Zuletzt fand sich ein Schneider, der dachte: „Halt, ich will gehen und ihr auflauern, einerlei, ob ich sie bekomme oder ob der Zar mir das Leben nimmt.“ Er war ein tapfrer und rascher Bursche. So legte er sich auf die Schwelle, über die sie kommen mußte; sie trat heraus, stieg über ihn weg und sagte: „Meines Vaters Hunde haben schon viele gefressen, auch für dich ist gesorgt.“ Er aber schnitt ihr mit seiner Schere ein Stück aus dem Rock, ohne daß sie es merkte, und als sie dann gewaltig forteilte, hielt er Schritt mit ihr, doch sie merkte es nicht. Als sie ans Meer kamen, warf sie ihr Tuch aus und fuhr hinüber; er konnte es aber nicht. Wie er nun gerade nach einer Seite hinhorchte, kam es ihm vor, als höre er einen Streit, er ging darauf zu und fand drei Teufel. Die waren bei einer Teilung, konnten aber nicht auseinander kommen und zankten sich; es ging um ein Fes, ein silbernes Sieb, eine Keule, einen goldnen Apfel und eine goldne Schale. Da redete er sie an: „Sagt mir, was es mit diesen Dingen auf sich hat, ich werde sie dann leicht unter euch verteilen.“ Sie antworteten: „Mit dem Fes ist es so: wenn du es aufsetzest, kann niemand und nichts dich sehen; mit der Schüssel, wenn du sie anleckst und den Wunsch aussprichst, füllt sie sich mit Goldstücken; mit der Keule, wenn du sagst: zerschlag diesen Berg, so schlägt sie ihn auseinander; und mit dem Sieb, wenn du hineinsteigst, kannst du damit übers Meer fahren.“ Darauf sagte er: „Nun, die Teilung werde ich leicht machen, ich werfe den Apfel, und wer ihn zurückbringt, dem gehört er.“ Es war aber an einem abschüssigen Ort, und als er den Apfel mit aller Kraft warf, rollte er hinab wer weiß wie weit. Die Teufel liefen dem Apfel nach und kamen wieder in Streit; er aber stieg in das Sieb, nahm Keule, Fes und Schale, setzte das Fes auf, und holte das Mädchen ein, gerade als sie ans Ufer kam. Sie sah ihn nicht.
Sie kamen nun durch einen Wald; darin schlug er nichts nieder, nur einen Ast brach er ab. Der Wald erdröhnte, und das Mädchen wartete, denn sie wagte nicht weiter durchzugehen, ehe der Wald sich beruhigt hatte. Darauf kamen sie zu dem Palast des Zarensohnes und gingen hinein. Der Prinz fragte das Mädchen: „Warum hast du dich so verspätet?“ Sie antwortete: „Der Wald erdröhnte, da wagte ich nicht weiter zu gehen.“ – „Nun, du bist ja da, wir haben ja Zeit, wenn du auch spät gekommen bist.“ Der Schneider aber setzte sich neben sie, ohne daß sie ihn sahen. Dann gingen sie zum Abendessen und tranken Raki aus einem goldnen Becher. Nachdem der Prinz getrunken hatte und nun den Becher dem Mädchen reichte, ergriff ihn der Schneider, der neben ihnen saß, trank den Raki aus und steckte den Becher in die Tasche. Die beiden suchten danach, wunderten sich, aber der Becher war nicht zu finden. Da setzten sie sich wieder zum Essen und fingen an Wein zu trinken, wieder aus einem goldenen Becher. Der Prinz trank, schenkte wieder ein und stellte dem Mädchen den Becher auf den Tisch. Der Schneider nahm auch diesen, trank den Wein aus und steckte den Becher in die Tasche. Sie bemerkten es nicht und wunderten sich: „Wie geht das zu, wer hat uns die Becher weggenommen?“ Sie suchten nun wieder, als sie aber nichts fanden, gaben sie es auf. Nach dem Essen fingen sie an mit einem goldnen Apfel zu spielen, und als der im Rollen war, nahm der Schneider auch den und steckte ihn in seine Busentasche. Nun waren die beiden in Verlegenheit, was sie machen sollten, und der Prinz sagte: „Ich habe noch einen Apfel.“ Den brachte er, und sie fingen wieder an zu spielen, aber auch diesen nahm der Schneider. Da überlegten sie sich: Die Sache ist nicht geheuer, und das Mädchen sagte: „Laß mich jetzt gehen, ehe die aufstehen, die mir immer am Tor auflauern, daß sie mir nicht den Weg abschneiden.“ Als sie Abschied nahm, sagte der Prinz: „Gräme dich nicht, daß die Becher und die Äpfel verloren sind, komm morgen früher.“
Damit ging sie fort und der Schneider zugleich mit ihr, erst durch den Wald, dann ans Meer; dort warf sie ihr Tuch aus, er sein Sieb, und so fuhren sie über. Er kam ihr aber voraus an das Tor, wo er ihr aufgelauert hatte, und legte sich dort schlafen, sie stieg über und sagte wieder: „Meines Vaters Hunde haben schon viele gefressen, und dich werden sie auch fressen.“ Damit ging sie in den Palast und legte sich schlafen.
Als es Tag wurde, stand der Zar auf, um nachzusehen, ob sie die Schuhe zerrissen habe, und fand sie wieder zerrissen. Da sagte er zu dem Schneider: „Gestern abend kommst du und sagst, du wirst sie ertappen, und ich sagte dir, du wirst den Kopf verlieren; nun hast es.“ Darauf antwortete der Schneider: „Ich habe sie ertappt.“ Das Mädchen aber rief: „Wo hast du mich ertappt?“ – „Freilich habe ich dich ertappt; ruf deine Leute her, Zar, daß sie sehen, ob ich sie ertappt habe.“ – Das tat der Zar, und dann fragte er ihn: „Wie hast du sie ertappt, sag’s jetzt.“ – Darauf wandte sich der Schneider zu dem Mädchen: „Weißt du noch, wie du gestern nacht, als du über mich wegstiegst, sagtest: meines Vaters Hunde haben schon viele gefressen, auch für dich ist gesorgt? und ich schnitt dir ein Stück aus dem Rock; wenn dus nicht glauben willst, hier ist es.“ Damit zog er das Stück Zeug heraus, und es war wirklich von ihrem Rock. Dann fragte er sie weiter: „Weißt du noch, wie wir über das Meer fuhren? ich war immer neben dir, und dann, wie wir durch den Wald mußten; ich brach einen Ast ab, und der ganze Wald erdröhnte; du standest eine Weile still, denn du wagtest nicht weiter zu gehen. Wenn ihrs nicht glauben wollt, hier ist der Ast.“ Dabei zog er den Ast heraus und sagte weiter zu dem Mädchen: „Weißt du noch, wie du zu dem Zarensohn gingst in jene Stadt, wie er dich fragte: warum hast du dich verspätet und da sagtest: der Wald erdröhnte, da wagte ich nicht weiter zu gehen; wie ihr dann euch zum Abendessen setztet und euch aus einem goldnen Becher mit Raki bedienen wolltet; wie der Prinz trank und dir ihn gab – ich nahm da den Becher; wenn ihr es nicht glauben wollt, hier ist er; wie ihr dann beim Essen Wein trinken wolltet, und wie dir der Prinz ihn reichte – da nahm ich auch den Becher; hier ist er, wenn ihrs nicht glauben wollt. Darauf fingt ihr an mit einem goldnen Apfel zu spielen; ihr ließt ihn rollen, und ich nahm ihn weg; ihr suchtet lange danach, und der Prinz wurde ärgerlich; dann brachte er noch einen Apfel, ihr spieltet damit, den nahm ich auch weg. Wenn ihrs nicht glauben wollt, hier sind die Äpfel.“
So gab er ihnen die sechs Dinge, die er ihr in der Nacht gekommen hatte, zum Zeichen: das Stück Zeug aus ihrem Rock, zwei Becher, einen Baumast und zwei goldene Äpfel. Sie überzeugten sich, daß er das Mädchen wirklich ertappt hatte und sagten zu dem Zaren: „Du hattest ja dem, der das Mädchen ertappen würde, sie zur Frau versprochen.“
Dem Zaren war es nicht recht, daß er seine Tochter einem solchen närrischen Kerl geben sollte, und er wäre ihn gern losgeworden. Der Zar wohnte aber so, daß seinem Palast gegenüber ein Berg lag, so daß die Sonne nicht in den Palast scheinen konnte. Das fiel ihm ein, und er sagte zu dem Schneider: „Ich gebe dir vierzehn Tage Zeit, bis dahin sollst du den Berg da zertrümmern, dann gebe ich dir meine Tochter; wenn du es nicht kannst, laß ich dir den Kopf abschlagen.“ Der Schneider ging aber gar nicht daran, den Berg zu zerschlagen, sondern spazierte in der Stadt herum. Als nun der bestimmte Tag schon nahe war, dachte der Zar: „Noch kurze Zeit, dann fressen dich meine Hunde.“ Der Schneider aber trat vor den Zaren, als noch drei Tage bis zu der Frist übrig waren, und sagte: „Erhabener Zar, wann rüsten wir zur Hochzeit?“ Der Zar antwortete: „Laß noch drei Tage vergehen, dann will ich dir die Hochzeit schon weisen. Du wolltest ja den Berg zertrümmern.“ Darauf sagte der Schneider: „In den nächsten zwei Tagen brauche ich es noch nicht zu tun, am dritten werde ich ihn zertrümmern.“ Danach ging er wieder zwei Tage in der Stadt spazieren. Am dritten, gegen Abend, stellte er die Keule hin und sagte zu ihr: „Bis es Tag wird, sollst du den Berg da der Erde gleich machen; sobald die Sonne aufgeht, soll sie in den Zarenpalast scheinen.“ Da fing die Keule an auf den Berg loszuschlagen und machte ihn, vom Abend an die Nacht hindurch, dem Erdboden gleich.
Der Zar war schlafen gegangen und dachte, wie er am Morgen den Henker rufen und den Schneider wird hinrichten lassen; aber als er aufstand, schien ihm die Sonne in den Palast. Da wunderte er sich, wie es zugehen könne, daß einer in einer Nacht den Berg ebnen konnte. Der Schneider aber trat vor den Zaren und sagte: „Erhabener Zar, wohlan, laß uns die Hochzeit rüsten; ich habe den Berg geebnet.“ Der Zar aber antwortete: „Ich will dir das Mädchen geben, wenn du mir das Heer drei Monate unterhalten kannst; du mußt Pferdefutter liefern, ebenso Brot, Kleidung und Sold für die Mannschaft, alles was nötig ist.“ Darauf sagte der Schneider: „Drei Jahre lang kann ich es unterhalten, nicht bloß drei Monate“, nahm die Schüssel, wünschte sich Geld und schüttelte an einem Tage ein ganzes Zimmer voll Goldstücke aus der Schüssel. Dafür kaufte er Gewänder für das Heer, jedem, wie er sie wollte, und die Soldaten kleideten sich um, auch nährte er sie aufs beste. Der Zar hätte sie nicht einen Tag so nähren können, wie er es immer tat. Ferner zahlte er jedem doppelten Sold, und als die drei Monate um waren, ließ er ihnen noch so viel, daß das Heer noch weitere drei Monate davon leben konnte.
Darauf versammelten sich beim Zaren seine vornehmsten Leute und sagten zu ihm: „Du wirst ihm wohl jetzt das Mädchen geben, denn was du ihm befohlen hast, hat er ausgeführt.“ Darauf antwortete der Zar: „Ich werde das Mädchen geben, aber ich bin Zar und will eine große Hochzeit ausrichten; daher mußt du neun Maultierlasten Gut herbeischaffen; dann gebe ich dir das Mädchen.“ Der Schneider ging nun in ein Zimmer, da wo er wohnte, nahm die goldne Schüssel, wünschte sich Goldstücke, bis das Zimmer voll war, lud sie auf neun Maultiere und trieb diese zu dem Zaren. Der Zar konnte nun nicht anders, er mußte ihm das Mädchen geben. So hielten sie Hochzeit und lebten ein, zwei Jahre miteinander, der Schneider als des Zaren Schwiegersohn. Die junge Frau aber dachte immer, wie sie es anstellen könnte, den Zarensohn zu bekommen, und fragte vielmals ihren Mann, wie er so schnell Geld bekommen habe. Er wollte es ihr nicht verraten; als sie aber zwei Jahre hausgehalten hatte, sagte er zu ihr: „Du fragst mich doch immer, so will ich dirs sagen; in der Nacht, als ich dich ertappte, fand ich drei Teufel am Meeresstrand, die gaben mir eine Schüssel, mit der bekomme ich Geld.“ Da ersah sie eine Gelegenheit, die Schüssel zu entwenden, und entfloh damit.
Als sie am anderen Morgen nicht da war, ließ der Zar seinen Schwiegersohn ergreifen und einsperren und sagte zu ihm: „Ich verlange meine Tochter von dir, oder ich laß dich hinrichten.“ Vierzig Tage hielt er ihn gefangen, dann ließ er ihn heraus und sagte zu ihm: „Entweder du findest meine Tochter, oder ich rufe die Henker, daß sie dir den Kopf abschlagen.“ Darauf antwortete der Schwiegersohn: „Gib mir drei Tage Zeit, sie überall zu suchen, dann werde ich sie finden.“ Der Zar aber sagte: „Neun Tage will ich dir gewähren, nicht drei, nur mußt du sie finden und hierher bringen.“ Da nahm er die Keule, setzte das Fes auf und nahm auch das Sieb mit. Als er ans Meer kam, fuhr er in dem Sieb über, kam dann an den Ort, wo der Zarensohn war, und dort war auch seine Frau. Da er aber das Fes auf hatte, konnte sie ihn nicht sehen. Jetzt sagte er zu seiner Keule: „Gib dem Zarensohn drei Schläge, und schlag ihn tot, dann ergreife die Zarentochter, gib ihr unterwegs immer Schläge, und so wollen wir sie nach Hause bringen.“ So geschah es, sie kamen zu dem Zaren, und der Schwiegersohn sagte: „Da, Zar, hast du deine Tochter.“ Der Zar aber sagte zu ihr: „Wenn du noch einmal wegläufst und mein Schwiegersohn findet dich, lasse ich dich enthaupten.“ Nun blieb der Schneider für alle weitere Zeit des Zaren Schwiegersohn, und seine Frau lief ihm nicht mehr davon.
Quelle:
(Balkanmärchen aus Bulgarien)