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(1)
Es war einmal eine alte Frau, die hatte drei Söhne, die beiden ältesten aber waren sehr faul.
Als die Mutter schon garnichts mehr zu beissen hatte, schickte sie ihren ältesten Sohn fort, er möge sich nach einem Dienste umsehen. – Der Knabe ging trotzig fort und begegnete unterwegs einem alten Manne.
„Wohin, mein Sohn?“ fragte der Alte.
„Ich möchte mich nach einem Dienst umsehen, mein alter Vater; wüsste ich nur, wo ich einen finden könnte.“
„Dann bleibe nur gleich bei mir!“ sagte der gutherzige Alte. „Bei mir dauert das Jahr nur drei Tage lang. Da hast du sonst garnichts zu tun, als die Lämmerherde, die ich habe, tagtäglich auf die Weide hinauszutreiben; aber wie sie aufbrechen, musst du ihnen nur immer hübsch nachgehen, treibe sie nicht zurück, sondern gehe immer dorthin, wohin sie dich führen. Hier hast du ein kleines Kästchen, darin bringe mir eine Handvoll von dem Grase mit, das die Lämmer abweiden, und hier ein kleines Fläschchen, in dem bringe mir von dem Wasser, wovon sie getrunken. Ich pflege jeden Tag nachzusehen, was für ein Gras sie fressen und was für ein Wasser sie trinken.“
Der Knabe versprach dem Alten, alles fein ordentlich zu machen, und trieb anderen Morgens die Schafe zur Weide, aber die Herde ging ganz von selbst hin. Ein zutrauliches, kleines Lämmchen ging dem Knaben fortwährend zur Seite und rieb sich zuweilen gegen ihn ab. Aber der rohe Schäfer stiess das Arme in die Seite und fluchte, dass ihm das Lämmchen alle seine Zechen anhängen wolle. Es währte nicht lange, da kamen sie an eine zerfallene Brücke, die weder Geländer noch Brett hatte, so dass nur ein, zwei Balken auf den Stützpfosten ruhten. Die Lämmer gingen eines nach dem anderen über die schlechte Brücke, das sanfte Lämmchen blieb als letztes und, wie um den Schäfer zu ermutigen, dass er sich nur an seiner Wolle festhalten möge, ging es ganz zu ihm hin und blickte ihn an, gleichsam als wollte es sagen: komm nur mit.
Aber der faule Bursche drehte sich brummend um: „Nur weiter, ihr dummen Tiere, wenn es Euer Gnaden so beliebt; ich für meinen Teil habe wirklich nicht die geringste Lust, von dieser schlechten Brücke hinunterzuplumpsen.“
Nach einiger Zeit kommen die Lämmer in schöner Ordnung wieder zurück und schlagen den Weg nach Hause ein. „Oho, was mache ich jetzt?“ dachte der Knabe bei sich, „was für ein Gras soll ich denn jetzt in das Kästchen geben, was für ein Wasser in das Fläschchen füllen, wo diese Lämmer doch keine Handvoll davon gefressen und keinen Löffel voll getrunken?“ Kurz entschlossen gibt er irgend ein Gras in das Kästchen, füllt das Fläschchen aus der Quelle und geht damit der Herde nach. – Zu Hause fragt ihn der Alte:
„Nun, mein lieber Sohn, bist du also hier mit deiner Herde? – Zeige doch nur, was für ein Gras sie gefressen und was für Wasser sie getrunken?“
Der Knabe reichte das Kästchen und das Fläschchen hin.
Da schüttelte der Alte den Kopf.
„Ach, mein Sohn, du hast nicht von dem gebracht, was meine Lämmer gegessen und getrunken. Bringe du morgen ja von dem.“
Am zweiten Tage treibt der faule Junge seine Herde von Neuem zur Weide und that wieder ganz so wie am vorigen Tage. Wieder scheuchte er das sanfte, kleine Lämmchen von seiner Seite und folgte den Lämmern wieder nicht über die Brücke. Dort, am Anfange der Brücke wartete er auf sie, bis sie zurückkamen. Dann gab er wieder irgend ein Gras in sein Kästchen, schöpfte aus dem Flusse Wasser in das Fläschchen und trieb dann die Lämmer nach Hause; die brauchten ohnehin nicht eine Handvoll Gras und sahen das Wasser nicht einmal an.
Der Alte schüttelte nur wieder den Kopf.
Am dritten Tage machte es der faule Schäfer wieder gerade so wie an den zwei ersten. Wie er am Abend dieses Tages nach Hause kommt, sagt der Alte zu ihm:
„Nun, mein lieber Sohn, dein Dienst ist zu Ende, was willst du also zum Lohne dafür haben: eine Schüssel voll Gold oder dein Seelenheil?“
Der Knabe überlegte nicht lange:
„Wo ist die Schüssel voll Gold?“
Der Alte brachte eine Schüssel, die war voll von gleissendem Golde, und das schüttete er dem Knaben in den Armel seines Szür.
Am anderen Tage machte sich der Junge auf den Heimweg; er konnte kaum erwarten, dass der Morgen graute. Unterwegs kehrte er in einer Schenke ein und ass und trank nach Herzenslust. Als er nun vollständig betrunken war, nahmen ihm seine Zechgenossen alles Gold aus dem Ärmel seines Szür heraus, ihn aber liessen sie dort liegen. Mit leerer Hand, wie er gegangen, kam er auch wieder heim.
Auch den zweiten Sohn sandte die Mutter aus, sich einen Dienst zu suchen. Der war auch nicht besser als sein Bruder und tat ebenso mit den Lämmern des Alten. Nach Ablauf der drei Tage bat auch er eine Schüssel Goldes von dem Alten als Lohn. Doch wie er nach Hause ging, verspielte er in der Schenke all sein schönes Geld.
Auch dieser kam mit leerer Hand heim in das Haus seiner Mutter.
Da zergrämte sich die arme Frau, von was sie wohl ihre Kinder erhalten solle, wenn ihr alles aufgezehrt sein werde, und da doch ihre zwei grössten keinen Groschen verdienen können. Ihr jüngster Sohn sprach ihr Trost ein:
„Weinen Sie nicht, liebe Mutter, so werde also ich dienen gehen, ich werde Ihnen schon Geld nach Hause bringen.“
Das wollte die Mutter nicht und hielt ihn immer wieder zurück, er sei ja so noch viel zu klein. Aber eines Morgens, da war der kleine Knabe verschwunden. Wie er so vor sich hingeht, trifft er den alten Mann.
„Wohin, wohin, mein lieber Sohn?“ fragt der Alte.
„Ich gehe einen Dienst suchen, mein lieber, alter Vater. Meine arme Mutter stirbt beinahe schon vor Hunger, sie hat kaum etwas zum Beissen. Ich möchte ihr helfen in ihrem erbärmlichen Leben.“
„Nun, ich sehe, du bist ein gutes Kind,“ sagte der alte Mann, „und ich nehm‘ dich gerne in meinen Dienst; ist’s dir recht, so bleibe bei mir, es wird dir nichts zu Leide geschehen.“
Und der Knabe ging mit dem alten Manne; zu Hause angelangt, sagte der Alte zu ihm:
„Mein lieber Sohn, du wirst sonst nichts zu tun haben, als meine Lämmchen zur Weide zu treiben. Bei mir aber hat das Jahr nur drei Tage, so lang und nicht länger hast du bei mir zu dienen. – Hier ist ein kleines Kästchen, stecke es in den Armel deines Szür, und hier nimm auch noch dieses kleine Fläschchen. Gieb täglich etwas von dem Grase, wovon meine kleinen Lämmchen essen, in das Kästchen, und etwas von dem Wasser, daraus sie trinken, in das Fläschchen. Hast du mich verstanden?“
„Ich verstehe,“ sagte der Kleine.
Als er anderen Tages die Lämmer zur Weide trieb, kam das sanfte, kleine Lämmchen, welches seine älteren Brüder immer von sich gestossen hatten, fortwährend zutunlich auf ihn zugesprungen und schmiegte sich wie schmeichelnd immer wieder an seine Seite, so dass der kleine Schäfer das Lämmchen sehr lieb gewann, es streichelte und sein Fell glättete. Als sie zur alten, zerfallenen Brücke kamen, gingen die Lämmer schön eines nach dem anderen über die Balken hinüber, aber das Bübchen erschrak schon im voraus, wie es ihm nur möglich sein werde, hinüber zu kommen.
Das kleine Lämmchen sah ihn ermutigend an und begann zu sprechen:
„Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht, lieber, kleiner Schäfer! halte dich nur fest an meiner Wolle, ich werde dich schon hinüberleiten.“
Der kleine Knabe tat, wie ihm das Lämmchen geheissen, hielt sich an seiner Wolle fest und kam so vorsichtig, Schritt vor Schritt, auch glücklich über die Brücke. Die Lämmchen aber gingen nur immer weiter und weiter, so dass der kleine Schäfer sich nicht genug über sie verwundern konnte, weil sie halt weder assen noch auch tranken. Nach einiger Zeit kamen sie an eine kleine Kapelle. Vor der Kapelle angelangt, schüttelten sich die Lämmchen, und im Augenblicke wurde jedes von ihnen zu je einem Engel. Der kleine Schäfer fand seines Staunens kein Ende, riss den Hut vom Kopfe und getraute sich kaum, sie anzuschauen. Die in Engel verwandelten Lämmchen traten nun alle in die Kapelle ein, und ein schöner Engel – es war derselbe, der als Lämmchen dem kleinen Schäfer zur Seite gegangen – führte auch ihn hinein. Vor dem Altare knieten die Engel nieder; ein Priester spendete ihnen mit der Hostie und dem Kelche die heilige Kommunion und bedachte auch das Bübchen. Das Bübchen tat nun auch in sein Kästchen eine Hostie und gab etwas von dem geheiligten Weine in sein Fläschchen. – Hierauf gingen sie wieder alle aus der Kapelle hinaus. Die Engel schüttelten sich wieder und wurden aufs Neue zu Lämmern, und das Bübchen folgte ihnen andächtig und mit dem Hute in der Hand. Bei der schlechten Brücke aber half ihm wieder jenes schöne, sanfte Lämmchen, der schöne Engel, hinüber. Zu Hause angelangt, fragt ihn der Alte:
„Nun, mein Söhnchen, hast du mir etwas von dem Gras und Wasser gebracht, das die Lämmer gefressen und getrunken?“
„Ach, mein lieber, alter Vater,“ sagt der Kleine, „das sind ja keine Lämmer, sondern wirkliche Engel!“
Hierauf erzählte er, was er gesehen, und gab dann dem Alten Kästchen und Fläschchen: „Hier ist, was meine Lämmchen gegessen und getrunken.“ Da lächelte der Alte.
„Nun, mein liebes Bübchen, ich sehe, dass du ein braves und ehrliches Kind bist, du hast deine Pflicht rechtschaffen getan. Wähle jetzt, was willst du zum Lohne: eine Schüssel Goldes oder dein Seelenheil?“
„Gott sieht in mein Herz, liebes Grossväterchen, mir wäre auch die Schüssel Goldes recht, denn wir sind gar sehr arme Leute; aber mein Seelenheil ist mir doch noch lieber, und darum wähle ich das.“
„Gut gewählt, mein Kind!“ sagt der gute Alte. „Weil du dein Seelenheil höher gehalten als Erdengut, verdienst du, dass ich dir auch von diesem gebe; denn alles steht in meiner Gewalt: ich bin der liebe Gott.“
Das Bübchen fiel vor ihm auf die Knie, der gute Gott aber füllte den Ärmel seines Szür mit drei Schüsseln voll Gold an und liess ihn mit seinem Segen nach Hause ziehen.
Daheim aber wurde seiner guten Mutter nie mehr das Herz schwer; denn von dem vielen Reichtume konnten sie bis an ihr seliges Ende ein glückliches Leben führen.
Als die Mutter schon garnichts mehr zu beissen hatte, schickte sie ihren ältesten Sohn fort, er möge sich nach einem Dienste umsehen. – Der Knabe ging trotzig fort und begegnete unterwegs einem alten Manne.
„Wohin, mein Sohn?“ fragte der Alte.
„Ich möchte mich nach einem Dienst umsehen, mein alter Vater; wüsste ich nur, wo ich einen finden könnte.“
„Dann bleibe nur gleich bei mir!“ sagte der gutherzige Alte. „Bei mir dauert das Jahr nur drei Tage lang. Da hast du sonst garnichts zu tun, als die Lämmerherde, die ich habe, tagtäglich auf die Weide hinauszutreiben; aber wie sie aufbrechen, musst du ihnen nur immer hübsch nachgehen, treibe sie nicht zurück, sondern gehe immer dorthin, wohin sie dich führen. Hier hast du ein kleines Kästchen, darin bringe mir eine Handvoll von dem Grase mit, das die Lämmer abweiden, und hier ein kleines Fläschchen, in dem bringe mir von dem Wasser, wovon sie getrunken. Ich pflege jeden Tag nachzusehen, was für ein Gras sie fressen und was für ein Wasser sie trinken.“
Der Knabe versprach dem Alten, alles fein ordentlich zu machen, und trieb anderen Morgens die Schafe zur Weide, aber die Herde ging ganz von selbst hin. Ein zutrauliches, kleines Lämmchen ging dem Knaben fortwährend zur Seite und rieb sich zuweilen gegen ihn ab. Aber der rohe Schäfer stiess das Arme in die Seite und fluchte, dass ihm das Lämmchen alle seine Zechen anhängen wolle. Es währte nicht lange, da kamen sie an eine zerfallene Brücke, die weder Geländer noch Brett hatte, so dass nur ein, zwei Balken auf den Stützpfosten ruhten. Die Lämmer gingen eines nach dem anderen über die schlechte Brücke, das sanfte Lämmchen blieb als letztes und, wie um den Schäfer zu ermutigen, dass er sich nur an seiner Wolle festhalten möge, ging es ganz zu ihm hin und blickte ihn an, gleichsam als wollte es sagen: komm nur mit.
Aber der faule Bursche drehte sich brummend um: „Nur weiter, ihr dummen Tiere, wenn es Euer Gnaden so beliebt; ich für meinen Teil habe wirklich nicht die geringste Lust, von dieser schlechten Brücke hinunterzuplumpsen.“
Nach einiger Zeit kommen die Lämmer in schöner Ordnung wieder zurück und schlagen den Weg nach Hause ein. „Oho, was mache ich jetzt?“ dachte der Knabe bei sich, „was für ein Gras soll ich denn jetzt in das Kästchen geben, was für ein Wasser in das Fläschchen füllen, wo diese Lämmer doch keine Handvoll davon gefressen und keinen Löffel voll getrunken?“ Kurz entschlossen gibt er irgend ein Gras in das Kästchen, füllt das Fläschchen aus der Quelle und geht damit der Herde nach. – Zu Hause fragt ihn der Alte:
„Nun, mein lieber Sohn, bist du also hier mit deiner Herde? – Zeige doch nur, was für ein Gras sie gefressen und was für Wasser sie getrunken?“
Der Knabe reichte das Kästchen und das Fläschchen hin.
Da schüttelte der Alte den Kopf.
„Ach, mein Sohn, du hast nicht von dem gebracht, was meine Lämmer gegessen und getrunken. Bringe du morgen ja von dem.“
Am zweiten Tage treibt der faule Junge seine Herde von Neuem zur Weide und that wieder ganz so wie am vorigen Tage. Wieder scheuchte er das sanfte, kleine Lämmchen von seiner Seite und folgte den Lämmern wieder nicht über die Brücke. Dort, am Anfange der Brücke wartete er auf sie, bis sie zurückkamen. Dann gab er wieder irgend ein Gras in sein Kästchen, schöpfte aus dem Flusse Wasser in das Fläschchen und trieb dann die Lämmer nach Hause; die brauchten ohnehin nicht eine Handvoll Gras und sahen das Wasser nicht einmal an.
Der Alte schüttelte nur wieder den Kopf.
Am dritten Tage machte es der faule Schäfer wieder gerade so wie an den zwei ersten. Wie er am Abend dieses Tages nach Hause kommt, sagt der Alte zu ihm:
„Nun, mein lieber Sohn, dein Dienst ist zu Ende, was willst du also zum Lohne dafür haben: eine Schüssel voll Gold oder dein Seelenheil?“
Der Knabe überlegte nicht lange:
„Wo ist die Schüssel voll Gold?“
Der Alte brachte eine Schüssel, die war voll von gleissendem Golde, und das schüttete er dem Knaben in den Armel seines Szür.
Am anderen Tage machte sich der Junge auf den Heimweg; er konnte kaum erwarten, dass der Morgen graute. Unterwegs kehrte er in einer Schenke ein und ass und trank nach Herzenslust. Als er nun vollständig betrunken war, nahmen ihm seine Zechgenossen alles Gold aus dem Ärmel seines Szür heraus, ihn aber liessen sie dort liegen. Mit leerer Hand, wie er gegangen, kam er auch wieder heim.
Auch den zweiten Sohn sandte die Mutter aus, sich einen Dienst zu suchen. Der war auch nicht besser als sein Bruder und tat ebenso mit den Lämmern des Alten. Nach Ablauf der drei Tage bat auch er eine Schüssel Goldes von dem Alten als Lohn. Doch wie er nach Hause ging, verspielte er in der Schenke all sein schönes Geld.
Auch dieser kam mit leerer Hand heim in das Haus seiner Mutter.
Da zergrämte sich die arme Frau, von was sie wohl ihre Kinder erhalten solle, wenn ihr alles aufgezehrt sein werde, und da doch ihre zwei grössten keinen Groschen verdienen können. Ihr jüngster Sohn sprach ihr Trost ein:
„Weinen Sie nicht, liebe Mutter, so werde also ich dienen gehen, ich werde Ihnen schon Geld nach Hause bringen.“
Das wollte die Mutter nicht und hielt ihn immer wieder zurück, er sei ja so noch viel zu klein. Aber eines Morgens, da war der kleine Knabe verschwunden. Wie er so vor sich hingeht, trifft er den alten Mann.
„Wohin, wohin, mein lieber Sohn?“ fragt der Alte.
„Ich gehe einen Dienst suchen, mein lieber, alter Vater. Meine arme Mutter stirbt beinahe schon vor Hunger, sie hat kaum etwas zum Beissen. Ich möchte ihr helfen in ihrem erbärmlichen Leben.“
„Nun, ich sehe, du bist ein gutes Kind,“ sagte der alte Mann, „und ich nehm‘ dich gerne in meinen Dienst; ist’s dir recht, so bleibe bei mir, es wird dir nichts zu Leide geschehen.“
Und der Knabe ging mit dem alten Manne; zu Hause angelangt, sagte der Alte zu ihm:
„Mein lieber Sohn, du wirst sonst nichts zu tun haben, als meine Lämmchen zur Weide zu treiben. Bei mir aber hat das Jahr nur drei Tage, so lang und nicht länger hast du bei mir zu dienen. – Hier ist ein kleines Kästchen, stecke es in den Armel deines Szür, und hier nimm auch noch dieses kleine Fläschchen. Gieb täglich etwas von dem Grase, wovon meine kleinen Lämmchen essen, in das Kästchen, und etwas von dem Wasser, daraus sie trinken, in das Fläschchen. Hast du mich verstanden?“
„Ich verstehe,“ sagte der Kleine.
Als er anderen Tages die Lämmer zur Weide trieb, kam das sanfte, kleine Lämmchen, welches seine älteren Brüder immer von sich gestossen hatten, fortwährend zutunlich auf ihn zugesprungen und schmiegte sich wie schmeichelnd immer wieder an seine Seite, so dass der kleine Schäfer das Lämmchen sehr lieb gewann, es streichelte und sein Fell glättete. Als sie zur alten, zerfallenen Brücke kamen, gingen die Lämmer schön eines nach dem anderen über die Balken hinüber, aber das Bübchen erschrak schon im voraus, wie es ihm nur möglich sein werde, hinüber zu kommen.
Das kleine Lämmchen sah ihn ermutigend an und begann zu sprechen:
„Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht, lieber, kleiner Schäfer! halte dich nur fest an meiner Wolle, ich werde dich schon hinüberleiten.“
Der kleine Knabe tat, wie ihm das Lämmchen geheissen, hielt sich an seiner Wolle fest und kam so vorsichtig, Schritt vor Schritt, auch glücklich über die Brücke. Die Lämmchen aber gingen nur immer weiter und weiter, so dass der kleine Schäfer sich nicht genug über sie verwundern konnte, weil sie halt weder assen noch auch tranken. Nach einiger Zeit kamen sie an eine kleine Kapelle. Vor der Kapelle angelangt, schüttelten sich die Lämmchen, und im Augenblicke wurde jedes von ihnen zu je einem Engel. Der kleine Schäfer fand seines Staunens kein Ende, riss den Hut vom Kopfe und getraute sich kaum, sie anzuschauen. Die in Engel verwandelten Lämmchen traten nun alle in die Kapelle ein, und ein schöner Engel – es war derselbe, der als Lämmchen dem kleinen Schäfer zur Seite gegangen – führte auch ihn hinein. Vor dem Altare knieten die Engel nieder; ein Priester spendete ihnen mit der Hostie und dem Kelche die heilige Kommunion und bedachte auch das Bübchen. Das Bübchen tat nun auch in sein Kästchen eine Hostie und gab etwas von dem geheiligten Weine in sein Fläschchen. – Hierauf gingen sie wieder alle aus der Kapelle hinaus. Die Engel schüttelten sich wieder und wurden aufs Neue zu Lämmern, und das Bübchen folgte ihnen andächtig und mit dem Hute in der Hand. Bei der schlechten Brücke aber half ihm wieder jenes schöne, sanfte Lämmchen, der schöne Engel, hinüber. Zu Hause angelangt, fragt ihn der Alte:
„Nun, mein Söhnchen, hast du mir etwas von dem Gras und Wasser gebracht, das die Lämmer gefressen und getrunken?“
„Ach, mein lieber, alter Vater,“ sagt der Kleine, „das sind ja keine Lämmer, sondern wirkliche Engel!“
Hierauf erzählte er, was er gesehen, und gab dann dem Alten Kästchen und Fläschchen: „Hier ist, was meine Lämmchen gegessen und getrunken.“ Da lächelte der Alte.
„Nun, mein liebes Bübchen, ich sehe, dass du ein braves und ehrliches Kind bist, du hast deine Pflicht rechtschaffen getan. Wähle jetzt, was willst du zum Lohne: eine Schüssel Goldes oder dein Seelenheil?“
„Gott sieht in mein Herz, liebes Grossväterchen, mir wäre auch die Schüssel Goldes recht, denn wir sind gar sehr arme Leute; aber mein Seelenheil ist mir doch noch lieber, und darum wähle ich das.“
„Gut gewählt, mein Kind!“ sagt der gute Alte. „Weil du dein Seelenheil höher gehalten als Erdengut, verdienst du, dass ich dir auch von diesem gebe; denn alles steht in meiner Gewalt: ich bin der liebe Gott.“
Das Bübchen fiel vor ihm auf die Knie, der gute Gott aber füllte den Ärmel seines Szür mit drei Schüsseln voll Gold an und liess ihn mit seinem Segen nach Hause ziehen.
Daheim aber wurde seiner guten Mutter nie mehr das Herz schwer; denn von dem vielen Reichtume konnten sie bis an ihr seliges Ende ein glückliches Leben führen.
Quelle:
(Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901)