Suche

Die Henne mit dem goldenen Ei

1.7
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Es war einmal zwei arme Leutchen, ein alter Mann und seine Frau. Alles, was sie hatten, war eine einzige Henne. Beim Gedanken an eine Hühnersuppe lief ihnen das Wasser im Mund zusammen, und so beschlossen sie, die Henne zu schlachten.
Als sie die Henne nun fingen und in einen Käfig sperrten, legte sie ein goldenes Ei. Die beiden Alten sagten zueinander: „Wir wären dumm, wenn wir die Henne schlachten wollten. Vielleicht legt sie jetzt jeden Tag ein goldenes Ei.“
Als sie die Henne am anderen Tag suchten, war und blieb sie spurlos verschwunden. Der alte nahm seinen Wanderstab und sagte zu seiner Frau: „Ich gehe auf die Suche. Ohne die Henne komme ich nicht heim.“
Lange suchte und wanderte er – ein Märchen ist schnell erzählt, aber es braucht lange, bis alles geschieht -, da kam er zu dem Häuschen einer uralten Frau. Er erzählte ihr von seinem Mißgeschick und fragte, ob sie seine Wudnerhenne nicht gesehen hätte.
„Nein“, sagte das alte Weiblein, „gesehen habe ich die Henne nicht, aber ich gebe dir dafür ein Pferd. Du brauchst nur zu wiehern, und schon gibt es dir jedes Gericht, auf das du Appetit hast.“
Das alte Weiblein brachte als Geschenk einen recht unscheinbaren Gaul aus ihrem Stall hinter dem Häuschen. Der Alte hatte einige Mühe, den Klepper zu besteigen. Als er aufgesessen war, machte er sich frohen Mutes auf den Weg nach Hause und dachte schon daran, welches Gericht er seiner staunenden Frau nach seiner Rückkehr zuerst herbeizaubern würde. Als er in einen Ort einritt, lachten ihn die Leute wegen seiner elenden Mähre aus und zeigten mit Fingern auf ihn.
„Lacht nur, soviel ihr wollt“, rief er von seinem Gaul herab, „nur wiehern dürft ihr nicht! Wenn ihr wiehert, gibt es zu essen, worauf ihr Lust habt!“
Keiner nahm diese Worte ernst. Die Dorfjungen lachten nur noch mehr und wiehertendann aus vollem Halse zum Scherz. Was war das? Da standen plötzlich die verschiedensten Gerichte der Reihe nach auf der Erde, so viele, daß alle Dorfbewohner sich den Bauch vollschlagen konnten. Den alten Mann luden sie daraufhin mit vielen Verbeugungen in das Gastzimmer und bereiteten ihm ein Ruhelager. Kaum hatte der Alte sich hingelegt, da vertauschten sie sein Pferd. Unbemerkt wechselten sie den Gaul gegen einen ebenso unscheinbaren aus. Nachdem der Alte sein Schläfchen gehalten hatte, brach er eilends auf zu seiner Frau, merkte aber nicht, daß er auf einem anderen Pferd saß. Zuhause kündigte er groß sein Kunststück an und wollte es auch gleich seiner Frau zeigen, aber soviel er auch wieherte, das Pferd gab nichts her.
Schließlich wieherte sein Frau aus Leibeskräften mit, aber vergebens. Der Alte schüttelte den Kopf und führte der uralten Frau in ihrem Häuschen das Pferd wieder zurück und klagte darüber, daß sie ihn so elend betrogen habe.
„Nein, nein“, sagte die Alte, „ich habe dich nicht betrogen, du kannst mir glauben! Ich gebe dir aber dafür eine Ziege. Sobald du meckerst, fallen Goldstücke aus ihrer Nase und aus ihrem Maul.“
Der Alte nahm die Ziege, führte sie an einem Strick mit sich nach Hause und kam auf seinen Weg wieder durch den Ort, in dem die Leute zuerst gelacht und dann doch sehr gestaunt hatten. Nachdem er den Leuten in dem Dorf wieder alles gutmütig erzählt hatte, vertauschten die schlauen Buschen auch seine Ziege.
Als der Alte nach Hause kam, wollte er seiner Frau gleich die goldspuckende Ziege vorführen, aber alles Meckern half nichts, kein einziges Goldstück kam aus dem Maul und keines aus der Nase. Die beiden Alten meckerten die halbe Nacht, sie meckerten in einem fort, aber die Ziege gab kein Gold von sich.
„Die Alte betrügt mich!“ jammerte der Mann, brachte ihr die Ziege zurück und machte ihr bittere Vorwürfe.
Die Alte ging auf die Vorwürfe nicht ein, gab ihm einen großen Knüppel und sagte: „Nimm diesen Knüppel dafür. Wenn dir jemand Unrecht tut, so brauchst du nur ‚dom-dom‘ zu sagen und schon wird er die Missetäter prügeln. Erst wenn du ihm befiehlst aufzuhören, gibt er Ruhe oder erst, wenn deine Widersacher sich deinem Willen fügen.“
Der Alte nahm den Knüppel und kam bald wieder zu der Ortschaft, in der sie ihm das Pferd und die Ziege vertauscht hatten.
Die Leute liefen alle wieder zusammen, um zu sehen, was er diesmal bringe. Sie waren arg enttäuscht, als sie ihn nur mit einem dicken Stecken ankommen sahen.
„Gebt acht“, sagte lächelnd der Mann, „und sagt auf keinen Fall ‚dom-dom‘, sonst kriegt ihr Haue!“
Niemand glaubte ihm. Die Dorfjungen machten sich bald wieder über ihn lustig und zum Spott riefen sie „dom-dom“. Da fuhr der Knüppel wie ein Donnerwetter unter sie und prügelte sie ganz fürchterlich. Der Knüppel hörte gar nicht mehr auf, die Dorfbewohner nach Strich und Faden zu verdreschen, bis sie ihn inständig baten, er solle seinen Knüppel Einhalt gebieten. Sie rückten schließlich damit heraus, daß sie ihm das Pferd und seine Ziege vertauscht hätten und wollten ihm nun beide sofort wiedergeben, wenn er der Prügelei ein Ende mache.
Der Mann ließ sich beide Tiere wieergeben und gebot dann dem Knüppel: „Halt!“
Mit Pferd, Ziege und Knüppel kehrte er nun nach Hause zurück und lebte mit seiner Alten im Reichtum und Glück.

Quelle:
(Kabardinisches Märchen)

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