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Märchenbasar

Der Werwolf

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Es war einmal ein Witwer, welcher drei Kinder hatte und sich wieder verheiratete. Die Stiefmutter sagte zu ihm, er solle die Kinder umbringen. Die Kinder hörten es und gingen zu ihrer Tante. Diese gab ihnen Linsen und die Kinder streuten diese längs des Weges aus. Als sie weit fort waren, ließ sie der Vater im Stich. Die Kinder folgten nun der Linsenspur und kehrten heim. Daheim aß man gerade Mehlkuchen, da sagten sie: »Wir möchten gern auch ein wenig davon essen, wenn Ihr es erlaubt, Vater.« Die Frau sprach zu ihrem Gatten: »Warum hast du sie nicht umgebracht? Ist das deine ganze Arbeit?«
Der Vater nahm die Kinder von neuem mit sich, um sie in die Irre zu führen. Sie gingen wieder zu ihrer Tante, die gab ihnen ein kleines Garnknäuel. Sie banden das Ende des Fadens an ein Zweiglein und wickelten ihn unter dem Gehen ab. Als sie sehr weit fort waren, ließ sie der Vater im Stich. Die Kinder nahmen die Garnsträhne und wickelten sie wieder auf: »Wenn wir sie immer weiter wickeln, so werden wir ankommen.« Daheim aß man gerade Erdäpfel, sie sagten: »Wir möchten gern auch ein wenig davon essen, wenn Ihr es erlaubt, Vater.« Die Frau sprach zu ihrem Gatten: »Ist das deine ganze Arbeit? Willst du sie denn nie umbringen?«
Der Vater nahm die Kinder nochmals mit sich, um sie in die Irre zu führen, und ließ ihnen keine Zeit, zuvor zur Tante zu gehen. Als sie sehr weit fort waren, ließ sie der Vater im Stich.
Die Kinder waren müde und schliefen ein. Als sie erwachten, wußten sie nicht, wohin sie gehen sollten. Während sie noch ihren Weg suchten, fanden sie eine Eichel; die setzten sie in den Boden und sprachen dabei: »Kleine Eichel, werde groß! Kleine Eichel, werde groß! Kleine Eichel, werde groß!« Als die Eichel genug getrieben hatte, stieg der älteste Knabe hinauf und die andern sagten zu ihm: »Schau nach dieser Seite, ob du nichts siehst!« »Ich sehe nichts.« »Schau nach jener, vielleicht wirst du dort etwas sehen!« »Ich sehe dort drunten ein Häuschen.« »Schau es dir gut an, dahin gehen wir.«
Es war das Haus des Werwolfs; es war aber nur seine Frau zu Hause. »Könnt Ihr uns keinen Unterschlupf gewähren?« »Nein, denn wenn der Werwolf käme, so würde er euch fressen.« »Fürchtet nichts und gebt uns etwas zu essen!« Die Frau gab ihnen Speise und sperrte sie dann auf den Speicher; sie gab ihnen einen Rattenschwanz: »Wenn der Werwolf kommt, müßt ihr ihm diesen Schwanz durchs Schlüsselloch vorweisen.« Als der Werwolf heimkam, sagte er: »Was gibt es hier? Was stinkt da so? Hier ist Christenfleisch gewesen!« »Friß, was ich dir gebe! Es sind drei kleine Kinder, die gekommen sind, ich habe sie auf den Speicher gesperrt.« Der Werwolf geht hin und will nachsehen, ob sie fett sind; die Kinder stecken den Rattenschwanz durchs Schlüsselloch; da sah er, daß sie mager waren, und ging wieder fort.
Als er wiederkam, hatten die Kinder den Rattenschwanz verloren; sie mußten ihm nun ihre kleinen Finger vorweisen. Da sah er, daß sie fett waren, und fraß eines von ihnen. Nachdem er es gefressen hatte, schlief er ein. Nun kamen die andern vom Speicher herab, und als sie gewahrten, daß der Werwolf schlief, krochen sie unter ein Bett. Dort fanden sie eine Schüssel voll Pech, das schütteten sie dem Werwolf in die Augen und verbargen sich dann im Ziegenstall. Als der Werwolf erwachte, rief er: »Ah! So habt ihr mir mitgespielt! Aber ich werde euch bald erwischen!« Er ging in den Ziegenstall und stellte einen Mühlstein hinter die Tür. Einer jeden Ziege, die vorbeiging, befühlte er den Bauch und sprach: »Du bist eine Geiß, du bist ein Bock.« Als die ganze Herde heraus war, sprachen die Kinder zueinander: »Was sollen wir jetzt tun?« Sie nahmen ein Ziegenfell, warfen es sich über den Rücken und sprachen: »Während er untersucht, ob es eine Geiß oder ein Bock ist, lassen wir ihm das Fell in den Händen und entwischen.« Während der Werwolf tastete, ob es eine Geiß oder ein Bock sei, blieb ihm die Haut in den Händen. »Ah! So habt ihr mir mitgespielt! Aber ich werde euch gleich erwischen!« Die Kinder versteckten sich unter einem Felsen bei der Höhle des Werwolfs. Der Werwolf roch sie, er kam herzu, da er aber gar nichts sah, stieg er auf den Felsen und kam dabei um.
Die Kinder nahmen ein Ziegenlamm und sprachen zu der Frau: »Es soll abgestochen und gekocht werden!« »Wie soll ich es töten?« »Wir werden es Euch zeigen, legt Euren Kopf auf den Block!« Als sie sich über den Hauklotz gebeugt hatte, trennten sie ihr mit einem Axthieb den Kopf vom Rumpfe. Da waren sie Herren im Hause.

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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