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Märchenbasar

Die glücklichste Stunde

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Wo war’s, wo war’s nicht, siebenmal sieben Königreiche und noch weiter von hier – da war einmal ein reicher Kaufmann, der Land und Welt durchwandert hatte, und dieser Kaufmann hatte eine Frau und ein liebes, schönes, kleines Mägdlein, so ungefähr ein Jahr alt, und das Mägdlein wurde von einer Amme aufgezogen; denn seine Mutter war ein zimperliches Frauensbild.

Einstmals zur Nachtzeit hörte die Amme draussen ein Weinen, ging auch hinaus, weil sie dies Wehklagen nicht ertragen konnte, und berichtete dem Kaufmann:

„Dies kleine, weinende Würmchen fand ich draussen auf der Gasse!“

Und der Kaufmann sagte:

„Zieh es mit dem Mägdlein zusammen auf, bis wir seine Herkunft erforscht haben!“ Aber sie fanden seine Eltern nicht.

Sie zogen den Knaben auf, bis er fünfzehn Jahre alt wurde, und da begann er, die Tochter des Hauses wie seine Geliebte anzusehen. Da der Kaufmann ihm das nicht wehren konnte, ging er damit um, dass er ihn fortschicken wollte; aber der Jüngling zog keineswegs von dannen.

Da sagte der Kaufmann zu seiner Frau:

„Wenn ich auf Handelsreisen gehe, werde ich ihn mitnehmen.“

Und so geschah’s – sie zogen auf Handelsreisen aus. Sie wanderten und kamen zu einem Fährmann, und der Kaufmann sagte zum Fährmann:

„Ihr sollt mich über dieses Wasser fahren; wenn Ihr aber den Jüngling fahrt, so werft ihn ins Wasser!“

Nachdem der Fährmann den Kaufmann über das Wasser gefahren hatte, kehrte er zum Jüngling zurück, und als er ihn mitten ins Wasser geführt hatte, stiess ihn der Fährmann ins Wasser. Da ergriffen ihn zwei Teufel und sagten: „Fürchte dich nicht, mein Sohn!“ und zogen ihn ans Ufer des Wassers. Und der Kaufmann sagte sehr hinterlistig:

„Du bist wohl hineingefallen, Junge?“

„Ich bin wirklich hineingepurzelt; man hat mich aber herausgezogen,“ sagte der Jüngling.

Die zwei Teufel sagten noch:

„Du denkst wohl, dass der Jüngling im Wasser ertrinken würde; aber das ist unmöglich.“

Nun, dabei blieb es, und er nahm den Jüngling weiter mit. Sie langten in der Herberge an, und von dort schrieb er seiner Frau, sobald der Jüngling heimkomme, solle er sogleich an den Galgen gehängt werden. Den Brief gab er dem Jüngling und sandte ihn heim.

Und wie der Jüngling wanderte, da überkam ihn die Nacht, und er gelangte in einen Wald und erblickte ganz von Ferne das Glimmen eines Feuers. Als er zum Feuer kam, lagerte dort ein Kapuziner. – Der Jüngling grüsste ihn: „Guten Abend, ehrwürdiger Vater!“

Der Mönch erwiderte den Gruss und begann mit ihm zu reden. Der Jüngling erzählte nicht, von wannen er gekommen war, sondern antwortete nur auf die Fragen; und der Mönch gab dem Jüngling Abendbrot, und sie legten sich nieder. Und als der Morgen gekommen war, erhoben sie sich, um sich zu waschen und zu beten, und irgendwie liess der Jüngling den Brief herausfallen, und das sah der Mönch. Und wie der Mönch in dem Brief sah, dass er dem Jüngling nichts Gutes versprach, setzte er sich hin und schrieb ihm einen andern mit einem guten Inhalt: Der Kaufmann grüsst seine Gemahlin (so lauten die Worte ihres Mannes) und lässt ihr sagen, sobald der Jüngling zu Hause anlangt, soll sie ihm, so gut sie kann, ein Steinhaus bauen und die Hochzeit feiern. – Der Jüngling nahm auch den Brief und trug ihn heim.

Dort gab er ihn der Kaufmannsfrau; die Kaufmannsfrau schaute hinein und freute sich, dass ihr Mann ihm die Tochter zur Frau geben wolle, und sogleich begann die Frau Geld für den Bau zu leihen, und als der fertig war, ward Hochzeit gehalten.

Während die Hochzeit ihren Verlauf nahm, war der Kaufmann angekommen, und er hatte sich gewundert, was für ein neues Schloss das sei und was für eine Hochzeit auf seinem Gut. Und er ging hinein zu seiner Frau und fragte sie, noch bevor er sie ordentlich begrüsst hatte:

„Wer ist der Bräutigam bei mir?“

Sagte die Frau:

„Ihr habt es geschrieben: der Sohn, der uns gegeben ward.“

Und der Kaufmann, sagte:

„Lass mich dies Schreiben sehen!“ – „Mit Schelmenstreichen hat er das erreicht,“ sagte der Kaufmann, „denn ich habe das nicht geschrieben. Gleich heute hebe ich die Hochzeit auf!“

Der Kaufmann ging auch ins Hochzeitshaus und wünschte ihnen, wie es Brauch ist, einen guten Abend, wie es sich im Hochzeitshause ziemt, und sagte zum Jüngling:

„Was fällt dir ein, Hochzeit zu halten? – Ich stelle dir eine Frage, und wenn du mir Antwort giebst, wirst du glücklich werden.“

Antwortete der Jüngling:

„Wie lautet die Frage, mein lieber Vater?“

„Sag mir, welches die glücklichste Stunde in tausend Jahren ist.“

Sagte der Jüngling:

„Das kann ich nicht sagen, lieber Vater.“

„Wenn du es nicht sagen kannst, so ist hier ein eiserner Stab; so lange sollst du wandern, bis er abgewetzt ist; denn das muss man wissen.“

Und der Kaufmann liess nicht das Ende der Hochzeit zu, er schickte alle Hochzeitsgäste fort. Und dem Jüngling gab er den eisernen Stab in die Hand.

Der Jüngling nahm Abschied von seiner lieben Frau und zog in die weite Welt hinaus. Er ging hierhin und dorthin, und sie wiesen ihn an einen Wahrsager. Den fand er nicht und wanderte solange, bis er beim Grünen Kaiser anlangte.

Und er ging ganz kühn zum Kaiser hinein, beugte das Knie und küsste ihm die Hand. Fragt ihn der Kaiser:

„Was fehlt dir Jüngling? Denn auch ich trage Leid; sag es mir geschwind!“

Und der Jüngling sagt:

„Nur ein Wort, mein gnädiger Kaiser; welches ist wohl die glücklichste Stunde in tausend und einem Jahr?“

Da erwidert der Kaiser:

„Der war nicht bei Verstand, der dich diese Frage lehrte. Ich führe seit drei Monaten Krieg,“ sagt der Kaiser, „wie sollte ich da die glückliche Stunde erraten können! Wie not thäte mir jene glückliche Stunde! Und wie kannst du dich unterfangen aus tausend und einem Jahr eine Stunde herauszuholen? – Na aber, weil du gerade darum flehst, so weise ich dich an den Roten Kaiser. Ich habe auch einen Apfelbaum, wenn du irgend etwas von ihm erfahren könntest, wie Äpfel darauf wachsen würden, so sollst du ein grosses Geschenk bekommen.“

Der Bursche ging von dannen und reiste dorthin; er kam beim Roten Kaiser an und ging ins Reich hinein, und als er beim kaiserlichen Schloss anlangte, ging er auch dort hinein.

Der Kaiser sass auf einem Divan, und er wünschte ihm einen guten Tag. Und der Kaiser sagte:

„Woher kommst du, Jüngling?“

„Ich komme von sehr weit her, mein gnädiger Herr. Wollt Ihr mich freundlich anhören? Es ist nur ein Wort, und der gnädige Kaiser möge es mir sagen!“

„Was für ein Wort ist es? Sag es geschwind,“ sagte der Kaiser.

„Dies wollte ich wissen: welches ist die glückliche Stunde in tausend und einem Jahr?“

Sagte der Kaiser:

„Einen sehr hohen Baum willst du fällen! – Wo suchst du diese eine Stunde? – Ich habe einen Brunnen, und ob ich auch genug bohren liess, seit drei Jahren kommt kein Wasser aus ihm. Wenn du irgendwohin gehst, lerne dem abzuhelfen; ein grosses Geschenk sollst du dann bekommen. – Ich kann auch nicht sagen, welches die glücklichste Stunde ist. Zwar lese ich wohl mancherlei Geschriebenes; dies sah ich niemals aufgezeichnet, von selbst aber kann ich es nicht wissen. – Zieh heute gleich von dannen und begieb dich zum Schwarzen Kaiser. Er übertrifft uns um neunzig Jahre (Potztausend!) und ist auch ausserdem ein sehr kluger Mann; wenn er es nicht sagt, weiss ich nicht, was daraus werden soll.“

Da machte sich der Jüngling auch dorthin auf den Weg. Er wanderte wieder hierhin und dorthin, so lange, bis er auch zum Schwarzen Kaiser kam. Und er ging zu ihm hinein; da sass der alte Kaiser. Der Jüngling bot ihm guten Tag und küsste ihm die Hand. Er fragte ihn:

„Woher kommst du, kleiner Knabe?“

„Von gar weit komme ich her, gnädiger Herr.“

„Und was bringt dich her? Sag es geschwind!“

„Ich möchte gern erfahren, mein gnädiger Kaiser, welches die glücklichste Stunde in tausend und einem Jahr gewesen ist.“

„O mein Sohn, die Sache ist ungewiss; denn es könnten auch mehr als eine sein, und wir können das doch nicht unterscheiden. – Aber weshalb forschest du dieser einen Stunde nach? Ziehe weiter, und du wirst es erfahren. Hier draussen in meinem Wald ist ein Mönch, der trägt ein Kreuz auf dem Rücken; wenn es dir einer sagen kann, so ist er’s. Und auch das erfrage von ihm: Ich habe eine Tochter; es sind sieben Jahre, dass sie zu Bett liegt; es kamen genug Doktoren, und noch keiner konnte sie kurieren. Wenn du von ihm ein Heilmittel bekommst, so erhältst du auch von mir ein schönes Geschenk.“

Da zog der Bursche auch hier wieder von dannen. Er ging hinaus in den Wald und sah den Mönch. Er bot dem Mönch guten Tag. Da sagte der Mönch:

„Willkommen, Sohn! Was führt dich her?“

Doch der Mönch konnte nicht bei ihm stehen bleiben; da begleitete ihn der Jüngling.

„Weswegen kamst du zu mir?“ fragte ihn der Mönch.

Der Jüngling erwiderte, dass er erfahren wollte, welches die glücklichste Stunde in tausend und einem Jahr sei. Da antwortete der Mönch:

„Ich kann es dir nicht sagen; denn so viele Jahre zähle ich noch nicht, obschon ich ein sehr alter Mann bin; neunundneunzig Jahre sind es, dass ich das Kreuz hier trage, und das wäre mir eine glückliche Stunde, wenn ich es abthun könnte. – Drum geh fort in jene Stadt, die sie „die verfluchte Stadt“ heissen, weil das ganze Volk sich dort gegenseitig abgeschlachtet hat, und dort wohnt der König der Bösen. Geh zum Stadtthor und das Thor wird sich öffnen. Geh hinein; bange nicht, weil nirgends Licht ist! Und suche so lange zur linken Hand, bis du an einer Thür sieben Schlösser findest, und da geh hinein! Die Königin der Bösen wird für dich ihren Mann befragen.“

Und der Jüngling ging fort zu der Stadt und fand die sieben Schlösser an einer Thür; er berührte nur das Schloss, und sie fielen mit Klirren herunter, und die Thür öffnete sich, und der Jüngling ging hinein.

„Gott schenk Euch einen guten Abend, meine liebe Mutter!“

„Dein Glück, dass du mich deine liebe Mutter nanntest; denn mein Mann ist der König der Bösen, und wenn er nach Hause kommt, tötet er dich; gieb acht! Was ist dein Begehr? Sag es mir geschwind! Weswegen du kamst, was du wissen musst, alles sag mir! Und dann verbirg dich unter dem Herde, und ich werde dich zudecken, dass mein Mann dich nicht sieht.“

Da begann der Jüngling zuerst damit, welches in tausend-einem Jahr die glücklichste Stunde sei, und dann fing er an vom Grünen Kaiser zu reden, dass dessen Apfelbaum keine Äpfel trage, und dann erzählte er auch, dass in des Roten Kaisers Brunnen kein Wasser fliesse, und danach kam er auf den Schwarzen Kaiser zu sprechen, dessen Tochter nicht gesunde, und schliesslich auf den Mönch, warum er das Kreuz trage. Dann versteckte sich der Jüngling.

Nach einer kleinen Weile entstand ein grosses Getöse, und der König der Bösen kam in heller Wut. Er stürzte sehr wütend ins Haus hinein und fragte: „Wer ist hier? der soll es büssen!“ Und seine Frau legte sich aufs Bitten; es sei niemand hier.

„Na“, sagte er zu seiner Frau, „so gieb mir denn ein gutes Abendbrot; dann lege ich mich schlafen.“

Seine Frau war aber froh, wie ihr Mann sich schlafen legte, und statt selber zu schlafen, half sie dem Burschen; denn sie wusste, dass der König der Bösen ihr alles künden würde.

Sie legten sich auch nieder, und seine Frau fing an, schwer zu träumen; aber nicht etwa, dass sie geschlafen hätte, sondern sie war halb wach. Und im ersten Traum sagte sie:

„Mein lieber Mann, ich hatte solch einen Traum! Wenn Ihr mir den auslegen könntet, da wäre ich froh!“

Der König der Bösen wurde ärgerlich.

„Dich muss wohl jemand lehren, was du träumen sollst!“

„Niemand lehrte es mich, mein lieber Mann; ich hatte nur einen schönen Traum, ach wunderschön!“

„Und was sahst du im Traum? Erzähle es mir.“

„Mir träumte, ich sah den Grünen Kaiser, und der hatte einen Apfelbaum, der seit drei Jahren keinen Apfel trug, und hätte so gern einen Apfel darauf gezogen.“

Und der König der Bösen sagte:

„Ich sage dir, wie er ihn haben könnte. Als der Kaiser Krieg führte und fern von der Heimat war, liessen mehrere Königreiche das Geld dorthin schaffen, um es zu vergraben. Der Rost des Geldes vernichtete das Wachstum der Äpfel, und seitdem verschwanden die Äpfel.“

Und die Frau überlegte bei sich, wann es an der Zeit wäre, dass sie wieder träumen könnte, und flehend sprach sie zu ihrem Mann:

„Bitte, lieber Mann, seid nicht böse! Denn ich habe wieder geträumt.“

Da sprach der König der Bösen:

„Nun bin ich nicht mehr böse. Erzähle, was du träumtest!“

Da sagte die Königin der Bösen:

„Ich habe sehr schön geträumt; wie wenn ich im Traum umhergewandert und beim Roten Kaiser gewesen wäre, und der hätte einen Brunnen gehabt, aus dem seit drei Jahren kein Wasser quoll, und er forschte umher, auf welche Weise Wasser daraus fliessen könnte. Und dann, wie ich weiter kam auf langer Reise, gelangte ich zum Schwarzen Kaiser, und als ich in seinem Reich war, da fragte er mich, wie er einen Arzt bekommen könnte, der ihm seine Tochter, die seit sieben Jahren zu Bett liegt, heilen könne?“

Und was sagte nun der König der Bösen?

„Ich künde dir, wie es möglich ist; weil des Roten Kaisers zwei Töchter ein ruchloses Leben führen, da doch die Unterthanen von ihnen lernen sollten, so hat Gott wegen ihres ruchlosen Lebens das Wasser versiegen lassen. Wenn der Kaiser seine Töchter alle beide der Hölle übergäbe, so würde es ihm gewiss besser gehen, und auch in seinem Brunnen würde Wasser fliessen. Des Schwarzen Kaisers Tochter hingegen hatte das Fieber bekommen, und da meinte sie, es wäre gut, zu beichten, und nach der Beichte ward sie krank und verlangte nach dem Doktor, und der Doktor gab ihr ein Brechmittel, sie gab die Hostie von sich; die blieb am Boden des Bettes kleben; wenn jemand sie von dort aufnähme und ihr wieder eingäbe, so würde sie munterer werden als ein siebenjähriges Mägdlein.“

All dies hörte der Bursche im Ofenloch.

Und wieder beginnt die Königin weiter zu träumen.

Da fragte ihr Mann:

„Was wälzest du dich herum und stösst solche Jammerlaute aus?“

Sie sagte:

„Mein lieber Mann, ich habe wieder einen schönen Traum gehabt. Sag nur, was mag das sein!“

„Aber das sage ich nur, wenn mir jemand eins überzieht!“

Da springt der Bursche hinter dem Ofenloch vor und fasst sich ein Herz, holt eine Peitsche vor und zieht dem König eins über. Der sagt:

„Zieh auch meiner Frau eins über!“

Und wie er seiner Frau eins übergezogen hatte, da erhellte sich die verfluchte Stadt, und der König der Bösen begann sogleich, freundlich mit dem Jüngling zu plaudern. Er sagte:

„Du kannst dich freuen, dass die Stadt sich erhellt hat; denn nun bekommst du ein schönes Geschenk, einen Wagen mit Gold und dazu eine Krone auf dein Haupt.“

Und seine Frau sagte wieder:

„Aber künde mir nun auch meinen Traum!“

Antwortete er:

„Was war dein Traum?“

Sagte die Frau:

„Der Mönch ….“

Sagte der Mann:

„Gleich lege ich ihn dir aus: Als Jesus Christus auf Erden wandelte, da geschah die Sache mit dem Mönch. Der Mönch las die Messe in einer Kapelle und war nicht mit ganzer Seele bei der Messe. Da sprach Jesus: ‚Mönch! so liest man nicht die Messe!‘ Und der Mönch warf Jesu ein: ‚Aber woher solltest du das besser verstehen als ich?‘ Denn er erkannte ihn nicht, dass es Jesus war, der Mönch. Da antwortete ihm Jesus: ‚Wenn du mir nicht glaubst, so nimm dieses Kreuz auf deinen Rücken, trag es bis zum Gipfel dieses Berges, und wenn du dahin gelangt bist, bis zu seinem Fusse – und solange sollst du das thun, bis jemand „Werda“ ruft.‘ Und der Mönch lebte lange; denn nun sind es schon neunundneunzig Jahre, dass er das Kreuz trägt.“

Da sprach die Königin wieder zu ihrem Mann:

„Mein Gemahl! Welches mag wohl die glücklichste Stunde in tausend Jahren sein?“

Sagte der König:

„Wann könnte man eine glücklichere Stunde finden als diejenige, da Jesus geboren wurde, und das ist jetzt gerade tausend und ein Jahr her!“

Und dann sprach der König wieder zum Jüngling:

„Wenn du von hinnen gehst, so grüsse den Mönch, aber nur von weitem; denn wenn du ihm nahe kommst, wird das Kreuz dein.“

Nun gaben sie ihm das Geschenk und dazu einen Soldaten, und damit schritt er bei dem Mönch vorüber und sprach nicht zu ihm. Er langte beim Schwarzen Kaiser an und trat in den Hof; er wünschte dem Kaiser von neuem einen guten Tag und sagte:

„Gnädiger Kaiser! Ich werde der Doktor sein, wenn die Tochter des Kaisers noch nicht gesundet ist.“

„Du würdest ein sehr schönes Geschenk bekommen; denn sie liegt noch immer.“

„Gnädiger Kaiser, lasst einen Priester rufen!“

Und der Kaiser schickte auch gleich nach dem Priester, und sie hoben das Mädchen aus dem Bett, und der Priester fand die Hostie auf dem Boden des Bettes. Er liess sie von neuem beichten und gab sie ihr ein, und die Tochter des Kaisers wurde frisch und gesund.

Auch dort erhielt er einen Haufen Gold und dazu eine Krone.

Dann ging er wieder fort zum Roten Kaiser und trat auch dort beim Kaiser ein und sagte: „Gnädiger Kaiser! Ich habe das Geheimnis vom Brunnen erfahren.“

„Wenn du es weisst, so hilf!“

„Nun, gnädiger, grossmächtigster Kaiser, mein Leben und mein Tod stehen in Eurer Hand! Sendet Eure beiden Töchter zur Hölle, und sobald Ihr sie fortgeschickt habt, zeige ich Euch gleich das Wasser im Brunnen; denn Eure beiden Töchter führen ein ruchloses Leben; darum hat der Himmel das Wasser von Euch genommen.“

Aber der Kaiser glaubte nicht, dass das wahr sei; nur zur Probe sagte er zu seinen beiden Töchtern: „Fahrt zur Hölle!“ Sogleich ergriffen zwölf Teufel die beiden. Nun liess der Jüngling sogleich den Priester herbeirufen, und sie umkreisten den Brunnen, und bis zum Brunnenkranz schoss das Wasser und noch darüber hinaus. Der Kaiser schenkte ihm auch einen Wagen voll Geld und eine Krone und dazu noch Soldaten, die ihn heimgeleiteten.

Und so machte sich der Jüngling auf den Weg und ging zum Grünen Kaiser. Er berichtete dem Grünen Kaiser, dass er die Dinge nun wüsste, derentwegen er ausgezogen war. Und dem Grünen Kaiser kam es in den Sinn:

„Zu allererst sage, ob du erfahren hast, welches die glückliche Stunde in tausend und einem Jahr ist!“

„Ich habe es erfahren, erhabener Kaiser! Das ist die glückliche Stunde, in der zur Weihnacht Jesus geboren wurde.“

Da sagte der Kaiser:

„Das ist gewisslich wahr, Jüngling. Nun weisst du auch, wie meinem Apfelbaum zu helfen ist.“

Der Jüngling sagte dem Kaiser:

„Gnädiger Kaiser! Ihr müsst den Apfelbaum ausgraben lassen; denn das Geld der vielen Königreiche ist dorthin gelegt worden, und der Rost davon hindert sein Gedeihen.“

Und sogleich liess der Kaiser seine Fronleute kommen, hiess sie den Baum ausgraben, und sie fanden so viel Geld, dass des Kaisers grösster Keller voll wurde.

„Und davon gebe ich dir einen Wagen voll,“ sagte der Kaiser, „und eine Krone dazu.“

Und dann liess der Jüngling den Apfelbaum wieder einpflanzen, und alsobald schien es dem Kaiser, dass er jetzt schöner grüne denn je zuvor.

Damit machte sich der Jüngling auf den Heimweg und langte nach einiger Zeit wieder bei dem Kaufmann an, und als der Bösewicht ihn auf der Strasse erblickte, ging er geschwind ins Haus und sagte seiner Frau:

„Da kommt jemand, den ich kennen muss, in einem schönen Kleid wie ein gekrönter König her.“

Und voller Freude eilte er in das Haus und verkündete es auch seiner Tochter, und wie er es seiner Tochter gesagt hatte, langte der Jüngling beim Thor an, und der Kaufmann ging hinaus. Der wohlerzogene Jüngling bot ihm einen guten Abend und bat ihn um Herberge. Der Bösewicht antwortete:

„Ich gebe dir gern Herberge; nur weiss ich nicht, wo ich die Wagen unterbringen könnte.“

„Das werden wir schon in Ordnung bringen; denn es sind Soldaten dabei“ sagte der Jüngling.

Da zogen sie auch schon mit den Wagen in den Hof; der Jüngling aber trat in das neue Haus ein und sagte auch gleich zu der jungen Frau:

„Guten Abend, gute, junge Frau!“

Da erwiderte die junge Frau:

„Das bin ich nicht, aber einst war ich’s.“

Erwiderte der Jüngling:

„Wenn es war, so kann es auch wieder sein! Schämt Euch nicht!“ Und der neue König bat sie dann um Feuer für seine Pfeife.

Die junge Frau gab ihm auch Feuer, und der Jüngling erkannte, dass sie seine Frau war. Das Mädchen hätte ihn wohl auch erkannt, aber sie war nur zu schüchtern, mit ihm zu reden. Und wiederum bat er sie dann um eine Tasse Kaffee, und die junge Frau bereitete sie ihm und stellte sie auf den Tisch.

Da sagte der junge König:

„Ich hatte ein Paar gewünscht.“

Auch das erfüllte die Königin. Nun war es gut. Unterdessen wurden sie bekannt mit einander. Und er sagte:

„Ruft Euern Vater herein! Seid so gut!“

Und das Mädchen rief ihren Vater herein.

„Gott gebe Euch einen guten Abend, Pflegevater!“ sagte der junge Mann, und der Kaufmann hielt an, um zu sehen, wer es sei, der mit ihm sprach.

„Ihr wäret der, den ich aufgezogen habe?“ sagte der Bösewicht.

„Ich bin es, lieber Vater! Ich habe das auch erkundet, weswegen Ihr mich fortsandtet, welches die glückliche Stunde in tausend und einem Jahr ist.“

„Nicht deswegen habe ich Euch fortgeschickt; denn das kann kein Mensch erkunden; nur weil Ihr das Schreiben, das ich meiner Frau sandte, verändert habt, darum fragte ich, ob Ihr vielleicht noch mehr wüsstet.“

„Ein Mönch war es, mein lieber Vater, der meines Lebens schonte; denn Ihr hattet geschrieben, dass sie mich henken sollten, und der Mönch vertauschte das Schreiben mit einem anderen.“

Da erwiderte der Bösewicht

„Ich habe mir gleich gedacht, Ihr würdet mehr davon verstehen als ich.“

Da sprach der neue König:

„Ich künde Euch, lieber Vater, kurz die Sache, welches die glückliche Stunde in tausend und einem Jahr ist. Die ist es gewesen, in welcher zur Weihnacht Jesus geboren wurde.“

Da erwiderte der Kaufmann:

„Das war es wohl wert, eine Reise zu machen! Aber dieses viele Geld! Wo habt Ihr das gesammelt?“

„Das ist von sehr weit her, lieber Vater! Allein das Geld ist nun einmal da; jedoch der Eisenstab ist nicht abgewetzt. Und würdet Ihr mir jetzt Eure Tochter lieber geben als damals, als Ihr mich fortschicktet?“

„Ich habe auch damals nicht gesagt, dass ich sie nicht gäbe; nur darin hatte meine Frau gegen meinen Willen gehandelt, dass sie die Hochzeit machte, ehe ich von der Messe heimgekommen war.“

„Nun, lieber Vater! Lasst es gut sein. Ich bitte Euch schön, dass Ihr den Handel aufgebt; denn hier auf diesen Wagen ist alles voll von Gold, Silber und auch Kupfer. Wenn Ihr das Gold löffelweise essen könnt, lieber Vater, mir soll es recht sein.“

Der Alte dankte ihm dafür und ging zu seiner Frau.

Er sagte zu seiner Frau:

„All das Geld, das er hierher brachte, gehört meinem Schwiegersohn, und er bietet mir sogar an, dass ich davon leben soll. Aber ich wundere mich doch, wie er so viel Geld zusammengebracht hat, da er gar keine Anlage dazu hatte.“

Und nun wurde die Hochzeit wiederum angekündigt. –

Ungefähr drei Tage nach der Hochzeit ging der Bösewicht zu seinem Schwiegersohn, und im Laufe des Gesprächs warf er so hin:

„Mein Herr Schwiegersohn, wie habt Ihr es doch angestellt, soviel Geld zu sammeln? Wenn ich das Mittel wüsste, es würde mich nicht verdriessen, bis dorthin zu wandern, wo Ihr es entdeckt habt.“

Da erwiderte sein Schwiegersohn:

„Darum sorgt Euch nicht, Vater; denn wir haben hier reichlich zum Leben. Ihr braucht nicht mehr Handel zu treiben, ganz und gar nicht.“

Da ging der Bösewicht wieder zu seiner Frau und sagte seiner Frau:

„Mein Schwiegersohn hat mir nicht verraten, woher er die Wagen voll Geld bekommen hat.“

Erwiderte seine Frau:

„Gebt Euch doch zufrieden! Wir haben ja jetzt genug.“

Sagte der Bösewicht:

„Noch besser ist, was man selbst gesammelt hat!“

Andern Tags ging er wieder zu seinem Schwiegersohn und begann ihn von neuem auszuforschen, woher er das viele Geld bekommen habe. Da sprach sein Schwiegersohn:

„Lasst mich in Ruhe, lieber Vater, wo ich das bekommen habe; – man muss weit danach wandern.“

Der Kaufmann erwiderte:

„Mir macht der Weg keine Sorge; aber wenn ich so viel Geld bekommen könnte wie Ihr, dann könnte man erst recht wirtschaften.“

„Wohl gesprochen, Vater! Aber wer nicht einmal so viel hat und dennoch auch ein guter Wirt wäre! ….. Wenn Ihr wirklich selbst auch welches bekommen wollt, so nehmt den Eisenstab zur Hand und macht Euch mit ihm auf den Weg! Fragt zuerst nach dem Grünen Kaiser, geht da quer durch, von dort wieder weiter zum Roten Kaiser, – auch dort sprecht mit niemandem, fragt nur noch nach dem Schwarzen Kaiser. Im Walde des Schwarzen Kaisers lebt ein Mönch, und wenn Ihr bei dem angelangt seid, so ruft ihm ein „Werda“ zu; denn er hält die Soldaten mit den Wagen voll Geld und auch die Krone dazu bereit.“

Da nahm der alte Bösewicht den Eisenstab und machte sich auf, ging zuerst quer durch des Grünen Kaisers Reich; zum zweiten ging er quer durch des Roten Kaisers Reich, zum dritten ging er ins Reich des Schwarzen Kaisers. Von dort aus wanderte er hin und her, bis er beim Mönch anlangte, und er rief dem Mönch ein „Werda“ zu, und da flog das Kreuz vom Rücken des Mönches los auf ihn und war auf seinem Rücken festgeklebt.

Der Mönch aber ging ihm entgegen, kniete nieder und dankte ihm, dass er ihm Gutes erwiesen. Und nun blieb der alte Bösewicht unter dem Kreuze. Der Mönch aber küsste ihm die Hände und sprach zu ihm:

„Ich danke Euch, dass Ihr mich davon befreit habt; denn bereits hundert und ein Jahr trage ich es hier; niemals begegnete ich einem, der das ‚Werda‘ rief. Nun mögt Ihr es auch tragen, wie ich es trug.“

Seine Sippschaft lebte dann vergnügt, und wenn sie noch nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

Quelle:
(Ungarische Volksmärchen)

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