Suche

Die Kalang-Legende

0
(0)
In meiner Erzählung stellen sich vor:
Prabu Mundingkawati, Fürst von Galuh. Tjelenggumalung, ein wildes Schwein, die Mutter von Dewi Sepirasa.
Dewi Sepirasa, Tochter von Tjelenggumalung, Hofdame, später verbannt und Gemahl des Blangwajungjang.
Blangwajungjang, ein Hund.
Raden Suwungrasa, Sohn des Blangwajungjang und der Dewi Sepirasa, Jäger, Vatermörder, Wasserbaumeister, heiratet später als Ki Gede Temu-ireng die Dewi Sepirasa.
Ein Einsiedler.
Ein Gebang-Baum.
Trenggiling-mentik, ein sehr kleines Wesen mit einem sehr großen Herzen.

Und habt ihr euch nun diese Namen eingeprägt,
Und habt ihr eure Freude dran,
Und wollt ihr wissen, was mit ihnen geschieht,
Dann leset nun, was einstens schrieb
Mas Mangundikrama und teilte mit:

In alten, längst vergangenen Zeiten lebte einmal ein Fürst, der herrschte über das Reich von Galuh und hieß Prabu Mundingkawati.
Eines Tages ging der Fürst auf die Jagd und zog in den Wald, um Rehe, Hirsche und wilde Stiere zu erlegen. Alle großen Würdenträger seines Reiches und der hohe Adel begleiteten ihn. Sie nahmen ein Gong mit und eine Fülle von schönen Dingen zum Essen und zum Trinken.
Sie jagten den ganzen Tag über vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, aber sie trafen nicht ein einziges Wild, so daß der Fürst unverrichteter Sache umkehren und nach Hause ziehen mußte.
Nun fand er mitten im Walde eine große Nuß. Davon schlug er den oberen Teil ab und aß den Kern auf. Die leere Hülle aber diente ihm als Nachttopf.
Und als er darin sein Wasser abgeschlagen hatte, zog der Fürst mit seinem Gefolge weiter und kehrte in seinen Palast heim. Als der Fürst aus dem Walde heraus war, brach aus dem Gestrüpp eine wilde Sau, die hieß Tjelenggumalung.
Abgejagt, ermattet, obendrein fast verdurstet, lechzte sie nach Wasser. Sie kam an die Stelle, wo der Fürst Rast gemacht hatte, fand dort noch allerhand Reste und auch den Nachttopf, der bis obenhin gefüllt war.
Im Umsehen trank sie das Wasser aus … und nach einigen Tagen spürte sie, daß sie schwanger war.
Nach neun Monaten brachte sie ein Mädchen zur Welt; das war ein menschliches Wesen, über die Maßen schön, und ein strahlender Glanz ging von ihm aus, heller als der Mond.
Im Walde lebte und wuchs es auf, die Dewas waren ihm gewogen und gaben ihm den Namen Dewi Sepirasa.
Die Himmelsnymphen, die Widadaris, versorgten es mit allem, was es zum Leben bedurfte. So vergingen sieben Jahre, und die Mutter erfuhr niemals, daß die Dewas durch die Widadari für ihre Tochter sorgten.
Als das Mädchen nun sieben Jahre alt war, konnte es für sich selber sorgen. Es suchte sich sein Essen im Walde und nährte sich von Früchten und zarten Kräutern.
Die Zeit verstrich, und so kam denn auch die Stunde, wo es erfahren mußte, daß es ein Mädchen war. Und eines Tages umarmte es die Mutter und fragte: »Sag‘, Mütterchen, ist es nicht sonderbar, daß ich ein Mensch bin … wie kommt es, daß du ein wildes Schwein bist?«
Unter Tränen antwortete die Mutter: »Liebe Tochter, das steht im Rate der unerforschlichen Götter, die mir ein Kind wie dich schenkten …,« und darauf erzählte Tjelenggumalung von Anfang bis zu Ende, was sie erlebt hatte.
Nach dieser Erzählung überkam das Mädchen das Gefühl, daß es die Fleischwerdung eines Fürsten sein mußte. Stehenden Fußes nahm es daher von der Mutter Abschied, um dem Fürsten seine Aufwartung zu machen.
Was die Mutter auch anstellen wollte, es von diesem Plane abzubringen, es half alles nichts; es ging.
Als das Mädchen nun bei dem Fürsten vorgelassen wurde, fragte man es, weshalb es erschienen wäre und welche Gründe es hierher führten.
In aller Ehrerbietung teilte es mit wenigen Worten den ganzen Sachverhalt mit, und der Fürst wurde überzeugt … daß es seine eigene Tochter war.
Er erkannte es als sein eigen Kind an, nahm es in seinen Palast auf und stellte es unter die Obhut der Fürstenmutter, um in den Sitten und Weisen der Hofdamen unterrichtet zu werden.
Als die Wahrsager vernommen hatten, daß der Fürst ein Mädchen als Pflegetochter angenommen hatte, die das wilde Schwein Tjelenggumalung im Busche geboren hatte, beschlossen sie, gelegentlich der ersten Audienz die Angelegenheit zur Sprache zu bringen.
»Sollte es wirklich der Wahrheit entsprechen,« sagten sie, »daß Ew. Hoheit die Tochter einer Wildsau in Obhut genommen hat, dann müssen Ew. Hoheit aber auch bedenken, daß über kurz oder lang unermeßliches Unglück für Ew. Reich daraus entstehen kann.
Das Beste wird sein, daß Ihr sie weit von hier in den Wald verbannt, denn das Unheil, was aus ihrem Verbleiben hier erwachsen wird, läßt sich noch gar nicht übersehen.«
Da gab der Fürst seinem Wesir den Auftrag, im Walde von Simpar einen hohen Palissadenzaun errichten zu lassen, der den Ort einschließen sollte, wohin die Prinzessin verbannt wurde.
Was sie für die Reise brauchte und auch später notwendig war, wurde in Ordnung gebracht und bereitgehalten: ein Spinnrad, ein Handmühlchen und ein Webstuhl.
Außerdem ließ man für sie eine Ruhebank anfertigen, auf der sie sitzen und schlafen konnte.
Als alles fertig war, brachte der Wesir die Prinzessin nach ihrem künftigen Aufenthaltsort.
Wie sie dort ankamen, brach sie in dem Augenblick, wo der Wesir sie verlassen wollte, in bittere Tränen aus.
Sie bat und flehte ihn an, doch bei ihr zu bleiben und sie nicht so mutterseelenallein im Walde zu lassen oder ihr sonstwen dazulassen, der die Einsamkeit mit ihr teilen könnte.
Der Wesir vermochte sich nicht dagegen zu wehren; das Bitten und Flehen überwältigten ihn.
Er hatte einen Hund, den er sehr lieb hatte. Der hatte ein lichtbraunes Fell, das von einzigartigem Glanze war. Er war schon groß und ausgewachsen, hatte eine schwarze Zunge und besaß einen buschigen Schwanz.
Dieser Hund hieß Blangwajungjang.
Der Wesir schenkte ihn der Prinzessin, damit sie im Walde Gesellschaft hatte. In seinen Augen lag eine eigenartige Kraft: denn kaum hatte der Hund ein Wild oder das Wild den Hund erspäht, dann konnte es, es mochte noch so ungestüm sein, nicht von der Stelle, so wurde es von dem Glanze der Augen geblendet.
Er brauchte die Tiere nur anzusehen, und sie mußten sich ihm willenlos ergeben.
Darauf wurde die Prinzessin sich selbst überlassen, und der Wesir kehrte an den Hof zurück, um dem Fürsten von seiner Sendung Bericht zu erstatten, nämlich: daß die Prinzessin in dem Walde geblieben wäre, daß sie sich in den Willen der Dewa’s gefügt hätte, daß sie den ganzen Tag über im Hause wäre und sich mit dem Weben von Leinewand beschäftigte, in der schwarze und weiße Streifen miteinander abwechselten.
Eines Tages war die Prinzessin in ihrem Dachstübchen am Weben, da glitt ihr die Webspule aus den Fingern, fiel aus dem Fenster und auf die Erde.
»Wer mir,« so sagte sie ganz laut, »meine Spule wiederbringt, den werde ich, ist es ein Mann, heiraten – und ist es eine Frau, dann soll sie meine Blutsschwester sein.«
Blangwajungjang hielt gerade unter dem Fenster Wache und vernahm die Worte.
Er hob die Spule mit seinem Maule auf, sprang damit aufs Fenstersims und überreichte sie der Prinzessin.
Die Prinzessin bekam einen großen Schreck; sie machte gute Miene zum bösen Spiel, tat, als ob sie sich über den Hund sehr freute und rief: »Gottseidank! Vielen Dank auch, daß du sie gefunden hast! Von ganzem Herzen danke ich dir! Daran sieht man doch, daß du mein Liebling bist, Blangwajungjang. Vielen, vielen Dank! Und nun gehe brav wieder nach unten.«
Jawohl, die Prinzessin hatte gut reden, Blangwajungjang war nicht aus dem Dachstübchen herauszukriegen.
Er legte sich hin und tat so, als ob er schliefe.
Als die Nacht hereingebrochen war, mahnte Blangwajungjang die Prinzessin an die Erfüllung ihres gegebenen Versprechens; doch sie drehte sich um und schlief ein.
Und so merkte sie denn auch nicht, daß Blangwajungjang sie beschlief – – bis sie mit einem Male fürchterlich erschrak und erwachte.
Sie sprang auf, nahm die Weblade, die neben dem Bett stand, und prügelte Blangwajungjang gehörig damit durch, daß er aus dem Dachstübchen heraus und auf die Erde fiel, wo er ohnmächtig liegen blieb.
Sie war sehr aufgebracht, aber allmählich wurde sie ruhiger und sah das Ganze als eine Fügung der Dewas an.
Auch bekam sie Mitleid mit Blangwajungjang, wenn sie überdachte, daß sie beide doch so ganz allein im Walde leben mußten, und er ihr stets getreu Gesellschaft geleistet hatte.
Sie besprengte ihn mit Wasser und kühlte die Stellen, die sie ihm geschlagen hatte.
Und langsam kam er wieder zu sich.
Nach einiger Zeit spürte die Prinzessin, daß sie schwanger war; und als neun Monate verstrichen waren, brachte sie einen Knaben zur Welt, der war niedlich anzusehen und erhielt den Namen Raden Suwungrasa.
Als Raden Suwungrasa acht Jahre alt war, ging er jeden Morgen zur Jagd auf Hirsche und Rehe, und sein einziger Begleiter, der auch das Wild aufstöberte, war Blangwajungjang.
Jeden Tag ging Raden Suwungrasa auf die Jagd; das Fleisch, was er heimbrachte, gab er seiner Mutter; die kochte oder briet es, dann wurde es gegessen. So ging es eine geraume Zeit hindurch.
Endlich wollten die Tiere des Waldes, die Büffel, Nashörner, Elefanten usw. es sich nicht mehr gefallen lassen.
Sie beriefen eine Versammlung ein und stellten auf dieser kurz und gut die Frage: »Wie können wir den Hund Blangwajungjang aus dem Wege räumen?« –
»Ihr müßt doch selber einsehen, daß dies so nicht mehr weitergehen kann!
Solange der Kerl am Leben ist, kann für die Tiere des Waldes gar keine Rede davon sein, einmal zur Ruhe zu kommen. Wer soll es sein?
Wer ihn beiseite schafft, der soll zum König der Tiere gekürt werden, wohlverstanden, über alle Tiere, der soll auf einen Elefanten gesetzt und mit großem Gepränge zu allen Tieren des Waldes geleitet werden.«
Unter den großen Tieren fand sich jedoch niemand, der dazu erbötig war und sich bereit erklärte, dem Hund den Garaus zu machen, denn sein Bellen und seine Bisse waren gefürchtet – bis sich schließlich jemand zur Ausführung der Tat meldete, Trenggiling mentik, die Assel.
Ja, die wollte es auf sich nehmen. Aber man mußte ihr unbedingt versichern, in dem Falle, wo ihr das Vorhaben gelänge, sie auch wirklich zum König aller Tiere auszurufen.
Man erklärte einstimmig, daß dies ohne Vorbehalt geschehen würde – jedoch, jeder lächelte im stillen vor sich hin: »Stellt euch doch einmal vor, bitte! Ein solch‘ kleines Tierchen mit einem so gewaltig großen Herzen!«
Dem mag nun sein wie es will, ein Mann, ein Wort; regt euch nicht auf – es wurde wirklich König!
Trenggiling mentik ging darauf nach Haus, um ihre Vorbereitungen zu treffen. Sie kroch in das Loch eines Pfeilers vom Hause der Prinzessin, das innerhalb der Palissaden im Walde von Simpar errichtet war.
Blangwajungjang merkte sehr wohl, daß in dem Hauspfosten ein Spion saß, und schnappte und biß jeden Tag danach, doch er erreichte nichts, das Loch war viel zu klein.
Er konnte nur bellen, während Trenggiling mentik ihn immer von neuem aufreizte.
Sobald das Gebell aufhörte, ließ Trenggiling mentik sich sehen, und wenn er nach ihr schnappen wollte, kroch sie schnell in das Innere des Lochs und rollte sich zusammen, so daß Blangwajungjang sie nicht einmal mehr sehen konnte.
Das Gebell hielt die ganze Nacht über an.
Blangwajungjang machte kein Auge zu, unentwegt lag er au Posten, denn so war er um Frau und Kind besorgt.
Als der neue Tag angebrochen und Raden Suwungrasa aufgestanden war, fiel ihm Blangwajungjang auf, der nichts anderes als nur den Hauspfosten anbellte.
Er sah hierhin, er sah dorthin, er steckte überall seine Nase hin, schnupperte hier, schnupperte da, aber entdeckte nichts. Und Raden Suwungrasa mußte schließlich denken, der ist närrisch geworden.
Er faßte ihn daher an und wollte ihn mitschleifen, um auf die Jagd zu gehen, doch der Hund war nicht von der Stelle zu kriegen, er blieb, wo er war.
Viele Male wurde er gezupft, dann auf ihn eingeredet, aber er blieb halsstarrig bei seiner Weigerung und stehen, wo er stand. Er sagte zu Raden Suwungrasa: »Junge, überrede mich nicht, das Haus zu verlassen, denn in dem Hauspfosten sitzt ein Spion.«
Raden Suwungrasa sagte nichts weiter, er legte ihm eine Kette um den Hals und zog ihn mit aller Macht hinter sich her.
Als sie im Walde waren, ließ er den Hund frei, damit er das Wild aufjagte – aber, paßt auf! kein einziges Wild wurde emporgescheucht. Der Hund blieb stocksteif bei seiner Weigerung und verlangte nach Haus zurück, da er um Frau und Kind besorgt war.
Da wurde Raden Suwungrasa so wütend, daß er sein Messer zog, einen Hieb nach dem Kopfe des Hundes führte und ritsch! ratsch! ihm den Kopf abschlug.
Darauf schnitt er Blangwajungjang das Herz heraus und brachte es seiner Mutter; doch sagte er die Unwahrheit, als er ihr erzählte, es wäre das Herz eines Rehs.
Als solches wurde es denn auch angenommen und in gewohnter Weise zubereitet und gekocht.
Da die Mutter nun sehr beschäftigt und in Anspruch genommen war, um ein Stückchen erst genau zu kosten, fragte er seine Mutter, wie es denn schmecke; und sie antwortete, daß es sehr schön schmecke und sie wohl merke, daß es ein Rehherz wäre.
Darauf erzählte Raden Suwungrasa ihr, daß es in Wirklichkeit ein Hundeherz wäre, und zwar das Herz von Blangwajungjang. Er hätte ihm den Hals abgeschnitten, denn als er ihn hätte mit auf die Jagd nehmen und das Wild hetzen wollen, hätte er sich geweigert.
Die Mutter raste und tobte; sie spie das Fleisch, das sie im Munde hatte, aus, gab dem Sohn mit dem Wasserschöpfer einen Schlag auf den Kopf und schrie wütend: »Es war ja dein Vater, dein eigener, leiblicher Vater, dieser Hund!«
Das ausgespiene Fleisch wurde zu Ungeziefer – noch heute lebt der Name von Tjandi Situma fort, eines Platzes im Westen des Hofes von Simpar, der in alter Zeit von Bäumen umstanden war, die voll Läusen wimmelten.
Der Leichnam von Blangwajungjang verwandelte sich in einen Gebang-Baum.
Als Sang Suwungrasa vernommen hatte, daß er der Sohn eines Hundes war, und begriff, daß er dadurch untilgbare Schande auf sich geladen hatte, zog er sich zurück. Er floh aus dem Walde der Mutter, schweifte umher und ließ sich schließlich, um sich zu kasteien, in einer Wüstenei nieder; und mit der Zeit brachte er es durch seine Buße so weit, daß er mit allen Geistern umgehen konnte und als ihr Freund und Blutsbruder galt.
Die verschiedensten Panditen waren seine Lehrmeister.
Dewi Sepirasa war nach dem Verschwinden ihres Sohnes ratlos: Blangwajungjang war tot; ihr Sohn verschwunden; nur die Wildnis um sie herum, die war geblieben.
Drum brach sie aus ihrem Walde auf und beschloß, sich an einen Panditen zu wenden, der als Wahrsager einen großen Ruf hatte. So kam sie denn zufällig nach der Einsiedelei von Ki-adjar ni Gunung-Padang.
Als der Einsiedler sie fragte, was sie von ihm begehrte, antwortete sie, daß sie auf der Suche nach ihrem Sohn wäre. Der Pandit setzte ihr darauf auseinander, daß sie in diesem Falle noch einige Tage warten müßte, dann aber würde sie – und der heilige Mann konnte dies als Prophet wissen – höchstwahrscheinlich ihrem Sohne begegnen.
Gehorsam blieb die Prinzessin da.
Nicht lange darnach – gerade waren die Tage verstrichen, von denen der Pandit gesprochen hatte – bekam der Einsiedler Besuch. Es war ein Jüngling, der darum bat, von ihm als Lehrling aufgenommen zu werden.
Auf Befragen des heiligen Mannes erzählte er, daß er aus Wana Simpar stammte und Raden Suwungrasa hieße.
Die Mutter erkannte in dem Jüngling auch wirklich ihren Sohn wieder.
Sie wollte ihm in die Arme fliegen, doch der Pandit hielt sie zurück. Für den Augenblick mußte sie sich bescheiden, und die Begegnung fand nicht statt.
Raden Suwungrasa hatte aber sogleich gemerkt, daß der Pandit eine Magd besaß, und bei Gelegenheit ließ er denn ein Wörtchen fallen, daß er die Magd wohl zur Frau haben möchte.
Der heilige Mann wendete ein, daß er sich deswegen erst einmal mit der Prinzessin besprechen müßte, obschon er sehr wohl wußte, – dank der Mitteilungen durch den Geist der Vorsehung – welche Widerwärtigkeiten diese Liebe im Gefolge haben sollte.
Als er daher mit der Prinzessin über die Heirat sprach, sagte sie ihm rund heraus, daß sie nicht wollte, denn sie hätte deutlich genug gesehen, daß der Jüngling ihr eigener Sohn wäre. Um das Gespräch nun in andere Bahnen zu lenken, gab der Pandit ihr den Rat: »Wißt Ihr was,« sagte er, »wenn Ihr dem Jüngling wirklich nicht gewogen seid, dann stellt ihm als Vorbedingung für die Heirat eine Aufgabe, die er unmöglich erfüllen kann.«
Gesagt, getan. – Die Prinzessin gab ihm folgendes auf: »Wenn Raden Suwungrasa über den Senggarung- Fluß einen Damm und ferner ein Boot bauen kann, und dies alles in einer einzigen Nacht fertig bekommt, dann will ich seine Frau werden. Die Begegnung von Braut und Bräutigam soll auf dem neuerbauten Boote mitten auf dem Senggarung-Fluß stattfinden, und zwar unbedingt, bevor das erste Tageslicht erscheint.«
Der Pandit war darüber höchst vergnügt – seine List mußte ja glücken – und teilte Raden Suwungrasa die Aufgabe mit, die ihm die Prinzessin gestellt hatte.
Raden Suwungrasa fühlte sich seiner Sache sicher und antwortete, es würde alles so ausgeführt werden, wie die Prinzessin es begehrte.
Er sagte seinen Zauberspruch her, und auf einen Schlag erschienen sämtliche Geister der Insel Java, um den Auftrag auszuführen.
Genau auf Mitternacht waren Damm und Boot fertig.
Der Fluß behielt noch eine schmale Öffnung, durch die das Boot gebracht wurde, um ins Wasser gelassen zu werden.
Als die Prinzessin merkte, daß die Arbeit ihrer Vollendung entgegenging, begab sie sich zum Panditen.
»Hochwürdiger Herr,« so redete sie ängstlich, mit Tränen in den Augen, »wie ist dies nur möglich? Die Aufgabe, die ihm als Vorbedingung gestellt wurde, kommt ja tatsächlich zur Ausführung. Das Boot ist fertig. Der Damm ist fast geschlossen. Die Steine, welche den Fluß abschließen sollen, liegen schon bereit. Seid doch auf ein Mittel bedacht, hochwürdiger Herr, die Ausführung zu verhindern. Denn, glaubt mir, Raden Suwungrasa ist wirklich mein Sohn – sorgt, daß die Heirat nicht zustande kommen kann.«
Der Klausner hatte Mitleid mit der Prinzessin und sagte: »Wohlan, hole mir etwas Bast vom Laban- Baum.«
Die Prinzessin brachte ihn.
Darauf kaute der Einsiedler auf dem Baste, murmelte eine Beschwörung und spie den zerkauten Bast viermal aus.
Und sieh‘ da, infolge der Zauberkraft des Klausners brach mit einem Male, es war noch Nacht, die Sonne durch die Wolken und vertrieb die Geister, welche Raden Suwungrasa bei der Arbeit geholfen hatten.
Als Raden Suwungrasa sie die Flucht ergreifen sah, machte er sich ebenfalls auf und davon und wandte sich ostwärts, denn der Auftrag der Prinzessin konnte ja nun doch nicht zu Ende geführt werden. Er ließ sich schließlich im Walde von Temu-ireng nieder, sonderte sich von allen ab und betete inständig, daß es ihm doch noch einmal vergönnt sein möchte, der Gemahl der Prinzessin zu werden.
Nachdem ihr Sohn verschwunden war, nahm auch Dewi Sepirasa Abschied von dem Panditen, wie sie zu ihm sagte, ihren Sohn aufzuspüren.
Der Klausner gab ihr seinen Segen, und sie ging fort.
Nach vielen Wanderungen kreuz und quer durchs Land kam sie auch nach Temu-ireng. Sie begegnete Raden Suwungrasa, aber erkannte ihn nicht; auch Raden Suwungrasa wußte nicht, daß seine Mutter vor ihm stand …
Und nun wird erzählt, daß sie Mann und Frau und sehr glücklich wurden. Sie bekamen drei Söhne: Raden Lembu-manguntur, Raden Lembu-peteng und Raden Lembu-limunan. Und wie ich schon sagte, war das eine Ehe, eine Ehe … etwas Schöneres läßt sich nur knapp vorstellen …
Aber eines Tages lausten sie sich gegenseitig ab; sie waren sehr eifrig bei der Sache, als die Prinzessin plötzlich an der Stirn ihres Mannes eine kleine Narbe bemerkte.
Eine fürchterliche Ahnung stieg in ihr hoch: » … Bin ich etwa die Gattin meines eigenen Sohnes?« – Genug, sie zog ihre Finger aus den Locken von Suwungrasa und sank in verzweifeltem Schmerze nieder.
»Liebe Frau, was fehlt dir?« fragte er besorgt, »daß du mit einem Male aufhörst? …«
»O, sei nicht böse,« antwortete sie, »wenn ich eine Frage an dich richte … aber sage mir auch die Wahrheit … Du hast da eine Narbe an der Stirn, woher hast du die?« –
»Ach,« antwortete ihr Mann, »die habe ich von meiner Mutter, Dewi Sepirasa, bekommen; sie gab mir einstmals einen Schlag mit einem Wasserschöpfer, weil ich sie mit einem Hundeherzen, das ich von der Jagd mitbrachte, anlog und sagte, es wäre ein Rehherz. Darauf lief ich fort und habe mich hier nun unter dem Namen Gebe Temu-ireng niedergelassen, denn ich war sehr bange, daß meine Mutter mich wiederfinden würde.«
»So, so, und wo mag deine Mutter nun wohl sein,« fragte die Prinzessin.
»Ich denke mir,« versetzte ihr Mann, »daß ein Tiger sie schon lange geholt hat, denn ich ließ sie ganz allein im Walde zurück, und in dem Walde gab es viele Ungeheuer.«
Darauf schrie die Prinzessin laut auf, fiel auf den Boden hin, zerschlug sich die Brüste und klagte: »O, Dewa Jang Djagad, wie grausam, wie furchtbar grausam hattest du mich mit allen Widerwärtigkeiten des Lebens bedacht – und nun muß ich zuletzt noch erkennen, daß ich das Weib meines eigenen Sohnes wurde!«
Ki Gede-ireng erschrak, doch begriff er noch nicht, was eigentlich los war, und fragte: »Aber sag‘ doch, weshalb weinst du denn?«
»Mein Junge, Temu-ireng,« klagte sie, »so wisse denn, daß ich, die ich hier am Boden liege, deine Mutter bin! Die dir den Schlag auf den Kopf gab, war ich! Von mir rührt die Narbe her, an der ich dich jetzt als mein eigenes Kind erkennen muß. Nun wirst du verstehen, daß wir auf keinen Fall länger beisammen sein dürfen. Es ist am besten, ich verlasse dich. Auf den Bergen will ich Buße tun und die Dewas um Vergebung anflehen. Doch bevor ich gehe, höre noch meine letzten Wünsche. Wenn ich fort bin, sorge du, dann die Kinder und die künftigen Kindeskinder dafür, daß sobald ihr ein Opfermahl von Reis und Fleisch herrichtet, dann setzt die Gerichte nicht sogleich auf Bambustellern vor, sondern eine Schüssel davon zuerst auf die Schlafstätte und streut feine Asche vom Herdfeuer d’rum herum; bedeckt die Schüssel dann mit einem schönen weißen Tuch, und wenn ihr dann nach einer Weile in der Asche die Fußspuren eines Hundes bemerkt, dann dürft ihr die Gerichte den Gästen bringen, und sie dürfen sich zum Schmausen niedersetzen.
Richtet ihr eine Opfermahlzeit, ein hadijat, aus, wenn eins unserer Kinder oder Enkel Hochzeit hält, und ihr einen Büffel, eine Kuh, ein Schaf oder dergleichen schlachtet, dann sorgt dafür, daß der Kopf des geschlachteten Tieres mit Blumen geschmückt und beweihraucht wird.
Sobald die männlichen und weiblichen Familienältesten eintreffen, dann müssen die Familienältesten, welche das Fest und das Opfermahl ausrichten, mit den Angekommenen die liru sambut-Zeremonie begehen: der Gastgeber reicht der weiblichen Familienältesten, die als Gast erscheint, die Hand, und die Wirtin macht es ebenso mit dem männlichen Familienältesten. Darauf begeben sie sich Hand in Hand nach dem Platze, wo der geschmückte Kopf des Schlachttieres ausgestellt ist.
Dort verrichten sie siebenmal vor dem Kopfe den sembah, und sobald dies geschehen ist, kann männiglich sich zum Essen und Trinken hinsetzen und alles seinen Gang gehen.
Wenn nun jemand das Zeitliche gesegnet hat, dann sollt ihr eine Holzpuppe anfertigen lassen, die dem Verblichenen möglichst ähnlich ist. Die zieht an, so, wie der Verstorbene zu Lebzeiten gekleidet war. Die angezogene Puppe legt darauf auf die Schlafstätte des Toten hin und setzt Opferspeisen davor hin, Reis, Fleisch und warmes Wasser, soviel euch gut dünkt. Die Opferspeisen müssen vierzig Tage stehen bleiben und dürfen nur ausgewechselt werden, wenn sie zu riechen beginnen. Sind die vierzig Tage verstrichen, dann verbrennt die Puppe zu Asche und verteilt sie, damit sie als Schutzmittel gebraucht wird.
War der Verstorbene reich, dann darf die Verbrennung der Puppe mit Festlichkeiten verbunden werden, Gamelanspiel darf erschallen, und die Freunde und Blutsverwandten sollen dazu eingeladen werden.«
Nachdem Dewi Sepirasa diese Wünsche ausgesprochen hatte, begab sie sich fort und ließ sich als Büßerin beim Siputri-Wasserfall am Pedes-Flusse nieder. Dort blieb sie bis an ihr Lebensende.
Dann wurde sie unter die Geister aufgenommen.
Als die Mutter fort war, verließ Ki Gebe Temu- ireng seine Wohnstätte und schuf mit seinen drei Söhnen die Niederlassung von Wana-Kalang im Gebiete von Tjomal, aus der dann im Laufe der Zeit die Desa Kalang wurde.
Die Desa wurde später geteilt. Jeder Teil erhielt sein eigenes Oberhaupt, den Kelang-wetan und den Kelang-kulon.
Im allgemeinen wurden schöne Menschen in diesen Desas geboren; aber alle waren gezeichnet: – bei allen ragte das Steißbein um Daumeslänge hervor und sah wie ein Schwanz aus.
Auch nahmen sie eine Gewohnheit an, die man wirklich als unsittlich bezeichnen muß: Eltern, Blutsverwandte von Kindern gingen untereinander Ehen ein und vermischten sich, wie es beim Vieh Brauch ist.
Kehren wir aber noch einmal zu unserer Erzählung zurück.
Sang Trenggiling mentik, die Assel, wurde nach Blangwajungjangs Tode wirklich zum König der Tiere gemacht und in großem Gepränge von allen Tieren, groß und klein, auf einem Elefanten umhergeführt.
Als der Zug unter dem Gebang-Baum anlangte, der aus dem Leichnam von Blangwajungjang emporgewachsen war, da fiel der Baum um, ohne daß jemand wußte, wie es geschah.
Er fiel auf den Elefanten, der sich aufbäumte. Trenggiling mentik fiel zu Boden und wurde von dem Elefanten zertrampelt.
Alle Tiere liefen davon und gelobten, daß ihre Nachkommen sich niemals in die Nähe eines Gebang- Baumes wagen oder bei ihm Unterschlupf suchen sollten.
Davon leitet sich der Gebrauch her, daß man beim Übernachten im Walde aus Gebang-Blättern ein Band flechtet, sich damit umgürtet und es um den Platz ausbreitet, wo man sich zum Schlafen niederlegt.
Damit ist die Geschichte aus.

[Paul Hambruch, Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde, Märchen der Welt]

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content