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Märchenbasar

Die Geschichte vom Sultan Indjilai

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Es war einmal ein Sultan, der hieß Sultan Indjilai. Seine Gemahlin hieß Sitti Sapia, und seine beiden Söhne wurden Abeduledjumali und Abeduledjulali genannt. Er war schon eine ganze Weile Sultan gewesen, als er eines Tages mit seinen Bedienten und Beteldosenträgern im Garten spazieren ging. Da erblickte er auf einem Feigenbaume eine Turteltaube. Er ließ sein Blasrohr holen, und als die Dienerschaft es ihm gebracht hatte, schoß er nach der Taube und traf sie am Flügel, so daß sie zu Boden flatterte. Die Diener mußten sie aufheben und ihm bringen, denn er wollte sie töten.
Da hob die Turteltaube an zu sprechen: »O, mein Herr und Gebieter, Sultan Indjilai, warum gelüstet es dich, mich zu töten? Was willst du mit mir nur anfangen?«
Sultan Indjilai erwiderte: »Ich will dich verspeisen, Turteltaube!«
Die Turteltaube: »Mein Herr und Gebieter, was nützt es dir, wenn du mich tötest und auch zubereiten läßt; es reicht ja doch nicht für dich und deine Kinder. Weißt du, ob es nicht vielleicht besser ist, wenn du mich freigibst? Du erwirbst dir ein Verdienst und erfüllst die Bitte eines Wesens, das auch von Allah erschaffen wurde.«
Sultan Indjilai: »Turteltaube, es ist schon besser, wenn ich dich töte und mit meinen Söhnen verspeise.«
Die Turteltaube: »Mein Herr und Gebieter, Sultan Indjilai, gib mich frei! Denn, Sultan, du hast sicherlich nur Gewinn davon, wenn du mich freiläßt.«
Sultan Indjilai: »Was würde ich denn gewinnen, Turteltaube?«
Die Turteltaube: »Mein Herr und Gebieter, gibst du mich frei, dann fliege ich auf den untersten Ast des Feigenbaums und sage dir ein Wort. Darauf fliege ich auf den mittleren Ast und sage dir ein Wort, und schließlich auf den höchsten Ast und sage dir nochmals ein Wort. Drei Worte will ich dir verraten.«
Sultan Indjilai: »Turteltaube, sagst du die Wahrheit?«
Die Turteltaube: »Ja, Herr!«
Sultan Indjilai: »Dann gebe ich dich frei, Turteltaube.«
Sultan Indjilai setzte die Taube in Freiheit. Sie flog nach dem Feigenbaum und setzte sich auf den untersten Ast.
Der Sultan sprach: »Nun rede, Turteltaube!«
Die Turteltaube: »Höre, Herr, was ich dir sagen werde. Mein Großvater sagte es meinem Vater, mein Vater sagte es mir, und jetzt sage ich es dir. Du wirst auch sogleich den Nutzen erkennen und die Wahrheit einsehen. Also dies sage ich dir: Kommt dir ein Bericht zu Gesicht, hörst du eine Geschichte oder trägt dir jemand seine Meinung vor, so prüfe sie zuvor, und nur das glaube, worin ein vernünftiger Sinn steckt.«
Darauf flog die Turteltaube auf den mittleren Ast des Feigenbaumes.
Der Sultan: »Rede weiter, Turteltaube!«
Die Turteltaube: »Höre, Herr, dies sage ich dir: Bereue nie, was geschehen ist, bereue nie, was du getan hast!«
Nun flog die Turteltaube auf den höchsten Ast des Feigenbaums.
Der Sultan: »Rede, Turteltaube, und erfülle dein Versprechen!«
Die Turteltaube: »So vernimm denn, Herr, meine Worte: du bist wirklich ein Tor. Hättest du mich festgehalten, getötet und den Bauch aufgeschnitten, dann hättest du darin drei Rubine gefunden. Jeder ist so groß wie ein Entenei.«
Als die Turteltaube geendet hatte, flog sie nach ihrem Neste. Auch der Sultan erhob sich sogleich, um sie eilends zu verfolgen. Drei Tage und drei Nächte war er hinter ihr her, doch vermochte er nicht in ihre Nähe zu kommen. Plötzlich flog die Turteltaube in einen Dornenstrauch. Sultan Indjilai folgte ihr auch dorthin nach. Der Sarong, die Jacke, die Beinkleider des Sultans rissen dabei in Stücke und blieben an den Dornen hangen. Auch der Leib des Sultans blieb nicht unversehrt, denn die Dornen zerstachen ihm gehörig die Haut. Nun rief die Turteltaube: »Herr, Sultan Indjilai, deine Dummheit und Beschränktheit haben sich jetzt wirklich offenbart, du gleichst einem Tiere, das keinen Verstand hat. Zum ersten gabst du mich frei und hieltest mich doch in den Händen, das faßt der Verstand nicht. Also bin ich schon gescheiter als du; und du bist ein Mensch und ich ein kleiner Vogel, du bist ein mächtiger Herr und ich nur ein armseliger Vogel. Willst du noch einen Beweis dafür, daß du ein Dummkopf bist? Ich war schon in deiner Kehle und kam doch frei, und du hast mich nicht verspeisen können. Ferner wird deine Beschränktheit aus folgendem deutlich: Sagte ich dir nicht kürzlich, glaube nie offenbaren Unsinn! Du hast aber baren Unsinn für ernst genommen; so kam es, daß du drei Tage und drei Nächte hungern mußtest. Mein Leib ist doch kaum so groß wie ein Entenei; wie können dann drei Edelsteine in meinem Bauche liegen, von denen jeder so groß wie ein Entenei ist? Und schließlich wird deine Dummheit noch daran klar: Sagte ich dir nicht: Bereue nie eine Tat, die du getan hast! Und doch bereutest du eine Tat. So mußte es denn kommen, daß dir deine Gewänder zerrissen und dein Leib zerschunden wurde. Wie konntest du dir nur denken, daß du mich fangen würdest? Ich wußte ja, daß du mich töten wolltest.«
Damit flog die Turteltaube nach ihrem Neste. Auch Sultan Indjilai kehrte nach seinem Palaste heim. Bald wurden seine Streiche ruchbar und allgemein bekannt. Der Reichsrat, die Häupter seiner Gefolgsleute entsetzten ihn darob seiner Würde.
Er war schon eine ganze Weile abgesetzt, da geschah es eines Tages, an einem Donnerstag, daß er bei seiner Gemahlin, Sitti Sapia, saß. Er dachte so bei sich: »Das Herz der Menschen ist eigentlich doch gefühllos. Jetzt hat man mich vom Throne gestürzt, und doch weiß ich nicht recht, warum.« Trauer und Unmut befielen Sultan Indjilai und seine Gemahlin Sitti Sapia; sie besprachen sich und beschlossen, alle Vorbereitungen zu treffen, um das Land zu verlassen. Als alles zur Abreife gerüstet war, verließ Sultan Indjilai, und mit ihm seine Gattin Sitti Sapia und seine beiden Söhne Abeduledjumali und Abeduledjulali das Reich.
Ohne Aufenthalt wanderten sie und gelangten schließlich auf das große, weite Feld Çahraulwasii, in dessen Mitte der Baum Asadjeratulemahiyato wuchs. In diesem Baum war das Nest der Turteltaube, die der Sultan geschossen hatte. Es war Mittag, und so legten sich die Wanderer unter dem Baume nieder, um in seinem Schatten sich auszuruhen. Da traf es sich, daß der jüngere Sohn Abeduledjulali nach oben blickte und dabei das Nest der Taube erspähte. Und er sagte zu seinem Vater: »Lieber Vater, hole mir doch die jungen Turteltauben herunter. Ich möchte gern mit ihnen spielen.« Der Vater meinte: »Kindchen, was verlangt dich nach den Turteltauben? Glaube mir, wegen einer Turteltaube sind wir ins Unglück geraten.« Abeduledjulali beharrte bei seinem Wunsche; er wollte mit den Turteltauben spielen und weinte in einem fort. Er weinte den ganzen Tag, bis der Vater schließlich aus Mitleid auf den Baum stieg, um die Turteltauben zu holen. Die alte Taube war gerade ausgeflogen und suchte für die Jungen Futter. So holte der Vater denn die Jungen aus dem Neste und brachte sie Abeduledjulali, der fröhlich mit ihnen spielte. Als die Alte heimkehrte, fand sie das Nest leer, und als sie nach unten schaute, sah sie, daß die Jungen und der kleine Prinz miteinander spielten. So von ihren Kinderchen getrennt zu sein, tat der alten Taube unendlich weh, und sie betete zu Allah, dem Allerhabenen: »O, Herr, ich flehe zu dir, erhöre meine Bitten und meine Hilferufe: Trenne sie voneinander, Kinder, Vater und Mutter, wie sie mich von meinen Kindern trennten.« Allah, der Allerhabene, erhörte das Gebet der Turteltaube und ihre Hilferufe.
Die Sonne wollte untergehen. Da sagte Sultan Indjilai zu seinem Sohne: »Mein liebes Kind, wenn du nun genug gespielt hast, dann will ich die Turteltauben wieder in ihr Nest bringen.« Er trug sie also in den Baum hinauf, und als die Sonne unterging, zogen sie alle weiter. Beim Einbruch der Nacht gelangten sie an den Saum eines Waldes und bald darauf an einen Fluß, namens Annahrulamiku, der war so breit, daß man einen Mann, der am andern Ufer stand, nicht sehen konnte. Als sie nun hinübersetzen wollten, fand sich kein Boot, das sie hätten benutzen können. Erst nach langem Suchen entdeckten sie ein kleines Fahrzeug, in dem höchstens drei Leute sitzen konnten.
Der Sultan sagte zu seiner Gemahlin: »Ich will dich zuerst hinübersetzen, dann kehre ich zurück und hole die Kinder.« Sitti Sapia antwortete: »Gut, wie du willst.« Der Sultan setzte die beiden Kinder in den Sand und ging darauf mit seiner Gemahlin in den Kahn.
Sie befanden sich in der Mitte des Stromes, als von ungefähr ein Fischer am Ufer des Flusses entlangfuhr und die beiden Kinder bemerkte. Er landete, holte sich den Abeduledjumali und Abeduledjulali, trug sie in seinen Kahn und nahm sie mit nach Hause.
Der Sultan war inzwischen über den Strom gerudert. Er hob seine Gemahlin aus dem Boote und sagte: »Bleibe nun hier, ich will jetzt die Kinder holen.« Als er sie aber abholen wollte, fand er sie nicht mehr; er mochte suchen soviel er wollte.
Unterdessen fuhr von ungefähr am andern Ufer ein Kaufmann vorüber und erschaute Sitti Sapia, die im Sande saß. Er ließ das Boot an den Strand laufen, bemächtigte sich der Frau, trug sie in sein Fahrzeug und fuhr mit ihr weiter.
Der Sultan suchte und suchte, er fand die Prinzen nicht; da fing er an zu weinen. Er fuhr schnell zu seiner Gemahlin hinüber. Als er hinüberkam, fand er auch sie nicht mehr. Der Kaufmann hatte sie ja entführt. Da weinte Sultan Indjilai; er irrte überall umher und klagte bitterlich. Er aß nichts, er trank nichts und schlief nicht. Und so wanderte er eine lange Zeit umher; vor Kummer und Leid wollte ihm das Herz schier brechen, und es war ihm gleichgültig, ob es Tag oder Nacht war.
Die Erzählung geht zu etwas anderm über.
Nun war da ein Reich, das hieß Biladutasenipi. Dessen Sultan war gestorben. Er durfte jedoch nicht eher begraben werden, bevor er einen Nachfolger hatte; und der konnte erst zum Sultan gemacht werden, wenn der Reichselefant ihn gesucht hatte. Nur wer von dem Elefanten gebracht wurde, durfte Sultan werden. So trauerte das ganze Volk, der Rat des Reiches, die Würdenträger, weil ihr toter Sultan so lange unbegraben blieb. Und endlich traten der Rat des Reiches und die höchsten Würdenträger zusammen und kamen zu folgendem Entschluß: »Wir wollen den Reichselefanten loslassen, er soll uns jemand suchen, den wir zum Sultan machen können.« Also wurde der Reichselefant in Freiheit gesetzt; er rannte in den Wald und traf dort inmitten des Dickichts den Sultan Indjilai. Als der den Elefanten zu Gesicht bekam, befielen ihn Furcht und Schrecken; in seiner Angst lief er bald hier-, bald dorthin und kletterte schließlich auf einen Baum, um sich zu verstecken; der Elefant blieb ihm aber stets auf den Fersen.
Endlich redete der Elefant: »Hallo, Sultan Indjilai, komm einmal zu mir her! Versuche nicht, mir auszuweichen oder dich zu weigern, herunterzukommen und auf meinen Rücken zu steigen, denn dann fresse ich dich.«
Der Sultan: »Weshalb soll ich zu dir kommen und auf deinen Rücken steigen? Willst du mich wirklich fressen?«
Der Elefant: »Ich will dich ins Land Biladutasenipi tragen; dort ist der Sultan gestorben, und nur wen ich als Nachfolger bringe, kann zum Sultan gemacht werden.«
Da stieg der Sultan vom Baume herab und setzte sich auf den Rücken des Elefanten. Der lief eilends mit ihm davon ins Land Biladutasenipi. An der Grenze kam ihm das ganze Volk, der Rat des Reiches und die höchsten Würdenträger zur Begrüßung entgegen; dann trug man ihn in feierlicher Weise auf einem Sessel ins Land und rief ihn zum Sultan des Reiches Biladutasenipi aus. Der tote Sultan wurde zu Grabe getragen.
Der Sultan führte schon eine geraume Zeit die Herrschaft, als sich seine Untertanen in ihren Herzen tief betrübten und nicht verstehen konnten, weshalb ihr Sultan keine Gemahlin hatte. Und doch fanden, seitdem Sultan Indjilai regierte, seine Herrschertaten allgemeinen Beifall, die ersten und noch mehr die späteren, denn er war ein Mann, der das Herrschen gelernt hatte. Seitdem der neue Sultan im Lande war, blühte das Reich auf; der Reis gedieh und ebenso alles andere, was der Boden hervorbrachte. An allem war Überfluß vorhanden; so kamen denn viele Reisende, Kaufleute und Händler; sie konnten alles erhalten, nichts brauchten sie erst zu suchen, denn alles war reichlich vorhanden. Der Sultan war gerecht und leutselig gegen die Räte des Reiches, gegen die Würdenträger und die gemeinen Leute. Niemals hatte man zuvor ein solches Leben und Treiben in Biladutasenipi gesehen, wie während der Regierungszeit dieses Sultans, denn die Leute eilten in Scharen herbei, als sie von der Gerechtigkeit und Freundlichkeit dieses Sultans hörten.
Die Erzählung geht zu etwas anderm über.
Als die Turteltaube ihre Jungen wieder im Neste fand, freute sie sich über die Maßen und betete zu Allah dem Gerechten: »O, Herr, erhöre mein Gebet und erfülle mir meinen Wunsch. Ich erflehe deine Verzeihung, o, du Allmächtiger! Verzeihe mir und hilf mir! Verzeihe dem Sultan Indjilai, seinen Söhnen, dem Gatten und der Gattin. O, du Erhabener, führe sie wieder zusammen, vereinige sie wie vordem, als sie mir noch nichts Böses angetan hatten.« Allah, der Allerhöchste, erhörte das Gebet der Turteltaube und gewährte ihr die erflehte Verzeihung.
Die Erzählung geht zu etwas anderm über.
Auch dem Fischer, der Abeduledjumali und Abeduledjulali entführt hatte, wurde Kunde von dem neuen Sultan, seiner Gerechtigkeit und Liebenswürdigkeit. Er beredete sich mit seiner Frau, und sie kamen zu folgendem Entschlusse: »Unsere Kinder sind groß geworden, und so wollen wir sie zum Zeichen unserer Ergebenheit dem neuen Sultan zuführen. Bei ihm sollen sie in den althergebrachten Sitten und Gewohnheiten unterwiesen werden und ein gutes Benehmen lernen. Denn meiner Meinung nach sind sie keineswegs von geringer Abkunft; ihr Gebahren ist ganz anders und gleicht dem von Fürstensöhnen.« –
Der Ort, in welchem der Fischer wohnte, lag aber im Reiche des Sultans von Biladutasenipi. Und so trafen der Fischer, seine Frau und Abeduledjumali und Abeduledjulali alle Vorbereitungen zur Reise; als sie fertig waren, brachen sie auf.
Sie stiegen zum Palaste des Sultans hinauf. Hier setzte der Fischer sich vor dem Sultan nieder. Der Sultan von Biladutasenipi sprach: »Fischer, was wünschest du? Ich sehe dich zum ersten Male.«
Der Fischer verneigte sich tief und antwortete: »Herr, Euer niedrigster Diener grüßt Euch und zollt Euch seine Ehrfurcht. Ich möchte Euch eine wichtige Angelegenheit unterbreiten.«
Der Sultan: »Rede, ich höre.«
Der Fischer und seine Frau: »Wir führen unsere Kinder zu Euch und bitten, daß Ihr sie als Diener annehmt und bei Euch behaltet. Laßt sie in den althergebrachten Sitten und Gewohnheiten gründlich unterweisen und ein gutes Benehmen lehren.«
Der Sultan: »Euer Anerbieten nehme ich an und danke euch aufrichtig.«
So nahm der Sultan die Kinder des Fischers bei sich auf, und dieser kehrte mit seiner Frau heim. Der Sultan hatte sein Wohlgefallen an ihnen und ernannte Abeduledjumali und Abeduledjulali zu seinen Beteldosenträgern. Als sie dies Amt versahen, wurde der Sultan ihnen noch mehr zugetan.
Die Erzählung geht zu etwas anderm über.
Auch dem Kaufmann, welcher Sitti Sapia entführt hatte, wurde Kunde von dem neuen Sultan des Landes Biladutasenipi, seiner Gerechtigkeit, Leutseligkeit und Freigebigkeit. Er beredete sich mit seinen Schiffsleuten und sagte: »Wir wollen alles vorbereiten, um nach Biladutasenipi zu fahren, um dort Handel zu treiben, denn dort soll man gute Geschäfte machen können, weil der Sultan gerecht, leutselig und freigebig ist, einmal gegen alle seine Untertanen, dann gegen die Fremden und besonders gegen die Kaufleute.« So wurden denn alle Anstalten getroffen, und darauf segelten sie nach Biladutasenipi.
Nachdem sie eine geraume Zeit unterwegs gewesen waren, kamen sie an und gingen vor Anker. Der Kaufmann begann, seine Waren zu verkaufen. Und nach drei Monaten hatte er fast alles ausverkauft. Nun kaufte er ein, soviel und was ihm beliebte, denn seitdem der neue Sultan herrschte, konnte man alles in reichhaltigster Auswahl beziehen. Als die Einkäufe beendet, auch sonst alle andern Geschäfte erledigt waren, wollte der Kaufmann abreisen. Er sagte: »Wir sind mit unsern Geschäften fertig. Morgen wollen wir wieder abreisen.« Da fiel es dem Kaufmann ein, daß er den Sultan noch nicht gesehen und ihm seine Aufwartung gemacht hatte. So ließ er denn allerlei Geschenke zusammenpacken, vielerlei köstliche Waren, die er dem Sultan zum Zeichen seiner Ehrerbietung überreichen wollte. Darauf begab er sich in den Palast, setzte sich vor dem Sultan hin und übergab ihm die Geschenke. Der Sultan war sehr erfreut.
Er sprach: »Kaufmann, sag‘ an, weshalb kommst du erst jetzt? Warum währte es so lange, bis du dich zu mir bemühtest?«
Der Kaufmann erwiderte: »Herr und Gebieter, bei uns Kaufleuten geht’s halt so. Wir haben arg viel mit dem Geldeinnehmen und Geldausleihen zu tun, dann wird hier eine Zahlung geleistet, und dort denkt man noch nicht einmal daran.«
Der Sultan: »Kaufmann, du hast recht.«
Sultan und Kaufmann redeten noch eine Weile miteinander; dann sprach der letztere: »Eins möchte ich Eurer Herrlichkeit noch ansagen, so Allah, der Allmächtige, es will, möchte ich morgen wieder heimreisen.«
Der Sultan: »Kaufmann, weshalb hast du es denn so eilig?«
Der Kaufmann: »Ich eile, um mich mit neuen Warm zu versehen, denn hier finden sie einen guten Absatz. In einem kurzen Augenblick bin ich hier alle meine Waren losgeworden.«
Der Sultan: »Kaufmann, wenn du morgen abreisen willst, so bleibe doch diese Nacht bei mir zu Gaste.«
Der Kaufmann: »Ein ander‘ Mal, großmächtiger Herr; ich werde schon wieder zu Euch kommen.«
Der Sultan: »Und doch bitte ich dich, bleibe diese Nacht doch bei mir. Wer weiß denn, ob wir, du oder ich, morgen oder übermorgen nicht vielleicht aus dem Leben scheiden können?«
Der Kaufmann: »Großmächtigster Sultan, ich muß mich diesmal wirklich von Euch verabschieden, ich kann beim besten Willen nicht Euer Gast sein, denn meine Frau ist bei mir, und auf dem Schiffe habe ich niemand, dem ich Vertrauen schenken könnte. Auf dem Schiffe ist lauter fremdes Volk, meine eigenen Leute habe ich nicht bei mir, und so habe ich niemand, dem ich meine Frau zum Schütze anvertrauen könnte.«
Der Sultan: »Kaufmann, sorge dich nicht, wenn es sich nur um den Schutz deiner Frau handelt. Laß das meine Sorge sein; ich werde ihr meine Beteldosenträger zum Schutze beigeben. Auf die kann ich mich unbedingt verlassen. Wenn ich die schicke, ist das genau so, als ob ich selber gehen würde. Bei Allah, dem Erhabenen, Kaufmann, du darfst dich auf mich verlassen.«
Der Kaufmann: »So füge ich mich Eurem Wunsche.«
Und der Kaufmann blieb, weil der Sultan so liebenswürdig gegen ihn war. Der Sultan sprach: »Ruft mir die Beteldosenträger!« Die Beteldosenträger, die Kinder des Fischers, die beiden Brüder, wurden gerufen und setzten sich vor dem Sultan hin. Der Sultan sagte: »Beteldosenträger, ich befehle euch, an Bord des Schiffes dieses Kaufmanns zu gehen. Ich vertraue euch, und daher beauftrage ich euch, die Frau des Kaufmanns zu bewachen. Aber das sage ich euch: Schlaft mir nicht ein, wacht über die Frau des Kaufmanns. Abeduledjumali, wechsele mit deinem Bruder beim Wachen ab.«

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