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Die junge Gräfin

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Wo war’s, wo war’s nicht; ein zersprungener zerklungener Ofen hatte kein Stückchen Wand mehr; es war einmal eine Stadt, da wohnte eine ungeheuer reiche Gräfin. Die Gräfin hatte eine ausgezeichnet schöne Tochter, ganz allein. Da nun das Gerücht von ihrer Schönheit und ihrem Reichthum groß war, umschwärmten sie die Großen des Landes als Freier. Unter manchen Andern kamen zu ihrem Hause auch einmal drei junge Grafen, drei Brüder, welche ein Schloß nicht weit von der Stadt in einem schönen Walde hatten. Diese schienen nach ihrer ganzen Ausrüstung viel reicher zu sein als die andern Alle, wie sich aus ihrem Vermögen abnehmen ließ, aber woher und wie wußte Niemand.
Die Grafen waren bald tägliche Gäste im Hause, ohne daß Jene sie einmal wieder besucht hätten, und darum wiederholten sie dem Mädchen bald jeden Tag ihre Bitten sie doch auch einmal zu besuchen.
Das Mädchen verschwieg nun diese Bitte solange bis sie sich einmal zu einem Spaziergang zurecht machte in eben den Wald, wo die Grafen wohnten, wie sie gesagt hatten. Ihrer Mutter fiel es auf daß sie gerade dahin ging, aber weil sie ihre eigentliche Absicht verschwieg, so gab die Mutter ihren Bitten nach. Das Mädchen ging, und die Schönheit des Waldes, anderntheils auch ihre Neugier lockte sie allmählich immer tiefer hinein, bis sie unvermerkt so weit gekommen war, daß die Thürme eines prachtvollen Pallastes ihr in die Augen fielen. Da sie sich nun so nahe am Schlosse sah, wurde sie noch neugieriger und schritt langsam in den Hof hinein. Alles zeigte ihr hier daß das Schloß bewohnt würde, und gleichwohl konnte sie keine menschliche Seele dabei entdecken. Das Mädchen ging weiter und kam an den Haupteingang. Weiße Marmortreppen breiteten sich vor ihr aus, und das Mädchen, von dem Glanz der ihr Auge traf beinahe geblendet, stieg hinauf die Stufen zählend. »Hundert,« sagte das Mädchen halblaut, wie sie nach der ersten Reihe Stufen zu dem Wendeabsatz gekommen war. Hier sah sie sich um, und ein in einen Käfig eingesperrter Vogel fiel ihr ins Auge. »Mädchen, nimm dich in Acht!« rief er ihr zu, aber das Mädchen von Glanz und Neugierde bethört, ging ohne auf die Worte des Vogels irgend zu achten, immer weiter die Stufen zählend. »Hundert,« sagte das Mädchen wieder als sie zu dem Corridor gekommen war; aber auch bis jetzt hatte sie noch Nichts gesehen, und da sie so irgend Etwas glaubte finden zu können, machte sie die erste Thüre auf. Darinnen war es über alle Beschreibung prächtig, überall so wie sie es zu Hause nie gesehn hatte; aber auch hier war Niemand.
Sie ging in die nächste Stube, und hier fand sie unter anderm Hausrath auch drei Betten; das konnte, dachte sie bei sich, die Schlafstube der Grafen sein, und so ging sie weiter. Das Zimmer in das sie nun kam, war mit allen nur denkbaren Waffenstücken ausgeziert. Das Mädchen ging staunend dennoch weiter und das nächste Zimmer war voll von geistlichen und weltlichen, männlichen und weiblichen, mit einem Wort allen möglichen Kleidungsstücken. Das Mädchen ging wieder weiter und fand dort eine Frauengestalt aus lauter scharfen Rasirmessern zusammengesetzt, welche wie es schien, mit offenen Armen über einen Abgrund gestellt war. Bei diesem Anblick entsetzte sich aber das Mädchen und die Furcht trieb sie zurück. Zitternd ging sie der Reihe nach durch die frühern Zimmer, aber als sie in das Schlafzimmer trat, schlug Männergespräch an ihr Ohr. Der Muth brach ihr weiter zu gehn, und da sie Schritte sich nähern hörte, verbarg sie sich unter einem Bette. Die Männer kamen, es waren die drei Grafensöhne, welche ein schönes Mädchen mit sich schleppten, in der die zitternde Gräfin unter dem Bette, nach dem Ton ihrer Stimme eine Freundin von sich erkannte. Sie befreiten jetzt das Mädchen von allem was sie hatte, und da einer von ihren Diamantringen am Finger so fest saß daß er nicht abging, hieb ihr einer von Jenen den Finger ab, welcher gerade unter das Bett rollte, wo ihre Freundin war. Einer von ihnen wollte den Ring suchen, aber die Andern riefen ihm zu: »Du findest ihn auch ein ander Mal,« da ließen sie ihn dort liegen, und nachdem sie dem Mädchen alle Kleider ausgezogen hatten, führten sie sie in ein anderes Zimmer, wo es einige Zeit darauf klang, als würde sie von der Messerfigur unter dumpfem Stöhnen zerschnitten, und die zerstückelten Ueberreste des unglücklichen Opfers fielen in den Abgrund.
Die jungen Grafen kamen wieder und einer fing von Neuem an nach dem Ring zu suchen, während die unter dem Bette Versteckte Todesschweiß vergoß. »Er bleibt uns auch so, morgen wird er sich schon finden,« sagte auch dies Mal Einer, und forderte seine Kameraden zum Schlafengehn auf. Und dabei blieb’s, sie verschoben das Suchen bis zum andern Morgen. Sie gingen zur Ruh, und die Gräfin fing in ihrem Versteck an freier zu athmen. Jetzt tappte sie behutsam herum, fand den Ringend nahm ihn zu sich, und sowie sie merkte, daß die Grafen in tiefem Schlafe lagen, schlich sie sich leise heraus, ließ aber die Thür hinter sich offen.
Am andern Tage kamen die Grafen wieder zu dem Fräulein auf Besuch, und diese erzählte ihnen wie sie im Traume in ihr Schloß gekommen wäre; wie sie auf Marmorstufen hinaufgestiegen wäre und es bis zum Absatz hundert gewesen wären, und von da bis zum Corridor wieder hundert. Die Grafen wunderten sich aus Schmeichelei über den Traum, und bestätigten, daß es in der That gerade so bei ihnen wäre. Dann, erzählte sie, wie sie aus einem Zimmer ins andere gegangen wate, und was sie in jedem gesehen hätte; aber als der Traum bis zu der Scheermesserfigur kam, fingen sie an zu zweifeln, als wenn sich einiger Argwohn regte. Aber wie sie nun ihre Rückkehr mit dem Mädchen erzählte und zum Beweise Finger und Ring vorzeigte: da riefen die Grafen zitternd aus: »Wir sind verrathen« und wollten fliehen; dafür war aber schon gesorgt, sie rannten nur den Dienern welche schon auf sie warteten, in die Hände. Bei der Untersuchung kamen jetzt alle ihre unzähligen im Geheim vollbrachten Gräuelthaten ans Licht und sie wurden geköpft.

[Europa: Ungarn. Märchen der Welt ]

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