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Märchenbasar

Die kluge Diener

1.7
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Es war einmal vor langer Zeit, in einem weit entfernten Land, da lebte ein König, der immer mehr haben wollte, als man ihm gab und niemand konnte es ihm Recht machen.
Eines Tages kam ein neuer Diener ins Schloss, und als erstes sollte er dem König das Frühstück herrichten.
Doch als der König in sein Speisezimmer kam, standen dort nur ein Laib Brot, etwas Butter, ein Schüsselchen Salz und ein Becher mit Milch auf dem Tisch.
Da drehte sich der König mit einem Seufzen um und sagte zu dem Diener:
„Mein lieber Diener. Du bist noch neu, also kannst du es nicht wissen, aber ich bin der König und will ein anderes Frühstück. Ich brauche frisches Weißbrot, kräftiges Schwarzbrot, knackiges Knäckebrot, körniges Vollkornbrot, weiche Brötchen, knusprige Brezeln, duftende Croissants, leckeren Kuchen und süße Plätzchen. Dazu frische Butter, weich gekochte Eier, viel Erdbeermarmelade, ein wenig Johannisbeergelee, etwas Kirschkonfitüre, goldgelben Honig, ein paar Scheiben Schnittkäse, ein Töpfchen Streichkäse, mehrere Sorten Wurst, ein bisschen leckere Leberwurst und kalten Braten. Trinken möchte ich heute frisch gepressten Orangesaft und Tee und Kaffee mit Zucker und Sahne. Außerdem esse ich nur von goldenen Tellern mit goldenem Besteck und ich möchte auch jeden Morgen die Zeitung vorgelesen bekommen.“
Beschämt senkte der Diener den Kopf und lief gleich los, um alles nach den Wünschen des Königs herzurichten.
Nach dem Essen sagte der König, dass er jetzt gerne ein Bad nehmen wolle und der Diener musste sofort losgehen und alles dafür vorbereiten. Als der König dann aber das Badezimmer betrat, war es dort ziemlich kalt. Er sah nur einen hölzernen Waschzuber in der Mitte des Raumes und daneben lagen auf einem kleinen Hocker ein Stück Kernseife und ein raues Handtuch.
Sofort rief der König den Diener zu sich und sagte: „Nein, so kann ich nicht baden. Ich bin der König! Soll ich etwa erfrieren? Mach zuerst das Feuer im Kamin an. Und dann möchte ich meine silberne Badewanne. In diesem Holzding kann ich mich doch gar nicht ausstrecken. Außerdem ist das Wasser viel zu kalt. Ich brauche warmes Wasser. Dann möchte ich noch meine goldene Rückenbürste und Lavendel-, Rosen- und Kräuterseife. Die riechen sehr gut. Der Boden ist mir auch viel zu kalt. Da hole ich mir ja eine Erkältung. Bring mir meinen flauschigen Badvorleger und ein weiches Handtuch. Für den Kopf will ich auch noch ein Handtuch. Hinterher brauche ich natürlich noch meine Creme für den Körper, die Creme für mein Gesicht und meinen seidenen Bademantel. Außerdem will noch mein Rosenduftwasser, mein Rasierwasser mit Veilchenduft und der Frisör soll auch kommen. Er muss mich rasieren und mir die Haare richten. Wenn du das alles erledigt hast, kannst du meine Kutsche kommen lassen, ich will spazieren fahren.“
Bedrückt schlich der Diener davon. Er wollte doch gerne alles so machen, dass der König mit ihm zufrieden war, aber bis jetzt war alles falsch gewesen.
Als der König dann fertig angezogen und frisiert aus dem Bad kam und aus seinem Schloss ging, um spazieren zu fahren, stand nur eine einfache Kutsche da. Allerdings hatte der Diener die schönsten schwarzen Pferde des Königs einspannen lassen, die er hatte finden können und er hatte auch eine seidene Decke mit aufgestickter Krone auf die Sitzbank gelegt.
Doch der König war schon wieder nicht zufrieden. „Ich bin der König!“, schimpfte er den Diener. „Ich kann doch nicht in dieser Kutsche spazieren fahren! Was sollen denn meine Untertanen denken? Wo ist meine goldene Staatskutsche? Und wer hat die schwarzen Pferde eingespannt? Meine Kutsche wird nur von den vier prächtigsten weißen Pferden im Stall gezogen. Und wo sind meine goldene, diamantenbesetzte Krone, mein Zepter und der Reichsapfel? Die brauch ich doch. Außerdem will ich meinen schönen, warmen Hermelinmantel und meine gefütterten Stiefel, es ist nämlich sehr kalt. Geh und hol sie mir und dann bereite mein Abendessen.“
Traurig lief der Diener los, um dem König die gefütterten Stiefel, den schönen, warmen Hermelinmantel, die goldene, diamantenbesetzte Krone, das Zepter und den Reichsapfel zu bringen. Er hatte wieder alles falsch gemacht. Dafür würde er sich aber beim Abendessen ganz besonders anstrengen und dem König das Beste auftischen, das er kannte.
Abends kam der König von seinem Ausflug zurück und freute sich schon sehr auf sein Abendessen, denn er war sehr hungrig. Im Speisezimmer hatte der Diener in der Zwischenzeit die goldenen Teller des Königs gedeckt. Auf dem Tisch standen ein herrlich duftender Braten und Kartoffeln, dazu ein geschliffenes Weinglas und eine große Karaffe rubinroter Wein.
Doch der König war wieder nicht zufrieden. „Ich glaube, du wirst es nie lernen“, seufzte er. „Ich bin der König! Das ist doch kein Abendessen für jemanden wie mich! Ich möchte gefüllte Pasteten essen, köstliche Suppen schlürfen, herrliche Braten, frisches Wild, knuspriges Geflügel und gebratenen und gebackenen Fisch genießen. Dazu esse ich nur Klöße oder frisches Brot, aber niemals Kartoffeln! Und als Nachspeise möchte ich dann Schokoladenpudding, Erdbeereis, Sahnetorte, frische Feigen und süße Datteln. Außerdem gehört zum Essen immer Musik. Wo sind die Musikanten, die mich mit ihren schönen Melodien unterhalten? Geh und hol sie her! Danach kannst du mein Bett vorbereiten.“
Sofort lief der Diener los, um alles in Ordnung zu bringen.
Als der König gegessen hatte und sich zur Ruhe begeben wollte, kam der Diener und führt ihn in ein Schlafzimmer, in dem ein einfaches Bett stand.
„Was soll ich denn nur mit dir machen?“, rief der König böse. „Ich bin der König! Wie kannst du es nur wagen, mich in dieses Zimmer zu führen? Ich möchte in mein eigenes Schlafgemach. Dort steht mein schönes, großes Himmelbett mit den Samtvorhängen. Und ich kann doch nicht mit nur einem Kissen schlafen. Ich möchte viele kleine Kissen und ein großes, weiches Federbett mit Seidenbezug. Außerdem muss es mit einer Wärmflasche vorgewärmt sein. Geh jetzt und mach es morgen besser.“
Weinend verließ der Diener das Zimmer und ging in seine Kammer. Er hatte den ganzen Tag lang alles nur falsch gemacht. Traurig schlief der Diener ein.
Am nächsten Morgen wurde er noch vor dem Hahnenschrei vom Kammerherrn des Königs geweckt. „Steh auf! Der König ist krank und du musst einen Arzt besorgen.“
Sofort stand der Diener auf. Er wollte schon den Leibarzt des Königs holen, aber da fiel ihm ein, wie es ihm gestern ergangen war und er machte sich sofort auf den Weg.
Der König lag unterdessen in seinem Bett und krümmte sich vor Schmerz. Sein Kopf tat ihm weh, im Bauch zwickte und zwackte es und der große Zeh zuckte.
„Wo bleibt denn bloß der Diener mit dem Arzt?“, fragte er seinen Kammerherrn, aber der wusste es auch nicht. Der König wartete und wartete und es ging ihm immer schlechter. Endlich, es war schon später Nachmittag, kam der Diener in das Schlafgemach des Königs.
„Wo warst du denn nur so lange?“ fragte der König böse, „Ich bin der König und ich habe furchtbare Schmerzen.“
„Verzeiht mir bitte,“ sagte der Diener und senkte den Kopf. „Aber ich habe so schnell gehandelt wie ich nur konnte. Ich habe euch alle Ärzte besorgt, die ich nur auftreiben konnte. Den Leibarzt, den Wundarzt, den Nervenarzt, einen Augenarzt, einen Zahnarzt, einen Tierarzt, eine Hebamme, einen Kinderarzt, einen Wunderheiler, einen Medizinmann, ein Kräuterweiblein und den Totengräber.“
Die Augen seiner Majestät waren mit jedem Wort des Dieners größer worden. Der Diener hatte wirklich jeden Arzt aufgezählt, den es in seinem Reich gab. Keinen einzigen hatte er vergessen.
Als der Diener mit reden fertig war, begann der König zu lachen.
„Wahrlich, du bist mir einer. Du bist ein schrecklicher Diener, einfach zu nichts zu gebrauchen, aber trotzdem, du bist klug. Erst du hast mir gezeigt, was passieren kann, wenn man immer mehr will, als man bekommt. Du sollst ab sofort mein königlicher Berater sein.“
So war aus dem neuen Diener, der alles falsch gemacht hatte und doch so klug war, einer der wichtigsten Männer des Landes geworden.‌

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