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Am nordwestlichen Ende des Pfarrdorfes Bedgelert befindet sich eine Gegend, die von den alten Dorfbewohnern das »Feenland« genannt wird und die sich vom Cwm Hafod Ruffyd, längs dem Abhang des Berges Drws y Coed, bis zum Llyn y Dywarchen hin erstreckt.
In früheren Zeiten pflegten die Leute dieser Gegend viel Vergnügen und Unterhaltung darin zu finden, in Mondnächten der bezaubernden Musik der Feenfamilie zu lauschen und ihrem Tanz und wunderlichen Treiben zuzusehen.
Einstmals, vor langer Zeit, lebte droben auf dem Hange des Drws y Coed ein Jüngling, frohen und werktätigen Naturells, stattlich und kühnen Herzens. Dieser Jüngling vergnügte sich so manche Nacht damit, dem Treiben der Feen zuzusehen und ihren Gesängen zu lauschen.
Eines Nachts waren diese auf ein Feld in der Nähe seines Hauses gekommen, das am Ufer des Llyn y Dywarchen stand, um da eine heitere Nacht zu verbringen. Er ging, wie gewöhnlich, um ihnen zuzusehen, als seine Blicke auf eine von den Feen trafen, die so voll lieblicher Reize war, wie er es bei keinem menschlichen Weibe noch gesehen. Ihr Teint war wie Alabaster so weiß, ihre Stimme klang so süß wie die der Nachtigall und war so sanft einschmeichelnd, wie der Zephir in einem Blumengarten um die Mitte eines langen Sommertages. Ihre Bewegungen waren zierlich und edel; und ihre Füßchen schwebten sich beim Tanz ebenso flüchtig überm Rasen hin, wie die Sonnenstrahlen, die vor wenigen Stunden noch über den See geglitten waren.
Der Jüngling verliebte sich über Hals und Kopf auf der Stelle; und angetrieben von der Macht der Leidenschaft – denn was ist mächtiger als Liebe! – stürzte er sich, eben als das Getöse seinen Höhepunkt erreicht hatte, inmitten des Haufens, riß das anmutige Mägdlein in seine Arme und lief im Nu mit seiner Beute nach Hause.
Als die Feen die Gewalttat des Sterblichen sahen, brachen sie ihren Tanz ab und liefen hinterher nach dem Hause. Doch als sie davor anlangten, fanden sie das Tor mit Eisenbalken verriegelt, so daß sie ihrer Gespielin nicht nahen, noch auch mit ihr sich verständigen konnten, denn jener hatte die junge Fee in einem sicheren Gemache eingeschlossen.
Der Jüngling versuchte nun, nachdem er sie so unter seinem Dache hatte, mit all seinen Überredungskünsten ihre Neigung zu gewinnen und sie zu bestimmen, seine Gattin zu werden.
Anfangs wollte sie um keinen Preis ihn anhören; doch schließlich, seine Beharrlichkeit gewahrend und einsehend, daß er sie nicht mehr zu ihren Leuten zurückkehren lassen würde, erklärte sie sich gewillt, bei ihm als Magd zu verbleiben, falls er ihren Namen erraten könnte; heiraten aber würde sie ihn nicht.
Da der Jüngling dachte, daß es ihm nicht unmöglich sein würde, so willigte er halb und halb in diese Bedingung ein. Doch nachdem er seinen Kopf mit allen Namen abgeplagt, die man in der Gegend nur kennen mochte, fand er sich seinem Ziele dennoch nicht näher gebracht. Allein er war trotzdem nicht gewillt, sein Suchen übereilterweise aufzugeben.
Eines Nachts, als er vom Markte zu Carnarvon auf dem Heimwege sich befand, sah er eine Anzahl von Feen in einem Haufen beisammen, unfern von seinem Pfade. Sie schienen in einer wichtigen Beratung begriffen und da fiel ihm ein, daß sie wohl schlüssig werden möchten, wie sie ihre entführte Schwester befreien könnten. Zudem aber dachte er, daß, wenn er verstohlen in Hörweite gelangen könnte, er vielleicht auch deren Namen vernehmen würde.
Nachdem er sorgfältig umhergeblickt, fand er, daß ein Graben just neben der Stelle vorbeilief, wo sie standen. So nahm er denn seinen Weg herum nach dem Graben und kroch auf allen vieren diesen entlang, bis daß er in Hörweite der Versammelten gelangte.
Nachdem er ein wenig gelauscht, fand er, daß ihre Beratungen sich um das Schicksal der Fee drehten, die er entführt hatte und er vernahm, wie eine von ihnen klagend ausrief:
»O Penelop, o Penelop, meine Schwester! Warum ließest du dich von jenem Sterblichen entführen?«
»Penelop«, sagte der junge Mann zu sich selbst, »dies muß der Name meiner Liebsten sein: es ist mir genug!«
Darauf begann er vorsichtig nach rückwärts zu kriechen und kehrte wohlbehalten nach Hause zurück, ohne von den Feen erblickt worden zu sein.
Als er das Haus betrat, rief er das Mädchen zu sich heran, indem er sagte:
»Penelop, du meine Allerliebste, komm‘ zu mir!«
Und sie kam herbei und fragte voll Erstaunen:
»O Sterblicher, wer hat dir meinen Namen verraten?«
Dann, ihre zarten Hände emporhebend, rief sie aus:
»Ach, mein Schicksal, mein Schicksal!«
Dennoch fand sie sich gar bald mit ihrem Schicksal ab und ging ernsthaft an ihre Beschäftigung. Jegliches im Hause und auf der Farm prosperierte unter ihrer Obhut. Da war keine tüchtigere oder reinlichere Hausfrau in der ganzen Nachbarschaft herum, oder eine, die umsichtiger gewesen wäre, als sie.
Der junge Mann war indessen keineswegs befriedigt damit, sie in seinem Hause lediglich als Magd schalten zu sehen, und nachdem er lange und hartnäckig sie bestürmt, willigte sie schließlich ein ihn zu heiraten, unter der einen Bedingung, daß, wenn er jemals sie mit Eisen berühren würde, sie frei werden sollte, um ihn zu verlassen und zu ihrer Familie zurückzukehren.
Er willigte in diese Bedingung, da er überzeugt war, daß dergleichen Ding niemals in seine Hände geraten würde.
So heirateten sie denn und lebten mehrere Jahre glücklich und angenehm beisammen. Zwei Kinder wurden ihnen geboren, ein Knabe und ein Mädchen, die Ebenbilder ihrer Mutter und die Abgötter ihres Vaters.
Eines Morgens, als der Gatte sich aufmachte, um nach Carnarvon auf die Messe zu gehen, trat er vors Haus, um ein junges Füllen einzufangen, das nebenan auf dem Anger graste. Aber um alles in der Welt wollte es ihm nicht gelingen, dieses zu erhaschen und er rief deshalb nach seiner Frau, damit sie ihm behilflich wäre.
Sie erschien ohne Zögern und es gelang ihnen auch, das Füllen in einen Winkel zu treiben, wo sie es gesichert wähnten. Als jedoch der Mann sich ihm näherte, um es zu erfassen, da huschte es dicht neben ihm davon.
In seiner Aufregung warf er ihm den Zaum nach; doch wer kam just aus jener Richtung herbeigelaufen? … Sein eigenes Weib! Der eiserne Halfter schlug ihr auf die Wange und sie entschwand auf der Stelle seinen Blicken.
Der Gatte sah sie niemals wieder. Doch in einer kalten, frostigen Nacht, geraume Zeit nach jenem Vorfall, wurde er von irgend jemand aus seinem Schlummer wachgerüttelt, der an die Scheibe seiner Stube pochte. Und nachdem er Antwort gegeben, erkannte er die süße und zärtliche Stimme seiner Gattin, die also zu ihm redete:
In früheren Zeiten pflegten die Leute dieser Gegend viel Vergnügen und Unterhaltung darin zu finden, in Mondnächten der bezaubernden Musik der Feenfamilie zu lauschen und ihrem Tanz und wunderlichen Treiben zuzusehen.
Einstmals, vor langer Zeit, lebte droben auf dem Hange des Drws y Coed ein Jüngling, frohen und werktätigen Naturells, stattlich und kühnen Herzens. Dieser Jüngling vergnügte sich so manche Nacht damit, dem Treiben der Feen zuzusehen und ihren Gesängen zu lauschen.
Eines Nachts waren diese auf ein Feld in der Nähe seines Hauses gekommen, das am Ufer des Llyn y Dywarchen stand, um da eine heitere Nacht zu verbringen. Er ging, wie gewöhnlich, um ihnen zuzusehen, als seine Blicke auf eine von den Feen trafen, die so voll lieblicher Reize war, wie er es bei keinem menschlichen Weibe noch gesehen. Ihr Teint war wie Alabaster so weiß, ihre Stimme klang so süß wie die der Nachtigall und war so sanft einschmeichelnd, wie der Zephir in einem Blumengarten um die Mitte eines langen Sommertages. Ihre Bewegungen waren zierlich und edel; und ihre Füßchen schwebten sich beim Tanz ebenso flüchtig überm Rasen hin, wie die Sonnenstrahlen, die vor wenigen Stunden noch über den See geglitten waren.
Der Jüngling verliebte sich über Hals und Kopf auf der Stelle; und angetrieben von der Macht der Leidenschaft – denn was ist mächtiger als Liebe! – stürzte er sich, eben als das Getöse seinen Höhepunkt erreicht hatte, inmitten des Haufens, riß das anmutige Mägdlein in seine Arme und lief im Nu mit seiner Beute nach Hause.
Als die Feen die Gewalttat des Sterblichen sahen, brachen sie ihren Tanz ab und liefen hinterher nach dem Hause. Doch als sie davor anlangten, fanden sie das Tor mit Eisenbalken verriegelt, so daß sie ihrer Gespielin nicht nahen, noch auch mit ihr sich verständigen konnten, denn jener hatte die junge Fee in einem sicheren Gemache eingeschlossen.
Der Jüngling versuchte nun, nachdem er sie so unter seinem Dache hatte, mit all seinen Überredungskünsten ihre Neigung zu gewinnen und sie zu bestimmen, seine Gattin zu werden.
Anfangs wollte sie um keinen Preis ihn anhören; doch schließlich, seine Beharrlichkeit gewahrend und einsehend, daß er sie nicht mehr zu ihren Leuten zurückkehren lassen würde, erklärte sie sich gewillt, bei ihm als Magd zu verbleiben, falls er ihren Namen erraten könnte; heiraten aber würde sie ihn nicht.
Da der Jüngling dachte, daß es ihm nicht unmöglich sein würde, so willigte er halb und halb in diese Bedingung ein. Doch nachdem er seinen Kopf mit allen Namen abgeplagt, die man in der Gegend nur kennen mochte, fand er sich seinem Ziele dennoch nicht näher gebracht. Allein er war trotzdem nicht gewillt, sein Suchen übereilterweise aufzugeben.
Eines Nachts, als er vom Markte zu Carnarvon auf dem Heimwege sich befand, sah er eine Anzahl von Feen in einem Haufen beisammen, unfern von seinem Pfade. Sie schienen in einer wichtigen Beratung begriffen und da fiel ihm ein, daß sie wohl schlüssig werden möchten, wie sie ihre entführte Schwester befreien könnten. Zudem aber dachte er, daß, wenn er verstohlen in Hörweite gelangen könnte, er vielleicht auch deren Namen vernehmen würde.
Nachdem er sorgfältig umhergeblickt, fand er, daß ein Graben just neben der Stelle vorbeilief, wo sie standen. So nahm er denn seinen Weg herum nach dem Graben und kroch auf allen vieren diesen entlang, bis daß er in Hörweite der Versammelten gelangte.
Nachdem er ein wenig gelauscht, fand er, daß ihre Beratungen sich um das Schicksal der Fee drehten, die er entführt hatte und er vernahm, wie eine von ihnen klagend ausrief:
»O Penelop, o Penelop, meine Schwester! Warum ließest du dich von jenem Sterblichen entführen?«
»Penelop«, sagte der junge Mann zu sich selbst, »dies muß der Name meiner Liebsten sein: es ist mir genug!«
Darauf begann er vorsichtig nach rückwärts zu kriechen und kehrte wohlbehalten nach Hause zurück, ohne von den Feen erblickt worden zu sein.
Als er das Haus betrat, rief er das Mädchen zu sich heran, indem er sagte:
»Penelop, du meine Allerliebste, komm‘ zu mir!«
Und sie kam herbei und fragte voll Erstaunen:
»O Sterblicher, wer hat dir meinen Namen verraten?«
Dann, ihre zarten Hände emporhebend, rief sie aus:
»Ach, mein Schicksal, mein Schicksal!«
Dennoch fand sie sich gar bald mit ihrem Schicksal ab und ging ernsthaft an ihre Beschäftigung. Jegliches im Hause und auf der Farm prosperierte unter ihrer Obhut. Da war keine tüchtigere oder reinlichere Hausfrau in der ganzen Nachbarschaft herum, oder eine, die umsichtiger gewesen wäre, als sie.
Der junge Mann war indessen keineswegs befriedigt damit, sie in seinem Hause lediglich als Magd schalten zu sehen, und nachdem er lange und hartnäckig sie bestürmt, willigte sie schließlich ein ihn zu heiraten, unter der einen Bedingung, daß, wenn er jemals sie mit Eisen berühren würde, sie frei werden sollte, um ihn zu verlassen und zu ihrer Familie zurückzukehren.
Er willigte in diese Bedingung, da er überzeugt war, daß dergleichen Ding niemals in seine Hände geraten würde.
So heirateten sie denn und lebten mehrere Jahre glücklich und angenehm beisammen. Zwei Kinder wurden ihnen geboren, ein Knabe und ein Mädchen, die Ebenbilder ihrer Mutter und die Abgötter ihres Vaters.
Eines Morgens, als der Gatte sich aufmachte, um nach Carnarvon auf die Messe zu gehen, trat er vors Haus, um ein junges Füllen einzufangen, das nebenan auf dem Anger graste. Aber um alles in der Welt wollte es ihm nicht gelingen, dieses zu erhaschen und er rief deshalb nach seiner Frau, damit sie ihm behilflich wäre.
Sie erschien ohne Zögern und es gelang ihnen auch, das Füllen in einen Winkel zu treiben, wo sie es gesichert wähnten. Als jedoch der Mann sich ihm näherte, um es zu erfassen, da huschte es dicht neben ihm davon.
In seiner Aufregung warf er ihm den Zaum nach; doch wer kam just aus jener Richtung herbeigelaufen? … Sein eigenes Weib! Der eiserne Halfter schlug ihr auf die Wange und sie entschwand auf der Stelle seinen Blicken.
Der Gatte sah sie niemals wieder. Doch in einer kalten, frostigen Nacht, geraume Zeit nach jenem Vorfall, wurde er von irgend jemand aus seinem Schlummer wachgerüttelt, der an die Scheibe seiner Stube pochte. Und nachdem er Antwort gegeben, erkannte er die süße und zärtliche Stimme seiner Gattin, die also zu ihm redete:
»Ist dem Knaben kalt – hörst du? –
Deck‘ ihn mit Vaters Rocke zu!
Ist dem Mägdlein kühl jedoch,
Bedeck’s mit meinem Unterrock!«
Man sagt, daß die Nachkommen dieser Familie in jener Gegend noch fortleben und daß sie leicht zu erkennen wären durch ihren hellen Teint und ihre schönen Gesichtszüge ….
[Keltisch: M. Brusot: Keltische Volkserzählungen]