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Märchenbasar

Die drei gewitzten Brüder

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Es waren einst drei Brüder, die besaßen eine wunderschöne Stute, die sie hegten und pflegten. Aber eines Tages mußten sie entdecken, daß ein Unbekannter sie ihnen gestohlen hatte. „Ich nehme an, daß der Dieb groß von Wuchs ist“, sagte der älteste und gescheiteste Bruder. „Wenn er groß ist, wird er wohl blond sein“, fuhr der zweite Bruder fort. „Und wenn er blond ist, dann wird er wohl einen dicken Schnurrbart haben“, schloß der Jüngste. „Kommt, laßt uns ihn suchen.“ Gesagt, getan. Die Brüder rannten quer über die Wiese zur Landstraße und stießen dort auf einen Mann, der ihrem Dieb zum Verwechseln ähnlich sah — groß von Wuchs, blond und mit dickem Schnurrbart. Nur die Stute war nirgendwo zu entdecken. Da umringten die Brüder den Mann und setzten ihm wie wütende Hornissen zu. „Wo hast du unsere Stute gelassen? Du hast nur zwei Möglichkeiten: Entweder gibst du sie uns zurück, oder du bezahlst sie.“ Der Mann sah, daß er in der Klemme steckte wie ein Huhn beim Rupfen, er schwor hoch und heilig, daß er ihre Stute nie gesehen, geschweige denn gestohlen hätte, doch die Brüder ließen sich nicht irreführen. „Gib uns unsere Stute wieder! Du bist der Dieb!“ Und als er weiter leugnete, schleppten sie ihn vor den Kadi. „Was wollt ihr?“ fragte dieser. „Gnädiger Kadi“, riefen die drei Brüder wie aus einem Munde. „Der Mensch hat unsere Stute gestohlen, und wir möchten dich bitten, ihn zu zwingen, daß er sie uns bezahlt.“ — „Woher wißt ihr, daß er der Dieb ist?“ forschte der Kadi. „Zu dieser Erkenntnis sind wir durch unseren Witz und Verstand gekommen, gnädiger Kadi“, erwiderten die Brüder.
Da ging der Kadi ins Nebenzimmer, nahm eine Zitrone, wickelte sie in einen Lappen, steckte sie in einen Sack und brachte den Sack zu den Brüdern. „Wenn ihr erratet, was dieser Sack enthält, werde ich den Streitfall zu euren Gunsten entscheiden. Erratet ihr es nicht, dann erhält jeder von euch hundert Stockschläge auf die Fußsohlen.“ — „Was dein Sack enthält, weiß ich nicht“, begann der älteste Bruder.
„Aber es ist rund.“ — „Wenn es rund ist, wird es wohl gelb sein“, fuhr der zweite Bruder fort. „Und wenn es gelb ist, dann wird es eine Zitrone sein“, schloß der Jüngste. Aber das überzeugte den Kadi immer noch nicht, er forderte die Brüder auf, bei ihm zu übernachten, und ließ abends für sie einen Hund schlachten und braten. „Wenn ihr erratet, was das für Fleisch ist, werde ich den Dieb zwingen, euch die Stute zu ersetzen“, sagte er beim Essen. „Erratet ihr es nicht, dann erhält jeder von euch hundert Stockschläge auf die Fußsohlen.“ — „Ich weiß nicht, wie dieses Tier heißt“, begann der älteste Bruder, „aber ich bin gewiß, daß es bei Tag und Nacht auf dem Hof herumläuft.“ — „Wenn dieses Tier bei Tag und Nacht auf dem Hofe herumläuft, dann steckt es auch in alles seine Nase“, fuhr der zweite Bruder fort. „Und wenn es in alles seine Nase steckt, dann ist es ein Hund“, schloß der Jüngste. Da sprang der Kadi von der Bank. „Ihr habt’s erraten!“ rief er. Und der Dieb mußte den Brüdern den Verlust ersetzen.

Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)

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