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Ein Gutsherr ging einmal im Walde spazieren, und als er so dahinschritt, fiel er in eine Wolfsgrube. Dort waren aber schon vor ihm ein Bär, eine Meerkatze und eine große Schlange hineingefallen. Jedes Tier saß in einer Ecke, so groß war die Grube. Als der Gutsherr seine Gefährten sah, kriegte er einen furchtbaren Schrecken und schrie um Hilfe. Da kam gerade einer seiner Untersassen an der Grube vorüber, der hörte die Stimme seines Herrn. »Wer ist denn da drin?« – »Ich bin es, dein Herr, hilf mir heraus, so will ich es dir lohnen.« Da der Mann zufällig einen Strick bei sich hatte, fällte er einen Baum, ästetete ihn ab und ließ ihn in die Grube hinunter, um seinen Herrn daran heraufzuziehen. Wie er merkt, daß unten etwas anfaßt, fangt er an zu ziehen. Aber wie er den Stamm glücklich oben hat, sieht er, daß es gar nicht sein Herr ist, sondern ein Bär, der sich am Baum festgeklammert hatte. Der Bär lief an ihm vorbei in den Wald. Da erschrak der arme Mann. Er glaubte, der Teufel habe ihn mit seines Herrn Stimme gerufen, und er wollte die Grube verlassen. Da bat ihn der Herr wieder: »Laß mich nicht hier. Ich bezahle dir und deiner Braut die Hochzeit, weil du doch heiraten möchtest.« Er hatte nämlich den Mann an der Stimme erkannt. Weil nun dieser ein armer Kätner war, der nichts hatte, um Hochzeit zu halten, dachte er: ‚Ich kann es ja noch einmal versuchen, ob mein Herr aus der Grube kommt.‘ Kaum aber hatte er seinen Baum in die Grube hinuntergelassen, als auch schon die flinke Meerkatze hinaufsprang und sich daran festhielt. Der Mann fühlte, daß etwas an der Stange hing, und er zog sie heraus, obgleich ihm sein Herr etwas leicht vorkam. In die Grube konnte er nicht hineinsehen. Wie er seinen Baum oben hatte, hüpfte die Meerkatze an ihm vorbei in den Wald. ‚Ei‘, dachte der Mann, ‚ich ziehe noch alle Tiere des Waldes hier heraus‘, und er wollte wieder fortgehen. Aber sein Herr fing von neuem an zu flehen: »Laß mich nicht hier! Ich gebe dir deine Kate zu eigen und noch einen Haufen Geld dazu, wenn du mich aus der Grube rettest.« Da machte der Mann noch einmal den Versuch, seinen Herrn heraufzuziehen. ‚Wenn es nur der Herr wäre und nicht ein böser Geist, der mit meines Herrn Stimme ruft!‘ Als er wieder seinen Baum in die Grube hinunterließ und wieder heraufzog, zischte eine Schlange an ihm vorbei in den Wald. ‚Der böse Geist ist’s, der mich foppt, weiter nichts‘, dachte der Mann und wollte endlich fortgehen. Aber immer noch schrie der Herr aus der Grube: »Laß deinen Baum noch einmal herunter, ich gebe dir mein ganzes Gut, mein ganzes Geld, wenn ich nur hier fortkomme.« Da fühlte der Mann Mitleid, weil der andere so kläglich bat, und er dachte: ‚Nun, um meiner Braut willen will ich’s noch einmal versuchen, aber dann nicht mehr, und wenn er auf jede mögliche Weise bäte.‘ Als er den Stamm wieder in die Höhe zog, da hing wirklich sein Herr dran.
Der Gutsherr, der drei Tage nichts gegessen hatte, war schon so kraftlos, daß ihn der Kätner führen mußte. Der Mann hatte einen Knust Brot in der Tasche, den gab er seinem Herrn. Als er den gegessen hatte, fing er an, sich zu erholen, aber dann sagte er zu dem Manne: »Jetzt brauche ich dich nicht mehr, du kannst gehen«; von Bezahlung war nicht mehr die Rede.
Am folgenden Morgen machte sich der Kätner zum Gutshof auf, um sich etwas von dem vielen Gelde zu holen, das ihm sein Herr versprochen hatte. Er kam in den Gutshof und fragte nach dem Herrn. Die Knechte vom Hofe fragten ihn aus, was er vom dem Herrn wolle. Er mochte nicht lügen, sondern erzählte die Begebenheit, wie sie war, daß er dem Gutsherrn aus der Wolfsgrube geholfen hatte. Als diesem zu Ohren kam, was der Kätner seinen Bedienten erzählt hatte, wurde er schrecklich wütend, war es doch eine Schande für einen so großen Herrn, in eine Wolfsgrube gefallen zu sein. Dann ließ er ihn als einen Lügner bis aufs Blut durchpeitschen.
Der arme Mann ging betrübt fort. Als er aber nach Hause kam und die Stubentür öffnete, lagen dort der Bär und die Meerkatze auf der Diele, und die Schlange lag auf dem Herd. Darüber erschrak der Mann zuerst, aber der Bär kam ihm freundlich entgegen und sprach: »Dort in der Darre ist für dich ein geschlachteter Ochs, ein wirklicher großer Stier, den habe ich dir zur Hochzeit gebracht.« Die Meerkatze hatte ihm einen großen Haufen Reiser und kleiner Hölzer vor die Tür geschleppt, solche, wie sie ein so kleines Tier schleppen kann. Auch sie kam zu ihm getrippelt und sprach: »Dort im Hof liegt für dich ein ganzer Haufen Holz, womit du deine Stube am Hochzeitstag heizen kannst«, und sie fing an, noch mehr herbeizuholen. Die Schlange aber brachte ihm im Maule einen Edelstein. Der Mann kannte seinen Wert nicht, aber da er so hell war und glänzte, nahm er an, daß er etwas wert sein müsse. Er machte sich auf, ihn zu verkaufen, und ging damit in den Gutshof. Dort fragten sie: »Was verlangst du für den Stein?« Er sagte: »Hundert Taler.« Da glaubten sie, er hätte den Stein gestohlen, weil des Mannes Vermögen nie mehr als höchstens fünf Taler betragen hatte, und sie fragten ihn aus, woher er den Stein habe. Obwohl der Mann arm war, wollte er nicht lügen, und er erzählte die Geschichte, wie sie war. Das glaubte natürlich niemand.
Der arme Mann wurde ins Gefängnis gesteckt, und sie brachten die Sache vors Gericht. Dort erzählte er noch einmal die ganze Begebenheit: wie er seinem Gutsherrn aus der Grube geholfen und was dieser ihm alles dafür versprochen hatte, daß er ihn aber statt dessen habe durchprügeln lassen. Dann erzählte er weiter, was für Geschenke ihm der Bär, die Meerkatze und die Schlange gemacht hatten. Da sprach der Richter: »Ich glaube dir gern, armer Mann, was du sagst, aber vor Gericht bedarf es der Zeugen. Hast du Zeugen?« – »Freilich: den Bär, die Meerkatze und die Schlange, aber die sind im Walde.« Nun, der Richter wollte ihn schon verurteilen, da öffnete sich die Tür, und der Bär kam brummend zur Tür herein, die Meerkatze saß auf seiner Schulter, und die Schlange kroch hinter ihnen her. Sie bezeugten des Mannes Rede, und wenn noch jemand gewagt hätte, den Mann zu verurteilen, so wäre der Bär sofort über ihn hergefallen. Da half nichts mehr. Der Mann wurde freigesprochen, und als der König die wunderliche Begebenheit erfuhr, machte er den armen Kätner zum Gutsherrn, und den Gutsherrn setzte er in die Kate. Der früher arme Mann nahm jetzt die Braut zu sich, und sie feierten eine prächtige Hochzeit. Essen und Trinken hatten sie im Überfluß, und ich war auch dabei. Erst kürzlich war die Hochzeit, und das junge Ehepaar lebt in Frieden und Gesundheit.
Der Gutsherr, der drei Tage nichts gegessen hatte, war schon so kraftlos, daß ihn der Kätner führen mußte. Der Mann hatte einen Knust Brot in der Tasche, den gab er seinem Herrn. Als er den gegessen hatte, fing er an, sich zu erholen, aber dann sagte er zu dem Manne: »Jetzt brauche ich dich nicht mehr, du kannst gehen«; von Bezahlung war nicht mehr die Rede.
Am folgenden Morgen machte sich der Kätner zum Gutshof auf, um sich etwas von dem vielen Gelde zu holen, das ihm sein Herr versprochen hatte. Er kam in den Gutshof und fragte nach dem Herrn. Die Knechte vom Hofe fragten ihn aus, was er vom dem Herrn wolle. Er mochte nicht lügen, sondern erzählte die Begebenheit, wie sie war, daß er dem Gutsherrn aus der Wolfsgrube geholfen hatte. Als diesem zu Ohren kam, was der Kätner seinen Bedienten erzählt hatte, wurde er schrecklich wütend, war es doch eine Schande für einen so großen Herrn, in eine Wolfsgrube gefallen zu sein. Dann ließ er ihn als einen Lügner bis aufs Blut durchpeitschen.
Der arme Mann ging betrübt fort. Als er aber nach Hause kam und die Stubentür öffnete, lagen dort der Bär und die Meerkatze auf der Diele, und die Schlange lag auf dem Herd. Darüber erschrak der Mann zuerst, aber der Bär kam ihm freundlich entgegen und sprach: »Dort in der Darre ist für dich ein geschlachteter Ochs, ein wirklicher großer Stier, den habe ich dir zur Hochzeit gebracht.« Die Meerkatze hatte ihm einen großen Haufen Reiser und kleiner Hölzer vor die Tür geschleppt, solche, wie sie ein so kleines Tier schleppen kann. Auch sie kam zu ihm getrippelt und sprach: »Dort im Hof liegt für dich ein ganzer Haufen Holz, womit du deine Stube am Hochzeitstag heizen kannst«, und sie fing an, noch mehr herbeizuholen. Die Schlange aber brachte ihm im Maule einen Edelstein. Der Mann kannte seinen Wert nicht, aber da er so hell war und glänzte, nahm er an, daß er etwas wert sein müsse. Er machte sich auf, ihn zu verkaufen, und ging damit in den Gutshof. Dort fragten sie: »Was verlangst du für den Stein?« Er sagte: »Hundert Taler.« Da glaubten sie, er hätte den Stein gestohlen, weil des Mannes Vermögen nie mehr als höchstens fünf Taler betragen hatte, und sie fragten ihn aus, woher er den Stein habe. Obwohl der Mann arm war, wollte er nicht lügen, und er erzählte die Geschichte, wie sie war. Das glaubte natürlich niemand.
Der arme Mann wurde ins Gefängnis gesteckt, und sie brachten die Sache vors Gericht. Dort erzählte er noch einmal die ganze Begebenheit: wie er seinem Gutsherrn aus der Grube geholfen und was dieser ihm alles dafür versprochen hatte, daß er ihn aber statt dessen habe durchprügeln lassen. Dann erzählte er weiter, was für Geschenke ihm der Bär, die Meerkatze und die Schlange gemacht hatten. Da sprach der Richter: »Ich glaube dir gern, armer Mann, was du sagst, aber vor Gericht bedarf es der Zeugen. Hast du Zeugen?« – »Freilich: den Bär, die Meerkatze und die Schlange, aber die sind im Walde.« Nun, der Richter wollte ihn schon verurteilen, da öffnete sich die Tür, und der Bär kam brummend zur Tür herein, die Meerkatze saß auf seiner Schulter, und die Schlange kroch hinter ihnen her. Sie bezeugten des Mannes Rede, und wenn noch jemand gewagt hätte, den Mann zu verurteilen, so wäre der Bär sofort über ihn hergefallen. Da half nichts mehr. Der Mann wurde freigesprochen, und als der König die wunderliche Begebenheit erfuhr, machte er den armen Kätner zum Gutsherrn, und den Gutsherrn setzte er in die Kate. Der früher arme Mann nahm jetzt die Braut zu sich, und sie feierten eine prächtige Hochzeit. Essen und Trinken hatten sie im Überfluß, und ich war auch dabei. Erst kürzlich war die Hochzeit, und das junge Ehepaar lebt in Frieden und Gesundheit.
[Finnland: August von Löwis of Menar: Finnische und estnische Märchen]