Magda war stets sehr einsam, da die Stiefmutter und der Vater immerzu auf dem Feld arbeiteten oder sich um die Schafe kümmerten. So wuchs sie heran und wurde von Tag zu Tag schöner, was die Stiefmutter neidisch werden ließ. Sie drohte dem Mädchen, sie solle auf dem Feld helfen, anstatt faul im Haus zu bleiben. Würde sie es nicht tun, müsse sie das Haus verlassen. Von dem Tag an nannte sie ihre Stieftochter `Magd‘.
Magda erfüllte den Wunsch. Hatte sie alle Arbeit erledigt, beschäftigte sie sich gern mit den Tieren im Wald. Über die Jahre waren die Rehe ihre Freunde geworden, ließen sich füttern und sogar streicheln. Bald verstand sie auch deren Sprache.
Die Stiefmutter sah das nicht gern. Eines Tages beobachtete sie, wie das Mädchen wieder einmal in den Wald wollte.
„Magd!“, rief sie. „Komm ins Haus und backe das Brot!“
Magda rannte so schnell sie konnte zurück, um nicht bestraft zu werden. Im Nu war der Teig geknetet, in den Ofen geschoben und herrlich braun gebacken. Es war das beste Brot, das es je in diesem Hause gegeben hatte.
Als der Vater von der Weide zurück kam, schnupperte er genussvoll in die Luft und war voller Stolz.
„Magda, von nun an wirst du das Brot backen. Es ist das beste Brot seit je her!“
Seine Frau wurde rot vor Zorn, sprach jedoch kein Wort.
Als alle zu Bett gegangen waren, Magda und ihr Vater tief und fest schliefen, schlich die Stiefmutter zu dem Mädchen. Sie zog es an den Haaren aus dem Bett.
„Meine Tochter meint, sie sei etwas besseres!“, wütete sie. „Du wirst von nun an im Wald leben. Ich will dich hier nie wieder sehen. Deinem Vater werde ich sagen, du seiest weggelaufen, weil dir das Leben hier nicht mehr gefällt. Verschwinde, sonst werde ich dich persönlich unter den Wölfen aussetzen!“
Magda lief so schnell sie konnte. Nie wieder wollte sie das Haus betreten, so leid es ihr um den Vater auch tat.
Sie wusste, dass sie in der Dunkelheit Schutz bei guten Freunden finden würde.
Die Rehe rochen sofort, dass Magda in der Nähe war. Eines kam ihr entgegen und führte sie in den tiefen, dunklen Wald zu der Herde. Die anderen trugen Heu zusammen und bauten Magda daraus ein Bett. Die Tiere legten sich zum Schutz um sie herum und spendeten ihr in dieser Nacht Trost.
Als am nächsten Tag die Sonne aufging, wurde das Mädchen mit einem sanften Stupser geweckt.
„Du kannst nicht bei uns bleiben, es ist zu gefährlich“, erklärte das Reh. „Viele Jäger suchen den Wald auf, um uns zu jagen.“
Magda verstand. Sie verabschiedete sich und ging tiefer in den Wald hinein. Es gab weder Weg noch Steg. Nachdem sie eine Weile gewandert war, setzte sie sich müde und hungrig vor einen Baum. Schon bald schlief sie erschöpft ein.
Das Knacken eines Stockes ließ sie aufschrecken. Vor ihr stand eine alte Frau.
„Hast du dich verlaufen, mein Kind?“, wollte sie wissen.
Magda erklärte, dass der Wald ihr zu Hause sei. Damit war die Alte nicht einverstanden und lud sie ein, bei sich zu wohnen. Da das Mädchen nicht wusste wohin, nahm es gerne an.
Bald erreichten sie ein sehr kleines Haus.
„Hier wirst du jetzt mit mir wohnen. Ich kann Hilfe gebrauchen, so helfen wir uns gegenseitig“, erklärte die Alte.
Und so geschah es. Magda reinigte das Haus, backte Brot, pflückte Beeren und kochte leckeres Essen. Die Alte war häufig tagsüber nicht im Haus und Magda deshalb oft allein.
Eines Tages war die alte Frau bis zum späten Abend nicht nach Hause gekommen und Magda ging allein zu Bett.
Am nächsten Morgen klopfte es an der Tür. Magda öffnete und sah zu ihrem Erstaunen eine kleine, aufgeregte Elfe. Atemlos fispelte sie: „Die alte Frau braucht deine Hilfe! Komm schnell! Beeil dich!“
Magda folgte dem kleinen Wesen, so schnell sie konnte. Die Elfe war sehr flink. Sie führte Magda zum Waldrand. Dort lag die Alte auf dem Boden.
„Wie kann ich nur helfen?“, fragte Magda verzweifelt.
„Manchmal reicht eine Umarmung, damit es euch Menschen besser geht“, antwortete die Elfe.
Magda hatte die alte Frau sehr schätzen gelernt. So nahm sie sie in den Arm und drückte sie mit der ganzen Liebe ihres Herzens. Kraftlose Augen schauten nun das Mädchen an.
„Danke, mein gutes Kind! Ich glaube, die Wärme hat mir gefehlt!“
Mit Magdas Hilfe setzte sie sich an einem Baum und lehnte sich an. Das Mädchen rannte zum nächsten Bach, der nicht weit war, und brachte ihr mit bloßen Händen Wasser. Die Alte trank, fühlte sich augenblicklich gekräftigt und sagte: „Du bist so ein gutes Mädchen und doch so einsam. Es ist an der Zeit, dass deine guten Dienste belohnt werden!“
Die kleine Elfe vollführte einen Freudestanz in der Luft, kicherte und schwang ihren Zauberstab:
„Nach so viel Leid auf deinem Rücken
soll nun Freude dich beglücken.
Hab einen Wunsch allein für dich frei,
ganz einerlei, wie schwer er sei.
Sobald du diesen ausgesprochen,
sei dein Herz nicht mehr gebrochen.
So überlege klug und geschwind,
welcher Wunsch wär dein Glück, mein Kind!“
Vom Himmel flog eine Wolke aus glitzerndem, schillerndem Elfenstaub zu ihnen hinab. Magda spürte, wie dieser sich auf ihre Haut legte. Selbst ihr Kleid glänzte in voller Pracht.
Sie brauchte nicht lange über ihren Wunsch nachzudenken.
„Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen, dass mein Vater glücklich ist!“
Die Alte und die Elfe lächelten, verabschiedeten sich und Magda versprach, sie immer wieder zu besuchen. Dann rannte sie ins Dorf, ihrem Zuhause zu. Die Schafe blökten sofort, als sie Magda sahen. Die Tür war nicht verschlossen. Sie fand ihren Vater in seinem Bett. Blass war er geworden. Doch er bekam sofort wieder Farbe, als er Magda erblickte.
„Mein Kind, meine Magda!“, rief er voll Freude. „Du lebst! Dir geht es gut! Ich hatte mir solche Sorgen gemacht!“
Und dann berichtete er, dass die Stiefmutter erzählt habe, Magda habe es zuhause nicht mehr gefallen. Aber eines Tages habe er mitbekommen, wie sie sich im Spiegel für ihre Tat, das Mädchen verscheucht zu haben, selbst lobte. Daraufhin jagte er seine Frau aus dem Hause. Er hatte Magda überall gesucht, konnte sie aber nicht finden. Jetzt war er der glücklichste Mensch der Welt, da seine Tochter wieder bei ihm war. Er versprach ihr, trotz der vielen Arbeit von nun an, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.
Draußen hörten plötzlich die Schafe auf zu blöken. Magda und ihr Vater schauten nach der Ursache dieser unheimlichen Stille. Als die Herde die beiden erblickte, teilte sie sich und in der Mitte lag ein Schaf, das gerade ein Lamm geboren hatte.
Magda lachte vor Freude: „Vater, darf dieses Lamm Elfenstaub heißen?“
Der Vater war von dem bezaubernden Namen begeistert.
Elfenstaub wuchs zu einem prächtigen Schaf heran.
Regelmäßig besuchte Magda die Alte und half ihr im Haushalt. Die Elfe hatte sie nie wieder angetroffen. Doch die Rehe berichteten, dass sie die Elfe manchmal noch sahen. Sie sei damit beschäftigt, anderen guten Menschen Glück zu schenken.
So lebten alle glücklich bis an ihr Lebensende. Und wenn die kleine Elfe nicht gestorben ist, sucht sie heute noch unglückliche Menschen mit reinem Herzen auf, denen sie hilft.