Es war einmal ein Mann der weit im Norden lebte. Genau in jenem Teil Norwegens, den man noch heute die Finnmark nennt. Eines Tages fing dieser Mann einen Eisbären und er beschloss, den Eisbären dem König von Dänemark als Geschenk zu bringen. Also machte er sich mit dem Eisbären auf den Weg. Nachdem er bereits ein gutes Stück des Weges zurückgelegt hatte, brach früh die Dämmerung herein und er beschloss für sich und den Eisbären eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Als er nicht weit von sich eine Holzhütte sah, hinter deren Fenster ein Licht brannte, ging er auf sie zu und klopfte an die Tür. Es war das Haus von Halvor und der Zufall wollte es, das sich die Geschichte von der ich hier berichte, sich genau am Julabend zutrug. Für jene von euch, die nicht wissen was mit dem Julabend gemeint ist, sei auch dieses Geheimnis gelüftet. So nennt man in Norwegen den Weihnachtsabend. Und wie bei uns in Deutschland, ist auch Norwegen an diesem Abend der Tisch mit vielerlei Köstlichkeiten und gutem Essen reichlich gedeckt. Nachdem der Mann mit seinem Eisbären um eine Unterkunft gebeten hatte, antwortete Halvor voller Entsetzen: „Um Gottes Willen. Ich würde euch ja gerne helfen! Aber am Julabend kommen immer so viele Trolle zu uns ins Haus, das wir selber flüchten müssen und die ganze kalte Nacht im Wald verbringen müssen und selber kein Dach über dem Kopf haben!“ „Ach, da macht euch mal keine Sorgen guter Mann. Deswegen kannst du mich ruhig bei dir übernachten lassen. Ihr könnt ruhig die Nacht im tiefen Wald verbringen, ich aber kann ja im Alkoven schlafen und der Bär hinter dem Ofen.“ Wobei ich anmerken möchte, das man unter dem Wort Alkoven einen Bett ähnlichen Platz über dem Ofen versteht, ähnlich einer Schlafnische, wie man sie auch heute noch in alten Bauernhäuser von Russlands vorfindet. Halvor war zunächst sehr skeptisch. Auch wollte er nicht, das seinem späten Gast womöglich von den Trollen ein Leid angetan wurde. Der Mann mit dem Eisbär aber redete so lange auf Halvor ein, bis dieser schließlich einwilligte. Danach ging Halvor mit seiner Familie in den tief verschneiten Wald, während sein Gast mit dem Eisbär das Haus betrat. Drinnen war es angenehm warm und der Tisch war festlich gedeckt. Halvor und seine Familie hatten den Tisch überaus reichlich gedeckt um die Trolle friedlich zu stimmen. Da standen Julgrütze, eine Kanne voller köstlichen Rahm, gelauchter Kabeljau, ein selbst gebackenes und noch warmes Brot und verschiedene Sorten von Wurst. Es dauerte auch nicht lange und zu vorgerückter Stunde kamen die ersten Trolle. Einige waren groß, dick und stark behaart und andere klein. Manche von ihnen hatten einen dicken, kugelrunden Bauch und wieder andere ein dickes Hinterteil, während wieder andere keins hatten. Dann wieder gab es Trolle mit einer langen Nase, während andere wieder einen richtigen Nasenstumpen in der Gesichtsmitte hatten der sehr an eine zu groß geratene Kartoffel erinnerte. Aber wie sie auch aussahen, alle langten voller Heißhunger zu und ließen es sich gut schmecken. Das Geschmatze, Geschlürfe und Gelächter war so laut, das man es noch bis tief in die nordischen Wälder hören konnte. Nur der fremde Gast und sein Eisbär bekamen davon nichts mit. Denn von ihrem langen Fußmarsch waren sie redlich müde und schnell und ermüdet in einen tiefen Schlaf gefallen. Plötzlich bemerkte eines der Trollkinder den Eisbären hinter dem Ofen und bestaunte es voller Neugier. Dann ging es flugs zum Tisch, nahm eine Wurst, steckte sie auf einen Spies und briet diese über dem offenen Feuer des Ofen. Mit dem Spies in der Hand ging das Trollkind schließlich voller Übermut wieder zu dem schlafenden Eisbär und hielt dem ahnungslosen Tier die Wurst so nah unter die dicke Nase, das diese angesenkt wurde. Dabei lachte das kleine Trollkind voller Freude und rief laut: „Willst du eine Wurst haben? Du süße große Katze!“ Da fuhr der Eisbär wütend und mit lautem Brummen hoch und jagte alle Trolle aus dem Haus. Am nächsten Morgen waren noch so viele Köstlichkeiten da, das nicht nur der Gast mit seinem Eisbären genug zu essen hatten, sondern auch Halvor und seine Familie, die sich nach ihrer Rückkehr sehr wunderten, weshalb von all den Speisen noch so viel übrig geblieben war, das die Trolle einige scheinbar gar nicht angerührt hatten? Nachdem der Gast mit seinem Eisbär das Haus verlassen hatten und ein weiteres Jahr ins Land gegangen war, begab es sich, das Halvor wieder am Nachmittag des Julabend in den Wald zog um Holz für den Julabend zu besorgen, während seine Frau bereits den Tisch zum Abendessen festlich deckte. Halvor war gerade dabei einen weiteren Baum für sein Brennholz zu fällen als er seinen Namen rufen hörte: „Halvor! Halvor!“ Erstaunt hob Halvor seinen Kopf, blickte sich um und antworte: „Ja? Was ist denn?“ Denn nur einige Meter von ihm entfernt stand ein Troll und rief ihm zu: „Halvor? Hast du noch deine große weiße Katze die so laut und fürchterlich brummt?“ Da wusste Halvor Bescheid und antwortete mit einem fröhlichen Grinsen im Gesicht: „Ja natürlich! Die liegt unterm Ofen und hat inzwischen sieben Junge geworfen! Die sind schon größer und viel wilder als sie selbst!“ „Dann kommen wir nicht mehr zu dir!“ Rief der Troll ängstlich zwischen Bäumen hervor und verschwand im Unterholz. Seit jenem Tag haben die Trolle auf den festlich geschmückten Tisch von Halvor und seiner Familie verzichtet. Halvor, seine Frau und seine Kinder konnten von nun an jeden Julabend voller Freude ungestört genießen.
Quelle:
(Peter Christen Asbjørnsen, Jørgen Moe – Norwegen)