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Der Zauberlehrling

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Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten einen einzigen Sohn. Der Vater wollte ihn die schwarze Kunst erlernen lassen und beschloß, ihn in die Stadt zum alten Hexenmeister zu bringen. Die Mutter war es zufrieden, nur solle der Sohn nicht länger als ein Jahr ausbleiben, denn sie liebte ihn so sehr. Das versprach der Mann und machte sich mit dem Sohne auf den Weg. Als sie nahe bei der Stadt waren, stießen sie aus einen Brunnen, dem näherten sie sich, um zu trinken. Der Vater hatte getrunken, und vor Behagen, seinen Durst so schön gelöscht zu haben, rief er tief aufathmend: »Ah, wohl mir!« Da stand urplötzlich ein Mann vor ihm, ein Mann mit einem Barte, der bis auf die Knie fiel, und sprach: »Du hast mich gerufen, guter Mann, hier bin ich!« – »Ich dich gerufen?« fragte der Vater, »ich habe niemand gerufen.« – »Wie? Hast du nicht ‚Wohl-mir‘ gerufen?« Da fing der Vater des Knaben an zu lachen, doch alsbald stellte es sich heraus, daß jener Mann wirklich Wohl- mir heiße und ein großer Hexenmeister sei, der sich rufen hörte und erscheinen konnte, auch wenn er noch so weit entfernt war. Da meinte der Vater, den rechten Mann gefunden zu haben, und bot ihm hundert Dukaten an, wenn er seinen Sohn die Magie in einem Jahre lehren wolle. Der Alte nahm das Gebot an, der Vater übergab ihm den Sohn und kehrte heim. –
Nachdem das Jahr um, bat die Frau den Mann, ihren Sohn abzuholen, und er machte sich auf den Weg. Er kam an den Brunnen, wo sie sich vor einem Jahre getrennt hatten, und er fühlte einen Windstoß, und eine Stimme klang: »Wind bin ich, Mensch werd‘ ich!« Und da stand sein Sohn vor ihm, der sagte: »Ich habe das Jahr so gut benutzt, daß ich die ganze Zauberei erlernt habe, und der Meister will mich bei sich behalten. Er wird mich auch nicht eher fortlassen, als bis du eine Probe bestanden. Ich werde mich, in einen Raben verwandelt, unter hundert andern Raben befinden, aus denen mußt du mich heraussuchen. Doch merke dir: der Rabe, der leise mit den Flügeln schlagen wird, bin ich.« So hatte der Vater den Sohn alsbald herausgefunden und freute sich, daß der Schüler über seinem Meister war.
Drauf sagte der Sohn: »Jetzt müssen wir darauf denken, reich zu werden. Zu diesem Zwecke verwandle ich mich zunächst in einen Jagdhund edelster Art, wie man nie einen gesehen, und du verkaufst mich um tausend Piaster. Nachdem du mich verkauft, werde ich wieder Mensch, kehre zu dir zurück und verwandle mich in einen schönen fetten Ochsen, den du um zweitausend Piaster verkaufst. Auf dieselbe Weise werde ich ein edles Roß, wie selbst kein König es geritten und die größten Herren; aber auch mein Meister wird kommen, es zu kaufen, und du verkaufst es um zehntausend Dukaten. Nun vergiß aber Eins nicht: hast du den Hund verkauft, so nimm ihm das Halsband, nimm ferner dem Ochsen die Schelle und dem Pferde den Zügel ab; unterlässest du dieses, wirst du mich auf lange Zeit unglücklich machen.« Zweimal that es der Vater, beim dritten Handel jedoch vergaß er dem Pferde den Zügel abzunehmen, und der Hexenmeister hatte es gekauft. Das arme Pferd, um ihn zu erinnern, stampfte und wieherte, er aber ließ ihm den Zügel, und so konnte das Pferd nicht wieder in Menschengestalt zurückkehren. Da wurde der Sohn so wüthend, daß er mit den Hufen den Sand auf- und seinem Vater in die Augen warf: und dieser erblindete.
Der Hexenmeister, sehr zufrieden mit seinem Kauf, um sich an dem Schüler, der ihn verlassen, zu rächen, ließ ihn mehrere Stunden des Tages durch seine Knechte auspeitschen und gab ihm zur Nahrung nichts als ein wenig Stroh und Wasser. Zum Glück aber hatte er den Knechten nichts von dem Geheimnisse des Zaumes gesagt. So kam es, daß einst, nach drei Jahren furchtbarster Qualen, ein Knecht das Pferd zum Trinken an einen Brunnen führte, und weil das arme Thier so gar elend aussah, hatte er Mitleid mit ihm und nahm, damit es bequemer zum Wasser könne, den Zaum ab. Augenblicklich erlangte das Pferd die so lange verlorene Zaubergewalt wieder und sagte: »Pferd bin ich, Aal werd‘ ich« – und stürzte sich in den Wasserbehälter vor dem Brunnen. Der Hexenmeister merkte in der Ferne, was geschah, kam herbei und rief: »Mensch bin ich, Hecht werd‘ ich.« Und da war er auch schon im Wasser und hinter seinem Schüler her, der sich in einen Aal verwandelt hatte. Als er sich so hart verfolgt sah, rief er: »Aal bin ich, Taube werd‘ ich!« … schwang sich auf und entflog. Doch der Zauberer ebenso: »Hecht bin ich, Falke werd‘ ich!« … und strebte in eiligem Fluge hinter der Taube her. So flogen sie, die Taube voran, der Falke hinterdrein, drei Tage lang, bis sie zu dem Palaste des Königs kamen. Das Königstöchterlein stand auf dem Altan, das sah die Taube, und gerade in dem Augenblicke, wo sie der Falke fast erreicht hatte, rief sie: »Taube bin ich, und Edelstein werd‘ ich!« Und da ward sie zum Edelstein in dem Ringe, den die Königstochter am Finger hatte. Der Zauberer war wüthend und ließ den König alsbald in eine böse Krankheit fallen, dergestalt, daß er am ganzen Körper gelähmt war und sich nicht mehr bewegen konnte. Da erging ein Aufruf durchs Land: »Wer den König heilt, bekommt seine Tochter zur Frau.«
Der Zauberer stellt sich zuerst dar und verspricht, den König zu heilen, doch nicht um den Preis seiner Tochter, sondern für den Edelstein nur, den jene am Finger der rechten Hand trägt. Deß war der König sehr froh; nicht so die Tochter, denn der Edelstein war für sie schon einmal zum wunderschönen Jüngling geworden und sie liebten sich bereits wie Braut und Bräutigam. Er sagte ihr denn auch: »Wenn du mich liebst, so weigerst du dem Zauberer, meinem Feinde, den Ring. Zwingt dich jedoch dein Vater, ihn herzugeben, so überreiche ihn nicht mit deinen Händen, sondern wirf ihn auf den Boden.« So that sie. Kaum aber lag der Ring auf dem Boden, so hörte man: »Edelstein bin ich, Granatapfel werd‘ ich!« Und es geschah. Der Meister dagegen rief: »Mensch bin ich, Hahn werd‘ ich« … und fing an den Granatapfel zu behacken. Ein Körnlein sprang ihm aus dem Schnabel und der Prinzessin in den Schos. Der Zauber war gebrochen, es rief: »Granatapfel bin ich, Fuchs werd‘ ich!« Und nun machte sich der Schüler über den Meister Hahn her und würgte ihn. Darauf heilte er den König und heirathete die Königstochter, ließ aus der Heimat die Mutter und den blinden Vater kommen, dem er das Gesicht wiedergab. Endlich gab ihm der König seine Krone, und er wurde ein König, groß an Schätzen und mächtig durch Soldaten und Magie. So lebte er glücklich mit seiner Gemahlin bis an sein Ende.

[Italien: Waldemar Kaden: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen]

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