirst du nicht finden, was du suchst. Aber sende nach Bassara; dort lebt ein Jüngling Namens Mohamed, mit Beinamen der Träge, der kann dir einen Stein geben, welcher groß genug ist, um die Mitte der Krone zu zieren.«
Da berief der Sultan seinen Vertrauten Mesruri Sayafi. Zu dem sprach er:
»Nimm diesen Brief und reise nach Bassara; dort gehe zu meinem Minister Mohamed Zabidi.«
Mesruri Sayafi machte sich alsbald auf den Weg und nahm ein großes Gefolge mit sich. Sein Weg führte ihn durch eine weite Wüste; als er die durchreist hatte, kam er nach Bassara. Da begab er sich sofort in das Haus Mahomed Zabidis; dem gab er den Brief, und er las ihn. Sobald er gelesen hatte, bat er Mesruri Sayafi in sein Haus zu kommen und sein Gast zu sein; er befahl, daß man ein großes Mahl bereite und setzte sich mit ihm hin und aß.
Als das Mahl beendet war, sprach Mesruri Sayafi zu seinem Gastgeber:
»Ich muß jetzt von dir scheiden; denn mir war befohlen, dir den Brief meines Herrn zu geben und gleich weiter zu ziehen nach dem Hause Mahomeds des Trägen. So laß nun mich und mein Gefolge weiter ziehen.«
Da nahmen sie Abschied voneinander, und Mesruri Sayafi zog weiter.
Als er nun zu Mahomed kam, gab er ihm den Brief Harun al Raschids. Ehe dieser ihn gelesen hatte, sprach er zu dem Boten:
»Tritt ein in mein Haus und trinke mit mir eine Tasse Kaffee!«
Mesruri Sayfi antwortete:
»Mein Auftrag war, dir den Brief meines Herrn abzuliefern und weiterzureisen, sobald du ihn gelesen haben würdest.« Denn der Sultan befahl mir: »Verweile nicht, gib den Brief und laß Mahomed mit dir kommen!«
Als Mahomed dies gehört hatte, sprach er:
»Ich höre, und dem Wunsche des Sultans werde ich folgen. Erst aber bitte ich dich, in meinem Hause Kaffee zu trinken.«
Mesruri Sayafi aber sprach:
»Mir wurde nicht befohlen, Kaffee bei dir zu trinken.«
Mahomed antwortete:
»Du mußt von meinem Kaffee trinken.«
Und er bat ihn inständig, bis er einwilligte und in das Haus trat und in das Empfangszimmer ging. Dorthin brachte man kleine Schalen starken Kaffees. Als nun Mahomed getrunken hatte, kam ein Sklave und legte ihm einen Beutel mit fünfhundert Denaren in den Schoß.
Mahomed sprach zu Mesruri Sayafi:
»Du bist tagelang in der Wüste gewesen und mußt dich ermattet fühlen. Erfrische deine Glieder in einem Bade.«
Mesruri Sayafi ging in den Baderaum und fand die Luft dort voll süßen Rosenduftes; denn das Bad, welches man ihm bereitet hatte, war nichts anderes als feinstes Rosenwasser. Eunuchen kamen und bedienten ihn mit seidenen, weichen Handtüchern. Danach brachten ihm Sklaven neue kostbare Kleider, die gewebt waren aus seidenen und goldenen Fäden. Die tat er an. Danach ging er wieder in den Empfangsraum und setzte sich nieder auf kostbare, weiche Polster. Als er sich alles ansah, was in dem Raume stand und auf dem Fußboden lag, sprach er zu sich selber: »Sogar meines Sultans Haus ist nicht eingerichtet wie dieses! Es ist das Schönste, was ich je sah!«
Man brachte Wasser in goldenen Schalen, und Mesruri Sayafi, sein Wirt und die Gäste, die anwesend waren, wuschen sich die Hände; denn es war ein Mahl bereitet worden, und junge Sklaven trugen es auf.
»Dergleichen aß ich noch nie!« dachte Mesruri Sayafi, indem er sich die Speisen munden ließ.
Darauf führte man ihn in ein Schlafgemach, und als Sklaven ihm sein Lager bereitet hatten, traten schöngekleidete Mädchen ein, die spielten auf wohltönenden Instrumenten und sangen Lieder, in denen sie Mesruri Sayafi priesen. Er schlief ein und wachte gestärkt wieder auf, als die Sonne am Himmel stand.
Sklaven standen an der Tür seines Schlafgemaches, die warteten, damit sie ihn in den Baderaum führten. Wieder fand er dort ein duftendes Bad bereitet, wieder brachte man ihm neue, goldgewirkte Kleider und führte ihn dann zu seinem Wirt in den Empfangssaal; dort speiste er zur Nacht, und als es spät und er müde war, wies man ihm ein Schlafgemach, dessen Einrichtung noch köstlicher war, als die des Raumes, in dem er vorher geruht hatte. Und er schlief bis zum andern Morgen. Als er seine Augen aufschlug, fand er, daß bereits Sklaven warteten, damit sie ihn zu seinem Bade führten. Als er gebadet hatte, gab man ihm neue Kleider und brachte ihm einen Beutel mit fünfhundert Silberstücken. Nachdem Mesruri Sayafi mit Mohamed den Morgenimbiß genommen hatte, sprach er:
»Ich habe mich länger bei dir aufgehalten, als recht ist. Laß uns zu meinem Herrn ziehen.«
Aber Mohamed sprach:
»Verweile noch einen Tag; damit ich meine Maultiere beladen lassen kann mit Geschenken, die ich dem Sultan bringen werde.«
Da verging noch ein Tag für Mesruri genau wie der vorige. Am folgenden Morgen war alles bereit zur Reise. Vierhundert Maulesel waren beladen worden. Mahomed ließ zwei Tiere satteln mit Goldsätteln und reich mit Steinen verzierten Zäumen und starken seidenen Zügeln; diese ritten er und sein Gast, und so zogen sie mit großem Gefolge gen Bagdad.
Als die Sonne untergegangen war, wurden Zelte aufgeschlagen für die Nacht. Das Zelt, in dem Mohamed und Mesruri Sayafi schliefen, war aus Seide, und die Pfähle, über welche der kostbare Stoff gespannt war, waren von Holz der Aloe geschnitzt.
Am andern Tage zogen sie weiter, und nach etlichen Tagen erreichten sie das Ziel ihrer Reise.
Mesruri Sayafi aber dachte:
»Wenn ich den Sultan spreche, so muß ich ihn fragen, wie dieser Mann zu seinem großen Reichtum gekommen ist; denn ich entsinne mich, daß sein Vater noch ein öffentliches Bad hielt.«
Als sie den Palast des Sultans erreicht hatten und Harun al Raschid ihnen entgegentrat, fiel Mohamed zur Erde und fragte:
»Darf ich zu dir sprechen?«
Da sagte Harun al Raschid:
»Sprich!«
Als Mohamed seine Augen aufhob und seine Lippen öffnete, tat sich das Dach des Hauses auf, und es erschienen Paläste und Gärten mit herrlichen Bäumen, deren Blätter Perlen und deren Früchte Korallen waren.
Der Sultan war sehr verwundert, als er das sah, und fragte:
»Woher kommt all dieser Reichtum? Wir wissen, daß du derselbe Mohamed bist, den die Leute den Trägen nennen, und dein Vater hielt ein öffentliches Bad. Wie also ist es gekommen, daß du zu so unermeßlichen Gütern gelangt bist?«
Mohamed erwiderte:
»Wenn du es befiehlst, so werde ich dir meine Geschichte erzählen. Ich habe all diese Geschenke dir mitgebracht, nicht, weil ich dich fürchte, sondern weil ich außer dir keinen Menschen weiß, der ihrer würdig ist. Jetzt laß mich dir erzählen, was mein Leben war. Als ich jung war, starb mein Vater und ließ meine Mutter und mich in tiefer Armut. Ich war zu faul, um zu arbeiten, ja zu faul, um zu essen; deshalb tat meine Mutter mir jeden Bissen in den Mund. Wenn ich lag, war ich zu faul, mich von einer Seite auf die andere zu wenden; meine Mutter tat es für mich. Die Speise aber, die wir aßen, mußte meine Mutter erbetteln, und das währte fünfzehn Jahre.« Eines Tages kam sie heim und brachte fünf Silbermünzen mit, die man ihr geschenkt hatte. Diese gab sie mir und sprach:
»Nimm diese Münzen und gib sie dem Scheik Abalmathfar, der sein Schiff rüstet, um damit nach China zu reisen. Bitte ihn, daß er dir für das Geld Waren kaufe, die du hier mit Vorteil verkaufen kannst; denn der Scheik ist ein frommer Mann, der die Armen liebt. Gehe nun zu ihm und bringe ihm das Geld.«
Ich aber antwortete:
»Wie kann ich gehen!«
Da wurde sie zornig und drohte.
»Gehst du nicht zu ihm, so bist du nicht länger mein Sohn. Weder Speise noch Trank werde ich dir reichen, und wenn du in der Sonne liegst, werde ich dich liegen lassen. Wenn dich hungert, werde ich dich sterben lassen!«
Sie schwor bei Allah, zu tun, wie sie sagte; deshalb willfahrte ich ihr und ließ sie mir meine Sandalen antun und mein »Kanzu«. Dann ließ ich mir von ihr einen Stock geben, damit ich mich stützen konnte, und meine Mutter mußte mich aufrichten. Darauf sagte ich zu ihr:
»Nun stelle dich hinter mich und schiebe mich, daß ich vorwärts komme.« So gingen wir nun langsam voran, bis wir das Ufer erreichten. Dort suchten wir den Scheik Abalmathfar und fanden ihn, geschäftig seine Güter an Bord bringen. Als er mich sah, rief er erstaunt:
»Was ist vorgefallen, daß du hierher kommst?« Ich gab ihm die Münzen und sagte ihm, was mich zu ihm führte. Er versprach, meine Bitte zu erfüllen, und ich ging heim, um mein altes Leben weiterzuführen. Der Scheik begab sich auf die Reise nach China, und er und seine Freunde machten dort ihre Besorgungen, vergaßen aber mich und meine fünf Silberstücke. Zwei Tage war er schon wieder auf der Rückreise, als ihm plötzlich sein Versprechen an mich einfiel.
»Wir müssen zurückkehren,« sprach er zu seinen Reisegefährten, »denn ich habe Mahomed dem Trägen versprochen, Waren für ihn zu kaufen.« Davon aber wollten die anderen nichts hören, sondern sie beschlossen, daß jeder der Reisenden einen kleinen Teil der Einkäufe, die sie für sich gemacht hatten, für mich hingeben sollten. Das geschah. Als sie weiter reisten, kamen sie zu einer Insel, die hieß Sunudi. Dort warfen sie Anker, gingen an Land und sahen sich die Stadt an. Vor einem der vielen Läden sahen sie einen Affen, der war festgebunden, und andere Affen kamen und schlugen ihn. Das tat dem Scheik leid; deshalb ging er zu dem Eigentümer des Tieres und kaufte es von ihm mit dem Gelde, welches ich ihm gegeben hatte. Er meinte, der Affe wäre gut für mich, um damit zu spielen; denn er wußte, daß ich jeder Arbeit abhold war.
Wenige Tage später landete der Scheik sein Schiff bei einer Insel, die hieß Sodani; ihre Einwohner nährten sich von Menschenfleisch. Als nun das Schiff ankam, gingen sie an Bord, banden alle, die darauf waren, töteten sie und fraßen sie auf. Der Scheik Abalmathfar und zwei andere Männer waren verschont geblieben; doch am anderen Morgen sollten auch sie sterben. Aber während der Nacht stand der Affe auf von seinem Lager, ging zu den drei Männern, löste ihre Bande, und alsbald machten sie sich eilig auf den Weg nach ihrem Schiffe. Das fanden sie noch genau so vor, wie sie es verlassen hatten. Da machten sie es zur Abreise fertig und flohen. Während der Seereise tauchten die Männer, welche mit dem Scheik geflohen waren, nach Perlen, und als der Affe das sah, sprang er ebenfalls ins Wasser. Der Scheik wurde sehr betrübt; denn er meinte nicht anders, als daß der Affe ertrunken sei. Doch als die Männer aus dem Wasser emportauchten, kam auch der Affe mit ihnen und brachte Perlen, die schöner und größer waren als alle anderen. Die gab er dem Scheik.
Dieser sprach:
»Ohne den Affen wären wir alle ums Leben gekommen. So laßt uns jeder zwölfhundert Silberstücke geben als den Preis für unser Leben. Das Geld aber, die Perlen und der Affe gehören Mahomed dem Trägen.«
Er selber sammelte das Geld ein, legte es zu den Perlen, band alles zusammen und zeichnete das Paket mit meinem Zeichen. Als das Schiff nun bald darauf bei Bassara landete, feuerten seine Insassen fünf Schüsse ab, damit die Bewohner der Stadt wüßten, daß sie kämen. Auch meine Mutter erfuhr von der Ankunft. Sie kam zu mir und sprach:
»Der Scheik Abalmathfar ist gekommen; gehe zu ihm und frage ihn nach den Sachen, die er dir gekauft hat.«
Ich sprach:
»Ich kann nicht aufstehen, hilf mir.« Das tat sie; auch legte sie mir meine Schuhe an, warf mir mein Kanzu über und schob mich vorwärts; genau so, wie sie es vordem getan hatte.
Der Scheik empfing mich freundlich, reichte mir die Hand und fragte mich nach meinem Ergehen. Dann sagte er, daß meine Güter zu mir gebracht werden würden. Und wir gingen heim, wie wir gekommen waren. Daheim legte ich mich sogleich wieder hin. Nach einer kleinen Weile kam ein Mann, der brachte mir einen Affen und sagte:
»Der Scheik Abalmathfar sendet ihn dir und grüßt dich.« Ich nahm das Tier, und der Mann, der es gebracht hatte, ging seiner Wege. Ich aber rief meine Mutter, zeigte ihr den Affen und sprach:
»Siehe, was der Scheik mir mitgebracht hat! Hier kauft man zehn Affen für ein Silberstück, und er hat fünf für diesen einen gegeben.« Noch hatte ich diese Worte nicht beendet, als ein Mann an der Tür stand, der rief:
»Hodi!«
Ich hieß ihn eintreten, und er kam herzu und händigte mir einen Bund Schlüssel ein. Hinter ihm her aber kamen Männer mit großen Kästen, und der Mann sprach:
»Diese Schlüssel gehören zu den Kästen.«
»Was soll ich mit ihnen?« fragte ich.
»Sie sind dein. Denn sie enthalten, was der Scheik für dein Geld für dich gekauft hat.«
Ich aber wurde unmutig; denn ich meinte nicht anders, als daß der Scheik mich armen Mann narren wollte. Der die Sachen gebracht hatte, rief:
»Bei Allah! Der Scheik ist nicht ein Mann, der mit der Armut Spott treibt. Er selber wird zu dir kommen und mit dir reden.«
Schon hörte ich die Stimme des Scheiks »Hodi« rufen an meiner Tür; da stand ich auf, ging ihm entgegen und begrüßte ihn. Der Scheik erklärte mir darauf, wie alles so wunderbar gekommen sei, und ich war von Herzen froh und ihm dankbar, daß unsere Armut beendet war. Als er fortgegangen war, sah ich mir den Inhalt der Kisten und Kästen an und fand meine Erwartungen weit übertroffen.
Meine Mutter war anfangs stumm vor Staunen und Freude; dann sprach sie:
»Allah hat meinen Sohn reich gesegnet, ihm sei Dank! Nun aber, mein Sohn, zeige, daß du seiner Güte wert bist. Gehe hin, suche dir ein Haus, richte einen Laden ein mit den Waren, welche der Scheik dir gebracht hat, und arbeite.«
Das tat ich denn auch. Wenn ich in meinem Laden saß, so war mein Affe an meiner Seite, oder er ging des Morgens fort und kam am Abend zurück; dann hatte er stets einen Beutel mit Silber- oder Goldstücken im Maule, die legte er vor mich, und ich nahm das Geld und verwahrte es. Unsere Mahlzeiten teilten wir miteinander und waren gute Freunde. Auf diese Weise verging eine geraume Zeit. Da eines Abends geschah etwas, was mich mit Staunen und Schrecken erfüllte. Mein Affe war den ganzen Tag über von mir fort gewesen, und als er heimkam, begrüßte er mich mit Worten, wie Menschen zu sprechen pflegen. Ich erwiderte den Gruß, war aber doch unruhig ob solch seltsamen Vorkommnisses. Der Affe sah meine Besorgnis und sprach:
»Fürchte dich nicht, Mahomed; denn ich bin kein gewöhnlicher Affe, sondern der Gott der Gläubigen hat mich geschaffen, daß ich dir diene und zu Glück und Reichtum verhelfe. Dein Reichtum ist jetzt groß; aber eins fehlt dir noch; denn du hast kein Weib. Ich habe dir im Auftrag Allahs ein Weib ausgesucht, das du heiraten mußt.«
Da fragte ich:
»Wer ist das Weib?«
Er antwortete: »Morgen mache dich bei Sonnenaufgang auf den Weg und gehe auf den Markt. Nimm mit dir deine besten Sklaven; reite ein Maultier, dessen Sattel und Zügel sehr kostbar sind, und du selber kleide dich in deine besten Kleider. Auf dem Markte wirst du einen alten Mann sehen, der trägt die Tracht der Priester des Höchsten. Ihn rede an und sage ihm, daß du seine Tochter zum Weibe begehrst. Er wird von dir großen Reichtum fordern für seine Tochter. Gib ihn hin; denn wenn du das Weib hast, wird dein Gut sich mehren.« Nachdem der Affe so gesprochen hatte, legte ich mich nieder und schlief. Am anderen Tage tat ich, wie das Tier mir gesagt hatte, und alles kam genau so, wie mir prophezeit worden war. Der alte Mann gab mir seine Tochter zum Weibe, und als ich heimkam, war ich ein verheirateter Mann. Ich erzählte dies dem Affen. Der sprach:
»Wann wirst du dein Weib aus dem Hause ihres Vaters holen?«
Ich sagte es ihm. Er darauf zu mir: »Wenn du in das Haus des Mannes gehst, dessen Tochter du gefreit hast, so wirf einen Blick in den Hof des Hauses. Zu deiner Linken wirst du eine Türe sehen, an ihr hängt ein Ring, den kannst du öffnen mit dem Schlüssel, der daran hängt; tue es und gehe in den Raum. In ihm wirst du einen großen Kasten gewahren, auf dem ein Topf steht; in diesem ist ein Gefäß mit Wasser. Links davon steht ein roter Hahn und rechts ein Messer, dessen Inschrift einen Zauber ausübt. Mit diesem Messer schlachte den Hahn und dann wasche das Messer in dem Gefäß. Danach wirst du sehen, daß der Kasten sich öffnet, und ein großer Schatz wird vor dir liegen, von dem niemand weiß, daß er da ist. Er soll dein sein; denn so will es Allah, der mich erkoren hat, dir der Überbringer irdischen Glückes zu sein. Tue genau, wie ich dir sagte; denn nun liegt es in deiner Hand, glücklich oder unglücklich zu sein. Mein Auftrag ist zu Ende, und ich werde hingehen, wo ich hergekommen bin.«
Ich dankte dem Affen und versprach, seinen Ratschlägen zu folgen.
Ich tat es auch. Aber man denke sich meinen Schreck, als ich plötzlich im Nebenraum das Mädchen, welches ich gefreit hatte, rufen hörte: »Der Affe raubt mich, er raubt mich!«
Ich ging alsbald hin, von wo die Stimme gekommen war, und fand, daß mein Weib fort war. Mir war zumute, als sollte ich verrückt werden! Der Vater meiner Frau gebärdete sich auch wie ein Wahnsinniger, als ihm die Nachricht gebracht wurde. Gleich einem Rasenden stürzte er auf mich los und schrie:
»Was jetzt geschehen ist, wollte er lange schon tun. Ich litt es nicht und fesselte ihn durch den Zauber, den du gelöst hast. Mit Tränken habe ich ihn gezwungen, Affengestalt anzunehmen! Jetzt ist alles vorbei! Gehe fort von mir, denn ich liebte mein Kind und traure darum! Dich aber verfluche ich, der du an dem Unheil schuld bist! Eile, mach‘, daß du fortkommst, damit ich dir in der Bitterkeit meines Herzens kein Leid zufüge.«
Da verließ ich den alten Mann. Nirgends aber fand ich Ruhe, sondern irrte umher wie ein Heimatloser. Auf meiner Wanderung kam ich in einen dichten Wald. Überall suchte ich mein verlorenes Weib. In dem Walde sah ich zwei Schlangen, eine weiße und eine schwarze. Die weiße wurde von der schwarzen verfolgt. Da tötete ich die schwarze. Die weiße verschwand, kam jedoch bald zurück mit drei anderen Schlangen, die ihr genau glichen. Diese vier nun machten sich daran, den Körper der toten Schlange zu zerstückeln, und ich hörte sie sagen: »Wir werden es dir Dank wissen, was du uns getan.«
Danach fragten sie:
»Bist du nicht Mahomed, den sie den Trägen nennen?« Ich bejahte es.
»Wir werden dir Dank wissen,« sagten sie wieder; »denn wir kennen deine Geschichte und wissen, wen du suchst. So Allah es will, wirst du dein Weib wieder haben.«
Damit gingen sie von dannen und kehrten zurück mit einem Manne, der war übernatürlich groß. Den fragten sie, ob er die Geschichte meines Weibes kenne. Er sprach:
»Ich weiß, wo sein Weib ist. Ich weiß auch, daß der, der sie geraubt hat, kein Affe war, sondern ein Jin, der die Gestalt eines Affen hatte annehmen müssen. Er hatte jahrelang danach gedürstet, das Mädchen zu besitzen; doch ein Zauber band ihn. Nun er erlöst ist, hat er seinen Wunsch erfüllt, und er ist wieder geworden, was er war. Er fand aber, daß die Welt zu eng für ihn war, und deshalb ist er in die Stadt der Nuhas gegangen.«
Als er gesprochen hatte, befahlen ihm die Schlangen:
»Trage diesen Mann hier in jene Stadt.«
Er sprach:
»Euren Befehl werde ich ausführen,« und der Mann bückte sich, indessen die Schlangen mir halfen, auf seinen Rücken zu steigen. Dabei sagten sie:
»Dieser Mann ist ein Marid; deshalb nenne nicht den Namen Allahs, während er dich trägt, sonst verschwindet er. Die Mariden vertragen es nicht, daß der Name Allahs in ihrer Gegenwart genannt wird.«
Danach flog der Mann auf mit mir, hoch hinauf zu den Wolken, so daß ich schließlich nichts mehr sehen konnte von der Erde, die weit unter uns lag. Da hörte ich in den Wolken den Gesang der Engelchöre, die den Höchsten priesen. Zu gleicher Zeit sah ich einen Jüngling von wunderschöner Gestalt, dessen Turban war aus grünem Stoff geschlungen, und er trug in der Hand ein Wurfgeschoß.
»Stimme ein in den Lobgesang,« rief er mir zu, »oder ich töte dich mit dieser Waffe.«
Da tat ich meinen Mund auf und pries Allah. In demselben Augenblick fühlte ich, daß ich von dem Rücken des Mannes glitt, der mich trug, und ich sank hinab, der Erde zu. Der Jüngling aber, der zu mir gesprochen hatte, traf den Mann mit seiner Waffe, und er verschwand vor meinen Augen. Ich sank weiter, immer weiter, bis ich plötzlich fühlte, daß Wellen über mir zusammenschlugen und mich dann wieder hoch emportrugen. Ich war in das Meer gefallen. Leute in einem Fischerboote gewahrten und retteten mich. Sie gaben mir zu essen und zu trinken; aber wir konnten uns nicht verständigen; denn sie redeten nicht meine Sprache und ich nicht die ihre. Als wir an Land kamen, führten sie mich zu ihrem König; der sprach arabisch und fragte mich, woher und wohin, und ich gab Antwort, so gut ich konnte. Danach überwies er mich seinem Minister und befahl ihm, für mich zu sorgen. Dieser tat es auch, und ich konnte ruhen und mich pflegen, soviel ich wollte. Das Zimmer, in dem ich wohnte, blickte auf einen großen Garten, durch welchen ein schöner, wasserreicher Fluß floß. Eines Tages überkam mich die Lust, in der klaren Flut zu baden, und ich stieg hinab in den Garten und badete. Hernach ging ich dem Laufe des Stromes nach, weiter, immer weiter, ohne zu wissen oder auch nur daran zu denken, wohin mein Weg mich führen würde. Plötzlich rief mich eine Stimme bei Namen. Ich wandte mich um und sah einen Reiter vor mir, der sprach:
»Deine Wohltat soll dir belohnt werden. Kennst du mich?« Ich wußte jedoch nicht, wer er war. Darauf sprach der Mann weiter:
»Ich bin der Bruder der weißen Schlange und schulde dir Dank für sie.« Und dann gebot er mir, mich hinter ihn auf sein Pferd zu setzen.
»Wir sind nahe der Stadt Nuhas,« sprach der Mann und im sausenden Galopp ging’s vorwärts, bis wir auf einer Anhöhe waren, von der aus ich im Tal einen Fluß fließen sah. Dort stiegen wir ab. Als ich mich nach meinem Führer umblickte, war er verschwunden. Noch stand ich und bedachte, was ich wohl tun sollte, da hörte ich meinen Namen rufen und mich grüßen. Ich erwiderte den Gruß und sah vor mir einen Mann stehen, der sprach:
»Ich bin ein Bruder der weißen Schlange. Wir sind unserer drei und sind dir alle drei zu Dank verpflichtet. Ich tue deshalb für dich, was in meinen Kräften steht. Siehst du jene Stadt?« fuhr er fort, in das Tal weisend. »Das ist Nuhas.«
»Wie aber,« fragte ich, »kann ich da hineingelangen?«
Darauf gab mir der Mann ein Schwert in die Hand.
»Nimm dies,« sprach er; »die Zeichen, welche du darauf siehst, sind Zauberformeln. Die Tore der Stadt werden sich dir öffnen, wenn du dies Schwert in der Hand hast. Ohne seine Zauberkraft ist es unmöglich für Menschen, in die Stadt zu gelangen. Folge dem Laufe des Stromes, den du von hier aus siehst, dann wirst du bald am Ziel deiner Reise sein.«
Ich ging also den Fluß entlang, und da ich vor den Toren von Nuhas stand, öffneten sie sich von selber. So ging ich denn immer, mein Schwert in der Hand, in der Stadt umher, sah alle Einwohner und wurde doch von ihnen nicht gesehen; denn die Zauberformeln des Schwertes waren von großer Macht. Lange wanderte ich in den Straßen umher; endlich fand ich, die ich suchte: mein Weib! Auf den ersten Blick hatte ich die schmerzlich Vermißte erkannt, und sie sah und erkannte mich auch sofort. Voller Freude begrüßten wir uns.
»Wie kamst du hierher?« fragte ich sie.
»Der Affe hat mich hergebracht!« entgegnete sie, und nun erzählte sie mir den ganzen Vorgang, wie er seit Jahren sie zum Weibe begehrt habe, aber durch einen Bann von ihr fern gehalten worden sei. Nun dieser Bann gebrochen, habe er sie gezwungen, mit ihm zu gehen von Ort zu Ort und von Land zu Land. Nirgends aber habe er sich wohl gefühlt, als allein hier in Nuhas, wo kein menschlich Wesen lebe. Augenblicklich sei er verreist, fügte sie hinzu, und nun ich da sei, sei ja alles gut, denn nun würde ich sie mit mir fortnehmen. Dann erzählte ich ihr, wie es mir gelungen sei, an jenen Ort zu kommen, und sie hörte mir mit fliegendem Atem zu. Als ich geendet hatte, sagte mein Weib: »Hier muß alles den Willen des Affen tun, der mich geraubt hat! Aber ich will dir sagen, was du zu tun hast, um die Jins dir untertan zu machen. Du wirst an einer Eisenstange einen Topf hängen sehen, in dem ist Weihrauch. Den nimm, zünde ein Feuer an und räuchere, indessen du den Namen Allahs anrufst. Alsbald werden alle Jins vor dir erscheinen und nach deinen Befehlen fragen.«
Ich tat, wie sie mir gesagt hatte, und alsbald erschienen Wesen vor mir, welche nichts anderes als Jins sein konnten: Krüppel und Lahme, Klumpfüßige, solche mit einem Arm oder mit einem Auge, und alle waren von gleich abschreckender Gestalt.
»Wir sind deine Diener!« riefen sie, »befiehl!« Und ich sprach:
»Wo ist der, welcher mein Weib mir geraubt hat?«
Sie antworteten:
»Er ist verreist, aber jeden Augenblick kann er heimkehren!«
Da sprach und befahl ich:
»Bringt ihn gebunden vor mich!«
Im Nu waren sie alle verschwunden, um nach wenigen Augenblicken zurückzukehren, den Jin in ihrer Mitte und gebunden.
»Hast du,« redete ich ihn an, »mir mein Weib geraubt?«
Winselnd gestand er es, meine Gnade anflehend. Ich aber rief:
»Als Lohn für deine Übeltat werde ich dich in eine metallene Flasche zwingen und in die See werfen.« Ihm geschah, wie ich gesagt hatte.
Danach befahl ich den Jins, alles, was an Gold und Goldeswert in Nuhas sei, in mein Haus zu schleppen und schließlich mein Weib und mich in meine Heimat zu bringen. Alles wurde mit schier unglaublicher Schnelligkeit ausgeführt. Daheim aber war große Freude, als wir dort erschienen, und unsere Hochzeit wurde noch einmal gefeiert mit allem Pomp, welchen unser Reichtum uns gestattete.
»Alle diese Dinge, großer Sultan, die ich dir bringe, bitte ich dich anzunehmen als ein Zeichen, daß ich ihrer niemand außer dir für würdig erachte.«
»Ich danke dir,« sprach der Sultan; »nun aber bitte ich dich, hier in Bagdad zu bleiben; gehe nicht wieder zurück nach Bassara!«
Darauf erwählte er Männer, wert seines Vertrauens, sandte sie nach Bagdad und ließ alle Güter Mahomeds von ihnen nach Bagdad bringen.
Mahomed und sein Weib aber lebten fortan in Glück und ungestörtem Frieden noch viele Jahre daselbst.

[T. von Held, Märchen und Sagen der afrikanischen Neger, ein Sansibarmärchen]

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