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Der Wurzelpeter und der Rumpelpumpel

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Im Märchenwald, unweit der großen Eiche, bewohnte der Wurzelpeter eine kleine Laubhütte. Er war der Apotheker des Waldes mit zwergähnlicher Statur. Sein Können bestand darin, dass er alle Wurzeln, jedes Kraut, sämtliche Pilze und Beeren des Waldes kannte. Daher hatte er seinen Namen Wurzelpeter zu Recht erhalten.

Er wusste ganz genau, welches Kräutlein er kranken Bewohnern des Märchenwaldes geben musste, um ihre Krankheiten zu heilen. Der Apotheker war fast den ganzen Tag in der Natur unterwegs und sammelte Zutaten für seine Arzneien.

Eines Tages behandelte das kleine Waldmännchen eine Nachtigall. Sie war vom vielen Singen heiser geworden. Der Vogel musste ein bitteres Kraut schlucken, als in der Tür plötzlich Zipfelmütze stand. Der kleine Mann war einer der sieben Zwerge. Er brachte dem Wurzelpeter aus Dankbarkeit einen Sack voller Silber. „Du hast Schneewittchen vor einiger Zeit mit deinem Tee und der Arznei sehr geholfen, als sie von ihrer Stiefmutter vergiftet wurde. Nun, da das Mädchen wieder genesen ist, will ich mich gebührend bei dir bedanken.“
Zipfelmütze setzte sich einen Moment zu dem Waldapotheker und beide tranken einen Kräutertee, der herrlich nach Rhabarber und Vanille schmeckte.
Der Zwerg erzählte dem kleinen Männchen das Neuste aus dem Märchenwald. Unter anderem berichtete er ihm von Rotkäppchen, das auf ihrem Weg zur Großmutter dem bösen Wolf begegnet war. „Gott sei Dank kam der Jäger rechtzeitig und hat die beiden aus dem Bauch der Bestie gerettet. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn seine Hilfe zu spät gekommen wäre.“ Dann lachte der Zwerg: „Du wirst es nicht glauben, aber der Jägersmann hat dem armen Wolf den ganzen Bauch mit Wackersteinen gefüllt.“
„ Au weia, das muss ja ganz schön weh getan haben“, grinste der kleine Apotheker.
Nach einem kleinen Schlückchen aus der Teetasse sagte der Zipelmützenzwerg: „Am Sonnabend findet ein Rennen zwischen dem Hasen und dem Igel statt. Ich würde mich freuen, wenn du ebenfalls kommen würdest.“
„Ich werde es mir überlegen. Es wäre schon interessant zu erfahren, wer denn nun der Schnellere ist“, grinste Wurzelpeter.
Als der Zwerg sich verabschiedete, packte der Apotheker ihm noch einige Kräutermischungen ein. Die Zwerge sollten den Tee kosten und ihm berichten, welche der Sorten ihnen am besten schmeckten.

Wurzelpeter musste schmunzeln, als er an den Hasen dachte, der öfters bei ihm vorbeischaute. Mal holte er sich Salben und mal eine der Teemischungen. Aber auch Igel Krummbein war ein gern gesehener Kunde in der Waldapotheke. Er trank sehr gerne Haselnusstee, der, wie der kleine Kerl meinte, ihm die nötige Kraft geben würde, um bei den Wettläufen zu gewinnen.
Während Wurzelpeter seinen Gedanken nachhing, hörte er plötzlich ein komisches Geräusch. Es klang gefährlich. Als der Apotheker vorsichtig aus dem Fensterchen seiner Laubhütte sah, erkannte er den Wolf, der fürchterlich stöhnte und langsam den Weg entlangkam.
„Wurzelpeter“, rief er schon von weitem, „du musst mir helfen. Seitdem ich die Oma und Rotkäppchen gefressen habe, geht es mir nicht so gut. Mein Bauch schmerzt.“
Der Wolf wusste ja nicht, dass der Jäger ihm im Schlaf den Bauch aufgeschnitten und Rotkäppchen und ihre Großmutter gegen Wackersteine ausgetauscht hatte, damit er sein Völlegefühl behielt. Nun schlugen diese schweren Steine bei jedem Schritt zusammen und das war auch das Geräusch, welches Wurzelpeter gehört hatte.
Der Waldapotheker sprach zum Wolf: „Lege dich mal auf den Rücken, damit ich dich abtasten kann.“
Das Tier folgte und das kleine Männchen befühlte den Bauch des Wolfes. Er bemerkte sofort die großen, kantigen Steine. Auch war der lange Schnitt am Bauch des Wolfes nicht zu übersehen.
„Was machen wir da? Was machen wir da?“ Wurzelpeter fasste sich nachdenklich ans Kinn. „Du warst zu gierig, als du das Kind und die Großmutter gefressen hast. Hatte ich dir nicht immer schon gesagt, du solltest genügsam sein? Das ist nun die Strafe. Du musst nun vier Wochen lang Diät halten und jeden Tag früh, mittags und abends einen Tee trinken.“
Dass es sich dabei um einen Abführtee handelte, das verriet der schlaue Apotheker natürlich nicht.
Nichts ahnend bedankte sich der Wolf für die Hilfe und verabschiedete sich von Wurzelpeter, der schadenfroh grinste. Als der Wolf die Grimasse des Männleins sah, kam bei ihm ein komisches Gefühl auf.
„Warte nur“, dachte er, „wenn mein Bauch wieder in Ordnung ist, dann bist du mein nächstes Fressen. Du bist nicht zu dick und nicht zu dünn, gerade richtig nach einer Diät, um wieder mit dem Fressen anzufangen.“

Nach dem Besuch des Wolfes ging der kleine Apotheker in den Wald, um Kräuter und Pilze zu sammeln. Da sah er hinter einem Baum einen kleinen Kobold. Wurzelpeter nahm an, dass es ein Bruder von Rumpelstilzchen war, denn die Ähnlichkeit war verblüffend.
Rumpelstilzchen war schon seit einigen Jahren nicht mehr im Märchenwald gesehen worden. Es soll angeblich tot sein, sich in Stücke gerissen haben, nachdem die Königin seinen Namen erraten hatte.
Dieser Kobold aber tanzte um ein Feuer und rief ganz laut:

„Ach, wie gut das niemand weiß,
dass ich Rumpelpumpel heiß.
Königin, gib auf deine Tochter Acht,
denn ich hol sie heute Nacht.
Ja, ich brauche eine Frau,
für den Haushalt, ganz genau.
Ach, wie gut, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelpumpel heiß.“

Der Wurzelpeter war dem Kobold schon einige Male im Wald begegnet. Doch jedes Mal, wenn der kleine Kerl den Apotheker sah, wurde er unsichtbar. Den Namen des Kobolds hatte Wurzelpeter noch nie gehört.
Damit sich das Männlein nicht wieder in Luft auflösen konnte, versteckte sich der Waldapotheker hinter einem Baum, um nicht gesehen zu werden.
Ungestört rief Rumpelpumpel weiter:

„Vom Rumpelstilzchen hab ich Kraft,
drum Königstochter habe Acht.
Ich hole dich heute Nacht,
auch wenn ihr noch so wacht.
Ach, wie gut, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelpumpel heiß.“

Wurzelpeter überlegte, welche Königstochter der Kobold dieses Mal holen wollte. Die, die Rumpelstilzchen damals meinte, war inzwischen erwachsen geworden. Wurzel vermutete, dass Rumpelstilzchen den Kobold beauftragt hatte, seinen damaligen Lohn für das Goldspinnen zu holen. Nur diese Königstochter konnte gemeint sein.
Da rief der Rumpelpumpel wieder:

„Heute hole ich die Tochter der Königin
abends um acht schleich ich mich dorthin.
Dann bring ich sie schnell in mein Haus,
dort muss sie mir kochen einen guten Schmaus.
Dienstmagd, das ist Rumpelstilzchens Lohn,
für die Königin, ihre Last am Thron.
Dienstmagd wird sie bei mir im Haus,
dort lass ich sie niemals wieder raus.
Ach, wie gut, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelpumpel heiß.“

Wurzelpeter überlegte und dachte: „Das muss ich verhindern. Die Entführung der Tochter wäre fürchterlich für das Königspaar. Nicht auszudenken, welch Grausamkeiten sich der König für sein Volk ausdenken könnte, um seine Tochter wiederzubekommen.“
Rumpelpumpel setzte seinen Gesang fort:

„Rumbelpumpel heiß ich jetzt,
dieser Name, ja der fetzt.
Rumpelstilzchen hieß ich vor 18 Jahr,
ihr könnt´s glauben, das ist wahr.
Rumpelpumpel heiß ich heute
und das wissen keine Leute.
Ach, wie gut, dass niemand weiß,
dass ich Rumpelpumpel heiß.“

Wurzelpeter war erstaunt, es war nicht Rumpelpumpel, nein es war Rumpelstilzchen. Der kleine Kerl lebte also noch. Der Apotheker machte sich Vorwürfe, ihn nicht erkannt zu haben. Doch zu sehr hatte sich Rumpelstilzchen verändert. Sein damals roter Bart und die roten Haare waren heute grau geworden.

Wurzelpeter schlich sich leise weg, damit ihn Rumpelstilzchen nicht sehen konnte. Er lief zurück zu seiner Hütte. Er musste nicht lange überlegen, wer der Königstochter helfen konnte. Es kam nur der Zauberer Simsa in Frage. Mit dem fliegenden Teppich, den dieser Wurzelpeter vor einiger Zeit geschenkt hatte, flog das kleine Männchen zu Simsas Haus. Zum Glück war der Magier zu Hause. In aller Eile berichtete Wurzelpeter seinem Freund, was er im Wald gesehen und gehört hatte. Der Zauberer schnappte sich sofort seine magischen Handschuhe und den Zauberstab und flog in Windeseile mit dem Apotheker zum Palast des Königs.

Wurzelpeter erzählte dem Königspaar und der Prinzessin von seiner Begegnung im Wald.
„Wie können wir die Entführung verhindern?“ Fragend sah der König vom Zauberer zum Waldapotheker.
Simsa meinte: „Ich habe einen ganz einfachen Plan. Wir malen ein großes Empfangsschild und schreiben drauf:

„Willkommen Rumpelpumpel,
liebes Rumpelstilzchen!“

Dieses Schild hängen wir über die Tür Eurer Tochter. Wenn dann Rumpelpumpel kommt, ist er zwar unsichtbar. Aber wenn er sich ärgert, und das wird er ganz bestimmt, wenn er die Begrüßung liest, dann wird er sichtbar. Das ist eine günstige Gelegenheit. Ich nehme meinen Zauberstab und verwandele ihn in einen Grashüpfer. Das Chamäleon der Prinzessin fängt und frisst den Grashüpfer. So werden wir für immer das Rumpelstilzchen los.“
Der König fand den Plan gut und ließ gleich vom Hofmaler ein großes Willkommensschild malen. Dann hängten sie es über die Tür des Zimmers der Königstochter. Simsa wartete inzwischen im Nebenzimmer mit seinem Zauberstab.

Kurz nach der angegeben Stunde hörten sie ein lautes Fluchen.
„Woher wisst Ihr meinen neuen Namen und wer hat Euch das gesagt?“ Rumpelpumpel, der vor lauter Zorn sichtbar geworden war, stampfte mit seinem Fuß auf den Boden, so dass dieser erzitterte.
Das war das Zeichen für Simsa. Er murmelte einen Zauberspruch und schwenkte seinen Zauberstab.
Plötzlich krabbelte dort, wo gerade noch der Kobold gestanden hatte, ein kleiner Grashüpfer. Das Chamäleon auf dem Schoss der Prinzessin färbte sich von grün in braun, stieß seine Zunge aus, fing den Grashüpfer und verschluckte ihn sogleich.
Rumpelpumpel oder Rumpelstilzchen, wie immer er sich auch nannte, gab es nicht mehr.

Der König veranstaltete ein großes Fest und beschenkte Wurzelpeter und Simsa reichlich. Das Chamäleon hatte am anderen Tag ein kleines grünrotes Häufchen gemacht. Das war alles, was von Rumpelstilzchen übrig geblieben war.

Der Waldapotheker flog am nächsten Tag mit seinem fliegenden Teppich nach Hause zurück und lebte weiterhin in seiner Laubhütte im Wald.
Falls ihr auch mal in den Märchenwald kommt, dann freut er sich sicher auf euren Besuch.

Quelle: Friedrich Buchmann

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