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Märchenbasar

Der verzauberte Granatenzweig und die Weltschöne

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Es war einmal ein Padischah, der, als er sich eines Tages langweilte, mit seinem Wezir auf Reisen gehen wollte. Ehe sie sich aber auf die Reise begaben, sprach der Padischah zu seinem Wezir: »O Lala, damit niemand von unserer Abreise etwas merke, mache einen mir ähnlichen Mann ausfindig, setze ihn auf den Thron, worauf wir unsere Reise antreten wollen.« Da fragte der Wezir, wie er denn einen solchen Mann finden solle. »Durchstreifen wir einige Tage die Stadt,« sprach der Padischah, »wir werden dann schon einen finden.« Hierauf verstellten sie sich und begannen die Stadt zu durchstreifen.
Wie sie so gingen und gingen, und in ein Wirtshaus kamen, erblickten sie einen Betrunkenen, der das vollständige Ebenbild des Padischah war. Sie sprachen den Wirt an und sagten ihm, er möge dem Manne so viel zu trinken geben, bis er vollständig besoffen sei und ihn dann nachts auf die Strasse werfen. Um Mitternacht schickte der Padischah den Wezir hin, damit er jenen Mann, ohne dass dieser davon etwas merke, packe, in einen Korb lege und ihn, ohne dass es jemand sehe, in’s Seraj bringen solle. Der Wezir ging zum Wirthaus und sah, dass jener Mann schon auf der Strasse liege. Er packt ihn also, legt ihn in einen Korb und bringt ihn in’s Seraj. Der Padischah liess ihn entkleiden, waschen, in seine Kleider stecken und in sein Bett hineinlegen; er aber machte sich mit dem Lala auf die Reise.
Am andern Morgen, als der Betrunkene erwachte, sah er sich im Seraj des Padischah liegen. »Was mag denn nun mit mir geschehen sein?« sprach er zu sich, »vielleicht träume ich, oder bin ich gar gestorben und in’s Himmelreich gekommen.« Nachdem er so nachgesonnen, klatschte er einmal in die Hände, worauf Sklaven ein Waschbecken und eine Kanne herbeibrachten. Er wusch sich, trank Kaffee und zündete einen Tschibuk an. »Ich muss nur Padischah geworden sein,« sprach er. Da es gerade Freitag war, kamen die Diener und fragten ihn, wo heute der Selamlik abgehalten werden solle. In dem Stadtteile, wo er gewohnt hatte, war ein Dschami. »Dort soll der Selamlik stattfinden,« sprach er. Man wunderte sich darüber, dass er gerade jenes Dschami wählte, sie eilten also, um es in Ordnung bringen zu lassen.
Es waren schon fünfzehn Tage verstrichen, dass dieser Betrunkene nicht in seinem Heim gewesen war. Als seine Frau hörte, dass der Padischah in ihr Dschami kommen wird, liess sie sich eine Bittschrift schreiben, welche sie dem Padischah beim Verlassen des Dschami überreichte. Der Padischah las die Bittschrift und sah, dass seine Frau dieselbe schreiben liess. Es stand darin: »Padischah, ich habe einen Mann, der Tag und Nacht ohne Unterlass sich betrinket; es sind schon fünfzehn Tage, dass er nicht nach Hause gekommen und auch keine Lebensmittel geschickt, so dass wir dem Hungertode entgegen gehen«. Sofort erteilte der Padischah den Befehl, dass man das Haus dieser Frau niederreisse und auf’s neue aufbaue, auch sollen ihr monatlich fünfhundert Piaster gegeben werden. Der Befehl wurde auch sofort ausgeführt. Der neue Padischah hatte ausserdem einige Feinde, einen Wirt, der ihn einmal betrunken auf die Strasse werfen liess, einen Fleischhauer, der ihn einmal durchhaute, weil er ihm das auf Kredit gegebene Fleisch nicht bezahlen wollte, einen Gastgeber, der ihm keine Speisen verabreichen wollte. Der Padischah gab dem Wezir den Befehl, diese Leute köpfen zu lassen, was auch sofort geschah.
Indessen hatte der wirkliche Padischah mit seinem Lala schon ein grosses Stück des Weges zurückgelegt. Eines Tages kamen sie in ein Tal, wo sie sich niedersetzten, um ein wenig auszuruhen. In der Strömung des im Tale rauschenden Flusses fanden sie einen Apfel, den sie assen. Da fiel dem Padischah ein, dass er das Gelübde getan, wo immer sie auch hinkommen, so werden sie Verbotenes nicht tun. Nun können sie doch nicht wissen, ob der Apfel, den sie gegessen, verboten war, oder nicht. »Es bleibt nichts anderes übrig,« sagte der Padischah, »als den Eigentümer des Apfels aufzusuchen und nachträglich die Erlaubnis einzuholen.«
Sie machten sich also auf den Weg und wie sie so gehen, sahen sie, wie ein Landmann ackerte. Sie gingen zu ihm hin, begrüssten ihn und erzählten ihm die Geschichte mit dem Apfel. Der Bauer zeigte ihnen einen Garten, an dessen Mauer die Apfelbäume standen, von denen jener Apfel herabgefallen, den sie gegessen und zugleich zeigte er ihnen auch das Haus, worin der Eigentümer der Apfelbäume wohnte. Der Padischah ging mit seinem Lala schnurstracks dahin. Als sie an der Türe anklopfen, öffnete ihnen eine alte Frau, der sie die Geschichte mit dem Apfel erzählten. Die alte Frau sagte, dass die Apfelbäume ihrer Tochter gehören, sie wird es ihr schon sagen. Damit ging, sie und berichtet es ihrer Tochter. Das Mädchen antwortete, wenn er sie zur Frau nehme, so überlässt sie ihm den Apfel. Der Padischah dachte und grübelte darüber nach, endlich willigte er ein, das Mädchen zu heiraten. Die alte Frau sprach: »So wisse denn, dass die Füsse meiner Tochter krumm, ihre Arme lahm, ihre Augen blind sind; ihr Kopf kahl und sie so hässlich ist, dass man ihr nicht einmal ins Gesicht sehen kann.« »Tut nichts,« sprach der Padischah, »ich heirate sie« und sagte seinem Lala, dass sie noch heute die Hochzeit feiern werden; in der Früh möge er aber die Pferde bereit halten, um weiter ziehen zu können. Darauf kehrte der Lala in den Hân ein, der Padischah hingehen ging, seine Hochzeit abzuhalten.
Als man ihm das Mädchen entgegenführte, da sah er, dass sie so schön war, wie er noch keines auf der Welt gesehen. »O meine Sultanin,« sprach der Padischah, »deine Mutter sagte, dass du so hässlich wärest, während du die grösste Schönheit der Welt bist.« Das Mädchen antwortete darauf, dass ihre Mutter alles, was sie sagte, auf ihre Schönheit bezogen habe, damit man sie nur missverstehe. Dann wurde die Hochzeit gefeiert und Tags darauf kam, wie verabredet, der Wezir mit den Pferden, damit sie aufbrechen. Der Padischah aber sagte ihm, dass er noch beiläufig fünf Tage da bleibe, so lange solle er auf ihn im Hân warten. Der Padischah blieb noch vierzig Tage bei seiner Frau, am einundvierzigsten Tage sprach er zu ihr: »O meine Sultanin, länger kann ich nicht da bleiben, ich muss fort«. Wenn du einen Sohn gebären wirst und er herangewachsen sein wird, so binde ihm dieses Amulett an seinen Arm und schicke ihn in dieses und dieses Land mit dem Auftrage, dass er Ogursuz und Hajyrsyz (Unheilvoll und Taugenichts) aufsuche. Der Padischah hatte nämlich, als er seinen Palast verliess, den Namen Ogursuz, sein Führer hingegen den Namen Hajyrsyz angenommen. Hierauf bestiegen beide ihre Pferde und ritten von dannen.
Als sie so auf dem Wege trabten, begegneten sie dem Landmann; auch von ihm verabschiedeten sie sich und begaben sich auf den Heimweg. Als der Padischah in sein Seraj angekommen war, liess er den Betrunkenen, während er schlief, wieder in einen Korb legen, vor das Wirtshaus hintragen, wo man ihn liegen liess. Als der Mann erwachte, sah er sich auf der Strasse liegen. »Vielleicht träume ich,« dachte er sich und schloss wieder die Augen. Dann klatschte er in die Hände, worauf der Schänker fragend hinausrief: »Wer da?« Der Betrunkene schreit ihm, nicht zu spassen, sonst lässt er ihn sofort hängen. »Öffne die Türe, ich bin der Padischah!« rief er. Der Wirt öffnet die Türe und sieht, dass dies der alte Trunkenbold ist und stosst ihn von der Türe weg. »Spitzbube,« schrie ihn der Mann an, »so wisse denn, dass ich der Padischah bin, ich werde dich hängen lassen«. Der Wirt ergriff einen Stock und prügelte den sich Padischah nennenden weidlich durch, so lange, bis er tobsüchtig wird und damit schleppt man ihn, für verrückt haltend, in’s Irrenhaus.
Unterdessen sprach der Padischah zu seinem Wezir: »O Lala, wir haben den Mann holen lassen und nachdem wir unsere Sache verrichtet, wieder hinausgeworfen. Schau nach ihm, was mit ihm geschehen ist.« Der Wezir geht zum Wirt und erfährt von ihm, dass man den besoffenen Verrückten in’s Narrenhaus gesteckt habe. Der Wezir eilt in’s Irrenhaus, wo der Mann in einem fort schrie, dass er der Padischah sei und man ihn deswegen fast tot geschlagen. Der Wezir sagte dem Betrunkenen, er solle sich nicht für den Padischah ausgeben, sonst werde man ihn umbringen. Der Mann kommt zur Besinnung, geht zum Irren-Aufseher und sprach zu ihm: »O Efendi, ich bin betrunken, aber kein Padischah.« Als man merkte, dass er wieder bei Verstand ist, liess man ihn frei. Der Mann eilte nun schnurstracks nach Hause. Allein kaum hatte ihn seine Frau erblickt, schrie sie ihn an: »Geh‘ mir aus den Augen, du Besoffener, wo warst du bis jetzt? Hast du vielleicht gehört, dass mir der Padischah ein Haus bauen liess und ein Monatsgehalt ausgesetzt und kommst jetzt zurück, dass auch du einen Anteil daran habest?« Die Frau will ihren Mann durchaus nicht hineinlassen. Allein der Wezir hatte dort ebenfalls Umschau gehalten und als er die Frau so reden hörte, ging er hin und sprach zu ihr: »Lass deinen Mann hinein, sonst verlierst du alles.« Die Frau erschrak und liess ihren Mann hinein.
Während sie nun in Frieden leben, kommt die Frau, die Eigentümerin der Apfelbäume an die Zeit und brachte einen Knaben zur Welt. Sie erzog das Kind, das sein vierzehntes Lebensjahr erreichte. Als der Knabe eines Tages mit seinen Gefährten spielte, gerieten sie in Streit und schimpften ihn einen Bankert. Der Knabe lief zu seiner Mutter und fragte sie, wer sein Vater sei. Die Mutter antwortete, das wisse sie selbst nicht. »Dein Vater – fuhr sie dann fort – lebte vierzig Tage mit mir und ging dann weg.« »Liess er mir gar nichts zurück?« fragte sie der Knabe. »Ein Amulett liess er da« antwortete die Mutter, »und wenn du gross geworden sein wirst, geh in diese und diese Stadt, suche Ogursuz und Hajyrsyz auf und du wirst ihn finden.« Als dies der Jüngling hörte, nahm er das Amulett und machte sich damit auf den Weg.
Wie er so ging und ging, begegnete er jenem Ackersmann. Er ruhte sich ein wenig aus und während des Gesprächs sagte ihm der Ackersmann, dass sein Vater sein Freund sei und dass er nicht allein gehen, sondern auch seinen Sohn mit sich nehmen solle. Der Jüngling willigte ein und machte sich mit dem Sohne des Landmannes auf den Weg. Auf dem Wege wurden sie durstig und kamen zu einem Brunnen. Der Sohn des Ackersmannes sprach zu ihm: »Ich werde dich in den Brunnen hinunterlassen, damit du trinkest; dann lassest du mich hinunter, damit ich trinke.« Der Schehzade willigte ein, liess sich in den Brunnen hinunter und nachdem er seinen Durst gelöscht, rief er hinauf, damit er ihn hinaufziehe. Der Sohn des Landmannes sprach: »Wenn du mir darauf schwörest, dass ich der Sohn des Hajyrsyz sein soll, du aber der des Ackersmannes und auch darauf, dass du dies nicht verratest, bist du nicht gestorben und wieder auferstanden bist, so will ich dich heraufziehen.« Der Schehzade beschwört dies und liess sich hinaufziehen. Dann setzten sie ihren Weg fort, gelangten in die Stadt des Padischah und machten sich auf die Suche nach Ogursuz und Hajyrsyz. Der Padischah erfährt die Sache und lässt sie in das Seraj holen. Als er sie fragte, wer von ihnen sein Sohn sei, zeigte sein Sohn auf den Sohn des Ackersmannes, er aber gab sich für den Sohn des Landmannes aus. Der Padischah aber blickt dem, der sich für den Sohn des Landmannes ausgab, ins Antlitz und sein Blick blieb an ihm haften. Dann schickte er den Knaben in den Harem, den andern aber, der sich für den Sohn des Landmannes ausgab, teilte er seinem Hofe zu.
Einst erschien dem Prinzen im Traume ein Derwisch, der ihm die weltschöne Sultanstochter zeigte und den Liebesbecher austrinken liess. Seit dieser Zeit war der Prinz wie ausgetauscht. Es behagte ihm weder Speise noch Trank, weder Schlaf noch Ruhe; er ward bleich und welk. Ein Arzt nach dem andern, ein Hodscha nach dem andern wurde zu ihm gerufen, aber keiner erkannte sein Leid, keiner wusste ihm ein Heilmittel zu geben.
Einmal sprach der kranke Prinz zu seinem Vater: »Padischah mein Vater, Ärzte und Hodschas können mir nicht helfen, bemühe sie nicht umsonst«. Die weltschöne Sultanstochter ist mein Leid, mein Leben oder mein Tod. Der Padischah erschrak ob der Rede seines Sohnes und es war nun seine grösste Sorge, den Sinn seines Sohnes von der Jungfrau abzulenken. »Es ist gefährlich an Sie auch nur zu denken, denn ihre Liebe bringt Tod.« Allein der Jüngling welkte dahin und hatte am Leben keine Freude mehr. Sein Vater der Padischah fragte ihn fortwährend ob er einen Wunsch habe. »Die weltschöne aufzusuchen« war die einzige Antwort des Sohnes. Da dachte einmal der Padischah, sein Sohn würde zu Grunde gehen, wenn er ihn nicht ziehen liesse und er wäre dann die Ursache seines Todes; so möge er dann seiner Liebe nachgehen, vielleicht wird der gerechte Allah mit ihm Erbarmen haben. Der Prinz aber sprach: »Ich selbst will nicht hingehen, schicken wir den Sohn des Landmannes, damit er uns das Mädchen hole.« Sofort liess der Padischah den Bauerssohn holen und trug ihm auf, die weltschöne Sultanstochter zu bringen.
Der Junge willigte ein und am nächsten Tage machte er sich auf den Weg und über Berg und Tal, über Ebenen und Schluchten hinweg ging er die weltberühmte Schöne aufzusuchen. So ging er seiner Wege und gelangte an ein Meeresufer, wo ein kleines Fischlein sich im Sande wälzte und ihn anflehte, er möge es zurück in’s Meer werfen. Der Jüngling erbarmte sich des Fischleins und warf es in’s Wasser zurück, nachdem es ihm drei Schuppen mit den Worten gegeben hatte: »Wenn du in Bedrängnis gerätst, so verbrenne die Schuppen.« Hierauf ging er seines Weges weiter und als er auf eine grosse Ebene gelangte, traf er eine lahme Ameise an. Das Tierchen bat ihn, ihm rasch zu helfen, da man eine Hochzeit feiere und es sonst seine Gefährten nicht erreichen könnte. Der Prinz hob die Ameise auf und trug sie zu ihren Gefährten. Sie gab ihm ein Stückchen von ihrem Flügel, indem sie sagte: »Wenn du in Bedrängniss gerätst, so verbrenne dieses Flügelstückchen.«
Voll Kummer und Leid setzte er seinen Weg fort und gelangte in einen grossen Wald, wo ein kleiner Vogel mit einer grossen Schlange kämpfte. Das Vöglein bat den Jüngling ihm zu helfen, worauf er die Schlange mit einem Schwerthieb entzwei schnitt. Das Vöglein gab ihm nun drei Federn und sagte: »Wenn du in grosse Bedrängnis gerätst, so verbrenne diese Federchen.«
Abermals griff er zum Wanderstabe und über Berge und Meere gelangte er in eine grosse Stadt. Dies war das Reich des Vaters der Weltschönen. Er ging schnurstracks in den Palast zum Padischah und verlangte im Namen Allahs seine Tochter zur Frau. »Vorher musst du drei Arbeiten verrichten,« sagte der Padischah, »dann kannst du deinen Wunsch meiner Tochter mitteilen.« Hierauf nahm der Padischah einen Ring hervor, warf ihn ins Meer und sagte dem Prinzen, dass er wo ferne er ihm den Ring nicht binnen drei Tagen einhändige, sein Leben dafür lassen müsse. Der Prinz dachte hin und her, da fielen ihm die drei Fischschuppen ein und als er sie verbrannte, erschien das Fischlein und fragte: »Was befiehlst du, mein Sultan?« – »Der Ring der Weltschönen fiel in’s Meer, such‘ mir ihn.« Das Fischlein suchte nun den Ring, fand ihn aber nicht; es tauchte zum zweiten Male hinab, fand ihn aber wieder nicht; es tauchte zum dritten Male bis zum siebenten Meer hinab und brachte endlich einen Fisch herauf, den sie aufschlitzten und in dessen Bauch sie nun den Ring fanden. Er gibt ihn dem Padischah, dieser gibt ihn seiner Tochter.
In der Nähe des Palastes befand sich eine Höhle, vollgefüllt mit Asche und Hirse. »Die zweite Arbeit ist,« sagte der Padischah, »dass du die Hirse aus der Asche auswählest.« Der Prinz ging in die Höhle hinein und verbrannte den Ameisenflügel, worauf alle Ameisen der Erde erschienen und die Arbeit in Angriff nahmen. Noch am selben Tage ward die Arbeit vollendet und abends ruft er den Padischah herbei, um ihm zu zeigen, dass auch das zweite Werk vollbracht sei.
»Noch eine dritte Arbeit sollst du verrichten,« sagte der Padischah, »und dann führe ich dich zu meiner Tochter.« Er liess hierauf eine Dienerin herbeirufen, spaltete ihr den Kopf und sprach dann zum Jüngling: »So soll dein Haupt entzwei gespalten werden, wenn du die Magd nicht lebendig machen kannst.« Der Jüngling verliess den Palast und dachte, dass ihm vielleicht die Vogelfedern helfen können. Er nahm sie also hervor und verbrannte sie, worauf das Vöglein erschien und seiner Befehle harrte. Der Prinz teilte ihm klagend die aufgetragene Arbeit. Der Vogel gehörte zu den Peris, er flog daher in die Luft hinauf und kehrte bald mit einem wassergefüllten Näpfchen zurück. »Hier ist das Wasser des Paradieses, zu neuem Leben wird davon der Tote erwachen.« Der Prinz ging nun in den Palast zurück und kaum hatte man den Kopf der Magd mit dem Wasser eim gerieben, so erwachte sie, als ob sie nie tot gewesen wäre.
Auch die Weltschöne hatte davon Kunde erhalten und man führte nun den Prinzen zu ihr. Die Jungfrau wohnte in einem kleinen Marmorkiosk, vor dem Kiosk befand sich ein goldenes Wasserbecken, in welches von vier Seiten her Wasser hereinrieselte. Der Hof des Kioskes war ein grosser Garten, voll Bäume, Blumen und singender Vogelschaaren. Der Jüngling fühlte sich, als ob er vor der Pforte des Himmelreiches stünde. Da öffnete sich plötzlich die Pforte des Kiosks und der Garten ward so voll von Licht, dass die Augen des Prinzen fast geblendet wurden. Die Weltschöne war in der Pforte erschienen und jener blendende Glanz war die Röte ihrer Wangen. Sie trat zum Prinzen hin, wollte ihn ansprechen, allein kaum hatte sie den Jüngling angeblickt, brach sie ohnmächtig zusammen. Als die Jungfrau zu sich kam, trug man sie in den Kiosk hinein und indem er ihr nachfolgte, konnte er sich nun an ihrer Huri-Schönheit ergötzen. »O Prinz« begann die Maid, »du bist Schah Sulejmans Sohn, du kannst mir helfen. Dort im Garten des Reh-Dew singt ein Granatenzweig; wenn du mir den bringen kannst, so will ich ewig dir angehören!«
Reich mir die Hand, es ist des Freundes Hand. Der Jüngling ging also weit weg; monatelang ging und ging er über Berg und Tal dahin. »O mein Schöpfer, zeig‘ mir den rechten Weg«, seufzte der Jüngling gar oft und gelangte einmal an den Fuss eines Berges. Als ob der jüngste Tag angebrochen wäre, solchen Lärm hörte er, dass Steine und Berge davon erzitterten. Der Jüngling wusste nun nicht, ob dies Feinde oder Freunde, Menschen oder Geister seien; er schritt vorwärts, wobei der Lärm immer stärker wurde und Staub und Rauch sich erhob. Nun wusste er nicht, in welcher Richtung er vorwärts gehen solle, aber woher sollte er das auch wissen, dass sich von dort in einer Entfernung von sechs Monaten der kleine Garten des Reh- Dew sich befinde und dass der grosse Lärm eben vom Tor des Gartens und den Talismanen des Dew herrühre.
Er ging geradaus weiter und bemerkte das Tor des kleineren Gartens, im Tore die kreischenden Talismane und daneben auch den Torwächter. Er ging zu ihm und erzählte seine Not. »Wie hast du dich vor dem grossen Lärm nicht erschreckt« sagte der Torwächter, »diese vielen Talismane waren deinethalben unruhig, selbst mich haben sie erschreckt.« Der Prinz erkundigte sich nach dem Granatenzweige. »Es ist eine schwierige Sache, den zu erlangen« sagte der Wächter, »wenn du dich aber nicht fürchtest, so kannst du ihn vielleicht erlangen. Nach einem drei Monate langen Weg gelangst du wieder an einen solchen Ort mit Talismanen; auch dort befindet sich ein Garten, dessen Wächter meine Mutter ist. Aber komme ihr nicht zu nahe; warte, bis sie sich dir nähert. Überbringe ihr meinen Gruss; aber deine Angelegenheit erzähle ihr erst dann, wenn sie dich darnach fragt.«
Der Jüngling ging nun in der angezeigten Richtung vorwärts und nach drei Monaten hörte er einen solchen Lärm, zu dem verglichen der frühere gar nichts war. Hier war also der grössere Garten des Reh-Dew und der grosse Lärm rührte von seinen Talismanen her. Der Jüngling zog sich hinter einen Felsen zurück und erblickte nun nach einer Weile eine menschliche Gestalt, die als er sich ihr näherte, ein altes Mütterchen, von ungefähr dreimal dreissig Jahren war. Ihr Haar war schneeweiss, ihre Augenlieder rot, ihre Augenbrauen zwei Pfeile, in ihren Augen glänzte ein Höllenfeuer, ihre Fingernägel waren zwei Ellen lang, ihre Brüste glichen zwei grossen Schläuchen, ihre Zähne aber grossen Grabschaufeln; ihre Lippen waren Backtrögen gleich und auf ihren Stab gestützt, schnupperte sie in der Luft herum, nieste auf Schritt und Tritt, fauchte und hüstelte; o weh, o weh! keuchte sie, dabei mit ihren Schuhen klappernd. Dies war die Mutter des Wächters vom kleinen Garten, die Wächterin des grösseren Gartens.
Sie trat an den Jüngling heran und fragte ihn, was er in dieser Gegend suche? Der Prinz übergab ihr den Gruss ihres Sohnes. »Ei der Taugenichts,« keuchte die Alte, »also auch ihm bist du begegnet? Wusste mein schlimmer Sohn, dass ich mich deiner erbarmen werde und hat er dich deshalb zu mir geschickt? Nun, damit ich mit dir fertig werde.« Damit packte sie den Jüngling und schüttelte ihn.
Der Prinz wusste nun nicht, was mit ihm geschehen, er sah bloss, dass er sich auf den Rücken von Irgendetwas befinde. Es hatte weder Augen noch Ohren, war zusammengeschrumpft wie eine Kröte und eilte mit ihm von dannen. Wenn er es betrachtete, so schien es ihm klein, wie ein Insekt, aber indem er auf dem Rücken desselben dahinjagte, machte es so grosse Schritte, dass es meerbreite Strecken mit einem Schritte übersprang. Plötzlich setzte es ihn ab und sprach zu ihm: »Was immer du auch hörest, was immer du auch siehst, hüte dich etwas zu reden, sonst bist du verloren!« Hierauf verschwand es.
Wie traumbefangen sah nun der Prinz rauschende Gewässer und einen endlosen Garten, worin Bäume, Blumen und Früchte waren, dergleichen in der Welt nirgends zu sehen sind. Überall Vogelsang, Nachtigallenschlag, als ob selbst die Luft aus Liedern bestünde. Der Jüngling blickte ringsherum, trat in den Garten ein und vernahm ein herzergreifendes, weinendes Klagen. Da fiel ihm der Granatenzweig ein, den seine Augen nun suchten. In der Mitte des Gartens stand ein kleiner Blumenpalast, an dem gleich Lampen viele Granaten hingen. Er pflückte sich einen Zweig, worauf ein schreckliches Jammern hörbar ward: »Menschenkind strebt nach unserem Leben, Menschenkind tötet uns«, so dass der Prinz aus dem Garten kaum entkommen konnte.
»Eile, laufe!« rief ihm das beim Tore auf ihn wartende Irgendetwas entgegen, nahm ihn auf den Rücken und mit einigen Sprüngen sind sie jenseits des Meeres. Erst jetzt betrachtete der Jüngling den Granatenzweig. Es waren fünfzig Granatäpfel daran, jeder sang ein anderes Lied, als ob die Musik der ganzen Welt sich hier vereinigt hätte. Dann gelangten sie zum Mütterchen, zur dreimal dreissig Jahre alten Frau.
»Behüte den Granatenzweig gut,« sagte das Mütterchen, »lass ihn nie allein. Wenn du die ganze Brautnacht hindurch mit deiner Braut ihm zuhören kannst, so werden dich die Äpfel lieben; dann brauchst du dich vor nichts zu fürchten, denn sie beschützen dich in jeder Bedrängniss.« Vom Mütterchen ging er hierauf zum Sohne, der ihm die Worte seiner Mutter nochmals an’s Herz legte, worauf er sich auf dem Weg zur weltberühmten Schönen machte.
Sehnsüchtig erwartete ihn die Jungfrau, denn sie hatte ebenfalls den kühnen Prinz lieb gewonnen und voll Bangen flossen ihre Tage dahin, da sie sich fürchtete, dass dem Jüngling ihrethalben ein Unfall zugestossen wäre.
Da plötzlich vernahm man Musik, die verschiedensten Töne, die herzergreifendsten Liederweisen der fünfzig Granatäpfel. Die Jungfrau eilte dem Prinzen entgegen und ob der Vereinigung der beiden Herzen tönte der Granatenzweig so lieblich, als ob sie sich nicht auf Erden, sondern im Jenseits bei Allah befänden. Vierzig Tage und vierzig Nächte dauerte ihre Hochzeit, am einundvierzigsten ging der Prinz zur Weltschönen hinein und als sie sich niederlegten, hörten sie den Granatäpfeln zu.
Die ganze Nacht hindurch hatte aber der Prinz sein Schwert zwischen sich und dem Mädchen liegen lassen und als ihn die Jungfrau nach dessen Ursache fragte, sprach der Jüngling: »So wie du, habe auch ich Vater und Mutter. Hier haben wir unsere Hochzeit schon gehalten; wir wollen jetzt zu meinen Eltern gehen und sie auch dort feiern.« Dies wird dem Padischah berichtet, der seine Einwilligung dazu gibt, worauf sich beide auf den Weg machen.
Eines Tages langten sie in der Stadt des Jünglings an. Der Jüngling ging zum Padischah und meldete, dass er die Weltschöne gebracht habe. Der Padischah lobte den Sohn des Landmannes, beschenkte ihn und trifft Vorbereitungen zur Hochzeit. Das Mädchen bemerkte, dass nicht der, welcher sie brachte, ihr Bräutigam sei. Als sie so neben einander sassen, da sprach der falsche Schehzade zu ihr, sie möge doch schon etwas sagen. Darauf erhob sich die Jungfrau und schlug dem Jüngling in’s Gesicht. Weinend lief der Jüngling zum Padischah. Dieser ahnte, dass da etwas dahinter stecke, ging hin zur Jungfrau und zog sie zur Rechenschaft.
Das Mädchen bat hierauf den Padischah, sie mag den Schehzade so lange nicht, bis er den Sohn des Landmannes nicht töten lasse. Hierauf liess der Padischah den Jungen zu sich befehlen und ihm den Kopf abschlagen. Nun holte das Mädchen das Paradieswasser hervor, welches der Jüngling gebracht hatte, bestrich ihm damit den Kopf, setzte ihn auf den Rumpf und siehe da, er erwachte zu neuem Leben davon. »Nun jetzt« sprach zu ihm die Weltschöne, »bist du gestorben und wieder auferstanden, dein Wort hast du eingelöst. Du darfst jetzt schon alles sagen was mit dir geschehen.« Nun erzählte der Jüngling wie er, als er seine Mutter verlassen, den Sohn des Ackermannes angetroffen; er erzählte die Geschichte mit dem Brunnen und alles was ihm auf dem Wege zugekommen. Er zeigte dem Padischah das Amulett, das er von seiner Mutter erhalten.
Als sich der Padischah überzeugt hatte, dass dieser sein eigentlicher Sohn war und nicht der andere, umarmte er ihn, küsste ihn und konnte sich an ihm kaum satt sehen. Den Sohn des Bauers liess er hinrichten, die Mutter seines Sohnes hingegen liess er holen und sie feierten auf einmal ihre Hochzeit, er mit seiner Frau, sein Sohn mit der Weltschönen.

[Asien: Türkei. Märchen der Welt]

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