0
(0)
Drei Schafhirten, drei Brüder, weideten ihre Schafe auf einem Berge und verloren eines Abends im Nebel ihren Weg; da mußten sie haltmachen und konnten nicht weiter gehen. Auf diesem Berge wohnte ein Teufelswesen, der Schuglan, sehr groß und schrecklich, mit einem Auge auf der Stirn. An dem Abend kam er zu den Hirten und fragte sie: „Warum seid ihr hier stehen geblieben?“ Die Hirten konnten ihn in der Dunkelheit nicht erkennen, dachten, es sei ein Mensch, und antworteten: „Wir haben im Nebel den Weg verloren, so konnten wir nicht weiter gehen, und hier hat uns die Dunkelheit überfallen.“ Darauf sagte der Schuglan: „Kommt, ich will euch zu meiner Hütte führen; die ist hier ganz nahe; dort könnt ihr die Nacht zubringen, daß ihr nicht in freiem Felde zu sitzen braucht.“ Die Hirten waren froh, daß sie einen freundlichen Menschen gefunden hatten und ein Unterkommen und folgten ihm mit ihren Schafen. Nach einiger Zeit kamen sie an einen Felsen. Der Schuglan winkte mit der Hand, da tat sich ein großes steinernes Tor auf, und er sagte zu den Hirten: „Hier ist meine Hütte, treibt erst die Schafe hinein und dann geht selbst.“ Den Hirten kam es etwas verdächtig vor, aber richtig merken konnten sie nichts, so trieben sie die Schafe hinein und gingen selbst auch. Als sie drinnen waren, winkte der Schuglan wieder mit der Hand, und das Tor tat sich zu. Die Höhle war sehr groß, und an einem Ende war ein Feuer angezündet. Als sie ans Feuer traten, sahen die Hirten den Schuglan ganz nackt, mit nur einem Auge, ein furchtbares Schreckbild, und wußten nun, wohin sie geraten waren, und erschraken sehr. Der Schuglan aber sagte zu ihnen: „Habt keine Angst; macht es euch bequem, zieht die Schuhe aus und schlaft diese Nacht in aller Ruhe.“ Dann aßen sie zu Abend und gingen schlafen. Die Hirten zitterten vor Angst, aber sie konnten nichts machen und sprachen: „Wie es Gott jetzt gefügt hat, so wird es werden“, legten sich und schliefen ein. Einer von ihnen aber – entweder hatte er zu große Angst, oder es trieb ihn sein Mut – ließ sich nicht in Schlaf fallen, sondern machte mit seinem Kopftuch eine kleine Höhlung und guckte unten durch, ob er vielleicht bemerken könnte, was der Schuglan macht. Und siehe da, um Mitternacht stand der leise auf, machte ein großes Feuer, nahm dann einen großen Bratspieß und legte ihn ins Feuer. Als der Bratspieß von der Hitze glühend geworden war, ging der Schuglan zu einem der schlafenden Hirten, erwürgte ihn im Schlaf, steckte ihn an den Spieß und legte ihn aufs Feuer, um ihn zu braten. Als er damit fertig war, nahm er ihn heraus und legte ihn beiseite; darauf machte er wieder den Bratspieß glühend. Der von den Hirten, der nicht schlief, sah, was der Schuglan mit ihnen machte, erschrak darüber sehr und dachte nach, wie er wenigstens sich retten könnte, wenn die Reihe an ihn käme. Der Schuglan briet auch den anderen Hirten, machte wieder den Bratspieß heiß und stand auf, um den wachen Hirten zu erwürgen. Als der Hirt sah, wie die Sache stand, sprang er plötzlich auf, riß den Bratspieß an sich und stieß ihn dem Schuglan ins Auge; das brannte aus, und er erblindete. Vor Schmerzen sprang er hin und her, schrie auf und fing an, den Hirten zu suchen. Der aber versteckte sich unter den Schafen. Die ganze Nacht suchte der Schuglan nach ihm, aber da er blind war, konnte er ihn nicht finden und sagte: „Ich will dir’s morgen, wenn es Tag wird, schon zeigen, dann werde ich dich finden.“ Am anderen Morgen stand der Schuglan auf, öffnete das Tor und trieb die Schafe, eins nach dem anderen, aus, so daß der Hirt nicht entrinnen konnte. Er versteckte sich aber dann unter dem Bauch eines großen Widders, legte die Arme um dessen Hals, und der Widder schleppte ihn mit hinaus. Als der Hirt sich so befreit hatte, rief er dem Schuglan von ferne zu: „Faß mich am Schopf, wenn du kannst.“ Da platzte der Schuglan vor Ärger und starb.
Quelle:
(Balkanmärchen aus Bulgarien)