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Märchenbasar

Der Wolf und die Sau mit den zwölf Ferkeln

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Als der Wolf wieder zur Besinnung kam, quälte ihn gleich auch sein entsetzlicher Hunger. »Ich bin zu einer unglücklichen Stunde geboren; ich habe kein Glück!« klagte er, »was ich immer unternehme mißlingt, und ich gewinne davon nur Schläge; solange ich mit dem Fuchs gut war, kriegte ich zwar auch Schläge, aber ich stillte doch meinen Hunger; dieser ist nun riesengroß und wächst immerfort!« Weit und breit im Felde war nun nichts mehr zu sehen, das er als Beute hätte eintreiben können. Da gedachte er, wie seine Vorfahren in Zeiten der Not von Wurzeln gelebt hätten; er griff auch jetzt zu diesem Mittel; allein schon nach einigen Tagen war er ihrer satt, verwünschte sie und rief: »Der Teufel soll weiterhin Wurzeln fressen; ich bin es einmal von meiner Jugend an besser gewohnt, das ist keine Speise für einen ehrlichen Wolf; ich muß mir jetzt woher immer Fleisch verschaffen!« Was war zu tun? In Feld und Wald war nichts zu finden; da mußte er zu den gefahrvollen Unternehmungen ins Dorf sich entschließen. Oft hatte er sich den Gartenzäunen glücklich genähert, da rochen ihn aber die Hunde und vertrieben und verfolgten ihn ins weite Feld. Einmal traf es sich, daß der Müller in der Stadt auf dem Jahrmarkt war und seine Hunde mitgenommen hatte. Der Wolf hatte sich unbemerkt herangeschlichen und traf des Müllers Sau mit ihren zwölf Ferkeln, die wühlten unbesorgt oberhalb der Mühle am Mühlengraben. »Ha!« jauchzte der Wolf, »zwölf Ferkel sind keine magere Kost; da kannst du dich einmal für alle Not entschädigen.« Er lief im Sturm auf die Sau los und schrie: »Aha! Habe ich Euch einmal! Ihr seid es mit Euerer Sippschaft, die Ihr mein Kartoffelfeld verwühlt habt; Eure Kinder als Pfand her!«
Die Sau stutzte; sie dachte anfangs den Wolf gleich zu packen, als sie aber seine grimmigen Hungerzähne sah, fürchtete sie, es könne bei dem Kampfe eines ihrer Kinder in Gefahr kommen; sie sprach: »So? Ich entsinne mich nicht, daß ich mit meinen Kindern je auf Euerem Kartoffelfeld gewesen, doch nehmt sie hin, wenn Ihr uns durchaus für strafbar haltet; um eines nur bitte ich Euch: die armen sind noch Heiden; ich fand bis jetzt noch keinen Priester, um sie taufen zu lassen; doch sehe ich an Euerem Rock, daß Ihr ein ‚würdiger‘ Herr sein müsset; Ihr könnt gewiß taufen!« Der Wolf wollte nicht sagen: »Nein, das verstehe ich nicht«, denn das schmeichelte seinem Ehrgeiz, dass man ihn für einen Pfarrer hielt. »Ja, ja!« sprach er, »gleich will ich sie taufen!« Da ging er ans Mühlengerinne, bückte sich hinunter, benetzte seine Rechte und taufte der Reihe nach alle Ferkel. Als er am letzten war und sich wieder zum Wasser bückte, gab ihm die Sau mit ihrer Schnauze einen tüchtigen Schub; er plumpste hinein und mußte saufen, aber nun kam er auch unters Rad und wurde hier gut gewalkt und zerquetscht; endlich fiel er durch, tunkte noch einmal im scharfen Wasser unter und kam »plutschnaß« und ganz matt wieder aufs Trockene. Da dachte er voll Grimm an die Sau und wollte über sie herfallen, die war aber indes mit ihren Ferkeln in die Mühle gelaufen und hatte sich geborgen; bald kam auch der Müller mit seinen Hunden heim. Jetzt ging die Not für den Wolf aufs neue an, und er hatte von Glück zu sagen, daß er mit dem Leben elendiglich davonkam.

[Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen]

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