Vor ein paar Wochen fand ich auf der Straße einen goldenen Taler. Er war größer als ein zwei Euro-Stück und viel, viel schwerer. Ein Schokoladentaler konnte es somit nicht sein. Auf der einen Seite hatte er ein märchenhaft schönes Muster und auf der Rückseite so etwas wie ein chinesisches Schriftzeichen. Deshalb beschloss ich, das Goldstück bei Gelegenheit einem meiner Bekannten zu geben, der mit einer Chinesin verheiratet ist. Sie wird gewiss etwas damit anfangen können, dachte ich.
Ich tat den schweren Taler also in mein Portemonnaie und ging rasch nach Hause, denn es begann zu regnen. Am Abend des selben Tages machte ich den Fernseher aus, fuhr den Computer herunter, putzte mir die Zähne und begab mich zu Bett. Ich drehte mich in Einschlafposition und schloss die Augen.
Da hörte ich ein Geräusch, welches ich absolut nicht zuordnen konnte. Es war kein Knacken im Holz, kein fallender Wassertropfen und schon lange keine Regentropfen, die an mein Fenster klopften. Der Regen hatte längst aufgehört. Eher erinnerte es an Mäuse.
Ich werde doch wohl keine Mäuse in der Wohnung haben!, empörte ich mich. Wieder dieses Geräusch. Es klang wie „Ploppplirr.“ Was mochte das sein? Ich kann doch nicht schlafen, wenn es hier die ganze Nacht „Ploppplirr“ macht!
Ganz leise und vorsichtig schob ich mich aus meinen Federn und schlich barfuß in den Flur. Da hörte ich es auch schon wieder. Und ich konnte mir sicher sein, woher es kam. Aus meiner Handtasche, die wie immer offen an der Flurgarderobe stand, kam nämlich bei „Plirr“ ein schwaches Leuchten. Ich trat näher heran. Natürlich war mir mulmig zu Mute bei diesem gespenstischen Vorgang, aber ich wollte der Sache auf den Grund gehen.
Beim nächsten „Ploppplirr“ riss ich die Tasche auf und konnte gerade noch sehen, wie meine Geldbörse einen kleinen Hopser tat und scheinbar von innen heraus glühte. Zögernd und sehr vorsichtig griff ich nach ihr. Sie war kühl und ledrig wie immer. Ich öffnete sie und sah den Goldtaler zwischen den anderen Münzen strahlend leuchten. Ich nahm ihn mit spitzen Fingern heraus. Er war schwer und kalt wie am Tage.
Doch als ich ihn auf der flachen Hand hatte, begann er plötzlich zu schweben und sich zu drehen. Die chinesische Münze war auch nicht mehr kreisrund, sondern vielfach gezackt. Sie schwebte dem Fenster zu, flog hinaus in Richtung Himmel und war bald nur noch ein klitzekleiner Stern, der von anderen Sternen seiner Größe und Helligkeit tanzend empfangen wurde.
Endlich war mir klar, was ich da gefunden hatte: einen Sterntaler!
Von jenem Tage an werden die Münzen in meinem Portemonnaie nicht weniger, egal, wie viele ich ausgebe. So bedankte sich der Sterntaler bei mir dafür, dass ich ihn vor dem Regen in Sicherheit gebracht hatte. Bekanntlich lösen sich solche Taler bei schlechtem Wetter auf.
Quelle: flammarion