Demütig gehorchte Talingara, und der oberste Himmelsgott verlieh ihr die liebreiche Gestalt einer der schönen Töchter der Südsee. Nun geschah es, daß König Bambula sich auf der Kängurujagd vergnügte. Da sah er im dichten Gewirr der Farnkräuter ein schönes Mädchen unter einer Kokospalme sitzen. Gewalttätig wie immer, wollte er das für das Känguru bestimmte Fangseil nach ihr werfen. Doch wie er sich auch mühte, sein Arm gehorchte ihm nicht. Stattdessen griff seine Hand in die Jagdtasche, nahm eine Orange und warf sie dem Mädchen zu. Unwillig rief er aus: „Mit dem Seil wollte ich dich fangen, um dich als Sklavin in mein Dorf zu schleppen. Keineswegs aber dachte ich dich zu erfrischen!“ „Mir scheint, deine Gabe bedeutet, daß du mir künftig mein Leben versüßen willst“, meinte Talingara lieblich lächelnd. „Deine Worte klingen, als habest du, ein minderwertiges Weib, mir unsere Hochzeit anzukündigen“, antwortete der König spöttisch. „Und warum nicht?“, fragte das Mädchen freundlich. „Weil es genug Frauen im Dorfe gibt. Was soll ich mit einer Fremden in meiner königlichen Rundhütte“, murrte Bambula. Als er aber ihre sternenklaren Augen sah, wandelte sich aller Grimm in Bewunderung. Er schaute sie milde an und rief: „Wahrlich, du übertriffst alle Südseefrauen an Schönheit.“ Ja, er ließ sich sogar herab, ihr zu gestehen, daß sie schöner sei als die buntgefiederten Papageien der Insel. Da ein solcher Vergleich als größte Schmeichelei in dieser Inselwelt gilt, rief Talingara fröhlich: „Jetzt sind es deine Worte, die nach einem Ehegelöbnis klingen!“ Der umgewandelte Herr des Eilandes widersprach nicht. Er geleitete sie frohgestimmt in sein Dorf, und gar bald wurde Hochzeit gefeiert. Kaum aber war das laute, protzige Fest vorüber, da erfüllten Flüche und Wehgeschrei das Dorf. Auf dem Versammlungsplatz saßen die Häuptlinge und zeterten, weil der duftende Palmwein in den Kürbisflaschen zur Neige ging und die Knochen des letzten Schweines in den Lagerfeuern verkohlten. Die Zungen aber lechzten nach neuem Trunk, und die leeren Mägen knurrten böse vor Hunger. „Was heult ihr Nimmersatte?“ herrschte sie König Bambula an. Macht lieber die Boote seetüchtig, daß wir uns auf den Nachbarinseln holen, was uns hier nicht von alleine in den Mund fliegt.“ Hellauf jubelten da die Häuptlinge. Talingara aber flehte: „Geht lieber jagen im Busch, bestellt die Felder. Fahret zum Fischfang hinaus. Nur lasset ab von den räuberischen Überfällen!“ „Aufrührerisches Weib!“ brüllte Bambula. „Seit wann scheren sich die Frauen um Dinge der Männer!“ Und wutentflammt riß er seinen Kokoswedel zum Schlage empor. „Halt ein, Herr und Gebieter!“ schrie die Bedrohte verzweifelt aus: „Bald werden uns die Götter einen Sohn schenken. Der aber soll in seinem Vater keinen plündernden Unterdrücker des Inselreiches wissen.“ Trotz Talingaras Tränen und Beschwörung gab Bambula Befehl zum Aufbruch. Unter wildem Kriegsgeschrei ging es zum Strande hinunter, und schon stieß die Flotte der Kanuten und Flöße ins weite Meer hinaus. Während der Abwesenheit Bambulas erschien eines Nachts Talingara, der oberste Himmelsgott und sprach: „Zwar will dein arger Gemahl den Weg der Grausamkeiten nicht verlassen; darob soll deinem unlängst geborenen Sohne jedoch nichts Nachteiliges entstehen.“ Und der oberste Gott hieß sie, für ihr Kind Mabulu den Schutz des Mondes und der Sonne zu erflehen. Da wanderte Talingara mit ihrem Söhnchen zum palmenreichen Gestade hinunter. Gerade waren die Sterne im Verblassen, und so gaben sich der untergehende Mond und die aufsteigende Sonne den alltäglichen Geschwisterkuß. „Haltet ein in euerm Lauf!“ rief ihnen Talingara zu. Ich bitte euch, gewährtet meinem Kinde die Gnaden, die mir unser Vater, der oberste Himmelsgott, zugesagt hat.“ „Unser Vater hat gut reden“, maulte der Mond. „Er ahnt ja nicht, wie müde ich nach meiner nächtlichen Reise bin. Wie ich mich nach meinem Bett in der rosaroten Muschel auf dem Meeresgrund sehne.“ Die eitle Sonne gab ihm nicht nur recht, sondern meinte abweisend: „Auf mich solltest du schon gar nicht rechnen. Du glaubst ja nicht, was ich mich sputen muß, wenn ich pünktlich zur Mittagszeit den höchsten Gipfel des Wolkengebirges erreicht haben will. Schaffe ich es nicht, so gibt es ein schlimmes Durcheinander im Himmel und auf Erden.“ Talingara ließ sich nicht von ihm abweisen und bat: „Seid nicht so ungnädig! Schaut euch mein herziges Kindchen an, und ihr werdet ihm eine Gabe nicht verweigern können.“
Der neugierige Mond konnte es sich nicht versagen, hinzuschauen. Da ihm aber Frau Sonne nicht nachstehen wollte, schielte sie dem Silbermond über die Schulter … und wie aus einem Munde riefen beide entzückt aus: „Wahrlich, so einem lieben Kinde darf man eine Gabe nicht verwehren!“ Sogleich begann die liebe Sonne mit ihrer glockenhellen Stimme zu singen:
„Ein Kakadu steh‘ zu Gebot!
Soll einstens sein der Wegbereiter.
In einer Stunde arge Not
wird helfen Buntgefieder weiter.
Und kein Verbot, also Tabu,
wird gelten für den Kakadu!“
Da kam ein prächtiger Papageienvogel herbeigeflogen. Dreimal umkreiste er artig den aufblickenden kleinen Mabulu und verschwand dann wieder am azurblauen Himmelszeit. „Aach!“ stöhnte gähnend der müde Mond. „So schön singen, wie du, Schwesterchen Feuerkugel vermag ich zwar nicht; dennoch soll meine Gabe nicht geringer sein. Und mit seinem tiefen Bass stimmte er etwas knarrend an:
„Ein kleiner Fisch, mit Mäulern zwei,
wird machen einst den Weg dir frei.
Kein Wasser ist für ihn Tabu,
rufst du ihn an, mit Turilu!“
Da stieg ein kleiner buntschillernder Fisch mit zwei großen Mäulchen aus den Fluten empor, spritzte mit seinem breiten Schwänzchen drei Meerestropfen wie zum Gruße auf die Wangen des erstaunten Kindes. Alsdann schwamm Fischlein Turilu wieder recht vergnügt in die blaue See hinaus. Gerade wollte die beglückte Talingara den beiden Himmelsgestirnen ihren Dank zujubeln, da sah sie die heimkehrende Flotte König Bambulas herannahen. Schon eilten auch die Frauen und Kinder aus den Dörfern herbei, und Freudengeschrei in Erwartung reicher Beute erfüllte das Gestade des Meeres. Nur Talingara verhüllte traurig ihr Gesicht. Als König Bambula gar hochmütig aus seinem prächtigen Doppelboot an Land ging, herrschte er die Arme an: „He, Weib! Was begrüßt du mich nicht so froh, so wie alle meine braven Untertanen!“ „Wie könnte ich von Glück erfüllt sein“, klagte Talingara, „wo deine bösen Taten auf fremden Inseln nichts als bittere Tränen erheischen.“ „Besser jene darben als wir!“ rief Bambula mit verächtlicher Handbewegung. Die Häuptlinge aber prahlten: „Wir bringen reiche Beute heim, und jene wagt es uns zu beschimpfen!“ Und der Oberhäuptling raunte dem König zu: „Herr, du solltest sie davonjagen!“ „Du wirst es nicht übers Herz bringen, solchen Einflüsterungen zu folgen“, wandte sich Talingara zart an den König. „Nicht meinetwegen, sondern um deines Sohnes willen!“ Dabei hielt sie ihm mahnend Mabulu entgegen. „Dieser Wurm wird wohl eher dir als mir gleichen, und so eher ein feiger Tölpel, als ein kühner Eroberer werden!“ Voller Grimm und Hass rief er seinen Mannen zu: „Schafft mir dieses Weib mit ihrer Brut vom Halse. Werft beide in ein Kanu und stoßt es ohne Paddel vom Ufer ab. Mögen die Wellen der See sie dorthin treiben, wo Krokodile und Meerungeheuer sie auffressen!“ Unter dem Jubel der Bewohner der „Insel der steinernen Herzen“, wurde der Befehl des grausamen Königs befolgt. Kaum aber war das Kanu mit den beiden vom Gestade abgetrieben, da erbebte der Erdboden der Insel. Die Krater der Berge spieen gewaltige Feuersäulen gen Himmel, tosender Donner erfüllte die Luft. Unaufhaltsame Lavamassen ergossen sich über Busch, Steppen und Dörfer. Und die aufgewirbelten Fluten des Meeres verschlangen das Eiland.
So verkündeten die Götter des Guten, daß ihnen das Tun des hartherzigen Königs und seines Volkes ein Greuel war. Der verlassenen Mutter mit dem Kinde in dem winzigen Kanu aber begegnete alsbald ein Hai. Schon fürchtete Talingara, dies sei das Ende. Der Hai öffnete auch sein spitzes Maul, bleckte seine vierreihigen scharfen Zähne, knurrte aber recht gutartig: „Ich bin zwar ein gefährlicher Bursche, aber auch ein guter Wächter und wurde deswegen von den Göttern bestimmt, dich und dein Söhnchen an einen Strand zu geleiten, wo die Gastfreundschaft zu Hause ist.“ Damit schob er auch schon das Boot vor sich her.
Bevor noch Mabulu den Sinn der Worte begriffen hatte, hörte er zarten Flügelschlag, und ein gar prächtiger gefiederter Vogel mit buntem Federkopf setzte sich auf die Bugspitze des Kanus. Der Papagei aber plapperte: „Wenn es nicht im Namen der göttlichen Talingara und auf Befehl meiner strahlenden Herrin, der lieben Frau Sonne geschähe, ich würde mich bestimmt nicht neben dich setzen.“ „Was mißfällt dir nur?“ fragte Mabulu erstaunt. Da er sah, wie sich der Kakadu mit den Flügeln heftig Luft zufächelte, meinte er höflich: „Ist es vielleicht der Duft der Fische, der dir nicht behagt?“ „D-u-f-t!“ ächzte der Kakadu nach. „Mag nichts Fischiges. Was auf der Welt gut mundet, sind Körner und Nüsse.“ Nachdem er so seine Meinung geäußert hatte, war er recht friedlich und schwatzte: „Gewiß, über den Geschmack läßt sich streiten. Deswegen bin ich jedoch nicht hierher gekommen, sondern um dir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.“ „Rat ist manchmal gut; Tat zumeist besser, meinte Mabulu.“ „Trallala!“ gab der Vogel schnippisch zurück. Als dann aber fragte er ernst: „Pflichtest du mir nicht bei, daß deinem Volke zu diesem elendigen Fischschmaus noch manch anderes recht gut bekommen dürfte? Sagen wir: mehlige Knollen, salzige Tarroblättchen, Teigkuchen des Brotfruchtbaumes und saftige Früchte?“ „Spotte nicht!“ wehrte Mabulu traurig ab. „Auf unserer Insel hat es seit dem letzten Regen keine solchen Leckereien mehr gegeben. Die Dürre …“ „Was ihr also braucht, ist wachstumsfördernder Regen“. plapperte der Papagei, gewichtig wie ein Medizinmann, vor sich hin. Schon aber schnarrte er keck drauf los: „Es ist jetzt nicht die Jahreszeit, da der Gott des Regens die Schleusen der oberen Gewässer öffnen darf. Es wäre gegen das Tabu und damit gegen jedes Verbot. „Die Göttin Stalingrad verkündete mir, dass der Kakadu in Zeiten der Not auch einmal ein Tabu überwinden könnte“, fiel ihm Mabulu ins Wort. „Nochmals trallala!“ schmetterte der Papagei recht eingebildet. „Siehst du denn nicht, dass ich gerade überlege, wie dir zu helfen ist!“ Nachdenklich streckte er seinen Schnabel tief in das Gefieder. Lange dauerte es nicht, da hob er seinen Federschopf wieder empor und jubilierte: „Ich hab’s! Ich kenne eine kleine schwarze Wolke, die ist kecker als alle ihre rosaroten Wolkenschwestern. Zu einem Schelmenstreich ist die kleine Schwarze jederzeit aufgelegt. Viel Regen vermag das kleine Ding zwar noch nicht spenden; doch für so eine winzige Insel wie die eurige, wird es schon reichen.“ Freudig stammelte Mabulu Worte des Dankes. Der Kakadu aber wehrte huldvoll ab, spreizte seine Flügel und trillerte so laut, dass es auf allen Booten hörbar war. „Wenn ihr heimkommt, ihr Fischer, und zu Hause alles gar prächtig grünt und blüht, so vergesst Mabulu nicht. Er ist es, den die Götter beschützen!“ Da staunten die Männer auf den Booten gar sehr. Schneller handhabten sie die Ruder, und selbst die Winde waren den Segeln gewogen. So fuhren sie durch die schwarzblaue Nacht, und droben am unendlichen Himmelszelte funkelten die goldenen Sterne, und der silberweiße Vollmond spiegelte sich wieder in der tiefgrünen See. Im Zeichen der aufgehenden Sonne erreichten sie die kleine Fischerinsel die Küste. Die Menschen der „Insel der roten Korallen“ jubelten den Heimkehrern frohlockend entgegen. Es war nicht nur die Freude über die reiche Beute, sondern auch die Genugtuung, berichten zu können, daß es in der letzten Nacht in Strömen geregnet hatte. In die Jubelrufe, daß endlich aller Hunger überwunden sei, drangen geheimnisvolle Andeutungen der Fischer: „Mabulu vermag Haie und Dämonen zu verscheuchen! … Den Göttern dienende Papageien gehorchen ihm! … Er hat Regen über die Insel gesandt … Mabulu ist von den Göttern mit Zauberkräften gesegnet!“ Von diesem Tag an wurde Mabulu von Jung und Alt auf der Insel verehrt. Stets war für ihn eine Matte im Versammlungshaus bereit gehalten. Ja, König Rahua wollte ihn als Oberhäuptling einsetzen. Mabulu aber winkte bescheiden ab und bat: „Wenn du Gutes tun willst, o König, so befehle, man möge zu Ehren der liebreichen Talingara einen Tempel errichten; denn jene war es, die uns den Weg aus der Not gewiesen hat.“ – Und die Häuptlinge raunten sich zu: „Seine Bitte ist gut! … Talingara, die Hilfreiche, verdient es!“ So ging schon am nächsten Tage alles Volk ans Werk. Bäume wurden gefällt, Stämme zu Balken geschlagen, und bald war ein zierlicher Tempel zu Ehren der Göttin errichtet. Ein greiser Tempeldiener ritzte unter lauten Beschwörungen geheimnisvolle Zeichen in die Torpfosten. Mit Blumengewinden geschmückte Jungfrauen tanzten liebliche Reigen zu frohem Singsang. Dröhnender Baumtrommelklang durchbrauste die Insel.
Eines Tages begab es sich, daß König Rahua schwer erkrankte, und das Leiden nicht mehr von ihm weichen wollte. In diesen Stunden trat der greise Tempeldiener in die Rundhütte des mit dem Tode ringenden Königs und sprach: „Herr der Insel! Vielleicht lebst du schon nicht mehr mit den Dingen dieser Welt und hast dich nur noch auf Gespräche mit den Geistern des Himmels eingerichtet. Doch was ich dir zu verkünden habe, sind Eingebungen der Götterwelt, die mir im Tempel offenbart worden sind.“ „Sprich nur“, flüsterte der von der Blässe des Todes gezeichnete König. „So erfahre“, murmelte der Tempeldiener, „daß jener, den wir für den Sohn der Ackersleute Kukulo gehalten haben, weder deren Kind, noch eines unseres Stammes ist.“ Mit seinen letzten Kräften gebot der König, den alten Kukulo mitsamt seinem Weibe zu ihm zu führen. Die beiden gaben ohne Umschweife zu, daß Mabulu ein Findelkind sei. Dann blickte die alte Pflanzerin zu ihrem Manne hinüber und sprach mit einem Anflug von Stolz auf den Lippen: „Warum sollen wir verheimlichen, daß uns seine wahre Mutter, die göttliche Talingara, heute Nacht erschienen ist. Sie lüftete nicht nur das Geheimnis seiner Abstammung, sondern …“ „Sprich weiter!“ drängte der sterbende König das beklommen schweigende Weib. Statt ihr fuhr der Mann zögernd fort: Talingara verkündete uns, daß der Tag kommen wird, da du, o König, deine Macht in die Hände Mabulus legen wirst; denn Söhne, die deinen Namen weiterführen könnten, waren dir ja nicht beschieden.“ Da nickte der sterbende König und flüsterte: „So merke auf, Diener des Tempels! So ist es die Bestimmung des Himmels, und nicht anders soll es nach meinem Ableben geschehen.“ Noch einmal richtete sich der König auf seiner Matte etwas auf, dann verschied er mit einem erstarrenden Lächeln auf den Lippen. Alsbald wurden zum Zeichen der Trauer in allen Dörfern die großen dumpfen Baumtrommeln gerührt und die grellen Kuhhörner geblasen. Unter lautem Schellenklang wurden die bösen Dämonen verjagt, daß die Geister des Guten die unsterbliche Seele des geliebten Königs unangefochten in das Reich des obersten Himmelsgottes zu führen vermochten. Die Häuptlinge jedoch klagten: „Wer wird uns fortan ein so gerechter Herrscher sein?“ Und die Weiber jammerten: „Welch Elend, daß einem so Edlen keine männlichen Erben beschieden waren!“ Der alte Tempeldiener aber erhob seine Stimme im Versammlungshaus und mahnte: „Da eure Augen nicht sehen können und eure Herzen der Sprache nicht mächtig sind, so verkünde ich euch den letzten Willen des Dahingeschiedenen. Höret, Mabulu, der Begnadete, sei unser König auf Lebzeiten!“ Da klatschten alle Häuptlinge Beifall, der fromme Alte aber fuhr fort: „König Rahua hat drei Töchter hinterlassen. Eine ist schöner als die andere. Eine jede bekommt sieben lange Ketten großes Muschelgeldes als Hochzeitsgabe. Und eine übertrifft die andere an Können und Fleiß. Sie seien daher unserem neuen König als Frauen gegeben.“ Mabulu jedoch antwortete mit Worten, die nicht mit den uralten Gebräuchen übereinstimmten, denn er sagte: „Nicht, daß ich mir nicht der hohen Ehre bewußt wäre, die ihr, meine Brüder, mir gewähren wollt; doch wisset, viele Frauen im Hause gibt nur viel Lärm und noch mehr Streit. Darum will ich nur eine der schönen Königstöchter freien!“ „So nimm die Jüngste!“ rief der Oberhäuptling. Sie ist zwar noch ein wenig verspielt, dafür aber die Allerschönste.“ „Die Jüngste kann warten!“ wehrte Mabulu ab. „Ich werde die Älteste nehmen. Denn merket wohl, ihr Väter von Kindern: „Wer auch immer eine seiner Töchter verheiraten will, der gebe stets die Älteste aus dem Hause. Alsdann die Zweitälteste und erst zum Schluß die Jüngste. Also immer hübsch der Reihe nach. Sonst kann es geschehen, daß die Kleinste zu früh heiratet und die Älteste zu alt wird und dann keinen Mann mehr findet.“ Da staunten die Häuptlinge und riefen: „Weise hat unser König gesprochen! Klug sind seine Worte! … So wollen wir es künftig halten! … Weniger Mädchentränen werden dann vergossen werden!“ König Mabulu aber wurde mit der schönen Gahuma, der ältesten Tochter des verstorbenen Herrschers, sehr glücklich. Der Himmel gewährte den beiden brave Söhne und Töchter. Da auch sie unter dem Schutze der göttlichen Talingara standen, wurde die „Insel der roten Korallen“ zum blühendsten Garten aller Eilande der paradiesischen Südsee.
Quelle: Märchen aus Australien