Von der kläglichen Stimme, die Pieter Gans in seinem Garten hörte, und wie eine Flamme dort über den Rasen lief.
Zu der Zeit, wo der Brabant, der gute Herzog regierte, waren in Uccle in dem Gasthof Zur Trompet die Brüder vom guten Weingesicht, alle Rechtens benamst; denn allesamt hatten sie lustige Antlitze, die zum Zeugnis ihres feisten Lebens zumindest mit einem Doppelkinn prangten, nämlich die der Jungen: die Alten hatten ein mehrfaches. Und mit der Gründung ihrer Brüderschaft hatte es sogenannte Bewandtnis: Pieter Gans, der Wirt, der besagten Trompet, hörte eines Nachts, als er sich eben entwamste, um sich aufs Bett zu strecken, in seinem Garten ein gar klägliches Heulen: „Die Zunge dorrt mir. Netzung! Netzung! Ich sterbe vor übelm Durste.“ Sein erster Gedanke war, dies sei etwa ein voller Zecher, und so legte er sich in aller Stille nieder, obwohl es draußen im Garten ohne Unterlaß schrie: „Netzung! Netzung! Ich sterbe vor übelm Durste!“ Aber das klang immer trauriger, so daß er schließlich auf und ans Fenster sprang, um zu sehn, wessen Schlags denn dieser verschmachtende Herr sei, der so mächtig schrie. Da sah er nun eine lange, helle Flamme von hoher und absonderlicher Gestalt, die über den Rasen lief, und er hielt dafür, er könnte leicht die Erscheinung einer armen Seele des Fegefeuers sein, welche Gebete heischte. Darum sagte er mehr als hundert Litaneien her; aber das war umsonst, denn alleweil hörte er schreien: „Netzung, Netzung! Ich sterbe vor übelm Durste!“ Beim Hahnenschrei hörte er nichts mehr, und zu seiner großen Freude, war auch die Flamme erloschen. Als es dann Tag geworden war, ging er in die Kirche; er erzählte den Vorfall dem Pfarrherrn, lies eine Messe lesen für die arme Seele und gab dem Sigristen einen Goldbatzen, auf daß noch mehr gelesen würde. Und er ging getröstet weg. In der Nacht wimmerte die Stimme abermals so erbärmlich wie ein Mensch, der nicht sterben kann.
Und so Nacht für Nacht. Davon wurde Pieter Gans völlig trübsinnig. Wer ihn vordem gekannt hatte, wie er, knallrot, stolz wie der Wanst und fröhlich das Gesicht, die Mette mit Butellien und die Vesper mit Flaschen einläutete, hätte ihn zweifelsohne nicht wiedererkannt; denn er war so bleich geworden, so dürr und mager, und sah so erbärmlich drein, daß ihn die Hunde anbellten wie einen Landstreicher mit dem Bettelsack.
Zweites Kapitel
Von dem guten Rate, den Jan Blaaskaak dem Pieter Gans zu dessem Troste gibt, und was für eine bittere Strafe Knauserei trifft.
Während er sich so in Eitel Schwermut und Verzweiflung abhärmte, allein in einem Winkel wie ein Aussätziger, kam von ungefähr der Bierbrauer Meister Jan Blaaskaak in den Gasthof, ein schlauer Gesell und weidlicher Schalk. Nachdem er sich Pieter Gans betrachtet hatte, der ihn wirr und verdutzt ansah und wie ein Greis mit dem Kopf wackelte, trat er auf ihn zu, schüttelte ihn und sagte: „Raffe dich auf, Gesell; es ist mir nicht lieb, daß du aussiehst wie ein Leichnam.“ „Ach“, antwortete Pieter Gans, „mehr bin auch nicht, Gevatter.“ „Und woher kommt er, sagte Blasskaak, „dieser schwarze Trübsinn?“ Darauf antwortete Pieter Gans: „Komm mit, wo uns niemand hören kann. Dort will ich dir mein Abenteuer haarklein erzählen.“ Das tat er. Blaaskaak jedoch sagte, als er alles wußte: „Das ist keine Christenseele, sondern der Teufel; dem muß man willfahren. Hole darum aus dem Keller ein Tönnlein Bier und roll es in den Garten an den Fleck, wo sich die helle Flamme gezeigt hat.“ „Also will ich tun“, sagte Pieter Gans. Zur Vesper aber dachte er, Bier sei doch zu köstlich, um es an den Teufel wegzuwerfen, und so stellte er ein großes Becken mit gar klarem Wasser hin. Um Mitternacht hörte Pieter Gans eine noch kläglichere Stimme heulen: „Netzung! Netzung! Ich sterbe vor übelm Durste!“ Und er sah die Flamme wie verrückt auf dem Wasser tanzen, und dieses zerbarst alsbald mit mächtigem Gekrach und so erschrecklich, daß die Stücke bis an die Fenster des Hauses schlugen. Da begann er vor Angst zu schwitzen und zu weinen, und er sagte: „Mit mir ist’s aus, guter Gott mit mir ist’s aus. Warum habe ich nicht den Rat des gescheiten Blaaskaak befolgt, der doch wirklich ein wohlberatener Mann ist! Lieber durstiger Teufel, töte mich nur nicht; morgen, Herr Teufel, sollst du gutes Bier trinken. Ja, weit und breit ist es als vortrefflich berufen; denn es ist Bier, wie es sich für einen König schickt und für einen guten Teufel, der du doch sicherlich bist.“ Nichtsdestoweniger heulte die Stimme ohne Unterlaß: „Netzung! Netzung!“ „Weh mir, weh mir, nur ein bißchen Geduld, Herr Teufel, morgen sollst du mein so gutes Bier trinken. Es hat mich Goldbatzen genug gekostet, Herr, aber du sollst ein ganzes Tönnlein voll haben. Du siehst doch wohl, daß es keinen Sinn hätte, mich heute zu erwürgen, morgen magst du es tun, wenn ich nicht Wort halte.“ Und so winselte er bis zum Hahnenschrei; als er aber diesen hörte und sich noch nicht tot fühlte, sagte er fröhlich sein Morgengebet her. Bei Sonnenaufgang holte er dann das Tönnlein Bier selber aus dem Keller und stellte es auf den Rasen mit den Worten: „Hier, vom frischesten und besten. Ich bin kein Geizhals, drum hab Erbarmen mit mir, Herr Teufel.“
Drittes Kapitel
Wie Pieter Gans und Blaaskaak Lieder, Stimmen, Mauen und verliebter Küsse Geräusch in dem Garten hörten, und auf welch hübsche Art der Herr vom guten Weingesicht auf dem steinernenTönnlein saß.
Um die dritte Stunde stellte sich Blaaskaak ein und ließ sich alles erzählen. Als er dann wieder gehen wollte, hielt in Pieter Gans zurück und sagte zu ihm: „Vor meinem Gesinde habe ich das Geheimnis gewahrt, auf daß sie nicht hingehn und es dem Geistlich klatschen, und so bin ich so gut wie allein im Hause. Du darfst darum nicht so bald aufbrechen; es mag sich noch so böse Geschichte ereignen, und da wird es heißen, Herz im Leibe zu haben. Allein habe ich gar keines, zu zweit aber werden wir mehr als genug haben. Wir müssen nur kriegsmäßig waffnen. Und anstatt zu schlafen, wollen wir weidlich zechen und trinken.“ Gegen Mitternacht hörte die zwei Gesellen, die mit aufgenestelten Bäuchen, freilich nicht ohne Angstgefühl, in einer Stube des Erdgeschosses schöppelten, wieder die Stimme; aber nun kam sie nicht mehr kläglich, sondern freudig, und da gab es gar liebliche Gesänge in einer durchaus fremden Sprache, wie von Engeln, mit Verlaub zu reden, die im Paradiese zuviel Nektar getrunken, himmlische Frauenstimmen, Tigerauen, Seufzen Geräusch von Umarmungen und verliebten Küssen. „Oho“, rief Pieter Gans, „was ist denn da los? Ach, Jesus! Das sind leibhaftige Teufel, sie werden mir das Tönnlein bis auf den letzten Tropfen leeren. Und das Bier wird ihnen ausgiebig munden, und sie werden aber trinken wollen und Nacht um Nacht weiter heulen: Netzung, Netzung! Und ich werde zugrunde gerichtet sein; weh mir, weh mir! Wohlan, Blaaskaak, mein Gesell“, und damit zog er sein Knijf – das ist, wie ihr wißt, ein starkes, gut gewetztes Messer – „wohlan, wir müssen sie verjagen, aber ich habe nicht Mut genug.“ „Ich gehe meinetwegen“, antwortete Blaaskaak, „aber nicht vor dem Hahnenschrei; dann beißen die Teufel nicht mehr, heißt es.“ vor Sonnenaufgang krähte der Hahn, und diesmal mit einer so martialischen Stimme, daß es wie Trompetengeschmetter klang.
Und kaum hatten die zechenden Teufel die Trompete gehört, so brachen sie ihre Reden und Lieder ab. Darob waren Pieter Gans und Blaaskaak mächtig froh und liefen eiligst in den Garten. Pieter Gans, dem es vor allem um sein Tönnlein zu tun war, sah dieses in Stein verwandelt, und auf ihm saß auf einem Hengst ein splitternacktes Knäblein, lustig mit Reben bekränzt, und Trauben hingen ihm über die Ohren; und in der Rechten hielt er einen Stab mit einem Pinienapfel am Ende, umwunden mit Reben und Trauben. Und wiewohl er aus Stein war, schien der Knabe zu leben mit seinem guten Weingesicht. Mächtig erschraken Gans und Blaaskaak bei dem Anblick des besagten Knaben. Und ihnen bangte vor einem Malefiz des Teufels und der Strafe des Geistlichen, und sie schwuren, vor niemand ein Sterbenswörtlein verlauten zu lassen, und brachten das Steinbild, das nicht gar hoch war, in einen finstern Keller, wo es nichts zu schürfen gab.
Viertes Kapitel
Wie die zwei Biedermänner nach Brüssel ziehen, der Hauptstadt von Brabant, und von Art und Handwerk des Josse Kartuivels, dem
Garkoch.
Dies getan, machten sie sich selbander auf den Weg nach Brüssel, um sich Rats zu erholen bei einem alten Manne, Garkoch seines Zeichens, der samt seinem bißchen Tunkensudelei beim gemeinen Mann recht beliebt war wegen seiner mit seltsamen Kräutern gewürzten Kaninchenpasteten, für die er kein großes Stück Geld heischte. Die Frommen waren überzeugt, daß er Umgang mit dem Teufel habe, weil er mit seinen Kräutern Mensch und Vieh wunderbar heilte. Auch Bier bekam man bei ihm, und das bezog er von Blaaskaak. Er war häßlich, gichtich, kropfig, gelb wie eine Quitte und runzlig wie ein alter Apfel. Wohnen tat er in einem übel aussehenden Hause. Gans und Blaaskaak trafen ihn in der Küche mit seinen Kaninchenpasteten beschäftigt. Als der Garkoch bemerkte, wie jämmerlich und trübsinnig Gans aussah, fragte er ihn, ob er etwa ein Leiden habe, wovon er geheilt zu werden wünsche. „Von nichts anderm braucht er geheilt zu werden“, sagte Blaaskaak, „als der übelm Angst, die ihm seit einer Woche eine Höllenpein macht.“ Dann erzählte er ihm des langen und breiten Geschichte des kleinen Pausbackigen. „Herr Gott“, sagte Josse Kartuivels – so war der Name dieses Pastetengelehrten – „diese Teufel kenne ich sehr wohl, und ich will euch sein Konterfei zeigen.“ Er führte sie in ein Stübchen im Obergeschoß und ließ sie ein hübsches Bild sehn, wo besagter Teufel in Gesellschaft holder Bäslein und lustigen Gesellen mit Bocksfüßen schlemmte und demmte. „Und wie heißt denn das lustige Knäblein?“ fragte Blaaskaak. „Bachus, denke ich“, sagte Josse Kartuivels. „In längst veränderten Zeiten war er ein Gott; aber bei der glückseligen Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“, – hier bekreuzigten sich alle drei – „hat er alle Macht und Göttlichkeit verloren. Er war ein guter Gesell und sonderlich auch der Erfinder von Wein und Bier. Möglich, daß er dieserhalb anstatt in der Hölle nur im Fegefeuer ist. Dort hat er zweifelsohne Durst bekommen und hat mit himmlischer Verwilligung ein armseliges einziges Mal zur Erde heraufsteigen und hier das klägliche Lied singen dürfen, das ihr in eurem Garten gehört habt. Aber ich denke, das Durstgeschrei ist ihm in Ländern, wo Wein getrunken wird, nicht verstattet worden, sondern nur wo man Bier trinkt, und so ist er zu Meister Gans gekommen, bei dem er sicher war, das beste zu finden.“ „Wahrhaftig“, sagte Gans, „wahrhaftig, Freund Kartuivels, das beste im ganzen Herzogtum, und er hat mit ein ganzes Tönnlein geleert, ohne mir auch nur das kleinste Goldbätzlein, oder einen Silbergroschen, ja einen Kupferheller zu geben; das ist nicht das Benehmen eines ehrlichen Teufels.“ „Ah“, sagte Kartuivels, „da bist du mächtig im Irrtum und weißt nichts von deinem Nutz und Frommen. Wenn du aber auf mich hören willst, so wirst du aus dem besagten Bachus offenbar Vorteil ziehen; denn er ist der Gott der lustigen Zecher und der guten Wirte und will dir, glaube ich, wohl.“ „Was sollen wir also tun?“ fragte Blaaskaak. „Ich habe sagen hören, daß dieser Teufel ganz verrückt nach Sonne ist. Holt ihn fürs erste aus dem schwarzen Keller hervor, und dann stellt ihn ins helle Tageslicht, etwa auf einen hohen Schrein in euerer Zecherstube.“ „Jesus“, rief Pieter Gans, „das wäre ja Götzendienst!“ „Keineswegs“, sagte der Garkoch; „ich meine ja nur, daß es ihn trefflich erquicken wird, wenn er, an den von mir genannten Ort gestellt, den Durst der Kannen und Flaschen schlürft und fröhliche Reden hört. Und so wirst du dem armen Toten nach Christenweise Linderung verschaffen.“ „Aber, „sagte Pieter Gans, „wenn der Geistliche Wind bekommt, daß dieses Steinbild so schamlos allen gezeigt wird?“ „Er wird dich keiner Sünde bezichtigen können; denn Harmlosigkeit verbirgt sich nicht. Du wirst diesen Bachus deinen Verwandten und Freunden geradezu zeigen und ihnen sagen, daß du ihn von ungefähr in der Erde gefunden hast in einem Winkel deines Gartens. So wird man ihn für ein Altertum nehmen, was er denn auch ist. Nenne nur niemand seinen Namen; nenne ihn scherzeshalber den Herrn vom guten Weingesicht und gründe ihm zu Ehren eine lustige Brüderschaft.“ „Das wollen wir tun“, antworteten Pieter Gans und Blaaskaak einstimmig; und sie brachen auf, nicht ohne dem Garkoch für seine Mühe zwei dicke Groschen gereicht zu haben. Er wollte sie zurückhalten, um sie seine himmlische Kaninchenpastete versuchen zu lassen; aber Pieter Gans blieb taub, da er sich sagte, das sei Teufelsküche und jedem Christenmagen unzuträglich. So machten sie sich denn auf den Heimweg nach Uccle.
Fünftes Kapitel
Von den langen Reden und den mächtigen Bedenken Pieter Ganses und Blaaskaaks in Sachen des pausbackigen Teufels, und mit welchem Entschluß sie nach Uccle heimkehren.
Unterm Gehen sagte Gans zu Blaaskaak: „Wohlan, Gesell, was dünkt dich von dem Garkoch?“ „Ketzergezücht“, antwortete Blaaskaak, „ein Heide und ein Verächter alles Guten und jeglicher Tugend; denn sein Rat ist tückisch und böse.“ „Wahrhaftig, lieber Freund, wahrhaftig. Und ist es nicht schon Ketzerei, uns einreden zu wollen, daß dieser Pausbackige aus seinem Tönnlein das Bier und den Wein erfunden hätte, wo uns doch allsonntäglich in der Kirche gepredigt worden ist, daß diese Dinge durch Ratschluß unsers Herrn Jesus Christus“ – hier bekreuzigten sich beide – „der heilige Noah erfunden hat.“ „Ich wenigstens“, sagte Blaaskaak, „habe das mehr als hundertmal gehört.“ Damit setzten sie sich ins Gras und begannen sich an einer guten Gentner Wurst zu letzen, die Pieter Gans in Voraussicht des künftigen Hungers mitgenommen hatte. „Ei, ei“, sagte er, „vergessen wir das Benedikite nicht, mein Freund; so werden wir vielleicht doch nicht brennen müssen. Denn dieses Essen verdanken wir Gott, der uns allewege in seinem heiligen Glauben erhalten möge.“ „Amen“, sagte Blaaskaak, „aber Gevatter, wir müssen dieses Bild zerschlagen.“ „Wer keine Schafe zu hüten hat, fürchtet den Wolf nicht; du hast gut reden, den Teufel zu zerschlagen.“ „Es wäre ein gar verdienstlich Werk.“ „Wenn er aber trotzdem allnächtlich wiederkommt mit dem kläglichen Geheul: Netzung! Netzung! und wenn ihn Zorn auf mich packt und er einen Zauber wirft auf mein Bier und meinen Wein, so daß ich arm werde wie Hiob? Nein; da ist’s gescheiter, dem Rate des Garkochs zu folgen.“ „Und wenn der Geistliche von dem Bilde erfährt und uns vor sein Gericht lädt?“ „Ach“, sagte Gans“, ich sehe schon, der liebe Gott und der böse Teufel wollen sich auf unserm Leibe schlagen. Um uns ist’s geschehn, o weh, o weh!“ „Also“, sagte Blaaskaak, „so gehen wir geradewegs zu den frommen Patres und erzählen ihnen alles ungelogen.“ „O weh, o weh, wir werden brennen müssen, unverzüglich brennen!“ „Ich meinte doch, daß es ein Mittel gibt, uns aus solcher Fährlichkeit zu retten.“ „Es gibt keines, Freund, es gibt keines, und wir müssen brennen; ich komme mir schon ganz gebraten vor.“ „Ich habe es schon“, sagte Blaaskaak. „Es gibt keines, Freund, es gibt keines sonst als die Gnade der frommen Patres. Siehst du nirgends einen Bettelmönch daherkommen?“ „Nein.“ „Wenn du einen siehst, so müssen wir ihm unsere ganze Wurst geben – haben wir schon das Gratias gesprochen? – und unser ganzes Brot und müssen ihn ehrerbietig einladen, mit uns zu kommen und ein Lammsviertel zu verspeisen, gut angefeuchtet vom alten Wein. Ich habe ja davon nicht allzu viel, aber gern will ich ihm alles vorsetzen. Siehst du keinen kommen?“ „Nein“, sagte Blaaskaak. „Aber nun tu einmal deine Hasenohren auf, ich werde dir einen guten Rat geben; denn ich meine es gut mit dir, du jammernder Wicht. Wir müssen den Rat des Garkochs zur Hälfte befolgen; zur Hälfte, verstehst du. Es wäre schamloser Götzendienst, das Bild in der Stube unserer Gelage aufzustellen.“ „O weh, o weh, beim Teufel, da hast du recht.“ „Wir stellen ihn also dort in eine Nische, die ganz geschlossen sein muß bis auf eine Öffnung oben, auf das er Luft hat, und geben ihm ein Tönnlein Bier hinein und bitten ihn, sich nicht zu übernehmen. Dort in der großen Stube deines Wirtshauses wird er sich gewisslich ruhig verhalten, denn er wird sich weiden können an den Trinkliedern, dem Becherklang und dem Flaschengeläute.“ „Keineswegs“, sagte Gans, „keineswegs. Wir müssen den Ratschlag des Garkochs befolgen, der sich besser als wir bei den Teufeln auskennt. Was diesen unserigen angeht, so werden wir ihn nach unsern schwachen Kräften bei guter Laune zu erhalten trachten; nichtsdestoweniger, denke ich, werden wir eines Tages brennen müssen. O weh, o weh!“
Sechstes Kapitel
Wo man sieht, daß es keinen guten Teufel gibt, und von dem tückischen Streich erfährt, den er den armen Frauen der Zecher spielte.
In der Trompet angelangt, holten die zwei Biedermänner den pausbackigen Teufel aus dem Keller und setzten ihn mit großer Ehrerbietung auf einen Schrein, der in der Naser Zecherstube stand. Am nächsten Tage kamen zu Pieter Gans schier alle Männer von Uccle, nachdem sie sich bei der öffentlichen Feilbietung zweier von dem verstorbenen Schöffen Jakob Maaltjens gut aufgefütterten Pferde getroffen hatten. Sein Sohn hatte sie nicht behalten mögen; denn er sagte, ein guter Bauer braucht keinen anderen Renner als seine Holzschuhe. Die von Uccle sperrten Mund und Augen auf über das Bild des kleinen Pausbackigen auf dem Schreine und wurden sonderlich lustig, als ihnen Blaaskaak sagte, das sei der Herr vom guten Weingesicht und nun gelte es ohne Verzug ihm zu Ehren und scherzeshalber eine lustige Brüderschaft zu gründen. Damit waren sie allesamt einverstanden und beschlossen, daß außer ihnen niemand sollte ein Bruder werden können, wenn er nicht zum Einstand vierundzwanzig erschreckliche Humpen voll Bier trinke, während man zwölf Schläge auf den bestgeblähten Wanst in der Gesellschaft tue. Fortan versammelten sie sich an jeglichem Abend in der Trompet und tranken, bis sie genug hatten. Das Wunder aber war, daß sie trotzdem den ganzen Tag wacker arbeiteten in ihren Werkstätten, Läden und Feldern und jedermann zufrieden stellten. Nur ihre Frauen nicht; denn kaum war Vesperzeit, so machte sich jeder Gatte oder Bräutigam, ohne sich im mindesten um sie zu kümmern, auf den Weg in die Trompet, um dort bis zum Feuerverlöschen zu bleiben. Das gab es aber bei diesen Biedermännern nicht, daß sie wie es hin und wieder Trinkerart ist, nach der Heimkehr in ihr Biederheim ihre Frauen geprügelt hätten; sie legten sich neben sie und schliefen alsbald fest ein, ohne ein Wort gesagt zu haben, und bliesen Fanfaren mit der Nase wie das edle Borstentier mit dem Rüssel. Die arme Frau mochte den Schläfer, auf daß er ihr andere Geschichten erzähle, puffen, kitzeln, anrufen, alles war umsonst; ebenso gut hätte man das Wasser schlagen können, um Feuer zu bekommen. Erst beim Hahnenschrei ermunterten sie sich; aber ihre Morgenlaune war so mürrisch und reizbar, daß sich ihnen die Frauen, soweit sie nicht selber vor Ermattung eingeschlafen waren, kein Wörtlein zu sagen getrauten, und ebenso zur Frühstücksstunde. Und dies fand statt durch die tückische Macht und Einwirkung des pausbackigen Teufels. Davon kam den Frauen eine gar große Traurigkeit, und allesamt sagten sie, wenn solches Spiel andauern sollte, so würde das Geschlecht derer von Uccle unfehlbar verlöschen, was wahrhaftig zum Erbarmen wäre.
Siebentes Kapitel
Von der Ratsversammlung der Frauen
Darum beschlossen sie untereinander, die Gemeinde zu retten, und so versammelten sie sich, während ihre Männer bei Pieter Gans zechten, bei der Dame Sijske, die groß und dick war, Haare auf den Zähnen und ein gar treffliches Mundwerk hatte und Witwe nach fünf oder sieben Männern war; genau möchte ich die Zahl nicht nennen, um nicht etwa der Lüge geziehen zu werden. Dort letzten sie sich, ihren trunksüchtigen Männern zum Trotz, mit guten klarem Wasser.
Und als sie so gebührlich beisammen saßen, die jungen hie, die alten dort, die häßlichen unter die alten, ergriff Dame Sijske das Wort und sagte, nun gelte es unverzüglich in die Trompet zu gehen und die Zecher alle miteinander braun und blau und windelweich zu prügeln, daß sie für acht Tage genug hätten. Die alten und die häßlichen zollten dieser Rede Beifall mit Hand und Fuß, Mund und Nase: „Das war ein schönes Getöse. Die jungen und die hübschen aber blieben stumm wie die Fische bis auf ein gar artiges, frisches und liebliches Mädchen, Wantje mit Namen, die mit großer Züchtigkeit und errötend sagte, es hätte keinen Zweck, die wackern Männer zu prügeln, sondern man müsse sie durch Sanftmut und Lachen auf den guten Weg zurückführen. Darauf antwortete Dame Sijske: „Kleine, du verstehst dich noch nicht auf Männer; denn du bist, denke ich, Jungfrau. Ich aber, ich weiß genau, wie ich meine unterschiedlichen Männer gegängelt habe, und das ist nicht mit Sanftmut und Lachen geschehn, das kannst du mir glauben, sie sind verstorben die guten Männer, Gott habe sie selig, aber ich habe sie klar im Gedächtnis und weiß gar wohl, wie ich sie bei der geringsten Verfehlung mit dem Stocke auf dem Anger des Gehorsams tanzen ließ. Keiner hätte sich zu essen oder zu trinken getraut, zu niesen oder zu gähnen, ohne daß ich ihm zuvor gnädig die Erlaubnis gewährt hätte. Der kleine Job Sijske, mein letzter, kochte an meiner Statt. Er kochte mir gut, der arme Kerl. Aber ich habe ihn wacker prügeln müssen, bis ich ihn so weit hatte, und die andern gleichermaßen. Drum, Kleine, lassen wir von dem Lachen und Sanftmut; das nutzt nichts, du kannst es mir glauben, holen wir uns lieber gute, grüne Stöcke, wie sie jetzt im Frühling leicht zu haben sind, und gehen in die Trompet und besprengen diese ungetreuen Männer mit einem trefflichen Tau von Prügeln.“ Da begannen die alten und häßlichen von neuem erschrecklich zu heulen und zu toben: „Drauf denn, drauf auf die Trunkenbolde; dreschen wir sie, hängen wir sie!“ „O nein“, sagte Wantje, und mit ihr die jungen und hübschen; „lieber lassen wir uns selber schlagen.“ „Diese dummen Dinger“, heulten die alten, „diese dummen, nichtsnutzigen Dinger! In ihrem ganzen Leibe haben sie nicht eine Unze Stolz. Laßt euch nur mißhandeln, ihr sanften Lämmlein; wir werden an euerer Statt die besudelte Frauenwürde an diesen Trunkenbolden rächen.“ „Ihr werdet es nicht tun“, sagten die jungen, „solange wir da sind.“ „Wir werden es tun“, heulten die alten. Auf einmal sagte ein junges lustiges Weibchen, sich vor Lachen schüttelnd zu ihren Gefährtinnen: „Begreift ihr denn nicht, woher diesen Hexen diese mächtige Wut kommt und dieser Rachedurst? Das ist alles Flunkerei, um uns glauben zu machen, ihre heisern Männer könnten ihnen noch etwas vorsingen!“
Auf diese Rede geriet das Lager der Vetteln in einen solchen Aufruhr, daß ihrer etliche auf der Stelle vor Wut starben. Andere zerbrachen ihre Schemel und wollten die jungen erschlagen, die über sie lachten – und es war eine schöne Musik, diese frischen, übermütigen Stimmen; aber Dame Sijske wehrte ihnen und sagte, in ihrem Hause habe man zu beraten, aber nicht einander umzubringen. Bei fortgesetzter Erörterung redeten, schwatzten, plapperten und tobten sie bis zum Feuerauslöschen; dann gingen sie auseinander, ohne einen Entschluß gefaßt zu haben, weil die Zeit zu kurz gewesen war, um sich auszusprechen. Und in dieser Frauenversammlung waren gesprochen mehr als 57784902 Worte, mit soviel Witz und Verstand darin wie in einer Froschlache alter Wein.
Von der Listigkeit, die in allen Frauen ist, und wie züchtig Jungfrau Wantje zu den Biedermännern redete.
Am nächsten Tage versammelten sich die Frauen wiederum und tranken wie tags zuvor viel klares Wasser; dann machten sie sich, mit Stöcken bewaffnet, auf den Weg zu den lustigen Zechern. Vor der Tür der Trompet blieben sie stehn, und es wurde Rat gehalten; die alten wollten mit den Stöcken hinein, die jungen waren durchaus dagegen. Als Pieter Gans mit seinen Hasenohren auf der Straße draußen etwas wie ein Gekläffe dräunender Worte hörte, schrie er: „Ach, ach, was ist denn da los meinte er? Teufel ganz sicher; mein süßer Jesus!“ „Ich will nachsehn, elender Feigling“, antwortete Blaaskaak; und als er die Tür geöffnet hatte, schüttelte er sich vor Lachen und sagte: „Weingesichter, es sind unsere Frauen. Alsbald sprangen die Zecher allesamt auf und zur Tür; die einen hielten Bouteillen in den Händen, andere schwangen Flaschen, und wieder andere ließen ihre schönen Becher wie ein Glockenspiel zusammenklingen. Blaaskaak trat aus der Stube, setzte über die Schwelle, stand auf der Straße still und sagte: „Wohlan, Fräulein, was führt euch hierher mit dieser Menge Grünholz?“ Auf diese Worte hin ließen die jungen ihre Stöcke fallen; denn sie schämten sich, in diesem Aufzug betroffen worden zu sein. Eine alte aber antwortete, den ihrige in der Luft schwingend, für alle: „Wir sind gekommen, um euch Trunkenbolden Geschichten von Prügeln zu erzählen und euch nach Gebühr zu züchtigen.“ „Ach, ach“, meinte Pieter Gans, „das ist wahrhaftig die Stimme meiner Großmutter.“ Während die guten Weingesichter, da sie dies hörten, vor Lachen ihre Wänste schüttelten, sagte Blaaskaak: „Kommt doch herein, kommt doch herein, Gevatterinnen, auf daß wir sehn, welchermaßen ihr uns dreschen wollt. Habt ihr gute Stöcke von grünem Holz?“ „Jawohl.“ „Das höre ich gern. Wir aber gute Ruten da, trefflich mit Essig gesalbt, womit wir die ungehorsamen Knäblein streichen. Ein himmlisches Vergnügen wird euch eine solche Liebkosung sein in die Erinnerung an die Jugendzeit. Wollt ihr sie versuchen? Ihr könnt davon mehr als für fünfhundert Groschen haben.“ Aber die Alten bekamen Angst bei dieser Rede und entflohen mit langen Schritten, allen voran die Dame Sijske, und heulten allesamt so dräuende Wort, daß es den lustigen Brüder war, als flatterten Raben mit mächtigem Gekrächze durch die schweigenden Straßen. Die jungen säumten noch vor der Tür, und es war zum Erbarmen, wie demütig, sanft und unterwürfig sie eines freundlichen Wortes ihrer Gatten oder Verlobten hatten.
„Wohlan denn“, sagte Blaaskaak, „möchtet ihr vielleicht hereinkommen?“ „Jawohl“, sagten sie alle. „Tu es nicht“, sagte Pieter Gans seinem Freunde ins Ohr, tu es nicht; sie werden dem Geistlichen von dem pausbackigen Teufel klatschen und uns auf den Scheiterhaufen bringen.“ „Ich bin taub“, sagte Blaaskaak, „Kommt nur Schätzchen.“
So traten denn die armen Weiblein ein und setzten sich, die einen zu ihren Gatten, andere zu ihren Verlobten und die ledigen, züchtig in eine Reihe auf eine Bank. „Frauenzimmer“, sagten die Zecher, „ihr wollt also trinken?“ „Ja“, sagten sie. „Und nichts als trinken?“ „Nein“, sagten sie.
„Und euere Absicht war nicht, uns ein Liedchen von den Vorzügen des Wassers zu singen?“ „O nein“, sagten sie; „uns hat kein andres Verlangen hergeführt, als uns zu unsern guten Gatten und Verlobten zu fügen und mit ihnen, so Gott will, lustig zu sein.“ „Das sind wahrhaftig schöne Worte“, sagte ein alter Mann, „aber ich vermute Weiberlist dahinter.“ Niemand jedoch hörte auf ihn; denn da sich die Frauenzimmer rund um den Tisch gesetzt hatten, sagte jedermann: „Trink, mein süßes Kind, es ist ein Himmelstrank“ oder: „Schenk ein, Nachbar, schenk ein, von diesem milden Tropfen “ oder: „Wer ist besser daran als ich? Ich bin der Herzog: ich habe eine gute Flasche und ein gutes Weib!“ oder: Vorwärts, tragt Wein auf, heute braucht es einen Sonntagswein, um den lieben Gevatterinnen Ehre zu erzeigen“ oder: „Mein Mut ist zu groß, um nur zu trinken, ich will mir den Mond erobern; oder später. Vorderhand bleibe ich bei meiner guten Frau. Küsse mich, Schatz!“ „Hier ist nicht der Ort dazu, vor soviel Leuten“, sagten die Frauen; und jegliche sagten zu jeglichem mit viel Liebkosungen und süßem Wesen: „Komm heim.“ Die Zecher hätten es gerne getan, aber sie getrauten sich nicht, da sich einer vor dem andern schämten. Die Frauenzimmer, die ihre Gedanken errieten, sprachen vom Aufbruch. „Da habt ihr’s“, sagte der alte Mann; „habe ich es nicht vorausgesagt? Sie wollen uns draußen haben.“ „Keineswegs Herr“, antwortete Wantje gar sanft, „aber bedenkt, daß wir kein starkes Getränk gewohnt sind, ja, nicht einmal den Duft. Drum Herr, wenn wir in die frische Luft müssen, so wollen wir euch damit nicht erzürnen oder irgendwie kränken. Gott erhalte euch in Freuden alle miteinander.“ Und so gingen die guten Frauenzimmer, obwohl sie sie mit Gewalt zurückzuhalten versuchten.
Neuntes Kapitel
Worin man sieht, daß der gelehrte Thomas a Klapperibus wohl wußte, was einen Trinker auf einer Bank tanzen macht.
Wieder allein mit ihren Humpen und Schoppen, sahen sie einander verdutzt an und sagten: „Seht ihr die Weiber? Sollte man nicht immer demütig ihrem Willen gehorchen? Unterwürfig scheinen sie, tyrannisch sind sie. Wem steht denn von Natur das Gebot in allen Dingen zu, dem Mann oder der Frau? Dem Mann. Wir sind die Männer. Trinken wir. Und wir werden allwege unsern Willen vollbringen, und der geht augenblicklich dahin, hier zu schlafen, wenn es uns beliebt.“ So redeten sie hin und her und taten gar zornig; in Wirklichkeit begehrten sie nichts mehr, als sich ihren guten Frauen zu fügen. Dann redeten sie eine lange Weile kein Wort, gähnend die einen, die andern mit den Füßen scharrend, viele auch auf der Bank herumwetzend, als wären dort die spitzige Dornen gewesen. Plötzlich aber stand ein seit kurzem verheirateter
Bürger auf und ging aus der Stube, indem er sagte, der Arzt habe ihm verboten, mehr als mehr als sechsundzwanzig Schoppen zu trinken, und die habe er allbereits. Dies gehört, hatte auf einmal jeder seine Schmerzen, Leibschmerzen, Kopfreißen, Schwarzgalligkeit oder Verschleimung, und suchten allesamt ihr Heim auf bis auf ein paar Greise. Und sie gingen in großer Eile, um sich zu ihren Frauen zu fügen. Und so wurde bewährt, was der gelehrte Thomas a Klapperibus geschrieben hat in seinem großen Buche De more, cap. VI, wo er sagte, daß die Frau stärker ist als der Teufel.
Zehntes Kapitel
Vom Eisenzahn
Nichtsdestoweniger, geschah solches nur einmal; denn als die guten Frauenzimmer am nächsten Abend in die Trompet kamen, um die schöppelnden Zecher herauszuholen, wurden sie schändlich davongejagt. Und die Männer zechten allwege weiter und sangen lustige Lieder. Oftmals kam der Nachtwächter und verwies ihnen ernstlich ihr mächtiges Lärmen nach Sonnenuntergang. Sie hörten ihn gar angstvoll an und schienen völlig niedergeschlagen zu sein vor Zerknirschung über ihre Verfehlung, sprachen auch ihr Mea culpa; indessen gaben sie ihm überschüssig viel zu trinken, daß der Arme hinterher seine Runde gegen eine Mauer machte und dort schnarchte wie eine Baßgeige. Sie setzten ihr Gezeche fort mit dem schweren Schlaf nachher, worüber denn die betrübten Gattinnen nicht zu jammern aufhörten.
Und also einen Monat lang und vier Tage. Das große Unglück aber bloß war, daß sich, noch von dem Kriege her, den der gute Herzog von Flandern geführt hatte, trotz dem schon geschlossenen Frieden eine Rotte von nichtsnutzigen Schurken im Lande herumtrieb mit Verwüstung und Räuberei. Diese Rotte befehligte als Hauptmann ein Wüterich, Eisenzahn genannt, weil er als Helmkleinod einen langen, spitzigen, scharfen Zahn trug, ein Teufelszahn oder von einem höllischen Helfanten wunderfremd bossiert. Und im Kampfe rannte er oft mit diesem Zahn an wie ein Widder. So wurden viel wackere Soldaten getötet im Herzogtum Brabant.
Auf dem besagten Helm war auch ein böser Vogel, der mit dem Flügel gegen das Eisen schlug; wie es hieß, pfiff er im Handgemenge gar entsetzlich. Eisenzahn war es gewohnt, die Dörfer nächtlicherweile zu überfallen, die armen Bürger ohne Gnade im Schlafe zu erwürgen und Kostbarkeiten, Hausgerät, Frauen und Mädchen wegzuschleppen, freilich nur die jungen; auch die alten ließ er übrigens am Leben, weil man sie, wie er sagte, nicht zu töten brauche in Anbetracht, daß sie aus reiner Angst und ohne Nachhilfe sterben würden.
Elftes Kapitel
Worin man sieht, wie tapfer die guten Frauen von Uccle sich Männerwerks annehmen.
Eines Nachts, wo nur wenige Sternlein und nur eine schmale Mondsichel schienen, kam Meister Andries Bredaal nach Uccle gelaufen, mit mächtigen Schritten und völlig außer Atem. Er wollte die Zeitung bringen, wie an ihm, als er von der Straße von Paris von ungefähr hinter einem Busche gehockt hatte, eine Schar Männer vorbeigezogen waren, die er für das Volk Eisenzahns hielt, weil er den Helm des Schurken gesehn hatte. Während die Räuber haltgemacht hatten, um zu essen, hatte er sie sprechen hören, daß sie auf Uccle zögen, um Beute zu machen und ein Wohlleben zu halten, daß sie aber die Heerstraße gegen die Feldwege vertauschen müßten, um nicht ihre Ankunft laut werden zu lassen. Meister Bredaal meinte, daß sie hinter der Kirche hervorbrechen würden. Also unterrichtet, war er auf der Pariser Heerstraße mit einem Vorsprung von einer guten halben Meile vor den Räubern nach Uccle gekommen und wollte nun den Bürgern anzeigen, daß sie sich trefflich waffnen sollten, um diese Bösewichter gebührend zu empfangen. Er klopfte also an die Tür des Gemeindehauses, um die Glocke läuten zu lassen, aber niemand tat ihm auf; denn der Wächter, auch ein Bruder vom guten Weingesicht, schlief gleich den andern wackern Zecher. Andries Bredaal griff darum auf zu einem andern Auskunftsmittel und schrie aus Leibeskräften:
„Feuer! Feuer! ‚t brandt! ‚t brandt!“ , so daß alle Frauen, Greise und Kinder erwachten und voller Neugier mit einem Satz an den Fenstern waren. Andries Bredaal gab sich ihnen zu erkennen und bat sie, auf den Platz herunterzukommen, und das taten sie. Und als sie alle um ihn versammelt waren, vermeldete er ihnen die baldige Ankunft Eisenzahns und hieß eine jegliche, ihren Gatten zu wecken. Bei dieser Rede begannen die alten wie verrückt zu schreien: „Willkommen sei Eisenzahn, der Gotteszahn, der sie allesamt abtun wird. Ha, ihr Trunkenbolde, jetzt werden wir es erleben, wie ihr durch himmlische Strafe kurzerhand gehenkt, lebendig verbrannt du stracks ersäuft werdet; das ist noch gar nichts für euer Verbrechen.“ Und als hätten sie Flügel an den Beinen gehabt, liefen sie jede in ihr Haus. Und vom Marktplatz konnte Meister Bredaal, der dort mit den jungen verblieben war, hören, wie die verrückten alten Weiber heulten, wimmerten, weinten, auf Truhen und Becken trommelten, um die Biedermänner zu erwecken, und mitten darunter riefen: „Auf, Galgenvögel! Ach, Herzliebste, kommt uns schützen! Trunkenbolde, nur das eine Mal tut euere Pflicht in eurem verdammten Leben! Ihr dürft es uns nicht nachtragen, daß wir euch haben prügeln wollen. Dumm waren wir damals und vorwitzig, gescheit waret ihr; aber jetzt rettet uns.“ Und so mengten sie zornige und linde Worte untereinander wie Milch und Essig. Von den Biedermännern aber wurde nicht ein einziger munter. „Was ist das?“ fragte Bredaal.
„Ach“, antworteten die jungen, „Ihr seht ja selbst; sie sind in der Nacht wie die Toten, und das schon seit einer langen Weile.
Der Engel des Herrn vermöchte sie kaum zu erwecken. Ha, müssen denn diese Elenden, nicht genug davon, daß sie uns ansonsten meiden, auch noch unsern Tod verschulden?“ „Weint kein Tränlein“, sagte Andries Bredaal; „jetzt ist nicht die Zeit dazu. Liebt ihr diese Männer?“ „Ja“, sagten sie.
„Und euere Söhne?“ „Ja“, sagten sie. „Und euere lieblichen, herzigen Töchterchen?“ „Ja“, sagten sie. „Und ihr möchtet sie gern verteidigen?“ „Dann also“, fuhr Bredaal fort, „holt die Waffen dieser Schläfer und kommt rasch wieder zu mir. Wir wollen auf Mittel denken, uns trefflich zu verteidigen.“ Im Nu waren die Frauen wieder da mit den Bogen ihrer Gatten, Brüder oder Verlobten. Und diese Bogen waren gar wohl berufen im ganzen Lande, weil sie wie Stahl waren und die Pfeile mit einer mächtigen Wucht schleuderten. Dann kamen noch Knaben von zwölf Jahren und ein weniges darüber und etliche wackere Greise; aber die Frauen schickten sie wieder heim und sagten, es sei ihre Sache, die Gemeinde zu hüten. Sie standen allesamt auf dem Platze und sprachen mit viel Feuer und Mut, aber ohne Überhebung.
Und sie waren ganz weiß angetan mit Leibchen, Röcke n und Hemden, wie herkömmlichermaßen die Nachtkleidung der Frauenzimmer ist; diesmal aber war das durch die besondere Gnade Gottes geschehn, wie ihr denn sofort sehn werdet. Wantje, die gar kühn und entschlossen, auch da war, sagte mit einem Male, man müsse beten. Und die Frauen fielen allesamt auf die Knie, und das Mädchen sprach also: „Heilige Jungfrau, die du Königin in den Himmeln bist wie die Frau Herzogin Königin in diesem Lande, sieh uns hier demütig vor dir liegen, arme Frauen und Mädchen, die ob der Zecherei ihrer Gatten und Verwandten jetzt Männerwerk tun und sich zum Kampfe waffnen müssen. Wenn du den Herrn Jesus nur ein klein wenig bittest, uns beizustehn, so sind wir des Sieges gewiß. Und aus Dankbarkeit werden wir dir eine schöne Krone aus lauterem Golde spenden mit Rubinen, Türkisen und Diamanten, eine schöne Goldkette und ein schönes silbergeblümtes Brokatkleid und ebenso deinem Sohne. Darum bitt für uns, heilige Jungfrau!“ Und all die guten Frauen und Mädchen sprachen Wantje nach: „Bitt für uns, heilige Jungfrau!“ Und als sie sich erhoben, sahen sie, wie ein schöner, heller Stern zur Erde herabsank, ganz in ihrer Nähe, und das war sicherlich ein Engel des gute Gottes, der also aus dem Paradies herabgestiegen war und sich ganz in ihrer Nähe hielt, um ihnen besser helfen zu können. In Anbetracht dieses verheißungsvollen Vorzeichens fassen die guten Frauen noch mehr Mut, und Wantje sprach wieder und sagte: „Die Jungfrau will uns erhören, ich habe die beste Hoffnung. Jetzt gehen wir aber zum Dorfeingang, zu der Kirche mit unserm Heiland drinnen, und dort wollen wir Eisenzahn und seine Gesellen kühnlich erwarten. Und wann wir sie kommen sehn, so müssen wir, ohne ein Wörtlein zu sprechen, ja ohne uns zu rühren, auf sie schießen. Die heilige Jungfrau wird wohl die Pfeile lenken.“ „Wohl gesprochen, wackeres Mädchen,“ sagte Meister Bredaal; „gehen wir. Ich sehe es an deinen Augen, die in der Nacht leuchten: der Geist Gottes, der Feuer ist, flammt in deinem Jungfrauenherzen. Ihr müßt ihr gehorchen, gute Frauen.“
„Jawohl, jawohl“, sagten sie. Das weibliche Heer ordnete sich auf dem Wege hinter der Kirche. Dort warteten sie in großer Beklemmung und Angst, als sie ein mählich wachsendes Geräusch von Schritten und Stimmen hörten, wie es näherkommende Leute verursachen. Und Wantje sagte: „Heilige Jungfrau, sie sind’s; hab Erbarmen mit uns. Nun tauchten vor ihnen eine große Männerrotte auf mit Laternen. Und sie hörte die entsetzliche Stimme eines heiseren Teufels: „Drauf, Gesellen, drauf! Eisenzahn braucht Beute!“ Aber schon schossen auch all die guten Frauen bedächtig ihre Pfeile ab, denn die Schurken waren durch ihre Laternen beleuchtet, und die Frauen sahen sie wie bei hellichten Tag, während sie selber im Schatten blieben.
Zweihundert fielen mit Pfeilen im Kopfe, im Halse und auch im Leibe. Eisenzahn war der erste, den die guten Frauen mit gewaltigem Dröhnen stürzen sahen; Wantje hatte ihn behend ins Auge getroffen. Einige waren auch nicht verwundert; aber in ihrem verstörten Gewissen hielten sie die weißen Gewänder vor sich für die Seelen derer, so sie vom Leben zum Tode gebraucht hatten, die nun mit Verwilligung Gottes gekommen wären, um sich an ihnen zu rächen. Sie fielen mit der Fratze voraus auf die Erde, schier tot vor Angst, und schrien erbärmlich: „Gnade, Herrgott, schicke doch diese Gespenster zur Hölle zurück!“
Als sie aber dann die guten Frauen über sich kommen sahen, gab die Furcht ihren Beinen Beweglichkeit, und sie entflohen
Hals über Kopf.
Zwölftes Kapitel
Wie Pieter Gans näher ist dem Scheiterhaufen als dem Weitersaufen.
Nach Vollbringung dieses Handstreichs kehrten die Frauen auf dem Platz und vor das Rathaus zurück, nicht glorreich, sondern bekümmert, daß sie in dieser Fährlichkeit Christenblut vergießen müssen. Wohl aber dankte sie überquollendem Gefühl unserer lieben Frau und dem Herrn Jesus für den gewährten Sieg.
Auch des süßen Engels vergaßen sie nicht, der ihnen in der Gestalt eines hellen Sternes beigestanden hätte. Und sie sangen gar melodisch schöne Hymnen und Litaneien. Unterdessen erwachten rundum im Gefild die Hähne und verkünden mit ihren Trompeten den ersten Schimmer des Tages. Das riß die Zecher aus dem Schlafe, und sie traten vor die Tür, um zu sehn, woher denn diese Musik komme. Und Frau Sonne lachte in den Himmeln.
Und die Biedermänner kamen auf den Platz, und da sahen sie die Versammlung der Frauen. Einige wollten die ihrigen, als sie darunter bemerkten, prügeln, weil sie des Nachts die eheliche Kammer verlassen hatten; aber Andries Bredaal wehrte ihnen und erzählte ihnen das Geschehnis. Darum waren sie mächtig verdutzt, beschämt und reumütig, als sie sahen, was die wackeren Rockträgerinnen für sie getan hatten. Auch Pieter Gans und Blaaskaak waren auf den Platz gekommen, und ebenso der hochwürdige Herr Klaassens, Dechant von Uccle, ein gar frommer Mann. Und Meister Bredaal sprach, diese große Menge betrachtend: „Gesellen, ihr wißt nun, daß ihr Gottes Luft nur dank der Trefflichkeit euerer Frauen und Töchter atmet.
Darum sollt ihr auf der Stelle versprechen und schwören, nicht mehr zu trinken, als sei denn mit ihrem Willen.“
„Ganz recht, Meister Bredaal“, sagte einer von den Bürgern; „aber es ist nicht das Trinken, das einen so schweren Schlaf macht.
Ich kann aus Erfahrung sprechen, der ich mein Lebtag den Humpen geschwungen habe, wie ich es denn auch in Zukunft fröhlich zu halten gedenke. Da ist etwas andres schuld, Teufelszeug und Malefix, argwöhne ich. Komm her, Pieter Gans, komm nur ein wenig mit uns plaudern und erkläre uns das Abenteuer, wenn du etwas weißt.“ „O weh, o weh,“ sagte Pieter Gans mit wackelndem Kopfe und klappernden Zähnen denn er hatte Angst der Biedermann: „Oh weh, o weh, ich weiß nichts, meine lieben Freunde.“ „Oh nein“, sagte der Bürger, „es ist nicht wahr daß du nichts wüßtest; dir wackelt ja der Kopf, und die Zähne klappern dir.“ Schon aber stand der Dechant Klaassens vor Gans auf und sagte zu ihm: „Du schlechter Christ, ich sehe es genugsam, du hast Umgang mit dem Teufel zu großer Fährlichkeit für diese wackeren Leute. Bekenne demütig deine Sünde, und wir werden trachten, dir Gnade werden zu lassen; wenn du aber leugnest, mußt du die Strafe des Öls erleiden.“ „Ha“, rief Pieter Gans weinend, „ich habe es richtig vorausgesagt, und ich werde gesotten werden, guter Gott. Blaaskaak, Gevatter, wo bist du? Gib mir einen Rat! O weh, o weh!“ Aber Blaaskaak hatte sich schon aus Furcht vor dem Geistlichen davongemacht. „Ha“, sagte Pieter Gans, „seht den Verräter, wie er mich verläßt in dem Augenblick der Gefahr.“
„Sprich!“ sagte der hochwürdige Herr Klaassens. „Ja, Herr Dechant“, sagte Pieter Gans weinend und seufzend, „ich will Euch alles erzählen und gar nichts auslassen.“ Und als er mit seiner Geschichte fertig war, fuhr er fort: „Straft mich nicht allzu hart, Herr; ich werde aus meinen paar armseligen Groschen der Kirche ein ewiges Jahrgeld stiften. Ich bin ein guter Christ, das beschwöre ich, und nicht Mindest ein Ketzer. Bedenkt auch, daß ich vor meinem Abscheiden genügend Muße haben möchte, um eine lange Buße zu tun. Laßt mich nur auf der Stelle sieden, ich beschwöre Euch.“ „Wir werden sehn“, antwortete der Dechant; „führe uns nun sofort zum Teufel.“ Der Dechant trat vorerst in die Kirche, vor der sie standen, um Weihwasser zu holen, und dann begaben sie sich allesamt, Männer, Frauen und Kinder, in die Trompet. Dort fragte der Dechant um den, der auf so viele wackere Männer einen Zauber geworfen hatte, und Pieter Gans zeigte ihm gar demütiglich den lachenden Pausbackigen, der seinen mit Reben und Trauben gezierten Stab in der Hand hielt; und einmütig sagten die Frauenzimmer, daß er für einen Teufel gar schön sei. Nachdem sich der Priester bekreuzigt hatte, tauchte er die Hand in das Weihwasser und bestrich dem Bilde damit Stirn, Leib und Herz; und unverzüglich zerfiel das Bild durch die Allmacht Gottes in Staub, und man hörte eine klägliche Stimme: „O moi, o phos, tethneka!“ Und der Priester erklärte die Worte des Teufels, die in griechischer Sprache bedeuteten: „Weh mir, o Licht, ich sterbe!“
Von der großen Überraschung und dem wunderbaren Staunen des Herzogs, als er die Wackerkeit der guten Frauen von Uccle innen ward.
Derweilen sandte die Gemeinde zwei Biedermänner zum Herzog mit dem Auftrage, dem trefflichen Fürsten gebührendermaßen zu Vermelden, was sich zugetragen. Diese trafen ihn schon auf dem Wege nach Uccle; denn er hatte seine Späher von Eisenzahns Plan, der nicht geheim geblieben war, vernommen und zog nun im Eilmarsche wider ihn mit einer großen Reiterschar. Die Biedermänner warfen sich, sobald sie ihn erblickten vor ihm auf die Knie; der gütige Herr aber wollte es nicht leiden: er hob sie auf und hieß sie an seiner Seite zu bleiben. Bald waren sie in dem Orte, wo die Räuber niedergemacht worden waren. Und als der Herzog die Leichen sah, hielt er ihn in befriedigter Verwunderung und sagte: „Wer hat diese Schurken getötet?“ „Unsere Frauen“, sagte der eine Biedermann. „Mir willst du etwas weismachen, Bürger?“ sagte der Herzog, die Stirn runzelnd. „Gott bewahre, gnädiger Herr“, sagte der andere; „ich will Euch den Hergang berichten.“ Und er tat es. „Oho“, sagte der Herzog, „wer hätte das den Frauen zugetraut? Ich will sie belohnen.“ Dies gesagt, ließ er Eisenzahns Helm aufheben, um ihn mitzunehmen; und dieser Helm war lange unter den Waffen des Herrn Karls V. zu sehn, der ihn mit großer Sorgfalt gehütet wissen wollte.
Vierzehntes Kapitel
Wie die Gilde der Bogenschützinnen von Uccle gestiftet ward, und von der schönen Belohnung, die der Herzog der wackeren Wantje gegeben hat.
In Uccle eingezogen, sah der gute Herzog eine Menge Leute auf sich zukommen und mitten unter ihnen einen Mann, der erbärmlich schrie: „Herr Pfarrer, Herr Pfarrer, lasst mich nicht sieden!“ Und darauf ward ihm die Antwort: „Wir werden sehen.“ „Was soll dieser Lärm?“ fragte der Herzog. Kaum aber war Pieter Gans seiner ansichtig geworden, so lief er auf ihn zu und umfaßte die Knie seines Pferdes: „Gnädiger Herr“, schrie er, „gnädiger Herr Herzog, leidet nicht, daß man mich siede!“ „Und warum sollte man dir denn“, sagte der Herzog, „einen meiner guten Leute von Uccle sieden?“ Daraufhin trat der hochwürdige Herr Klaassens vor und erzählte ihm das Vorgefallene mit mächtigem Zorn, während Pieter Gans gar trübselig jammerte; und es war ein gewaltiges Wirrwarr, wie der eine weinte und stöhnte und der andere erzählte und Schlüsse ableitete, so daß der Herzog nicht wußte, wenn er von den beiden anhören sollte. Plötzlich trat Wantje aus dem Haufen hervor, der mit Pieter Gans schrie: „Gnade und Barmherzigkeit!“ „Gnädiger Herr“, sagte das Mägdlein, „der hat sich schwer an Gott versündigt, aber aus Herzenseinfalt und angeborener Zaghaftigkeit.
Der Teufel hat ihm die Angst eingejagt, und er hat sich ihm ergeben. Verzeiht ihm, gnädiger Herr, um unseretwillen.“
„Du sprichst gut, Mägdlein“, sagte der Herzog, „und ich will dir Gehör geben.“ Aber der hochwürdige Herr Klaassens sagte: „Gnädiger Herr, Ihr denkt nicht an Gott.“ „Pater“, antwortete der Herzog, „daran habe ich es nie fehlen lassen, und samt dem vermeine ich, daß es ihm nicht lieb ist, das Schwert eines Christenmenschen räuchern und eines Biedermanns Fleisch sieden zu sehn, sondern daß er die liebt, welche Milde üben und ihren Nächsten nicht auf dem Wege der Buße hemmen. Heute, wo die selige Jungfrau in ihrer Gnade ein Wunder an uns getan hat, will ich nicht ihr Mutterherz durch den Tod betrüben. Darum soll für diesmal kein Bezichtigter, weder Pieter Gans noch die übrigen, verbrannt werden.“ Dies gehört, brach Pieter Gans wie verrückt in ein Lachen aus und begann zu tanzen und zu singen und rief: „Heil dem gnädigen Herrn! Brabant und dem Herzog!“ Und alle Bürger stimmten in seinem Ruf ein: „Heil dem gnädigen Herrn!“
Bis sie der Herzog schweigen hieß und lächelnd sagte: „Wohlan, ihr Frauen, die ihr heute Männerwerk getan habt, kommt her, auf daß ich euch Männerlohn gewähre. Der Tapfersten gebe ich diese gewichtige Goldkette. Welche ist es?“ „Ach, du bist’s“, sagte er, „die treffliche Verteidigerin! Gibst du mir einen Kuß samt meinem Alter?“
„Jawohl, gnädiger Herr“, sage das Mägdlein, und sie tat es, wie sehr sie sich auch schämte. Und nachdem ihr der gute Herzog die Kette um den Hals gehängt hatte, fuhr er in seiner Rede fort: „Was nun euch allesamt betrifft, ihr guten Frauen, die ihr heute Nacht tapfer gekämpft habt, so vereinige ich euch zu einer schönen Gilde unter dem Schutze der Jungfrau. Dabei meine ich, daß hier eine Stange von gehöriger Länge aufgepflanzt werde, und an jedem Sonntag sollt ihr herkommen, um das Bogenschießen zu pflegen, zum Gedächtnis, daß ihr mit diesem Bogen euren Gatten und Kindern das Leben gerettet habt. Und es werden da sein ein schöner Lorbeerkranz und eine schöne Börse, wohlgefüllt mit glitzernden und klingenden Goldstücken, und diese Dinge sollen alljährlich der gewandtesten gegeben und ihr von allen andern auf ein Kissen dargebracht werden. Und die Börse wird sie aussteuern, wenn sie eine Jungfrau ist, und ihr gegen die Teuerung helfen, wenn sie verheiratet ist. So ist die Gilde der Bogenschützinnen von Uccle gestiftet worden, die an jedem Sonntag unter dem Schutze der lieben Frau ein Bogenschießen hält.