3
(1)
Wo jetzt der Herrensitz Eriksberg sein schloßartiges Gebäude zwischen Parkanlagen und Gärten erhebt, lag vor Zeiten ein Gut, das hieß Pintorp; daran knüpft die Sage die unheimliche Geschichte von der Herrin auf Pintorp.
Auf Pintorp – so erzählt die Sage – wohnte ein Edelmann, der bei seinem Tod in jungen Jahren all sein Hab und Gut seiner Witwe hinterließ. Statt daß diese nun eine gute Hausherrin für ihre vielen Untergebenen gewesen wäre, nützte sie sie auf alle Weise aus und mißhandelte sie aufs ärgste. Unter ihrem Schloß hatte sie tiefe unterirdische Gefängnisse, in denen mancher Unschuldige verschmachten mußte. Gegen Kinder und Bettler hetzte sie bissige Hunde, und wenn sich einer nicht zur rechten Zeit zur Arbeit einfand, so kehrte er sicherlich am Abend mit blutig gepeitschtem Rücken heim.
Frühmorgens, als die Arbeitsleute kamen, stand die Herrin auf Pintorp einmal auf der Schloßtreppe und sah einen armen Instmann zu spät kommen. Schäumend vor Wut überhäufte sie ihn mit Schimpf und Schelte und befahl ihm, die größte Eiche zu fällen, die auf dem ganzen Gute stand, und sie bis zum Abend unbehauen mit dem Wipfel voraus zum Herrenhof zu schaffen. Wenn er diesen Befehl nicht bis aufs letzte ausführte – sagte sie – solle er ohne Gnad und Barmherzigkeit aus seiner Hütte vertrieben werden und all sein Eigentum dem Gut zufallen.
In schweren Gedanken über das harte Urteil ging der Instmann in den Wald; da traf er einen alten Mann, der fragte, warum er so unglücklich sei.
»Weil es aus ist mit mir, wenn unser Herrgott mir nicht hilft,« seufzte der Unglückliche und berichtete, was ihm seine Herrin auferlegt hatte.
»Mach dir keine Sorgen,« sagte der Unbekannte. »Hau diese Eiche um, setze dich auf den Stamm, dann werden ihn Erik Gyllenstjerna und Svante Banér nach dem Schloß schaffen.«
Der Instmann tat, wie der Alte gesagt hatte, und begann zu hauen, und richtig, beim dritten Schlag fiel der Baum mit gewaltigem Krachen zu Boden. Dann setzte sich der Mann auf den Stamm, mit dem Gesicht nach der Krone gewendet, und gleich begann der Baum sich zu rühren, als ob Pferde ihn zögen. Bald wurde die Fahrt so rasch, daß Pfähle und Gartenzäune wie Späne aus dem Weg flogen, und bald waren sie im Schloßhof. Gerade als der Wipfel an das Schloßportal anstieß, stolperte einer der unsichtbaren Träger, und man hörte eine Stimme sagen: »Was, fällst du auf die Knie, Svante?«
Die Herrin auf Pintorp, die auf der Treppe stand, merkte wohl, wer dem Manne half, aber anstatt zu bereuen, begann sie zu fluchen und schimpfen und bedrohte schließlich den Instmann mit Gefängnis.
Da kam ein Erdbeben, daß die Schloßmauern bebten, und ein schwarzer Wagen, von zwei schwarzen Pferden gezogen, hielt vor dem Schloß. Ein feiner, schwarzgekleideter Herr stieg aus, verneigte sich vor der Herrin und hieß sie sich fertigmachen und ihm folgen. Zitternd – denn sie wußte wohl, wer der Fremde war – bat sie ihn um drei Jahre Frist, aber darauf wollte sich der Schwarze nicht einlassen. Da bat sie um drei Monate, aber auch das schlug er ab, schließlich bat sie um drei Tage und dann um drei Stunden, aber es wurden ihr nur drei Minuten gewährt, um ihr Haus zu bestellen.
Als sie sah, daß gar nichts helfen wollte, bat sie, daß doch wenigstens ihr Schloßpriester, ihr Kammermädchen und ihr Kammerdiener sie begleiten dürften; das wurde ihr bewilligt, und sie stiegen in den Wagen. Sogleich zogen die Pferde an, und der Wagen fuhr so schnell, daß die Leute beim Schloß nichts anderes sahen als einen schwarzen Strich hinter dem Wagen her.
Als die Frau und ihre Begleiter eine Weile gefahren waren, kamen sie an ein glänzendes Schloß, und der schwarze Herr führte sie die Schloßtreppe hinauf. Oben im Saal zog er der Frau ihre prunkenden Gewänder aus und legte ihr einen groben Rock und Holzschuhe an. Dann kämmte er ihr dreimal das Haar, daß ihr das Blut vom Kopfe strömte, und schließlich tanzte er dreimal mit ihr, daß ihre Schuhe voll Blut wurden.
Nach dem ersten Tanz bat die Herrin, sie wolle dem Kammerdiener ihren goldenen Ring geben, und der verbrannte seinen Finger wie Feuer. Nach dem zweiten Tanz gab sie dem Kammermädchen ihren Schlüsselbund, und der versengte die Hand des Mädchens wie glühendes Eisen. Aber nach dem dritten Tanz öffnete sich eine Falltür im Boden, und die Herrin verschwand in einer Wolke von Rauch und Flammen.
Der Priester, der am nächsten stand, schaute neugierig in die Öffnung, wo die Herrin versunken war; da kam ein Funken aus der Tiefe und fuhr ihm ins Auge, daß er sein Leben lang auf einem Auge blind blieb.
Als alles vorbei war, erlaubte der Schwarze der Dienerschaft, wieder heimzufahren, verbot ihnen aber ausdrücklich, sich umzusehen. Eiligst stiegen sie in den Wagen, der Weg war breit und eben, und die Pferde liefen rasch. Als sie aber ein Stück gefahren waren, konnte das Kammermädchen ihre Neugier nicht bezähmen und schaute sich um. Im gleichen Augenblick verschwanden Wagen, Pferde und sogar der Weg, und die Reisenden fanden sich in einem wilden Wald und brauchten drei Jahre, bis sie wieder herauskamen und nach Pintorp zurückfanden.
Auf Pintorp – so erzählt die Sage – wohnte ein Edelmann, der bei seinem Tod in jungen Jahren all sein Hab und Gut seiner Witwe hinterließ. Statt daß diese nun eine gute Hausherrin für ihre vielen Untergebenen gewesen wäre, nützte sie sie auf alle Weise aus und mißhandelte sie aufs ärgste. Unter ihrem Schloß hatte sie tiefe unterirdische Gefängnisse, in denen mancher Unschuldige verschmachten mußte. Gegen Kinder und Bettler hetzte sie bissige Hunde, und wenn sich einer nicht zur rechten Zeit zur Arbeit einfand, so kehrte er sicherlich am Abend mit blutig gepeitschtem Rücken heim.
Frühmorgens, als die Arbeitsleute kamen, stand die Herrin auf Pintorp einmal auf der Schloßtreppe und sah einen armen Instmann zu spät kommen. Schäumend vor Wut überhäufte sie ihn mit Schimpf und Schelte und befahl ihm, die größte Eiche zu fällen, die auf dem ganzen Gute stand, und sie bis zum Abend unbehauen mit dem Wipfel voraus zum Herrenhof zu schaffen. Wenn er diesen Befehl nicht bis aufs letzte ausführte – sagte sie – solle er ohne Gnad und Barmherzigkeit aus seiner Hütte vertrieben werden und all sein Eigentum dem Gut zufallen.
In schweren Gedanken über das harte Urteil ging der Instmann in den Wald; da traf er einen alten Mann, der fragte, warum er so unglücklich sei.
»Weil es aus ist mit mir, wenn unser Herrgott mir nicht hilft,« seufzte der Unglückliche und berichtete, was ihm seine Herrin auferlegt hatte.
»Mach dir keine Sorgen,« sagte der Unbekannte. »Hau diese Eiche um, setze dich auf den Stamm, dann werden ihn Erik Gyllenstjerna und Svante Banér nach dem Schloß schaffen.«
Der Instmann tat, wie der Alte gesagt hatte, und begann zu hauen, und richtig, beim dritten Schlag fiel der Baum mit gewaltigem Krachen zu Boden. Dann setzte sich der Mann auf den Stamm, mit dem Gesicht nach der Krone gewendet, und gleich begann der Baum sich zu rühren, als ob Pferde ihn zögen. Bald wurde die Fahrt so rasch, daß Pfähle und Gartenzäune wie Späne aus dem Weg flogen, und bald waren sie im Schloßhof. Gerade als der Wipfel an das Schloßportal anstieß, stolperte einer der unsichtbaren Träger, und man hörte eine Stimme sagen: »Was, fällst du auf die Knie, Svante?«
Die Herrin auf Pintorp, die auf der Treppe stand, merkte wohl, wer dem Manne half, aber anstatt zu bereuen, begann sie zu fluchen und schimpfen und bedrohte schließlich den Instmann mit Gefängnis.
Da kam ein Erdbeben, daß die Schloßmauern bebten, und ein schwarzer Wagen, von zwei schwarzen Pferden gezogen, hielt vor dem Schloß. Ein feiner, schwarzgekleideter Herr stieg aus, verneigte sich vor der Herrin und hieß sie sich fertigmachen und ihm folgen. Zitternd – denn sie wußte wohl, wer der Fremde war – bat sie ihn um drei Jahre Frist, aber darauf wollte sich der Schwarze nicht einlassen. Da bat sie um drei Monate, aber auch das schlug er ab, schließlich bat sie um drei Tage und dann um drei Stunden, aber es wurden ihr nur drei Minuten gewährt, um ihr Haus zu bestellen.
Als sie sah, daß gar nichts helfen wollte, bat sie, daß doch wenigstens ihr Schloßpriester, ihr Kammermädchen und ihr Kammerdiener sie begleiten dürften; das wurde ihr bewilligt, und sie stiegen in den Wagen. Sogleich zogen die Pferde an, und der Wagen fuhr so schnell, daß die Leute beim Schloß nichts anderes sahen als einen schwarzen Strich hinter dem Wagen her.
Als die Frau und ihre Begleiter eine Weile gefahren waren, kamen sie an ein glänzendes Schloß, und der schwarze Herr führte sie die Schloßtreppe hinauf. Oben im Saal zog er der Frau ihre prunkenden Gewänder aus und legte ihr einen groben Rock und Holzschuhe an. Dann kämmte er ihr dreimal das Haar, daß ihr das Blut vom Kopfe strömte, und schließlich tanzte er dreimal mit ihr, daß ihre Schuhe voll Blut wurden.
Nach dem ersten Tanz bat die Herrin, sie wolle dem Kammerdiener ihren goldenen Ring geben, und der verbrannte seinen Finger wie Feuer. Nach dem zweiten Tanz gab sie dem Kammermädchen ihren Schlüsselbund, und der versengte die Hand des Mädchens wie glühendes Eisen. Aber nach dem dritten Tanz öffnete sich eine Falltür im Boden, und die Herrin verschwand in einer Wolke von Rauch und Flammen.
Der Priester, der am nächsten stand, schaute neugierig in die Öffnung, wo die Herrin versunken war; da kam ein Funken aus der Tiefe und fuhr ihm ins Auge, daß er sein Leben lang auf einem Auge blind blieb.
Als alles vorbei war, erlaubte der Schwarze der Dienerschaft, wieder heimzufahren, verbot ihnen aber ausdrücklich, sich umzusehen. Eiligst stiegen sie in den Wagen, der Weg war breit und eben, und die Pferde liefen rasch. Als sie aber ein Stück gefahren waren, konnte das Kammermädchen ihre Neugier nicht bezähmen und schaute sich um. Im gleichen Augenblick verschwanden Wagen, Pferde und sogar der Weg, und die Reisenden fanden sich in einem wilden Wald und brauchten drei Jahre, bis sie wieder herauskamen und nach Pintorp zurückfanden.
[Schweden: Clara Stroebe: Nordische Volksmärchen]